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  • · Fachbeitrag · Steuerberaterkosten

    Wertermittlungskosten einer Familienstiftung können als Sonderausgaben abzugsfähig sein

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR und FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung, PwC GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Kassel

    | Mit Urteil vom 14.2.17 (6 K 309/15, Abruf-Nr. 197815 ) entschied das FG München, dass Steuerberatungskosten einer Familienstiftung als Sonderausgaben zu berücksichtigen seien, soweit sie nicht schon als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig seien. Dies umfasse auch Kosten für Gutachten zur Verkehrswertermittlung von Grundstücken für Zwecke der Ersatzerbschaftsteuer, weil dies über eine bloße Sachverhaltsermittlung hinausgehe (Steuerberatungskosten i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG). |

    Sachverhalt

    Geklagt hatte eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit dem Zweck, das Vermögen der Stiftung und die Erträge hieraus entsprechend dem Stifterwillen zu verwalten, um laufende Zuwendungen an die Destinatäre vorzunehmen und die von den Stiftern aufgebauten Unternehmen zu erhalten und zu fördern. Zum Vermögen der Familienstiftung gehörten insbesondere Beteiligungen an operativ tätigen Regionalgesellschaften und Grundstücksgesellschaften. Das inländische Immobilienvermögen der grundbesitzenden Gesellschaften besteht vorwiegend aus Logistikzentren und Filialgrundstücken.

     

    In den Körperschaftsteuererklärungen 2003 und 2005 machte die nur nach Art. 16 bayerisches Stiftungsgesetz buchführungspflichtige Familienstiftung Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit der Erstellung einer Erbschaftsteuererklärung (Beratung, Gutachterkosten, Erstellung Steuererklärung) geltend. Die Immobilien der Grundstücksgesellschaften der Familienstiftung seien zum Betrieb von Logistikzentren und Lebensmittelfilialen an die Regionalgesellschaften vermietet. Zur Ermittlung des anteiligen Betriebsvermögens der Grundstücksgesellschaften habe die Familienstiftung in der Erbschaftsteuererklärung eine „Anlage Betriebsvermögen zur Erbschaftsteuererklärung“ für jede Grundstücksgesellschaft sowie für jedes zu bewertende Grundstück eine „Anlage Grundstückswert“ beigefügt.

     

    Darüber hinaus habe die Familienstiftung für den gesamten Grundbesitz Erklärungen zur Feststellung der Grundbesitzwerte abgegeben. Dabei habe die Familienstiftung für diverse Grundstücke den Ansatz des niedrigeren gemeinen Werts beantragt. Als Gutachter zur Ermittlung des jeweiligen Verkehrswerts hatte die Familienstiftung ein externes Unternehmen beauftragt.

     

    Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das FA fest, dass die Familienstiftung die Kosten für die Gutachten als Sonderausgaben geltend machte. Mangels Eintragungsmöglichkeit in den Steuererklärungen hatte die Familienstiftung diese Kosten berücksichtigt, indem für das Jahr 2003 ‒ saldiert ‒ Aufwendungen in nicht mitgeteilter Höhe angesetzt worden waren. Für das Jahr 2005 hatte die Familienstiftung ebenfalls Kosten als Minderung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst.

     

    Das Finanzamt (FA) gelangte zu der Auffassung, dass es sich bei den geltend gemachten Kosten um keine bei einer Körperschaft steuerlich abzugsfähigen Kosten handle und änderte die Steuerbescheide der Streitjahre 2003 und 2005 entsprechend. Diese Kosten stellten keine Betriebsausgaben, aber auch keine Sonderausgaben in Gestalt von Steuerberatungskosten (StB-Kosten) dar, da es sich bei der Erstellung von Verkehrswertgutachten nicht um Beratung in steuerlichen Angelegenheiten, sondern um die Feststellung eines Lebenssachverhalts und damit um eine Tatsachenfeststellung handle.

