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  • 29.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188956

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 13.06.2016 – 3 Sa 24/16


    Tenor:
    1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.11.2015, Az.: 8 Ca 1104/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.


    2. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreites streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 14.07.2015 nach Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls wegen sexueller Belästigung unter Alkoholeinfluss im Rahmen einer betrieblichen veranlassten Veranstaltung.



    Der 1968 geborene Kläger ist geschieden, einem Kind unterhaltsverpflichtet und bei der Beklagten seit dem 01.10.1992 als Chemiefacharbeiter zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 3.467,20 EUR beschäftigt. Bei der Beklagten sind mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt; es besteht ein Betriebsrat.



    Am 26.09.2012 war der Kläger zu einem Fehlzeitengespräch von der Beklagten geladen worden. Dabei räumte er ein, dass bei ihm eine Alkoholerkrankung vorliegt. Das Gesprächsprotokoll, das insoweit gefertigt wurde, hat unter anderem folgenden Wortlaut:

    "Herr A. wurde darauf hingewiesen, dass er zu den Ursachen seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten keine Aussagen machen muss, er diese jedoch freiwillig tätigen kann. Herr A. wurde ebenso darauf hingewiesen, dass seine freiwillig getätigten Aussagen in einer Gesprächsnotiz festgehalten werden, ihm eine Kopie der Gesprächsnotiz ausgehändigt werden wird und er sich mit seiner Unterschrift auf der Einwilligungserklärung mit der Dokumentation und der Speicherung in dem dafür vorhandenen IT-System einverstanden zeigt. Herr A. zeigte sich mit der beschriebenen Verfahrensweise einverstanden. Bei Herrn A. liegt eine Alkoholerkrankung vor. Er war bereits zweimal auffällig und wurde in Gesprächen am 11.08.2011 und am 09.05.2012 dazu gehört und es wurde Herrn A. Hilfsangebote unterbreitet. Herr A. lehnte die Hilfsangebote von Seiten der D ab und berichtete, dass er seine Suchterkrankung "im Griff" habe. Er sei durch eine Hypnosebehandlung von seiner Sucht befreit worden. Auf die Frage, ob es sonst noch Probleme im persönlichen Bereich gebe, gab Herr A. an, dass er weder finanzielle noch sonstige Probleme habe. Er habe sich zwar von seiner Freundin getrennt und sei auch von ihr weggezogen, aber dies stelle für ihn kein Problem dar. Jetzt aktuell hat Herr A. seinen Autoführerschein, bedingt durch Alkoholkonsum, verloren. Herr A. gab zwar im Gespräch eine "Begründung" für den Verlust des Führerscheines an und betonte, dass er weiterhin seine Alkoholerkrankung im Griff habe, doch die D muss hier handeln. Es wurden folgende Punkte mit Herrn A. vereinbart: - Herr A. wechselt ab 01.10.2012 von W. zu N. (mit Ausgleichszahlung von der D) - Herr A. wird sich mit Frau Z. (Fachärztin der med. Abteilung) in Verbindung setzen und dort regelmäßig Kontakt halten - Herr A. wird sich Alkoholuntersuchungen in unregelmäßigen Abständen bei der medizinischen Abteilung unterziehen - Herr A. wird Kontakt zur Sozialberatung der D aufnehmen (Telefon-Nr.) - Herrn A. wurde die Auflage nach der BV 56 auferlegt, d. h. er muss künftig am 1. Tag seiner Arbeitsunfähigkeit einen Arzt aufsuchen und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen Es wurde Herrn A. verdeutlicht, dass dies keine "Strafen" sind, sondern wir auf diesem Weg Herrn A. helfen wollen. Herr A. wurde auch aufgeklärt, dass er bei einem weiteren Alkoholvorfall mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen muss. Ihm wurde die BV 85 erklärt. Wenn eine Therapie/Rehamaßnahme notwendig sein sollte, bekommt Herr A. die volle Unterstützung seiner Abteilung und hat keine Nachteile zu befürchten."



    Der Kläger lehnte gleichwohl Hilfsangebote der Beklagten ab, wie in dem Gesprächsprotokoll festgehalten, und teilte mit, dass er seine Alkoholerkrankung im Griff habe. Er sei infolge einer Hypnosebehandlung von seiner Sucht befreit worden.



    Der Kläger reiste am Sonntag, dem 16.11.2014 zu einem einwöchigen Gesundheitsförderungsseminar im Aktivhotel der Beklagten im Hochschwarzwald an. Am Abend begab er sich in die "XY-stube", wo er mit anderen Mitarbeitern der Beklagten zusammensaß. Dabei konsumierte der Kläger Alkohol. In der XY-stube befand sich auch Frau BR., die als externe Referentin im Auftrag der Beklagten zu dem Seminar angereist war.



    Gegenüber dem Betriebsrat hat die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 11.12.2014 den weiteren Verlauf dieses Abends wie folgt dargestellt:

    ""Herr H. (= der Kläger) ist, deutlich angetrunken, gegen 23:00 Uhr an den Tisch in der XY-stube gekommen, an dem Frau BR. saß. Zuerst hat er Frau BR. gegenüber lallend Aussagen wie: "Sie wollen es doch auch, alle Frauen wollen es mit mir, ich will dich haben" gemacht. Frau BR. hat Herrn H. daraufhin mehrfach und bestimmt zurechtgewiesen. Im Anschluss hat Herr H. Frau BR. zuerst am Arm und dann am Kopf tätlich angegriffen und Bedrohungen ausgesprochen ("Ich will dich ficken"; "Du Schlampe"). Mehrfach hat er auch mit beiden Fäusten auf den Tisch geschlagen."



    Daraufhin eilten die Männer von dem Tisch, an dem der Kläger zuvor gesessen hatte, herbei und schrien den Kläger an, er solle jetzt endlich ins Bett gehen. Sie zerrten ihn weg und brachten ihn zu seinem Hotelzimmer.



    Am Morgen des 17.11.2014 trafen sie der Kläger und Frau BR. beim Frühstücksbuffet. Frau BR. fragte ihn, ob er sich an den Vorfall überhaupt erinnern könne. Darauf erwidert der Kläger, dass er sich an alles erinnere. Gegen 8.15 Uhr wurde dem Kläger in einem Gespräch mitgeteilt, dass er aufgrund seines Fehlverhaltens abreisen müsse. Vor seiner Abreise beglich er noch die Rechnung aus der XY-stube über ca. 35,00 EUR. Dabei handelte es sich um etwa 10 Weizenbiere sowie 5-6 Weinschorlen. Am Tisch des Klägers waren am Vorabend auch Runden ausgegeben worden.



    Frau BR. fühlte sich durch den Vorfall sehr bedroht. Auch noch einen Tag nach dem Vorfall war sie sehr verunsichert und führte mehrere Gespräche mit der anwesenden Psychologin zum Umgang mit dem Geschehenen."



