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  • · Fachbeitrag · Zulegung

    Das sind die aktuellen Spielregeln für die Zulegung bei einer Stiftung

    von Rechtsanwalt Dr. Volker Kuhn, Legavis Rechtsanwälte, Weinheim

    | Bei rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts kann aus verschiedenen Gründen ein Zusammenschluss mit einer anderen Stiftung erforderlich oder mindestens zweckmäßig sein. Dann besteht gerade auch bei gemeinnützigen Stiftungen Handlungsbedarf. SB stellt die Spielregeln für die Zulegung aufgrund eines Organbeschlusses der Stiftung vor. |

    Die Gründe für Umstrukturierungsbedürfnis

    Es gibt viele Gründe, über eine Umstrukturierung nachzudenken. Das ist z. B. die anhaltende Niedrigzinsphase, die es schwierig oder faktisch unmöglich macht, Erträge zu erzielen. Aber auch Missmanagement kann eine Umstrukturierung forcieren. Jedenfalls handelt es sich um eine Situation, in der die satzungsmäßige Zweckerfüllung und damit die Erfüllung des Stifterwillens kaum mehr möglich scheint.

     

    Grundlegende Strukturänderungen kommen dann in Betracht, wenn operative Möglichkeiten erschöpft sind. Das können je nach Vorgaben des Stifters z. B. Zweckänderungen, die „Umwandlung“ in eine Verbrauchsstiftung sowie die Aufhebung sein. Solche Maßnahmen können auch behördlich angeordnet werden (§ 87 BGB). Daneben kommt der Zusammenschluss von Stiftungen, entweder als Zulegung oder als Zusammenlegung in Betracht. Explizite bundesrechtliche Regelungen in den §§ 80 ff. BGB finden sich hierzu derzeit nicht, ganz im Gegensatz zu landesrechtlichen Regelungen in den Landesstiftungsgesetzen. Dieser Themenkomplex ist aber bei der Reform des Stiftungsrechts berücksichtigt worden: Insbesondere mit den künftigen §§ 86 bis 86h BGB neu wird für die Zulegung ebenso wie für die Zusammenlegung ein rechtlicher Rahmen gesetzt.

    Das unterscheidet die Zulegung von einer Zusammenlegung

    Es gibt keine gesetzliche Definition für eine Zulegung oder für eine Zusammenlegung. In beiden Fällen handelt es sich um Gestaltungsmittel:

     

    • Von einer Zulegung spricht man, wenn das Vermögen einer oder mehrerer übertragender Stiftung(en) auf eine andere bereits bestehende Stiftung übertragen wird. Die aufnehmende Stiftung besteht fort und die übertragende Stiftung verliert ihre Rechtsfähigkeit, erlischt und geht in der aufnehmenden Stiftung auf.

     

    • Im Unterschied hierzu werden bei der Zusammenlegung mehrere bestehende übertragende Stiftungen durch Übertragung ihres Vermögens auf eine neue aufnehmende Stiftung zu dieser neuen Stiftung vereinigt. Die zuvor bestehenden Stiftungen erlöschen allesamt.

     

    Nehmen wir das Umwandlungsgesetz als „Blaupause“, so kann dem Grunde nach die Zulegung mit einer Verschmelzung durch Aufnahme (§§ 4 ff. UmwG) und die Zusammenlegung mit einer Verschmelzung durch Neugründung (§§ 36 ff. UmwG) verglichen werden ‒ hierzu aber noch unten mehr.

     

    Ziel ist bei der Zulegung wie auch bei der Zusammenlegung, dass die Stiftungszwecke der beteiligten übertragenden Stiftung(en) allesamt wieder hinreichend erfüllt werden. Vor allem für eine notleidende Stiftung kann solch eine Zusammenführung und Bündelung dazu führen, dass das Vermögen wieder zur Zweckverwirklichung im Sinne des Stifters dient.

