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  • · Fachbeitrag · Satzung/Gemeinnützigkeit

    Aufhebung nach § 60a Abs. 4 AO ‒ privatrechtliche Wirksamkeit einer Satzungsänderung maßgebend

    von Rechtsanwalt Dr. Matthias Uhl, Peters, Schönberger & Partner, München

    | Die Aufhebung eines Bescheides über die gesonderte Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 4 AO setzt eine nachträgliche Änderung der für die Feststellung erheblichen Verhältnisse voraus. Eine solche Änderung aufgrund einer Satzungsänderung tritt erst mit ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit ein. Das hat der BFH klargestellt. SB ordnet die Entscheidung in die gesetzlichen Regelungszusammenhänge ein und erläutert, wie sich das Urteil auf selbstständige Stiftungen des bürgerlichen Rechts auswirkt. |

    Satzungserfordernis und Steuervergünstigung

    Nach § 59 AO wird die Steuervergünstigung aufgrund der Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 AO) gewährt. Dazu ist es notwendig, dass sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Daneben muss die tatsächliche Geschäftsführung diesen Satzungsbestimmungen entsprechen.

     

    Formelle Satzungsmäßigkeit

    Damit eine Körperschaft als steuerbegünstigt behandelt werden kann, müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind. Dazu muss die Satzung die in der Anlage 1 zu § 60 AO bezeichneten Festlegungen enthalten (sog. formelle Satzungsmäßigkeit). So steht es in § 60 Abs. 1 AO, der seit dem 01.01.2009 eine gewisse Satzungsstrenge nahelegt. Denn die „Mustersatzung“ in Anlage 1 zu § 60 AO, die die „nur aus steuerlichen Gründen notwendigen Bestimmungen“ bezeichnet, ist seither mit Gesetzeskraft versehen (Uhl, SB 8/2020, 152 ff.).

     

    Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen

    An die Satzung von Gemeinnützigen stellt das Gesetz also besondere Anforderungen. Deren Vorliegen werden nach dem Regelungsregime in § 60a AO gesondert festgestellt. § 60a AO ist mit Wirkung vom 29.03.2013 durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz vom 21.03.2013 neu in die Abgabenordnung eingefügt worden.

     

    Ob eine Körperschaft über die sog. formelle Satzungsmäßigkeit verfügt, wird seither gemäß § 60a Abs. 1 AO durch das Finanzamt per Steuerbescheid gesondert festgestellt. Diese Feststellung ist für die Besteuerung der Körperschaft selbst, aber auch für diejenige der Steuerpflichtigen, die Zuwendungen in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen an die Körperschaft erbringen, bindend (§ 60a Abs. 1 S. 2 AO).

     

    Die Feststellung der Satzungsmäßigkeit erfolgt

    • 1. auf Antrag der Körperschaft oder
    • 2. von Amts wegen bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer, wenn bisher noch keine Feststellung erfolgt ist (§ 60a Abs. 2 AO).

     

    Nach § 60a Abs. 3 AO entfällt die Bindungswirkung der Feststellung ab dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Feststellung beruht, aufgehoben oder geändert werden.

     

    PRAXISTIPP | Aufgrund der hohen Bedeutung des Feststellungsbescheids sollten gemeinnützige Körperschaften vor jeder Satzungsänderung diese inhaltlich mit dem Finanzamt vorab abstimmen, um auf diese Weise eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ zu erhalten. In (Stiftungs-)Satzungen kann zur Absicherung der formellen Satzungsmäßigkeit auch vorgesehen werden, dass Satzungsänderungen stets nur dann zulässig sein sollen, wenn im Vorfeld eine Abstimmung mit dem Finanzamt stattgefunden hat.

     

    Aufhebung bei Änderung der Verhältnisse

    Das Finanzamt muss die Feststellung, dass die Satzung den Gemeinnützigkeitsvorgaben entspricht, aufheben, wenn sich Verhältnisse ändern, die für die Feststellung erheblich sind. Das regelt § 60a Abs. 4 AO. Als erheblich gelten auch steuerrechtlich relevante Änderungen der Satzung. Die Finanzverwaltung vertritt hier im Detail folgende Auffassung:

     

    • Für die Feststellung erheblich sind alle Bestimmungen, die für das Vorliegen der formellen Voraussetzungen nach §§ 51, 59, 60 und 61 AO bedeutsam sind (gemeinnützigkeitsrechtliche Bestimmungen). Dazu zählen nach AEAO Nr. 7 zu § 60a Abs. 4 AO z. B. die Änderung der Zwecke, die Anpassung an die Mustersatzung und die Änderung der Vermögensbindung.

