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  • · Fachbeitrag · Familienstiftung

    Erbersatzsteuer auch für nicht rechtsfähige Familienstiftungen

    von RAin und Fachanwältin für Steuer- und Sozialrecht Gabriele Ritter, Ritter & Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

    | Mit Urteil vom 25.5.16 hat das FG Köln (7 K 291/16, Abruf-Nr. 188956 ) entschieden, dass auch nicht rechtsfähige Familienstiftungen erbersatzsteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sein können. Für die steuerliche Gleichstellung mit den rechtsfähigen Familienstiftungen war für das Gericht bedeutsam, dass Träger der Stiftung eine öffentlich-rechtliche Körperschaft war. |

    1. Der Fall des FG Köln

    Die Satzung der 1858 errichteten Familienstiftung war Gegenstand eines längeren Rechtsstreits vor den Verwaltungsgerichten. Die Klägerin und Trägerin der nicht rechtsfähigen Stiftung, die Stadt K, wollte 1967 die vom Stifter niedergelegten Grundsätze zur Absicherung seiner Nachkömmlinge dahin gehend eingrenzen, dass nur noch bedürftige Nachkommen gefördert werden. Überschießende Mittel sollten den Kindern der Stadt K zugute kommen. Damit sollte die Stiftung gemeinnützig werden. Dies sahen die Verwaltungsrichter als unzulässige Zweckänderung an. Die aktuelle Satzung hat auszugsweise folgenden Inhalt:

     

    • Satzung der Stiftung

    § 1 Name, Rechtsform, Sitz

    (2) Die Stiftung T ist eine unselbstständige Stiftung öffentlichen Rechts in der Form der kommunalen/örtlichen Stiftung mit Sitz in K.

    (3) Die Stadt K ist Trägerin der Stiftung und verwaltet das Stiftungsvermögen als Sondervermögen treuhänderisch im Sinne des Stifters, des Stiftungsrechts sowie dieser Stiftungsverfassung.

     

    § 2 Stiftungszweck

    (1) Zweck der Stiftung ist die Förderung der Erziehung von Nachkommen christlicher Konfession der Kinder des Stifters durch Gewährung von Ausbildungsstipendien,

    (2) im Falle des Aussterbens der Nachkommenschaft ist die Förderung von Kindern, die in K ihren Erstwohnsitz haben, vorgesehen.

     

    § 7 Berechtigte Personen

    (1) Berechtigte Personen sind Kinder christlicher Konfession beiderlei Geschlechts aus der Nachkommenschaft der Kinder des Stifters: ….”

     

    Auf Aufforderung des beklagten Finanzamts reichte die Klägerin - ohne Anerkennung einer Steuerpflicht - am 1.10.14 für die Stiftung eine Steuererklärung zur Ersatzerbschaftsteuer ein. Der daraufhin erteilte Erbschaftsteuerbescheid wurde Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

    2. Was bezweckt die Erbersatzsteuer

    Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 unterliegt das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist (Familienstiftung), in Zeitabständen von 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes bestimmten Zeitpunkt der Erbschaftsteuer.

     

    Die mit der Erbschaftsteuerreform 1974 eingeführte Ersatzerbschaftsteuer soll verhindern, dass in Familienstiftungen gebundenes Vermögen auf Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird (BT-Drucksache 7/1333, S. 3). Zu diesem Zweck fingiert der Steuertatbestand in Abständen von je 30 Jahren einen Generationenwechsel, bei dem der Erblasser zwei Kinder hinterlässt.

     

    Dementsprechend gewährt das Gesetz ausgehend vom Vermögen der Stiftung (§ 10 Abs. 1 S. 6 ErbStG) den doppelten Freibetrag für Kinder und wendet die Steuersätze der Steuerklasse I mit dem Vomhundertsatz an, der für die Hälfte des steuerpflichtigen Vermögens gelten würde (§ 15 Abs. 2 S. 3 ErbStG). Die Ersatzerbschaftsteuer ist verfassungsgemäß (BVerfG BVerfGE 63, 312; BFH BFH/NV 10, 898).