    Nach seiner Rückkehr begab sich der Kläger in ärztliche Behandlung. Seit dem 17.11.2014 war er arbeitsunfähig erkrankt. Am 02.12.2014 begann er in der Stadtklinik F., Psychiatrische Abteilung, auf der Suchtstation eine ambulante Suchttherapie. Ein ärztliches Attest vom 11.12.2014 bescheinigt dem Kläger, dass eine Alkoholabhängigkeit vorliegt und dass er aus nervenärztlicher Sicht therapiefähig ist.



    Die Beklagte hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 18.12.2014 fristlos, vorsorglich fristgemäß zum 30.06.2015 aus verhaltensbedingten und hilfsweise aus personenbedingten Gründen gekündigt.



    Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Ludwigshafen erhoben, die unter dem Aktenzeichen 8 Ca 2279/14 anhängig war; das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat dieser Kündigungsschutzklage durch Urteil vom 01.07.2015 - 8 Ca 2279/14 - vollumfänglich stattgegeben; die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.12.2015 - 3 Sa 335/15 - zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig, nach dem das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 02.06.2016 - 2 AZN 295/16 - die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.12.2015 - 3 Sa 335/15 - auf ihre Kosten als unzulässig verworfen hat.



    Im Zeitraum vom 01.06.2015 bis 24.08.2015 befand sich der Kläger in einer stationären Alkoholtherapie, welche er erfolgreich abgeschlossen hat.



    Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 05.06.2015 wurde das Fehlverhalten des Klägers gegenüber der externen Referentin vom 16.11.2014 mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen geahndet. Der Strafbefehl hat u. a. folgenden Inhalt:

    "Strafbefehl Die Staatsanwaltschaft legt Ihnen folgenden Sachverhalt zur Last: Am 16.11.2014 hielten Sie sich im Rahmen eines Mitarbeiterseminars im A.-Hotel der D in Br. auf. Am Abend gegen 23.00 Uhr sprachen Sie in der sogenannten XY-stube des Hotels in erheblich angetrunkenem Zustand die Geschädigte BR., welche als Referentin an dem Seminar teilnahm, mit den Worten an: "Sie wollen es doch auch, alle Frauen wollen es mit mir, ich will Dich haben". Als Frau BR. Sie daraufhin entschieden zurechtwies und aufforderte, ins Bett zu gehen, packten Sie ihren linken Unterarm, drückten so fest zu, dass Frau BR. Schmerzen empfand, zogen sie zu sich heran und sagten laut, so dass es die Umsitzenden hören konnten: "Ich will Dich ficken!". Als Frau BR. Sie daraufhin entrüstet zurückwies und auch die ebenfalls als Referentin anwesende Zeugin Dr. P. Sie nochmals aufforderte, zu Bett zu gehen, schlugen Sie mit den Fäusten mehrfach auf den Tisch und beschimpften die Geschädigte BR. mit den Worten "Du Schlampe". Dann standen Sie auf und packten die Geschädigte BR. am Kopf. In jenem Moment wurden Sie von anderen Seminarteilnehmern zurückgezogen. Außer den Schmerzen erlitt Frau BR. am Unterarm leichte Kratzer. Über Nacht hatte Sie leichte Kopfschmerzen und Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt. Zu Ihren Gunsten wird davon ausgegangen, dass infolge Ihrer starken Alkoholisierung Ihre Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Sie werden daher beschuldigt, im Zustand verminderter Schuldfähigkeit durch eine rechtliche Handlung eine andere Person körperlich misshandelt und beleidigt zu haben. strafbar als Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung gem. §§ 223 Abs. 1, 185, 194, 52, 21 StGB .... Gegen Sie wird eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen verhängt. Der Tagessatz wird auf 30,00 EUR festgesetzt. Die Geldstrafe beträgt somit insgesamt 900,00 EUR. Sie haben auch die Kosten des Verfahrens und Ihre Auslagen zu tragen. Dieser Strafbefehl wird rechtskräftig und vollstreckbar, soweit Sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung bei dem vorstehend bezeichneten Amtsgericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch erheben ..."



    Mangels Einspruch des Klägers ist der Strafbefehl rechtskräftig geworden.



    Am 01.07.2015 erfuhr die Beklagte, dass die Staatsanwaltschaft Freiburg beim Amtsgericht Titisee-Neustadt einen Strafbefehl gegen den Kläger beantragt hat. Die Klägerprozessbevollmächtigte erklärte im Kammertermin am 02.07.2015, dass gegen den Strafbefehl kein Einspruch eingelegt worden war.



    Das Arbeitsgericht Ludwigshafen gab der Kündigungsschutzklage in diesem Kammertermin am 02.07.2015 - 8 Ca 2279/14 - statt.



    Mit Schreiben vom 09.07.2015 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur erneuten außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Sie begründete diese Kündigung wie folgt:

    "...Herr H. wurde damit für seine Vergehen am 16.11.2014 gegenüber der externen Referentin Frau BR. als "schuldig" anerkannt und ist nun vorbestraft. ... D (= die Beklagte) stützt die Kündigung ... nicht mehr allein auf die vorgeworfene Tat ..., sondern zusätzlich auf das mit der diesbezüglichen strafrechtlichen Verurteilung verbundene Unwerturteil als neue Tatsache. ...".



    Der Betriebsrat erhob mit Schreiben vom 13.07.2015 Bedenken gegen die beabsichtigte fristlose Kündigung und widersprach der beabsichtigten hilfsweisen ordentlichen Kündigung.



    Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.07.2015 erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die Kündigung wurde durch Boten am 14.07.2015 an der Wohnungstür des Klägers dem 12-jährigen Sohn seiner Lebensgefährtin ausgehändigt.



    Nach dem erstinstanzlichen Urteil vom 02.07.2015 im Vorprozess arbeitet der Kläger seit dem 05.10.2015 wieder in seiner ursprünglichen Einheit bei der Beklagten.



    Der Kläger hat vorgetragen,



    er stelle den ordnungsgemäßen Zugang der Kündigung in Abrede. Im Übrigen handele es sich bei der streitgegenständlichen Kündigung um eine unzulässige Wiederholungskündigung.



    Der Kläger hat beantragt:

    1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 14.07.2015 zum 14.07.2015 bzw. 31.12.2015 beendet worden ist. 2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Chemiefacharbeiter weiter zu beschäftigen.



    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat vorgetragen,



    nach der Verurteilung sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit für den Arbeitgeber und einzelne Kollegen/-innen mit dem Kläger nicht mehr oder nur erheblich eingeschränkt möglich. Die Ungewissheit, ob und wie der Kläger nochmals ausfallend werde, sei weder ihr noch ihren (weiblichen) Beschäftigten zumutbar. Bliebe das Verhalten des Klägers ohne sichtbare Sanktion, wäre die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, dass die Beklagte die Straftat einer sexuellen Belästigung toleriere und die Interessen eines männlichen Arbeitnehmers über die Würde einer Frau stelle.



    Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat daraufhin durch Urteil vom 26.11.2015 - 8 Ca 1104/15 - festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 14.07.2015 zum 14.07.2015 bzw. 31.12.2015 beendet worden ist bzw. beendet werden wird und die Beklagte des Weiteren verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Chemiefacharbeiter weiter zu beschäftigen.



    Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 104 bis 114 d. A. Bezug genommen.



    Gegen das ihr am 11.01.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 18.01.2016 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 11.04.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nach dem zuvor durch Beschluss vom 02.03.2016 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 11.04.2016 einschließlich verlängert worden war.



    Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Interessenabwägung müsse vorliegend zu Gunsten des Arbeitgebers enden. Denn es stelle keinen anerkannten Rechtsgrundsatz dar, dass angesichts einer langen Betriebszugehörigkeit - hier 22 Jahre - eine Kündigung nun der besonderen Umständen als zulässig angesehen werden könne. Selbst bei einer langen Betriebszugehörigkeit könne ein einmaliger, erheblicher Pflichtenverstoß eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. So könne eine einmalige schwerwiegende sexuelle Belästigung ein Arbeitsverhältnis fristlos beenden. Das gelte gem. den Wertungen des § 12 Abs. 3 AGG erst recht für eine rechtskräftig strafrechtlich sanktionierte sexuelle Belästigung. Bei einer sexuellen Belästigung, die sogar nach dem Strafrecht zu Verurteilung führe, könne eine erforderliche und angemessene Maßnahme nur die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein.



    Die fehlende Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung könne auch nicht darauf gestützt werden, dass die Beklagte den Kläger gem. Ziffer 2 des Urteils vom 01.07.2015 - 8 Ca 2279/14 - im Rahmen einer Prozessbeschäftigung weiter beschäftige. Diese Verpflichtung habe sich die Beklagte nur durch rechtswidriges Verhalten oder der Verurteilung zu einem Zwangsgeld unterziehen können. Dies sei ihr nicht zumutbar gewesen. Auch treffe es nicht zu, dass die Beklagte nicht versucht habe, die Weiterbeschäftigung zu vermeiden. Sie sei auch erst ab einem Zeitpunkt erfolgt, nach dem die Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Zwangsgeld gestellt habe.



    Im Rahmen der Interessenabwägungen könne nicht auf die Stellungnahme des Betriebsrats abgestellt und diese bei der Interessenabwägung als wesentlicher Punkt angesehen werden. Insofern dürfe die Meinung des Betriebsrats als Abwägungsgrund keine Berücksichtigung zu Lasten des Arbeitgebers darstellen. Nur weil der Betriebsrat der Auffassung sei, es gäbe keine Wiederholungsgefahr, dürfe sich das Arbeitsgericht dies nicht eigen machen, da der Betriebsrat kein Sachverständiger sei.



    Gemäß dem Prognoseprinzip könne die vom Kläger absolvierte Alkoholtherapie nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, da dazu im Hinblick auf den Kündigungsvorwurf des Unwerturteils der strafrechtlichen Verurteilung kein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Das Strafgericht habe den Kläger aufgrund seines Alkoholkonsums verurteilt. Zudem sei im Kündigungszeitpunkt nicht erkennbar gewesen, dass die Alkoholtherapie erfolgreich abgeschlossen worden sei; dies würde zu dem mit Nichtwissen bestritten. Auch werde verkannt, dass der Schutz der weiblichen Beschäftigung nicht alleine durch die Alkoholtherapie gegeben sei. Bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei der unbelastete Kontakt weiblicher Mitarbeiterinnen und externer Dienstleiterinnen mit dem Kläger erheblich beeinträchtigt. Die Ungewissheit, ob oder wie der Kläger nochmals ausfallend werde, sei weder der Beklagten, noch ihren weiblichen Beschäftigten zumutbar. Auch muss berücksichtigt werden, dass die Signalwirkung, ein Mann dürfe Alkoholisiert (zumindest einmal) eine Frau sexuell belästigen, da der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung aussprechen müsse, von anderen Beschäftigten als "Freifahrtschein" missverstanden werden könne. Diese Wahrnehmung wäre bei einem großen Unternehmen wie der Beklagten aufgrund der Vielzahl der Beschäftigten und daher denkbarer zukünftiger Fälle verheerend. Im Übrigen bestehe bei der Beklagten aufgrund der Sicherheitserwägung ein Werksweites Alkoholverbot; gleichwohl könne es zu einem Fehlverhalten unter Alkoholeinfluss auf dem Werksgelände kommen. Ob der Kläger erneut rückfällig werde, sei angesichts der hohen Rückfallquote bei Alkoholikern nicht ausgeschlossen.



    Insoweit auf die im Kündigungszeitpunkt noch laufende Alkoholtherapie abzustellen, lasse auch die Außenwirkung des Vorfalls unberücksichtigt. Ausführungen dazu, weshalb die Interessenabwägung, die das Arbeitsgericht ausschließlich unter dem Aspekt vorgenommen habe, ob der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar sei, gleichermaßen für die hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte und hilfsweise ordentliche personenbedingte Kündigung anzuwenden seien, fehlten vollständig. Eine Abmahnung als milderes Mittel sei nicht in Betracht gekommen. Der Vorfall sei derart schwerwiegend, dass dessen Rechtswidrigkeit dem Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen sei. Die Hinnahme des Verhaltens des Klägers durch die Beklagte sei offenkundig ausgeschlossen.



    Im Übrigen sei die Kündigung auch hilfsweise aus personenbedingten Gründen ausgesprochen worden. Insoweit sei zweifelhaft, ob eine strafrechtliche Verurteilung einen verhaltens- oder personenbedingten Kündigungsgrund darstelle.



    Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 11.04.2016 (Bl. 146 bis 155 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 156 bis 159 d. A.) Bezug genommen.



    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 26.11.2015, Az: 8 Ca 1104/15, wird abgeändert und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.



    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor:



    Es sei zu bestreiten, dass der Kläger der einzige Beschäftigte der Beklagten mit einer derartigen Verurteilung sei. Auch möge die Beklagte nachweisen, dass keine mit einer Suchtkrankheit beschäftigten Personen mehr ein Arbeitsverhältnis bei ihr hätten. Richtig sei es, davon auszugehen, dass es keinen absoluten Kündigungsgrund gebe. Stets seien die besonderen Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Eine Wiederholungsgefahr bestehe vorliegend nicht. Für den Kläger sei der Vorfall am 16.11.2014 gleichfalls ein erheblicher persönlicher Einschnitt gewesen. Er habe sich bereits am nächsten Tag unmittelbar in ärztliche Behandlung begeben und danach in entsprechende Therapien. Im Rahmen der Prozessbeschäftigung gegenwärtig führe der Kläger - was die Beklagte nicht bestritten hat - ordnungsgemäß seine Arbeiten aus. Seinen Kollegen sei der Vorfall bekannt. Ebenso die entsprechende Verurteilung und seine Zahlung von Schmerzensgeld an die Geschädigte.