    Rechtliche Grundlage einer Zulegung

    In den Vorschriften des BGB zur rechtsfähigen Stiftung (§§ 80 ff. BGB) finden sich keine Regelungen zur Zulegung von Stiftungen. § 87 erlaubt lediglich „ultima ratio“ hoheitliche Maßnahmen, worunter ggf. auch ein Zusammenschluss von Stiftungen gefasst werden kann. Solche behördliche Maßnahmen sind nicht Inhalt dieses Beitrags; hier geht es um die Zulegung aufgrund eines Organbeschlusses und einer Satzungsregelung bei der Stiftung. Auch das UmwG enthält keine Grundlage. Trotz der erwähnten Nähe zu Verschmelzungen nach dem UmwG ist eine (analoge) Anwendung ausgeschlossen: Verschmelzungsfähige Rechtsträger sind abschließend definiert (§ 3 UmwG). Stiftungen hat der Gesetzgeber nicht erwähnt, anders als er dies z. B. bei § 161 UmwG (Ausgliederung) getan hat.

     

    Rechtsgrundlage in bestimmten Landesstiftungsgesetzen

    Diverse Landesstiftungsgesetze sehen die Möglichkeit vor, Stiftungen zusammenzuführen: So ist z. B. die Zulegung explizit in § 8 BayStiftG, § 7 SchleswHStiftG, § 9 StiftG LSA oder § 11 ThürStftG genannt. Diverse weitere Landesstiftungsgesetze sprechen zumindest die Zusammenlegung an (z. B. § 14 BWStiftG, § 9 HessStiftG, § 8 RhPfStiftG, § 7 SaarlStiftG, § 7 NiedersStiftG).

     

    Rechtsgrundlage im Stiftungsgeschäft und in der Stiftungssatzung

    Der Stifter selbst kann u. E. im Rahmen seiner Privatautonomie und Satzungsfreiheit bei Gestaltung seiner Stiftungsverfassung (§ 85 BGB), also Stiftungsgeschäft und Satzung, eine Grundlage für einen Zusammenschluss in Form einer Zulegung schaffen. So wie es dem Stifter z. B. freisteht, eine Verbrauchsstiftung oder eine zeitlich befristete Stiftung ins Leben zu rufen, so kann er durch Satzung einen Auflösungsgrund festlegen. Erst recht muss es dem Stifter möglich sein, auch eine Grundlage für eine Zulegung zu schaffen.

     

    PRAXISTIPP | Bei der Gestaltung von Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung sollte der Stifter darauf achten, dass es dem zuständigen Stiftungsorgan durch die Regelungen erlaubt wird, unter gewissen Voraussetzungen einen Zusammenschuss mit einer anderen Stiftung durchzuführen.

     

    Die Voraussetzungen einer Zulegung

    Soll eine Zulegung durchgeführt werden und existiert eine Rechtsgrundlage, dann sind die dort genannten Voraussetzungen einzuhalten.

     

    Landesrechtliche Voraussetzungen sind einzuhalten

    Enthalten die Landesstiftungsgesetze explizit Regelungen zur Zulegung, wie z. B. § 8 BayStiftG, § 10 BrandBgStiftG, § 8 RhPfStiftG, § 11 ThürStftG oder § 7 SchleswHStiftG, sind die dort genannten Voraussetzungen zu erfüllen. Für eine Zulegung

    • wird dabei oft eine explizite Regelung in der Satzung vorausgesetzt,
    • müssen sich oftmals, teils unter Verweis auf § 87 BGB, die tatsächlichen Umstände bei der Stiftung geändert haben und
    • darf ‒ was sich von selbst versteht ‒ der tatsächliche oder mutmaßliche Stifterwille nicht entgegenstehen.

     

    Andere Landesstiftungsgesetze enthalten nur allgemeine Regelungen unter Nennung des Begriffs der Zusammenlegung. Dort findet sich zum Teil ‒ wie z. B. in § 9 HessStiftG ‒ die Formulierung, dass die Zusammenlegung mit einer anderen Stiftung (unter weiteren Voraussetzungen) erfolgen kann. Teilweise sehen die Landesstiftungsgesetze dann noch vor, dass das Vermögen mit Genehmigung auf die neue Stiftung übergeht bzw. die neue Stiftung rechtsfähig wird (z. B. § 7 SaarlStiftG, § 7 NiedersStiftG).

