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  • · Fachbeitrag · Stiftungsreform

    Verlustausgleich muss erleichtert werden

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR und FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung, PricewaterhouseCoopers AG WPG, Kassel

    | Ende letzten Jahres hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ ihren Bericht zur Novelle des Stiftungsrechts vorgelegt. Dieser Beitrag beleuchtet den diskutierten Änderungsbedarf im Steuerrecht. |

    1. Ehrenamtsstärkungsgesetz muss erst einmal „wirken“

    Vonseiten der Verbände sei angeregt worden, die steuerlichen Rahmenbedingungen für die zeitnahe Mittelverwendung sowie Rücklagen- und Vermögensbildung für Stiftungen zu verbessern. Mit dem Ehrenamtsstärkungsgesetz seien diese jedoch, auch mit Blick auf die besondere Finanzsituation der Stiftungen, bereits verbessert worden. Zudem stellten sie nach Ansicht des BMF und der beteiligten Landesfinanzministerien auch eine ausgewogene und den Anforderungen der Stiftungen entsprechende Basis für ihre Tätigkeit dar. Die Forderungen nach weiteren Verbesserungen seien nach einvernehmlicher Auffassung der Mitglieder der Arbeitsgruppe daher jetzt verfrüht, da die Wirkungen der verbesserten steuerlichen Regelungen erst am 1.1.14 in Kraft getreten seien und sich noch nicht vollumfänglich hätten entfalten können.

     

    Beachten Sie | Nach meinem Eindruck haben steuerbegünstigte Stiftungen mittlerweile ‒ immerhin dreieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes ‒ bereits eine Reihe von Erfahrungen sammeln können.

     

    Mögliche steuerliche Änderungen in diesem Bereich seien im Übrigen auch vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebots, z. B. gegenüber Vereinen, problematisch. Diesem Argument fehlt die Überzeugungskraft:

     

    • Erstens wäre es möglich, Stiftungen und Vereine gleichermaßen noch stärker steuerlich zu privilegieren. Damit läge auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.

     

    • Zweitens unterscheiden sich Stiftungen diametral von Vereinen. Sie erfüllen ihre satzungsgemäßen Zwecke im Wesentlichen mit ihren Erträgen aus dem Stiftungsvermögen, während Vereine stärker vom persönlichen Engagement ihrer Mitglieder abhängen. Dieser Unterschied rechtfertigt auch ‒ in gewissen Grenzen ‒ eine unterschiedliche steuerliche Behandlung und dies besonders wegen der anhaltenden Niedrigzinskrise (von einer „Phase“ lässt sich kaum noch sprechen).

    2. Wiederauffüllung von Vermögensverlusten

    Die Mehrheit der Mitglieder der Arbeitsgruppe halte die Einführung einer Pflicht zur Wiederauffüllung von Vermögensverlusten insbesondere durch spätere Erträge für geboten (dazu Theuffel-Werhahn, SB 17, 155).

     

    In Zeiten niedriger Zinsen seien Erträge ohne gewisse Risiken nicht zu erzielen. Daher könne es auch bei einer vorsichtigen Vermögensanlage zu Verlusten kommen. Werde eine Pflicht zur Wiederauffüllung des Vermögens eingeführt, ergäben sich bei gemeinnützigen Stiftungen jedoch Konflikte mit steuerrechtlichen Vorgaben.

    3. Wiederauffüllung zurzeit nur in engen Grenzen zulässig

    Nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO müsse eine Körperschaft, um als gemeinnützig anerkannt zu werden bzw. zu bleiben, ihre Mittel zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden (Ausnahme: Rücklagen- und Vermögensstärkung, § 62 AO). Dies ist erfüllt, wenn die Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet würden. Durch die Vorschrift solle verhindert werden, dass steuerbegünstigt erworbene Mittel angesammelt, ohne tatsächlich für steuerbegünstigte Zwecke eingesetzt zu werden. Die Bildung von Rücklagen und Vermögen solle die Ausnahme bleiben.

     

    Erlaubt sei zwar die Verwendung der Mittel für die Anschaffung oder Herstellung von Vermögensgegenständen, die satzungsmäßigen Zwecken dienten, dies stelle § 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 2 AO klar. Eine Verwendung zu satzungsgemäßen Zwecken sei jedoch nur der Fall bei einem Einsatz im ideellen Bereich oder in Zweckbetrieben, nicht hingegen bei einem Einsatz in der Vermögensverwaltung oder in wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben (wGB).