    Die Berücksichtigung der Stellungnahme des Betriebsrats sei nicht zu beanstanden. Denn der Betriebsrat als Arbeitnehmervertreter sei oftmals näher an den einzelnen Arbeitnehmern und Beschäftigten "dran" und könne durchaus einschätzen, welche entsprechenden Entscheidungen des Arbeitgebers sich letztlich auf die Belegschaft auswirken. Zwar sei der Betriebsrat kein Sachverständiger. Es mache aber schon im Rahmen der Abwägung einen Unterschied, wie das Betriebsvertretungsorgan den Sachverhalt einschätze oder aber nicht. Warum schließlich die Alkoholtherapie nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden könne, so die Beklagte, erschließe sich nicht. Die Ausführungen der Beklagten in Bezug auf weibliche Beschäftigte seien derart weitgefasst, dass sie nach den Vorstellungen der Beklagten wohl dazu führen müssten, dass der Kläger faktisch überhaupt keinen Kontakt zu weiblichen Beschäftigten haben solle.



    Zur Darstellung des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 17.05.2016 (Bl. 174 - 178 d. A.) Bezug genommen.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.



    Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 13.06.2016



    Entscheidungsgründe



    I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.



    II. Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.



    Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Feststellung verlangen kann, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung, hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 14.07.2015 zum 14.07.2015 bzw. 31.12.2015 beendet worden ist bzw. beendet werden wird und des Weiteren die Verurteilung der Beklagten, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Chemiefacharbeiter weiter zu beschäftigen.



    In dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.07.2015 rechtsunwirksam ist. Sie hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit ihrem Zugang vom 14.07.2015 aufgelöst. Nichts anderes gilt für die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.07.2015 zum 31.12.2015. Das Arbeitsgericht hat des Weiteren Folgerichtig die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Chemiefacharbeiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen.



    Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.07.2015 ist rechtsunwirksam, weil es sich zum einen um eine unstatthafte Wiederholungs-/Trotzkündigung handelt und zum anderen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB insoweit nicht gegeben sind.



    Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine Kündigung nicht tragen (BAG 11.7.201.1 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6 = NZA 2014, 250).



    Ist also in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können (BAG 12.2.2004 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 129; 18.5.2006 EzA § 2 KSchG Nr. 60; 8.11.2007 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 19: LAG Düsseldorf 24.9.2012 LAGE § 9 KSchG Nr. 45). Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen. Das gilt auch bei einem sog. Dauertatbestand (BAG 20.1.2014 EzA ü 2 KSchG Nr. 89).



    Dies gilt sowohl für eine sog. Wiederholungskündigung als auch für eine sog. Trotzkündigung nach Rechtskraft des Urteils in dem ersten Prozess (BAG 26.8.1991 EzA § .122 ZPO Nr. 9; 7.3.1996 Ez.A § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86). Gegen die zweite Kündigung muss der Arbeitnehmer allerdings nach §§ 4. 7. 1.1 KSchG Klage erheben. Der zweiten rechtzeitig erhobenen Klage ist jedoch aus Gründen der Präjudizialität ohne Weiteres stattzugeben (BAG 26.8.1991 EzA § 322 ZPO Nr. 9; 7.3.1996 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86; 22.5.2001 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 127; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., Kap. 4 Rnr. 1520 ff.).



    Das Verbot, eine Kündigung nach rechtskräftiger Feststellung der Unwirksamkeit einer vorhergegangenen Kündigung bei gleich gebliebenem Kündigungssachverhalt und nach dessen materieller Prüfung erneut auf denselben Sachverhalt zu stützen (Verbot der Wiederholungskündigung), findet seine Grundlage in der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen. Zwar ist Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage nach 4 S. 1 KSchG lediglich, ob ein Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung aufgelöst worden ist (sog. punktuelle Streitgegenstandslehre; s.a. BAG 18.12.2014 - 2 AZR 163/14 - EzA-SD 10/2015 S. 3). Die Würdigung, ein bestimmter Lebenssachverhalt könne eine Kündigung materiell nicht begründen, nimmt aber selbst an der Rechtskraftwirkung der Entscheidung teil. Der Grund liegt in der Gleichwertigkeit einer solchen Feststellung mit einem (fiktiven) Gestaltungsurteil, in dem eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der fraglichen Gründe abgelehnt wird (BAG 20.12.2012 - 2 AZR 867/11, EzA-SD 13/2013 S. 5 LS = NZA 2013, 1003 [BAG 20.12.2012 - 2 AZR 867/11] ; 11.7.2013 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6 = NZA 2014, 250).



    Das Verbot der Wiederholungskündigung gilt aber nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen. Das gilt auch bei einem sog. Dauertatbestand.



    Außerdem ist von der Frage, ob das in Anspruch genommene Gestaltungsrecht besteht, die Frage zu unterscheiden, ob es rechtsgeschäftlich wirksam erklärt wurde. Die Präklusionswirkung tritt daher auch dann nicht ein, wenn die frühere Kündigung bereits aus formellen Gründen, also etwa wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Mitarbeitervertretung für unwirksam erklärt worden ist (BAG 20.12.2012 - 2 AZR 867/11, EzA-SD 13/2013 S. 5 LS = NZA 2013, 1003 [BAG 20.12.2012 - 2 AZR 867/11] ; 11.7.2013 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6 = NZA 2014, 250).



    Der Arbeitgeber kann im Übrigen allenfalls noch kündigen, wenn er andere Kündigungsgründe geltend macht (und dabei vielleicht den verbrauchten Kündigungsgrund unterstützend heranzieht), wenn sich der Sachverhalt wesentlich geändert hat und damit ein neuer Kündigungstatbestand vorliegt, wenn er nunmehr nicht fristlos, sondern fristgerecht kündigen will oder wenn die Kündigungserklärung aus nicht materiell-rechtlichen Gründen (Formmangel, fehlerhafte Betriebsratsanhörung etc.) unwirksam war (BAG 22.5.2003 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 127 = NZA 2004, 343 LS; s.a. LAG Düsseldorf 24.9.2012 LAGE § 9 KSchG Nr. 45).