    3. Wann liegt eine Familienstiftung vor?

    Ob eine Stiftung als Familienstiftung anzusehen ist, ist - so das FG - anhand des vom Stifter verfolgten Zwecks der Stiftung zu beurteilen. Die Bezeichnung durch den Stifter sowie die Einschätzung der Stiftungsaufsicht sind für die erbschaftsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich (BFH, a.a.O.). Entscheidend ist, wie der Stifter ihn objektiv erkennbar in der Satzung oder dem Testament zum Ausdruck gebracht hat.

     

    3.1 Vermögensinteressen einer Familie gewidmet

    Eine Stiftung ist im Interesse einer Familie errichtet, wenn sie deren Vermögensinteressen gewidmet ist. Zu den weit zu fassenden Vermögensinteressen gehören nicht nur

    • Bezugs- und Anfallsrechte, sondern

     

    • alle unmittelbaren oder mittelbaren, nicht notwendig in Geld bezifferbaren Vermögensvorteile, die die begünstigte Familie aus dem Stiftungsvermögen zieht (BFH, a.a.O.; BStBl II 98, 114).

     

    „Wesentlich” im Interesse einer Familie errichtet ist eine Stiftung, wenn das Wesen der Stiftung nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft darin besteht, es der Familie zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen, soweit es einer Nutzung zu privaten Zwecken zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge aus dem gebundenen Vermögen an sich zu ziehen.

    Gewährt die Satzung daneben auch Dritten Vermögensvorteile, ist eine wertende Gesamtschau aller Vermögensinteressen vorzunehmen. Dabei ist auf den Dreißig-Jahres-Zeitraum abzustellen (BFH, a.a.O.).

     

    3.2 Stiftung im Streitfall war Familienstiftung

    Nach diesen Grundsätzen war die Stiftung - so das FG Köln - in der maßgeblichen Zeit vom 1.1.84 bis zum Entstehen der Ersatzerbschaftsteuer am 1.1.14 (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 ErbStG) eine Familienstiftung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Gemäß allen in diesem Zeitraum geltenden Satzungen waren die Stiftungserträge ausschließlich den begünstigten Nachfahren des Stifters vorbehalten und wurden auch tatsächlich nur an diese ausbezahlt. Lediglich bei Aussterben dieser Nachkommen, bei „völligen Aussterben der Familie”, sollen die Erträge der Stiftung Bürgerkindern der Stadt K zugutekommen. Aufgrund dieses Stiftungszwecks und unter Berücksichtigung der (unstreitigen) Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Annahme der Stiftung 16 Enkel des Stifters vorhanden waren, ist davon auszugehen, dass die Stiftung „in ausschließlich privatem Familieninteresse” gegründet wurde und der „subsidiäre Verwendungszweck für die Bürgerkinder der Stadt K praktisch bedeutungslos” war (BFH BFH/NV 03, 868).

     

    Unerheblich ist in diesem Zusammenhang zunächst, ob die Stiftung letztlich dem privaten Recht zuzuordnen (BFH, a.a.O.) oder als nicht rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts anzusehen ist (so Urteile des OVG NRW DÖV 85, 983). Entscheidend ist bei der erbschaftsteuerrechtlichen Beurteilung vielmehr, dass die Stiftung aufgrund ihrer vom Stifter bewusst gewählten (praktisch) ausschließlichen Familienwidmung keinen „organischen Bestandteil der staatlichen Ordnung” bildet. Ihre Aufgaben fallen unabhängig von der tatsächlichen organisatorischen Ausgestaltung durch die Klägerin als Trägerin nicht in den „Funktionsbereich, die Sphäre der öffentlichen Verwaltung”, wie dies etwa im Bereich der Wohlfahrtspflege der Fall sein kann (BFH, a. a. O.).