     

    § 55 AO erlaube es also nicht, reduziertes Vermögen durch Erträge wieder aufzufüllen. Anders verhalte es sich mit der freien Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO. Diese dürfe wahlweise sowohl in das Vermögen als auch in die zeitnah zu verwendenden Mittel aufgelöst, aber auch dauerhaft beibehalten werden. In die freie Rücklage dürften jedoch höchstens ein Drittel des Überschusses aus der Vermögensverwaltung und darüber hinaus höchstens zehn Prozent der sonstigen zeitnah zu verwendenden Mittel eingestellt werden.

    4. Spezialregelung für Stiftungen bei Vermögensverlusten

    Die Arbeitsgruppe erörterte, ob es Stiftungen abweichend von § 55 AO ermöglicht werden sollte, Verluste bei dem Vermögen, das zu erhalten sei, wieder durch Erträge aufzufüllen.

     

    Beachten Sie | Insoweit geht es hier nicht um die „Verbrauchsstiftung“, für die ohnehin stiftungszivil- als auch steuerrechtlich Besonderheiten gelten.

    Es bestünde Einigkeit, dass eine generelle Ausnahme vom Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung für Stiftungen nicht wünschenswert wäre. Auch ihnen sollte die Thesaurierung von Erträgen nicht unbeschränkt gestattet sein.

     

    Schon zivilrechtlich werde die sog. „Selbstzweckstiftung“, die allein auf die Mehrung ihres eigenen Vermögens gerichtet sei, als unzulässig angesehen. Aber auch die Verschiebung der Zweckerreichung auf einen zu weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt sei nicht wünschenswert.

     

    Beachten Sie | Eine „Selbstzweckstiftung“ hortet ihre Erträge, d. h., sie stehen nicht mehr für satzungsmäßige Zwecke ‒ die altruistisch sein können, aber nicht müssen ‒ zur Verfügung. Da es wesensbestimmend für eine Stiftung ist, ihre satzungsgemäßen Zwecke zu erfüllen, widerspräche eine „Selbstzweckstiftung“ diesem Verständnis und ist deshalb nicht anerkennungsfähig. Sämtliche Erträge auf unbestimmte Zeit zu sparen, ist aber ein Extrem, das hier überspitzt wurde und sich deshalb für die Begründung nicht eignet.

     

    Als Alternative habe die Arbeitsgruppe kontrovers über eine Vorschrift diskutiert, nach der eine Körperschaft vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung befreit werden könne, wenn sie gesetzlich dazu verpflichtet sei, Erträge zu thesaurieren.

     

    Beachten Sie | Typisches Beispiel ist die „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“. Weitestgehend vergleichbar unterscheidet sie sich von einer GmbH dadurch, dass sie kein Mindeststammkapital von 25.000 EUR benötigt, sondern bereits mit 1 EUR Stammkapital errichtet werden kann. Um die UG (haftungsbeschränkt) im Laufe der Zeit an eine GmbH heranzuführen, ist in ihrer Bilanz eine gesetzliche Rücklage zu bilden und in diese Rücklage ein Viertel des Jahresüberschusses einzustellen (Pflicht zur Thesaurierung). Erhöht die UG (haftungsbeschränkt) ihr Stammkapital so, dass es den für eine GmbH erforderlichen Betrag des Mindeststammkapitals von 25.000 EUR erreicht oder übersteigt, ist sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verpflichtet, die gesetzliche Rücklage weiter aufzufüllen. Eine UG (haftungsbeschränkt) kann selbstverständlich auch als „steuerbegünstigt“ anerkannt werden.

     

    Verfüge die Stiftung über Rücklagen, die im Einklang mit § 62 AO geschaffen worden seien, wären zunächst mit diesen die Verluste auszugleichen. Zivilrechtlich gäbe es dann keine Pflicht zur Thesaurierung. Sei es dagegen zu Vermögensverlusten gekommen, die sich nicht durch die Auflösung von Rücklagen kompensieren ließen und sei die Stiftung aufgrund der Vorschriften zum Vermögenserhalt zur Wiederauffüllung des Vermögens verpflichtet, sollte die Thesaurierung auch steuerrechtlich zugelassen werden.