    Demgegenüber liegt eine unstatthafte Wiederholungskündigung auch dann vor, wenn im Vorprozess die Unwirksamkeit der Kündigung sowohl auf fehlerhafte Beteiligung des Personalrats als auch selbständig tragend auf das Fehlen eines Kündigungsgrundes gestützt worden ist. Denn die Kündigungsgründe sind auch in diesem Fall durch rechtskräftige Gerichtsentscheidung überprüft und als nicht ausreichend zur Rechtfertigung der Kündigung angesehen worden. Eine neue Entscheidung anderen Inhalts würde zu eben den Folgen führen, deren Vermeidung der Sinn des Verbots der Wiederholungskündigung ist (BAG 12.2.2004 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 129).



    Etwas anderes gilt aber dann, wenn der öffentliche Arbeitgeber, nachdem eine außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist, eine Änderungskündigung ausspricht. Denn die Tatbestandsmerkmale der außerordentlichen Änderungskündigung weichen von denen der außerordentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigung ab; auch die erstrebte Rechtsfolge ist eine andere (BAG 18.5.2006 EzA § 2 KSchG Nr. 609.



    Eine - unzulässige - Wiederholungskündigung liegt auch dann nicht vor, wenn das Arbeitsgericht die gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer erklärte außerordentliche Kündigung rechtskräftig für unwirksam erklärt hat, weil dem Arbeitgeber die Einhaltung einer Auslauffrist zumutbar gewesen sei. Derselbe Lebenssachverhalt kann dann zur Rechtfertigung einer erneuten außerordentlichen Kündigung dienen, die die erforderliche Auslauffrist einhält (BAG 26.11.2009 EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 16).



    Aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden konkreten Lebenssachverhalts sind vorliegend die Voraussetzungen für eine statthafte Wiederholungskündigung nicht gegeben. Denn die Beklagte macht - nach dem hier maßgeblichen Lebenssachverhalt - keinen "anderen" Kündigungsgrund geltend, bei dem sie vielleicht den verbrauchten Kündigungsgrund unterstützend heranziehen könnte. Auch hat sich der Sachverhalt nicht wesentlich geändert und ist insbesondere kein neuer Kündigungstatbestand gegeben. Schließlich ist die Kündigungserklärung auch nicht aus materiell rechtlichen Gründen (Formmangel, fehlerhafte Betriebsratsanhörung usw.) rechtsunwirksam.



    Die Beklagte hat sich vorliegend darauf berufen, dass sie einen anderen Kündigungsgrund nunmehr geltend macht, weil sie sich auf die zwischenzeitlich eingetretene Tatsache der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers - durch Strafbefehl - stütze. Insoweit handele es sich aber nicht um einen anderen Kündigungsgrund, weil die Besonderheit vorliegend darin besteht, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt auch im Vorprozess die Täterschaft bzw. den Tathergang - von Einzelheiten abgesehen - an sich in Abrede gestellt hat. Es ging also bei den von der Kammer inzwischen rechtskräftig für unwirksam erklärten Kündigungen keineswegs um eine Ausgangssituation, in der lediglich ein Verdacht gegen den Kläger bestand. Vielmehr hat der Kläger den Vorfall überhaupt nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass er alkoholbedingt zu einer Steuerung seines Verhaltens, wie es von ihm zu erwarten wäre, von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr in der Lage war. Eine wie auch immer geartete Ungewissheit über die Täterschaft des Klägers und das Tatverhaltens bestand also von vornherein zu keinem Zeitpunkt. Insofern hat sich also der Sachverhalt nicht nur nicht wesentlich geändert, der kündigungsrechtlich relevante Sachverhalt hat sich überhaupt nicht geändert. Hinzugekommen ist lediglich eine an den feststehenden Sachverhalt anknüpfende weitere - rechtlich unabhängige und mit einem völlig anderen Prüfungsmaßstab versehene - strafgerichtliche Beurteilung.



    Die Beklagte beruft sich für ihre gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf den Beschluss des BAG vom 16.09.1999 (NZA 2000, 158 [BAG 16.09.1999 - 2 ABR 68/98] ). Zwar hat das BAG insoweit ausgeführt:



    Das BAG (16.09.1999 a. a. O.) hat also angenommen, dass die (noch) nicht rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung eines Betriebsratsmitglieds keine Tatsache ist, die eine Ersetzung einer Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds zulassen würde, wenn bereits in einem früheren Verfahren die Zustimmungsersetzung rechtskräftig mit der Begründung versagt wurde, die Tatvorwürfe seien nicht erwiesen. Vorliegend bestand aber, wie bereits dargelegt, zu keinem Zeitpunkt hinsichtlich der Täterschaft und des Tatgeschehens irgendeine Unklarheit. Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Klägers durch Strafbefehl hat also insoweit hinsichtlich Täterschaft und Tatgeschehen keinerlei neue Erkenntnisse nach sich gezogen, sondern lediglich zu einer weiteren - nunmehr strafgerichtlichen - rechtlichen Beurteilung des selben Lebenssachverhalts geführt, die auch nach der ersatzlosen Streichung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO für die zutreffende arbeitsgerichtliche Entscheidung gem. §§ 626 BGB, 1 KSchG nicht verbindlich ist. Im Übrigen beruht sowohl die erst- sowie auch die zweitinstanzliche Entscheidung im Vorprozess gerade auf einer arbeitsrechtlichen Würdigung des - weitestgehend - zwischen den Parteien unstreitigen Lebenssachverhalts. Fragen der Unschuldsvermutung, wie vom BAG (a. a. O.) aufgeworfen, haben sich vorliegend zu keinem Zeitpunkt gestellt.



    Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Beschluss des BAG vom 08.06.2000 (NZA 2001, 91 [BAG 08.06.2000 - 2 ABR 1/00] ).



    Zwar heißt es dort:



    Insoweit ist vorliegend darauf hinzuweisen, dass von vornherein Täterschaft und Tatgeschehen, von Einzelheiten abgesehen, zwischen den Parteien unstreitig feststanden. Fragen eines gegen den Kläger lediglich insoweit bestehenden Verdachts bzw. der Unschuldsvermutung stellten sich zu keinem Zeitpunkt, waren also für die Beurteilung des Lebenssachverhalts weder maßgeblich noch prägend.



    Folglich sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 BGB vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil es sich um eine unzulässige Wiederholungskündigung handelt.