     

    Auch die Anfallsberechtigung der vom Stadtrat zu bestimmenden gemeinnützigen Einrichtungen im Fall der Auflösung der Stiftung (§ 5 Abs. 2 der Satzung) stellt die Einordnung der Stiftung als Familienstiftung nicht infrage. Die Auflösung kommt nach den einschlägigen Satzungsbestimmungen in § 5 Abs. 2 nur in Betracht, wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks entweder unmöglich geworden ist oder das Gemeinwohl gefährdet. Vor diesem Hintergrund deutete während des Dreißig-Jahre-Zeitraum nichts auf eine Auflösung der Stiftung hin.

    4. Erbersatzsteuer für unselbstständige Familienstiftungen

    Nach Überzeugung des Senats können grundsätzlich auch nicht rechtsfähige Stiftungen, die keine eigene Rechtspersönlichkeit haben, Familienstiftungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sein. Ob letztlich eine Erbschaftsteuerpflicht einer unselbstständigen Stiftung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG besteht, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab.

     

    4.1 Auslegung

    Welche Art von „Stiftungen” bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen als Familienstiftungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG anzusehen sind, bestimmt das Gesetz nicht. Dies ist durch Auslegung der Norm zu ermitteln. Insoweit ist maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (BVerfG BVerfGE 79, 106, m.w.N.; BFH BStBl II 15, 483; BStBl II 11, 277), der aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalisch), aus dem Zusammenhang (systematisch), aus ihrem Zweck (teleologisch) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historisch) herauszustellen ist.

     

    Das Gericht ist der Überzeugung, dass die Entstehungsgeschichte und der Gesetzeszweck eindeutig für die Einbeziehung der nicht rechtsfähigen Stiftungen ist. Dies zumindest in den Fällen, in denen wie im Streitfall eine Körperschaft des öffentlichen Rechts Träger der Stiftung ist.

     

    4.2 Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte

    § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG wurde durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts - ErbStRG - vom 17.4.74 (BGBl. I S. 933), das mit Wirkung vom 1.1.74 in Kraft trat, eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden nur Vermögensübergänge bei Errichtung einer Stiftung, bei späteren Zuwendungen und bei Auflösung erbschaftsteuerlich erfasst. Eine wiederkehrende erbschaftsteuerähnliche Belastung von Stiftungen oder Familienstiftungen bestand nicht. Sie war von der Steuerreformkommission nicht erwogen worden (BVerfG, BStBl II 83, 779 unter Hinweis auf Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des BMF, Heft 17, Abschn. VII, Tz. 175 f.) und auch im Rahmen der sogenannten „großen Steuerreform” ursprünglich nicht vorgesehen. Erst in der parlamentarischen Beratung des Zweiten Steuerreformgesetzes (BT-Drucksache 7/78) wurde eine Besteuerung von Familienstiftungen befürwortet.

     

    Im zweiten Bericht des Finanzausschusses zu dem Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes (BT-Drucksache 7/1333) wurde eine wiederkehrende Erbschaftsbesteuerung von Familienstiftungen in Abständen von jeweils 30 Jahren, erstmals zum 1.1.78, vorgeschlagen und dazu angeführt, das Erbschaftsteuergesetz gehe davon aus, dass Vermögen im Generationswechsel einmal der Erbschaftsteuer unterworfen würden. Bei Kapitalgesellschaften sei dies durch die Besteuerung der Anteilseigner sichergestellt.