     

    Mit dem Einspruch gegen die Körperschaftsteuerbescheide machte die Familienstiftung weiterhin die StB-Kosten geltend. Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück.

    Entscheidungsgründe

    Das FG München hielt die Klage für begründet. Die von der Familienstiftung geltend gemachten Kosten für Gutachten zur Verkehrswertermittlung seien als StB-Kosten abziehbar.

     

    Kein „Konkurrenzverhältnis“ zwischen Erbschaftsteuer und Ertragsteuer

    Nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG seien StB-Kosten bis zum Veranlagungszeitraum 2005 als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie keine Betriebsausgaben seien. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterläge das Vermögen einer Familienstiftung in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung der Erbschaftsteuer (Ersatzerbschaftsteuer). Die Ersatzerbschaftsteuer sei nach dem Vermögen zu berechnen.

     

    Für die Familienstiftung sei Ersatzerbschaftsteuer entstanden. Die geltend gemachten Kosten für Gutachten zur Verkehrswertermittlung im Rahmen der Steuererklärung nach dem ErbStG stünden somit nicht im Zusammenhang mit der Ermittlung der Einkünfte der Stiftung und seien daher keine Betriebsausgaben.

     

    Nach der Rechtsprechung des BFH stünde einem Abzug von StB-Kosten bei der Einkommensteuer nicht entgegen, dass diese Kosten bei der Ermittlung des Nachlasswerts für die Erbschaftsteuer vermögensmindernd berücksichtigt worden seien oder berücksichtigt werden könnten. Ein „Konkurrenzverhältnis“, wonach ein Abzug von Kosten, die im Zusammenhang mit einer Erbschaftsteuererklärung entstünden, bei der Erbschaftsteuer vorzunehmen sei und dies einer Geltendmachung bei der Ertragsteuer entgegenstünde, sei dem Körperschafts- und Einkommensteuerrecht nicht zu entnehmen.

     

    StB-Kosten auch für Stiftungen als Sonderausgaben abziehbar

    StB-Kosten seien auch für Körperschaften nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Sonderausgaben abziehbar.

     

    Die Familienstiftung sei als Stiftung bürgerlichen Rechts eine Körperschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG. Das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen einer Kapitalgesellschaft bestimme sich gemäß § 8 Abs. 1 KStG nach den Vorschriften des EStG und des KStG. Es kämen grundsätzlich alle einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zur Anwendung, soweit sie nicht an natürliche Personen gebunden seien.

     

    Nach § 2 Abs. 4 EStG bestimme sich das Einkommen nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben. Dass das KStG den Begriff der Sonderausgaben nicht kenne, schließe aber auch nicht aus, dass es bestimmte, im Einkommensteuerrecht als oder wie Sonderausgaben behandelte Ausgaben zum Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte zulasse. § 10 EStG sei auch bei der Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens anwendbar. StB-Kosten einer Stiftung des privaten Rechts seien deshalb als Sonderausgaben zu berücksichtigen, soweit sie nicht schon als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig seien.

     

    Nach diesen Grundsätzen sei ein Abzug von StB-Kosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG auch bei einer Familienstiftung möglich.

     

    Richtlinien binden nur Verwaltung

    Der Verweis auf die Körperschaftsteuerrichtlinien stünde dem Abzug von StB-Kosten einer Stiftung nicht entgegen. Bei den Körperschaftsteuerrichtlinien handele sich um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung, die keine Rechtsnorm, sondern lediglich Ausdruck der Rechtsmeinung der Verwaltungsbehörde sei. Solche Verwaltungsanweisungen könnten ‒ soweit sie nicht der Bindung eines der Behörde durch Gesetz eingeräumten Ermessens dienten, was hier nicht der Fall sei ‒ weder eine mit Rechtsverordnungen vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen.

     

    Abzug als steuerliche „Subvention“

    Die Abzugsfähigkeit von StB-Kosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Sonderausgabenabzug nur gegeben sei, wenn das subjektive Nettoprinzip berührt werde und dies bei einer Kapitalgesellschaft nicht in Betracht komme.