    Etwas anderes folgt schließlich nicht auch daraus, dass der Arbeitgeber - im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB - auch den rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens abwarten darf, falls ihn nur die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem überführten Täter unzumutbar erscheint (BAG 03.04.1986 NZA § 102 BetrVG 1972 Nr. 63). Dies ist zwar ein rechtsstaatlich nicht gebotenes, in jedem Fall aber gerade im Interesse des Arbeitnehmers angemessenes Vorgehen. Der Arbeitgeber gibt damit zu erkennen, dass er die Kündigung nur auf einen zur rechtskräftigen Verurteilung im Strafverfahren ausreichenden Tatsachenstand stützen will und die rechtskräftige Verurteilung aus seiner Sicht ein eigenes Gewicht hat, dass er zu einem Element des Kündigungsgrundes macht (BAG 05.06.2008 - 2 AZR 25/07, EzA-SD 21/2008 Seite 10 LS = FA 2008, 379 LS). Denn diese Ausführungen beziehen sich auf den Zusammenhang zwischen der arbeitsrechtlichen Verdachtskündigung und einem zugleich laufenden Strafverfahren; vorliegend bestand aber, wie dargelegt, zu keinem Zeitpunkt an der Täterschaft des Klägers irgendein Zweifel. Im Übrigen beziehen sie sich auf Fragen des § 626 Abs. 2 BGB, um die es hier nicht geht. Die Beklagte hat vorliegend keineswegs den Abschluss eines Strafverfahrens abgewartet, sondern aufgrund der feststehenden Tatsachen bereits die zum Vorprozess führende Kündigung erklärt.



    Folglich ist die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB rechtsunwirksam, weil es sich um einen konkreten Einzelfall unzulässiger Wiederholungskündigung handelt.



    Selbst wenn man anderer Auffassung wäre, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch unter Berücksichtigung der strafgerichtlichen Verurteilung, wären die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegeben.



    Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 13. Auflage 2016, Kap. 4. Rdnr. 1121 ff.).



    Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807 [BAG 15.12.1955 - 2 AZR 228/54] ; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).



    Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab ("verständiger Arbeitgeber") entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.



    Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).



    Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10] ; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).



    Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.



    Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 - 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10] ; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).



    Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 - 17 Sa 1308/04 - EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).



    Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen - einstweiligen - Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).



    Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung "Ultima Ratio", so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).



    Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 - 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).



    Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10] ; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356 [LAG Köln 20.01.2012 - 3 Sa 408/11] ), denn auch in diesem Bereich gibt es keine "absoluten" Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242;Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356 [LAG Köln 20.01.2012 - 3 Sa 408/11] : vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).



    Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grds. (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227 [BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09] ; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).



    Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O . Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.



    Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).



    Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:



    Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).



    Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann soweit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).



    Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und ggf. beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine "Notwehrsituation", vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).



    Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.



    Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).



    Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 - 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).



    Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.



    In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).



    Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80 [LAG Rheinland-Pfalz 21.05.2010 - 9 Sa 705/09] ).



    Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:



    Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.



    Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).



    Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.



    Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.



    Eine sexuelle Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 4 AGG stellt auch nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist >an sich< als wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob sie im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, u. a. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 47 = NZA 2015, 294).



    Eine sexuelle Belästigung i. s. v. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Bereits eine einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweise kann den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen. Für das >Bewirken< genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweisen objektiv erkennbar war (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 47 = NZA 2015, 294).



    Beruht eine Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 47 = NZA 2015, 294).



    Der bei der Prüfung einer (außerordentlichen) Kündigung zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird auch durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Verbot sexueller Belästigungen i. S. v. § 3 Abs. 4 AGG im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Geeignet i. S. d. Verhältnismäßigkeit sind nur solche Maßnahmen, von denen Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, d. h. eine Wiederholung ausschließen (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 47 = NZA 2015, 294).



    Ein Irrtum des Arbeitnehmers über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweisen kann bei der Interessenabwägung auch dann zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, wenn er die Fehleinschätzung hätte vermeiden können. Auch wenn entschuldigendes Verhalten erst unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung gezeigt wird, kann es die Annahme, es bestehe keine Wiederholungsgefahr, jedenfalls dann stützen, wenn es sich um die Bestätigung einer bereits zuvor gezeigten Einsicht handelt (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 47 = NZA 2015, 294).



    Bei sexuellen Belästigungen hat der Arbeitgeber die zum Schutz der Mitarbeiter vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Er hat dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (zutr. ArbG Hmb. 23.2.2005 NZA-RR 2005, 306 [ArbG Hamburg 23.02.2005 - 18 Ca 131/04] ; LAG Nds. 29.11.2008 - 1 Sa 547/08, EzA-SD 3/2009 S. 4 LS; LAG BW 17.7.2 013 LAGE § 12 AG Nr. 3). Sind mehrere Maßnahmen geeignet und möglich, die Benachteiligung infolge sexueller Belästigung für eine Arbeitnehmerin abzustellen, so hat der Arbeitgeber diejenige zu wählen, die den Täter am wenigsten belastet. Das gilt umso mehr, wenn in der Dienststelle eine Dienstvereinbarung gilt, die gestufte Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers für den Fall sexueller Belästigung vorsieht (LAG Nds. 29.11.2008 NZA-RR 2009, 249). Maßgeblich sind aber die konkreten Umstände des Einzelfalls. Gegebenenfalls kann auch eine Abmahnung als Reaktion auf eine solche Pflichtwidrigkeit ausreichen, sodass sich eine Kündigung als unverhältnismäßig erweist (LAG BW 17.7.2013 LAGE § 12 AGG Nr. 3).



    Reicht eine Abmahnung (vgl. dazu ArbG Hmb. 23.2.2005 NZA-RR 2005, 306 [ArbG Hamburg 23.02.2005 - 18 Ca 131/04] ; LAG Hessen 27.2.2012 NZA-RR 2012, 471) nicht aus um die Fortsetzung sexueller Belästigungen mit der gebotenen Sicherheit zu unterbinden und kommt eine Umsetzung oder Versetzung des Störers nicht in Betracht, kann der Arbeitgeber mit einer Kündigung auf die sittlichen Verfehlungen reagieren. Eine außerordentliche Kündigung ist allerdings nur angemessen, wenn der Umfang und die Intensität der sexuellen Belästigungen sowie die Abwägung der beiderseitigen Interessen diese Maßnahme rechtfertigen (LAG Hamm 22.10.1996 NZA 1997, 769 [LAG Hamm 22.10.1996 - 6 Sa 730/96] ; s. a. LAG SchlH 4.3.2009 - 3 Sa 410/08, BB 2009, 1816 zur verbalen sexuellen Belästigung); insbes. die sexuelle Belästigung einer Arbeitnehmerin durch einen Vorgesetzten - die gem. §§ 1 ff. AGG eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellt - kann also je nach Intensität und Umfang ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB sein (BAG 25.3.2004 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 6; 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36 = NZA 2011, 1342; LAG Hessen 27.2.2012 NZA-RR 2012, 471; vgl. Schulte-Westenberg NZA-RR 2005, 617 ff.). Andererseits macht eine begangene verbale sexuelle Belästigung die Weiterbeschäftigung i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB nicht per se unzumutbar (LAG SchlH 4.3.2009 - 3 Sa 410/08, BB 2009, 1816).