     

    Im Gegensatz hierzu bleibe das in Familienstiftungen gebundene Vermögen über Generationen hinweg erbschaftsteuerfrei, weil es keine Anteile an Familienstiftungen gebe und der Wechsel der aus der Familienstiftung Begünstigten erbschaftsteuerlich nicht erfasst werden könne. Familienstiftungen würden also nach dem geltenden Erbschaftsteuerrecht systemwidrig begünstigt (BT-Drucksache 7/1333, S. 3; BVerfG 8.3.83 2 BvL 27/81, BStBl II 83, 779). In der Einzelbegründung zu der Neuregelung heißt es u. a. wörtlich (BT-Drucksache 7/1333, S. 4):

     

    • Beseitigung von Steuervorteilen

    … Durch die Bindung des Vermögens in einer Familienstiftung oder einem entsprechenden Verein kann dieses zur Zeit der Erbschaftsteuer über Generationen entzogen werden. Mit der vorgesehenen turnusmäßigen Besteuerung des Vermögens in den Zeitabständen eines üblichen, mit 30 Jahre angenommenen Generationenwechsels wird der ungerechtfertigte Steuervorteil beseitigt.

     

    Mit § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, „Vermögen, die in Stiftungen verwaltet werden, künftig erbschaftsteuerlich ähnlich wie Vermögen zu belasten, das in anderen Formen behalten und organisiert wird”, (Porzner, BT-Prot 7/4121; Meincke, ErbStG, 16. Aufl., § 1 Rz. 13). Aus der Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte geht eindeutig hervor, dass mit der Norm Stiftungsvermögen besteuert werden soll, das ansonsten nicht der ErbStG unterläge (vgl. Meßbacher-Hönsch in: Götz/Meßbacher-Hönsch, eKomm, Stand: Juni 2016, § 1 ErbStG Rz. 33). Es soll verhindert werden, dass Vermögen, das im Generationswechsel der Erbschaftsteuer unterworfen ist, durch Einbringung in eine Stiftung über viele Generationen hinweg vererbt werden kann, ohne dass eine Erbschaftsteuer anfällt (Huonker, BT-Drucksache 7/5115; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Stand: 2015, § 1 Rz. 37).

     

    4.3 Keine Regelungslücke

    Die Gefahr, dass Familienvermögen über Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird, besteht nicht nur bei einer rechtsfähigen, sondern kann, je nach der konkreten Ausgestaltung, auch bei einer nicht rechtsfähigen Stiftung bestehen. Soweit im Schrifttum die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auf nicht rechtsfähige Stiftungen mit dem Argument abgelehnt werde, dass bei einer nicht rechtsfähigen Stiftung ja bereits der jeweilige Rechtsträger (natürliche Person) oder der oder die Anteilseigner (juristische Person) von der Erbschaftsteuer erfasst würden, werden die Konstellationen wie im Streitfall außer Acht gelassen.

     

    Wird nämlich das dem Familienzweck gewidmete Vermögen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zugewandt, fehlt es ebenso wie bei einer rechtsfähigen Stiftung an einer natürlichen Person oder einem Anteilseigner, auf den die Erbschaftsteuer zugreifen könnte. Auch in diesen Fällen bleibt das in einer (nicht rechtsfähigen) Familienstiftung gebundene Vermögen über Generationen hinweg erbschaftsteuerfrei.

     

    Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber dieser Konstellationen nicht bewusst war und deshalb insoweit eine Regelungslücke bestände. In diesem Zusammenhang ist vor allem von Bedeutung, dass die Einsetzung einer öffentlich rechtlichen Körperschaft als Träger einer nicht selbstständigen Stiftung keine neue Erscheinung ist, die dem Gesetzgeber bei Einführung der Neuregelung 1974 nicht bekannt gewesen sein könnte. Wie sich gerade auch aus dem Urteil des Reichsgerichts vom 24.6.16 (V 137/16, RGZ 88, 335, 339) ergibt, war dies offensichtlich eine rechtliche Gestaltung, die bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts so geläufig war, dass sie vom Reichsgericht bei seiner Einordnung einer nicht rechtsfähigen Stiftung als Stiftung im rechtlichen Sinne besonders hervorgehoben wurde.

     

    Beachten Sie | Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache hat der erkennende Senat des FG Köln die Revision zugelassen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum wesentlichen Familieninteresse als Beurteilungsmaßstab, Weisheit, SB 10, 128
    Quelle: Ausgabe 12 / 2016 | Seite 222 | ID 44389405