     

    • Die bisherige Feststellung ist mit Datum des Inkrafttretens der Satzungsänderung aufzuheben, wenn eine Körperschaft gemeinnützigkeitsrechtlich relevante Bestimmungen ihrer Satzung ändert. Zivilrechtliche Änderungen ohne steuerliche Relevanz sollen unerheblich sein. Wird auf Antrag der Körperschaft bei steuerlich nicht relevanten Satzungsänderungen eine Feststellung vorgenommen, scheidet eine Aufhebung der vorherigen Feststellung aus (AEAO Nr. 7 letzter Abs. zu § 60a Abs. 4 AO).

     

    Um die Änderung der für die Feststellung erheblichen Verhältnisse aufgrund einer Satzungsänderung und den richtigen Zeitpunkt drehte sich aktuell der Streit vor dem BFH.

     

    BFH: Privatrechtliche Wirksamkeit der Satzungsänderung entscheidend

    Nach Ansicht des BFH tritt eine Änderung der für die Feststellung erheblichen Verhältnisse aufgrund einer Satzungsänderung erst mit deren privatrechtlichen Wirksamkeit ein (BFH, Urteil vom 23.07.2020, Az. V R 40/18, Abruf-Nr. 218659). Es ging um folgenden Fall eines eingetragenen Vereins (e. V.):

     

    • BFH-Fall: Satzungsänderung eines eingetragenen Vereins
    • Mit Bescheid vom 18.11.2014 hatte das Finanzamt festgestellt, dass die Satzung des e. V. den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts entspricht.
    • Im Februar 2015 erfuhr das Finanzamt, dass der Verein am 02.09.2014 eine Satzungsänderung beschlossen hatte und der Zweck geändert worden war, sodass er überwiegend nicht dem Wortlaut in § 52 Abs. 2 S. 1 AO entspricht.
    • Mit Schreiben vom 11.01.2016 wies das Finanzamt den e. V. darauf hin, dass diese Satzungsänderung am 26.01.2015 in das Vereinsregister eingetragen worden sei und die Satzung nicht mehr den steuerrechtlichen Anforderungen entspreche. Den Bescheid über die gesonderte Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a AO vom 18.11.2014 hat das Finanzamt dann mit gesondertem Bescheid vom 11.01.2016 wegen Änderung der Verhältnisse nach § 60a Abs. 4 AO mit Wirkung ab 02.09.2014 aufgehoben.
     

    Nach Ansicht des BFH ist es nicht richtig, den Bescheid über die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen mit Wirkung vom Zeitpunkt der Beschlussfassung des e. V. über die Satzungsänderung (hier: 02.09.2014) aufzuheben. Für eine rechtswirksame Satzungsänderung genügt nicht der Beschluss der Mitgliederversammlung. Vielmehr tritt eine Änderung der für die Feststellung erheblichen Verhältnisse aufgrund einer Satzungsänderung erst mit deren privatrechtlichen Wirksamkeit ein. Im Fall des e. V. bedarf es nach § 71 Abs. 1 S. 1 BGB der Eintragung der Satzungsänderung im Vereinsregister (hier erfolgt am 26.01.2015). Bis zu dieser Eintragung bildet die frühere Satzung den nach § 63 Abs. 1 AO auch gemeinnützigkeitsrechtlich bedeutsamen Rahmen für die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft.

     

    Wichtig | Eine klare Absage erteilte der BFH einer denkbaren Missbrauchsgefahr durch Zuwendungsbestätigungen, die im Zeitraum zwischen Beschlussfassung über eine Satzungsänderung und deren zivilrechtlicher Wirksamkeit ausgestellt werden. Diese hatte das Finanzamt angeführt.

     

    Konsequenz: Die vorinstanzliche Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 01.11.2018, Az. 8 K 11191/16, Abruf-Nr. 209072) hob der BFH auf; genauso auch den Bescheid des Finanzamts in Gestalt der Einspruchsentscheidung, mit dem das Finanzamt die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach §§ 51, 59, 60 und 61 AO des Vereins aufgehoben hatte.