    U. U. kann auch ein rein passives Verhalten in der Form eines zögernden, zurückhaltenden Geschehenlassens gegenüber einem drängenden, durchsetzungsfähigen Belästiger, insbes. einem Vorgesetzten, zur Erkennbarkeit einer ablehnenden Handlung ausreichen. Hat ein Vorgesetzter sexuelle Handlungen gegen den Willen der Arbeitnehmerin vorgenommen, bedarf es keiner Abmahnung, weil es wegen § 3 Abs. 4 AGG dem Vorgesetzten klar sein muss, dass eine intensive sexuelle Belästigung einer Arbeitnehmerin gegen ihren erkennbaren Willen ein Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten war (BAG 25.3.2004 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 6).



    Die vom Arbeitgeber gem. § 12 AGG zu treffenden vorbeugenden Schutzmaßnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz berechtigen ihn nicht, der sexuellen Belästigung beschuldigte Arbeitnehmer zu entlassen, wenn ihnen eine entsprechende Tat nicht nachgewiesen werden kann. Auch § 12 AGG gewährt insoweit kein besonderes Kündigungsrecht; möglich ist aber eine Verdachtskündigung nach den allgemeinen Grundsätzen (BAG 8.6.2000 EzA § 15 KSchG n. F. Nr. 50; krit. Linde AuR 2001, 272 ff.; s. Rdn. 1571 ff).



    Der Arbeitgeber hat die im konkreten Einzelfall angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen. Welches der im AGG nicht abschließend genannten Sanktionsmittel im konkreten Fall angemessen ist, ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit, hängt also von der Schwere des Vorfalls sowie dem Umstand ab, ob es sich um eine erstmalige oder um eine wiederholte Verfehlung handelt. Dabei sind auch die sozialen Gesichtspunkte aufseiten des Belästigers angemessen in die Bewertung einzubeziehen (ArbG Ludwigshafen 29.11.2000 FA 2001, 146). Sexuelle Übergriffe eines Vorgesetzten (tätliche Belästigungen) während der Arbeitszeit gegenüber weiblichen Mitarbeiterinnen rechtfertigen andererseits regelmäßig eine fristlose Kündigung auch ohne Abmahnung, jedenfalls dann, wenn es sich um eine äußerst massive tätliche Belästigung handelt (LAG Nds. 21.1.2003 NZA-RR 2004, 19).



    Die Kammer hat insoweit im Vorprozess folgendes ausgeführt:



    Anhaltspunkte dafür, dass sich an dieser Beurteilung irgendetwas ändern könnte, weil gegen den Kläger zwischenzeitlich ein rechtskräftiger Strafbefehl wegen desselben streitgegenständlichen Lebenssachverhalts ergangen ist, bestehen ersichtlich nicht. Ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand ist folglich gegeben.



    Demnach ist die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht gerechtfertigt.



    Wie dargelegt, ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen einstweiliger Fortsetzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen.



    Insoweit ist davon auszugehen, dass die konkrete Pflichtverletzung schwerwiegend ist und ihr wegen des erheblichen Interesses der Beklagten, eine Wiederholung eines derartigen Vorfalls und eine damit ggf. einhergehende Rufschädigung zu verhindern, ein erhebliches Gewicht zukommt. Mit dem Arbeitsgericht ist aber aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden konkreten Lebenssachverhalts davon auszugehen, dass demgegenüber das Interesse des Klägers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes höher anzusetzen ist. Dafür spricht einmal die Betriebszugehörigkeit von 22 Jahren, angesichts derer eine außerordentliche Kündigung nur unter besonders schwerwiegenden Umständen als zulässig angesehen werden kann. Mit dem Arbeitsgericht ist auch davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis vor dem Vorfall beanstandungsfrei verlaufen ist. Es hat in 22 Jahren keine Abmahnung gegeben. In dem Protokoll des Fehlzeitengesprächs vom 26.09.2012 werden zwar zwei alkoholbedingte Auffälligkeiten des Klägers erwähnt. Die Beklagte hat jedoch im erstinstanzlichen Rechtszug diese "Auffälligkeiten" nicht nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert dargestellt. Darauf hat der Kläger zu Recht hingewiesen und daraus hat das Arbeitsgericht nachvollziehbar und zutreffend geschlossen, dass es dadurch zu keinen schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses gekommen ist. Vor diesem Hintergrund muss das Fehlverhalten des Klägers am 16.11.2014 als einmalige, wenn auch erhebliche Entgleisung gewertet werden. Dabei ist zu auch zu berücksichtigen, dass das Verhalten unter Alkoholeinfluss erfolgte. Zwar ist dem Kläger insoweit vorzuwerfen, dass er von seiner Alkoholkrankheit wusste, so dass ihm der Alkoholkonsum jedenfalls zu Beginn vorzuwerfen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits zu Beginn des Konsums alkoholischer Getränke damit gerechnet hat, dass ihm sein Verhalten in der hier zu beurteilenden Art und Weise entgleiten würde, lassen sich dem Vorbringen der Parteien jedoch nicht entnehmen. Maßgeblich ist aber darauf abzustellen, ob es sich um einen einmaligen Vorfall handelt oder, wie dargestellt, ob mit weiteren derartigen gravierenden Pflichtverletzungen gerechnet werden muss. Mit dem Arbeitsgericht ist aus den Gesamtumständen hier zu schließen, dass die Beklagte nicht mit einer Wiederholung des beanstandeten Fehlverhaltens zu rechnen braucht. Die Kammer teilt die Überlegung des Arbeitsgerichts, dass das Vorkommnis am 16.11.2014 - auch - für den Kläger ein erheblicher persönlicher Einschnitt war. Dies zeigt sich bereits daran, dass er sich nach der Rückkehr aus dem Schwarzwald noch am gleichen Tag in ärztliche Behandlung begeben hat. Er hat sich folglich sofort therapiewillig gezeigt; der behandelnde Arzt bescheinigte auch Therapiefähigkeit. Der Kläger hat sich neben den sofort eingeleiteten ambulanten Maßnahmen um eine stationäre Therapie bemüht. In einer daraus resultierenden Rehabilitationsmaßnahme befand er sich noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Rechtszug. Folglich ist nach Auffassung der Kammer mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass das Interesse des Klägers an der einstweiligen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung überwiegt.



    Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt insoweit keine abweichende Beurteilung als hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierter Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus Sicht der Beklagten heraus verständlich - deutlich, dass die Beklagte mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug, die Interessenabwägung betreffend, durch das Arbeitsgericht, der die Kammer jedenfalls im Ergebnis folgt, nicht einverstanden ist.