     

    Tragende Grundwertung des § 10 EStG sei die Berücksichtigung einer durch bestimmte zwangsläufige Privatausgaben beeinträchtigte subjektiven Leistungsfähigkeit, die Berücksichtigung des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schütze nicht nur das sog. sächliche Existenzminimum. Auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall könnten Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein.

     

    § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. hingegen sei ein verfassungsrechtlich zulässiger, aber nicht zwingend gebotener „Subventionstatbestand“ gewesen. Dem Steuerpflichtigen sollte die Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten und die Wahrung seiner steuerlichen Rechte dadurch erleichtert werden, dass Aufwendungen für die Inanspruchnahme fremder Hilfe begünstigt wurden. Der Gesetzgeber hatte die seinerzeitige Einführung der Abzugsmöglichkeit denn auch nicht mit Leistungsfähigkeitsüberlegungen begründet, sondern damit, dass es „unbefriedigend“ sei, StB-Kosten für die private Einkommensteuer nicht abziehen zu können. Zusätzlich sei mit dem Abzugstatbestand ein Vereinfachungszweck verfolgt worden, weil eine Aufteilung in Betriebsausgaben/Werbungskosten einerseits und nicht abziehbare Aufwendungen andererseits entbehrlich werde.

     

    Danach sei das subjektive Nettoprinzip zwar für die Tatbestände des § 10 EStG tragend. Der Abzug von StB-Kosten bilde hierbei indes eine Ausnahme als steuerliche „Subvention“ von Ausgaben zur Erfüllung steuerlicher Verpflichtungen. Diesem Subventionszweck werde auch entsprochen, wenn eine Körperschaft wie die Familienstiftung für ihre Erbschaftsteuererklärung StB-Kosten geltend machen könne.

     

    Kosten für Verkehrswertgutachten als StB-Kosten

    Die Kosten für die Verkehrswertgutachten seien auch StB-Kosten i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Gemäß dem Normzweck sei der Begriff der StB-Kosten weit auszulegen und umfasse alle durch die Unübersichtlichkeit des Steuerrechts erwachsenden Beratungsleistungen im Zusammenhang mit dem Besteuerungsverfahren.

     

    Für die Erbschaftsteuer habe der BFH entschieden, dass Aufwendungen für ein Sachverständigengutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig und Beratungskosten im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuererklärung zugleich StB-Kosten i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG seien. Die Verwaltung sei dieser Auffassung gefolgt. Zu den StB-Kosten gehörten auch die Beantwortung der sich aus dem Bewertungs- und dem Erbschaftsteuerrecht ergebenden Fragen.

     

    Von diesen Grundsätzen ausgehend, seien die geltend gemachten Kosten StB-Kosten i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Der Familienstiftung seien die von ihr geltend gemachten Kosten für die Anfertigung der Erbschaftsteuererklärung samt den zugehörigen Anlagen zur Wertermittlung des Grundbesitzes sowie des Betriebsvermögens entstanden. Diese Zurechnungs- und Bewertungsfragen des erbschaftsteuerpflichtigen Vermögens gingen über eine bloße Sachverhaltsermittlung hinaus und gehören zu den StB-Kosten.

    Relevanz für die Praxis

    Steuerberatungskosten wurden bis Ende 2005 nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Sonderausgaben behandelt, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind. Mit dem Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.05 (BGBl I 05, 3682) wurde diese Möglichkeit ersatzlos gestrichen. Relevanz hat die hier besprochene Entscheidung daher für alle Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2005. Gleichwohl führen Sachverhalte wie dieser oft erst Jahre später im Rahmen einer Betriebsprüfung zum Streit zwischen Stiftung und FA. Betroffene Familienstiftungen können sich nun zu ihrer Verteidigung auf die hier besprochene Entscheidung berufen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 244 | ID 45014869