     

    Wichtig | Der BFH äußerte sich nicht dazu, ob ein Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO unabhängig davon aufzuheben ist, ob die Änderungen steuerbegünstigungsschädlich sind. Das FG Berlin-Brandenburg hatte dies bejaht und war insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung gefolgt.

    Bedeutung in der Praxis für Stiftungen

    Die zentrale Aussage des BFH lautet: Eine Feststellung nach § 60a Abs. 4 AO ist erst mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben und setzt bei Satzungsänderungen deren privatrechtliche Wirksamkeit voraus. Diese auf das Vereinsrecht bezogene Aussage gilt auch für andere gemeinnützige Körperschaften wie die Stiftung des bürgerlichen Rechts.

     

    Bei Stiftungen ist Bekanntmachung der Genehmigung maßgebend

    Beschließen die Organe der Stiftung eine Satzungsänderung, so ist diese nach sämtlichen Landesstiftungsgesetzen von der Genehmigung der Stiftungsbehörde abhängig. Denn den Stiftungsbehörden obliegt die staatliche Obhut über die Wahrung des Stifterwillens (z. B. § 6 S. 1 BaWürttStG, Art. 5 Abs. 4 S. 1 BayStG, § 7 Abs. 3 S. 1 HambStG). Diese behördliche Genehmigung ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, der sich an die Stiftung und an deren Organe richtet (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.09.1984, Az. 10 S 1697/84, NJW 1985, 1573; VG Sigmaringen, Urteil vom 26.09.2006, Az. 9 K 483/06, Abruf-Nr. 218684; VG Gießen, Urteil vom 12.11.2013, Az. 8 K 818/13.GI, Abruf-Nr. 218685).

     

    PRAXISTIPP | Das bedeutet, dass die Satzungsänderung rechtswirksam ist, sobald die Genehmigung gegenüber der Stiftung bekannt gemacht worden ist. Bis zu dieser Bekanntmachung bildet die frühere Satzung den gemeinnützigkeitsrechtlichen Rahmen für die Geschäftsführung der Stiftung.

     

    Keine Auswirkung durch Reform des Stiftungsrechts nach aktuellem Stand

    Die Reform des Stiftungsrechts, wie sie bislang und zuletzt durch den am 28.09.2020 veröffentlichten Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ (Abruf-Nr. 218100) konzipiert wurde, würde sich auf die vorstehende Rechtslage nicht auswirken.

     

    Der Referentenentwurf (BGB-RefE) sieht zwar die Einführung eines Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung vor. In dieses Stiftungsregister sind nach § 85b BGB-RefE auch Satzungsänderungen durch den Vorstand zur Eintragung anzumelden. Dieser Anmeldung ist neben der Entscheidung der Stiftungsorgane die Genehmigung bzw. Entscheidung der Stiftungsbehörde über die Satzungsänderung sowie ein vollständiger Wortlaut der geänderten Satzung beizufügen. Die Eintragung der Satzungsänderung im Stiftungsregister soll aber keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Wirkung haben.

     

    Wichtig | Nach derzeitigem Stand bleibt es also dabei, dass die Satzungsänderung im Stiftungsrecht mit der Bekanntgabe der behördlichen Genehmigung wirksam wird. Denn die Registereintragung soll anders als bei Vereinen bei Stiftungen keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Satzungsänderung sein (siehe BGB-RefE, Begründung BT zu Art. 4 § 2 Nr. 8, S. 94).

     

    Wörtliche Übernahme der gesetzlichen Vorgaben weiter offen

    Im vorliegenden Fall äußerte sich der BFH nicht zu der Frage, ob die Vorgaben des Gesetzes zur satzungsmäßigen Gemeinnützigkeit wörtlich von der Satzung übernommen werden müssen. Der BFH wird jedoch in Kürze Gelegenheit erhalten, sich zu einer Entscheidung des FG Hessen zu äußern (Az. beim BFH: V R 11/20). Das FG hatte entschieden, dass aus § 60 Abs. 1 S. 2 AO nicht folgt, dass die Satzung einen oder mehrere der in § 52 Abs. 2 AO enthaltenen Zwecke wortwörtlich wiederholen muss (FG Hessen, Urteil vom 26.02.2020, Az. 4 K 594/18, Abruf-Nr. 215651, SB 8/2020, 152). SB wird die Entwicklung in der Rechtsprechung im Auge behalten und Sie darüber informieren.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 223 | ID 46967890