     

    Innerhalb der Arbeitsgruppe habe sich keine Einigkeit über die Frage erzielen lassen, ob eine solche Ausnahme vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung für Stiftungen zugelassen werden sollte. Das BMF habe die Auffassung vertreten, dass eine solche Ausnahmeregelung exklusiv für Stiftungen kein verfassungsrechtlich zwingender Reflex auf die vorgeschlagene stiftungsrechtliche Verpflichtung zum Verlustausgleich in § 82 Abs. 3 S. 3 BGB neu sei.

     

    Nach Auffassung des BMF begründe eine solche Vorschrift keine Verpflichtung, das Grundstockvermögen bedingungslos aufzufüllen. Der Stiftung werde es freigestellt, in welchem Zeitraum sie ihr Vermögen wiederauffülle. In einer solchen Verpflichtung sei keine Belastung zu erkennen, die eine Erleichterungsregelung im Gemeinnützigkeitsrecht zwingend rechtfertigte.

     

    Zudem sei es bereits jetzt möglich, Rücklagen zu bilden und Mittel einzuwerben. Die Regelungen im AEAO zu § 55 erlaubten einen Ausgleich von Verlusten aus der Vermögensverwaltung mit zeitnah zu verwendenden Mitteln.

     

    Checkliste / Voraussetzungen für Verlustausgleich in der Vermögensverwaltung

    • Regel: Verwendung von Mitteln des ideellen Bereichs (z. B. Mitgliedsbeiträge, Spenden, Zuschüsse, Rücklagen) Gewinnen aus Zweckbetrieben oder wGB und des entsprechenden Vermögens für Vermögensverwaltung, z. B. zum Ausgleich eines Verlusts, sind grundsätzlich unzulässig.
    • Ausnahme: Dem ideellen Bereich flossen in den sechs vorangegangenen Jahren Gewinne aus der Vermögensverwaltung in mindestens gleicher Höhe zu („Rückgabe früherer, durch das Gemeinnützigkeitsrecht vorgeschriebener Gewinnabführungen“).
    • Verlust in der Vermögensverwaltung unschädlich, wenn nur durch Abschreibungen auf gemischt genutzte Wirtschaftsgüter entstanden (unter weiteren Voraussetzungen, vgl. Nr. 5 i.V.m. Nr. 9 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AEAO).
    • Ausgleich des Verlusts in der Vermögensverwaltung mit Mitteln des ideellen Bereichs zudem unschädlich, wenn
      • Verlust auf einer Fehlkalkulation beruht,
      • Stiftung innerhalb eines Jahres dem ideellen Bereich wieder Mittel in entsprechender Höhe zuführt und
      • die zugeführten Mittel zum Verlustausgleich nur aus späteren Gewinnen in der Vermögensverwaltung, wGB oder aus Umlagen und Zuschüssen, die dafür bestimmt sind, geleistet werden, jedoch nicht z. B. aus steuerbegünstigten Spenden.
    • Zulässig ferner: Aufnahme eines betrieblichen Darlehens zum Verlustausgleich, aber Tilgung und Zinsen für das Darlehen dürfen ausschließlich aus dem Bereich Vermögensverwaltung geleistet werden.
    • Achtung, Sonderproblem: Es ist darauf zu achten, dass die Darlehensaufnahme nicht die Einordnung von Vermögensverwaltung hin zu wGB ändert.
    • Darlehen darf auch mit der Belastung von Vermögen des ideellen Bereichs gesichert werden, z. B. Eintragung einer Grundschuld.
     

    Darüber hinaus könnten Stiftungen Spenden für den Vermögensstock einwerben. Derartige Zuwendungen seien bereits vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung ausgenommen.

     

    Beachten Sie | Es stellt sich die Frage, was geschieht, wenn der Versuch scheitert, weitere Mittel einzuwerben. Denn: Einwerbung setzt den Einsatz personeller Ressourcen voraus, was auch nicht jeder Stiftung gelingt. Sinn einer Stiftung ist es ja gerade, als verselbstständigte Vermögensmasse ihre satzungsgemäßen Zwecke allein aus dem Stiftungsvermögen zu erfüllen.

     

    Im Übrigen könnten Stiftungen in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten Rücklagen nach § 62 Abs. 1 AO für wirtschaftlich schwierige Zeiten bilden.