    Dem angefochtenen Urteil liegt kein Rechtsgrundsatz zugrunde, dass angesichts einer langen Betriebszugehörigkeit eine Kündigung nur unter besonderen Umständen als zulässig angesehen werden kann. Vielmehr hat das Arbeitsgericht - zutreffend - lange Dauer der Betriebszugehörigkeit als einen Gesichtspunkt im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, der - neben anderen - zum Überwiegen seines Interesses an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist führt. Gegen dieses Interesse des Klägers spricht das strafrechtlich relevante Tatgeschehen. Auch wenn man mit der Beklagten die Tatsache der Prozessbeschäftigung nicht berücksichtigt, weil sie unter gesetzlichem Zwang erfolgt und auch wenn der Stellungnahme des Betriebsrats insoweit keine Bedeutung zugemessen wird, überwiegt das Interesse des Klägers im Rahmen der maßgeblichen Interessenabwägung das der Beklagten. Soweit die Beklagte auf die Signalwirkung abstellt, ein Mann dürfe alkoholisiert zumindest einmal eine Frau sexuell belästigen, da der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung aussprechen müsse, verkennt sie, dass im Rahmen des §§ 626 Abs. 1 BGB keine generalpräventiven Überlegungen anzustellen sind, sondern ein konkreter Lebenssachverhalt einer arbeitsrechtlichen Einzelfallbeurteilung zuzuführen ist. Ein verständiger Arbeitgeber hat insoweit nach Maßgabe des Prognoseprinzips die wechselseitigen Interessen zu berücksichtigen. Allein die Tatsache der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers wegen des streitgegenständlichen Vorfalls führt aber nicht dazu, dass z. B. im Hinblick auf die nach den Gesamtumständen zu verneinende Wiederholungsgefahr des beanstandeten Fehlverhaltens nunmehr das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung, dass des Klägers an der einstweiligen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegt.



    Die Kündigung ist auch nicht als ordentliche verhaltensbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.



    Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im KSchG zwar nicht definiert. Allerdings kommen verhaltensbedingte Umstände, die grds. dazu geeignet sind, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, ebenso als verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG in Betracht. Im Übrigen ist eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint. Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag. Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen (BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607;s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 10).



    Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist grds. nur dann sozial gerechtfertigt (vgl. BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG, Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65, 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2016, Kap. 4, Rn. 2282 ff.) wenn



    - ein (i. d. R. schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertragliche geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist, der Arbeitnehmer also seine vertraglichen haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat;



    - dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat;



    - (i. d. R. zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist;



    - danach weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und



    - eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.



    Es gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (BAG 19.04.2007 NZA-RR 2007, 571 [BAG 19.04.2007 - 2 AZR 180/06] ; LAG RhPf 26.02.2010 NZA-RR 2010, 297).



    Vorliegend ist die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Wenn es sich aber, wie dargelegt, bei dem Vorfall vom 16.11.2014 um eine einmalige Entgleisung des Klägers ohne Wiederholungsgefahr handelt, dann ist es mit dem Arbeitsgericht trotz der Schwere der Pflichtverletzung des Klägers nicht als interessengerecht anzusehen, eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Da der Beklagten bei Ausspruch der Kündigung zudem bekannt war, dass der Kläger bei dem streitgegenständlichen Vorfall am 16.11.2014 in erheblichem Maße alkoholisiert war und eine Alkoholabhängigkeit bestand, war keine negative Prognose gerechtfertigt und überwog aus den bereits im einzelnen dargestellten Gründen das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus das Interesse der Beklagten an dessen Beendigung.



    Anhaltspunkte dafür, dass sich an dieser Beurteilung aufgrund der zwischenzeitlichen strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers etwas ändern könnte, bestehen nicht.



    Schließlich liegt auch kein personenbedingter Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2 KSchG vor.



    Eine Kündigung wegen Alkoholkrankheit ist nach den für die krankheitsbedingte Kündigung geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BAG 20.12.2012 EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 31; 20.03.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 58). Denn Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit im medizinischen Sinne. Sie liegt vor, wenn der gewohnheitsmäßige übermäßige Alkoholgenuss trotz besserer Einsicht nicht aufgegeben oder reduziert werden kann. Wesentliches Merkmal dieser Erkrankung ist die physische oder psychische Abhängigkeit von Alkohol. Sie äußert sich vor allem im Verlust der Selbstkontrolle. Ein Alkoholiker kann, wenn er zu trinken beginnt, den Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren, mit dem Trinken nicht mehr aufhören. Dazu kommt die Unfähigkeit zur Abstinenz. Der Alkoholiker kann auf Alkohol nicht verzichten.



    Da Alkoholabhängigkeit eine Krankheit ist, sind bei Kündigungen im Zusammenhang damit die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung anzuwenden, wobei sich aus den Besonderheiten der Alkoholabhängigkeit unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufgabenstellung des Arbeitnehmers die Notwendigkeit ergeben kann, an die negative Gesundheitsprognose geringere Anforderungen zu stellen. Die Prognose wird wesentlich davon bestimmt, in welchem Stadium der Sucht sich der Arbeitnehmer befindet, in welcher Weise sich frühere Therapien auf den Zustand des Arbeitnehmers ausgewirkt haben, ob er vor Ausspruch der Kündigung therapiebereit war und ob eine solche Therapie aus medizinischer Sicht eine gewisse Erfolgsaussicht hat.



    Jedenfalls ist der Arbeitgeber nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Regel verpflichtet, einem alkoholkranken Arbeitnehmer, dem er aus personenbedingten Gründen kündigen will, zuvor eine Chance zur Entziehungskur zu geben (BAG 17.06.1999 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 4).



    Nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles war die Beklagte mit dem Arbeitsgericht verpflichtet, dem Kläger vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zunächst die Durchführung einer stationären Entzugstherapie zu ermöglichen.



    Anhaltspunkte dafür, dass sich an dieser Beurteilung durch die zwischenzeitlich erfolgte rechtskräftige Verurteilung des Klägers etwas ändern könnte, bestehe nicht. Denn Täterschaft und Tatgeschehen standen auch ohne die Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilung fest; es betraf keinerlei Ausführungen, dass sexuelle Belästigungen von Frauen verboten sind und dass das Verhalten des Klägers in der konkreten Situation objektiv unerwünscht war. Gleichwohl überwiegt aus dem im Einzelnen dargelegten Gründen trotz der Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilung das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus das Beendigungsinteresse der Beklagten.



    Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



    Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

    Verkündet am 13.06.2016

    Vorschriften§ 12 Abs. 3 AGG, §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO, § 626 Abs. 1 BGB, § 1 KSchG, § 14 II Nr. 1 EGZPO, § 626 I BGB, § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO, §§ 626 BGB, 1 KSchG, § 626 BGB, § 626 Abs. 2 BGB, § 102 BetrVG, §§ 9, 10 KSchG, §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB, § 286 ZPO, § 138 Abs. 2 ZPO, § 286 Abs. 1 ZPO, § 3 Abs. 4 AGG, § 7 Abs. 3 AGG, § 323 Abs. 2 BGB, §§ 1 ff. AGG, § 12 AGG, §§ 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG, § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG, § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG, § 241 Abs. 2 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 ArbGG