     

    Beachten Sie | Für viele Stiftungen besteht die Krux darin, dass in „wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten“ die Zweckerfüllung stärker und die Vermögenssorge weniger im Vordergrund steht. Dies mag aus Sicht der Finanzverwaltung kurzsichtig erscheinen, ist aber der philanthropischen Zielrichtung, der Orientierung am Gemeinwohlgedanken, geschuldet. Letztlich belohnt der Gesetzgeber gemeinnützige Körperschaften mit den steuerlichen Privilegien für deren am Gemeinwohl orientiertes Engagement. Im Sinne eines „Geben und Nehmen“ sollte die Finanzverwaltung jedenfalls, wenn sich Stiftungen ‒ z. B. wegen der niedrigen Zinsen ‒ schlimmstenfalls in ihrer Existenz bedroht sehen, etwas stärker entgegenkommen. Das Risiko für den Staat liegt anderenfalls in einem sinkenden Interesse an der Errichtung neuer Stiftungen, einer Art „Stiftungsmüdigkeit“.

     

    Das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung sei ein zentraler Grundsatz des Gemeinnützigkeitsrechts. Würde davon die von der Mehrheit der Arbeitsgruppe befürwortete Ausnahme für Stiftungen gemacht, so bestünde nach Auffassung des BMF die Gefahr, dass andere gemeinnützige Körperschaften eine gleichwertige Ausnahmeregelung anstrebten.

     

    Die überwiegende Mehrheit in der Arbeitsgruppe befürwortete demgegenüber eine solche Ausnahmeregelung zum Auffüllen von Verlusten im Grundstockvermögen. Sie sei der Überzeugung, dass es bei einer solchen Regelung nicht darum gehe, Stiftungen vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung auszunehmen. Ihr Ziel bestünde darin, die gemeinnützigkeitsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass Stiftungen ihre zivilrechtliche Pflicht zur Thesaurierung von Erträgen in einem absehbaren Zeitraum erfüllen könnten.

     

    Nur wenn die Verwendung der Erträge zur Auffüllung von Verlusten im Grundstockvermögen auch steuerrechtlich möglich sei, könne den Stiftungen eine zivilrechtliche Pflicht zum alsbaldigen Auffüllen des Grundstocks auferlegt werden. Dass eine entsprechende Thesaurierungspflicht für Stiftungen eingeführt werde, verpflichte den Gesetzgeber nicht, diese auch auf andere steuerbegünstigte Körperschaften auszudehnen.

     

    Vereine oder gemeinnützige GmbHs seien insoweit nicht mit steuerbegünstigten Stiftungen vergleichbar. Anders als die Körperschaften, die Mitglieder hätten und sich über die Beiträge der Mitglieder finanzierten, erfüllten Stiftungen ihre Zwecke regelmäßig aus ihrem Vermögen. Nur solange sie über Vermögen verfügten und damit Erträge erzielten, könnten sie ihre steuerbegünstigten Zwecke erfüllen.

     

    Sei das Vermögen verloren gegangen, habe die Stiftung ihre einzige Ertragsquelle verloren. Solange festverzinsliche sichere Anlageformen keine Erträge mehr brächten, sei es auch für Stiftungen unvermeidbar, erhöhte Risiken bei der Vermögensanlage einzugehen, um ordentliche Erträge erzielen zu können. Ließen sich Vermögensverluste nicht zügig durch Erträge ausgleichen, drohe eine Erosion des Vermögens, das Basis für die Zweckerfüllung sei.

     

    Dass steuerrechtliche Sonderregelungen für Stiftungen, die der besonderen Beziehung zwischen Stiftungszweck und Stiftungsvermögen als dem Mittel der Zweckerfüllung Rechnung trügen, möglich seien, zeige der zulässige Sonderausgabenabzug für Zuwendungen in den Vermögensstock einer Stiftung in Höhe von 1 Mio. EUR in einem Zeitraum von zehn Jahren.

     

    Auch diese Vorschrift trage der speziellen Rechtsform der Stiftung, die als mitgliederlose juristische Person zwingend auf ihr Vermögen zur Zweckerreichung angewiesen sei, Rechnung. Weder sei sie auf andere steuerbegünstigte Körperschaften ausgedehnt worden, noch habe sie dies müssen.

     

    FAZIT | Alle diese Überlegungen treffen zu und sind richtig. Mittelfristig wird das BMF seine Blockadehaltung aufgrund politischen Drucks ohnehin aufgeben müssen.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2017 | Seite 159 | ID 44765603