     

    Wichtig | Ob in den Regelungen zur Zusammenlegung überhaupt eine Grundlage für eine Zulegung gesehen werden kann, ist fraglich. Der Wortlaut spricht eher dagegen. Dafür spricht, dass eine Zulegung im Vergleich zur Zusammenlegung doch ein „Weniger“ ist und Zulegung und Zusammenlegung nicht gesetzlich definiert sind. Fasst das verantwortliche Stiftungsorgan eine „Zulegung“ ins Auge, so ist in jedem Fall das „Ob“ und (falls ja) das „Wie“ mit der zusätzlichen Stiftungsbehörde abzuklären.

     

    Vorgaben aus Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung beachten

    Neben landesrechtlichen Vorgaben sind bei der Zulegung die Vorgaben aus dem Stiftungsgeschäft und der Stiftungssatzung zu beachten. Dies gilt in formaler wie auch in materieller Hinsicht (dazu unten mehr). Landesrechtliche Regelungen sind hierzu subsidiär nach unserer Auffassung und haben ergänzende Funktion.

     

    • Formalitäten: In formaler Hinsicht müssen die zuständigen Stiftungsorgane die erforderlichen Beschlüsse mit den erforderlichen Mehrheiten fassen. Vorbehaltlich anderer Satzungsregelungen ist im Zweifel der Vorstand zuständig (§ 86 i. V. m. § 27 BGB). Die hierbei anberaumte Versammlung ist gemäß den Vorgaben der Stiftungssatzung einzuberufen und die weiteren Vorgaben zu Beschlussfassungen sind einzuhalten. Dies gilt sowohl für die übertragende als auch für die aufnehmende Stiftung.

     

    • Wichtig | Bei einer Zulegung sollen die Zwecke der übertragenden Stiftung (jedenfalls großteils) durch die aufnehmende Stiftung fortgeführt werden. Folglich bedarf es bei der aufnehmenden Stiftung oft einer Satzungsänderung (Zweckänderung). In jedem Fall ist ‒ unabhängig von der Satzungsänderung ‒ die vorherige Zustimmung der aufnehmenden Stiftung erforderlich.

     

    • PRAXISTIPPS |

      • Die Beschlussfassung sollte aufgrund ihrer Bedeutung und erheblichen Rechtsfolgen einer Zulegung an qualifizierte Mehrheiten oder gar die Einstimmigkeit geknüpft werden.
      • Sofern noch möglich, ist der Stifter zu der geplanten Zulegung zu hören. Die Zulegung darf nicht dessen tatsächlichem oder mutmaßlichem Willen zuwiderlaufen. Einer expliziten Erwähnung in der Satzung bedarf es hierzu nicht; dies ergibt sich schon aus den erheblichen Rechtsfolgen für die übertragende Stiftung, die im Zuge der Zulegung aufgelöst wird.
       
    • Materielle Vorgaben: Neben den formalen gilt es auch die materiellen Vorgaben aus der Satzung zu berücksichtigen. Die Zulegung kann unter verschiedenste Bedingungen gestellt werden ‒ oftmals wird sie in etwa an solche Voraussetzungen geknüpft, die denen des § 87 BGB für die Zweckänderung oder Aufhebung ähneln. Teilweise wird den Stiftungsorganen auch ein Ermessen eingeräumt.

     

    • PRAXISTIPP | Bei der Satzungsgestaltung, also schon bei der Stiftungsgründung, sollte darauf geachtet werden, dass eine Regelung zur Zulegung (und Zusammenlegung) aufgenommen wird. Diese Regelung sollte dem Vorstand Spielraum geben, ihm aber kein völlig freies Ermessen gewähren, da sonst der Bestand der Stiftung in seine Hände gelegt würde. Insofern sollte die Zulegung an geänderte Umstände geknüpft werden, z. B. daran, dass die Erfüllung des Stiftungszwecks dauerhaft nicht mehr möglich und/oder sinnvoll scheint.

       

    Zustimmung der Stiftungsaufsicht einholen

    Die Rechtsfolgen v. a. bei der übertragenden Stiftung sind so gravierend, dass es der Zustimmung der zuständigen Stiftungsbehörde(n) bedarf. Die übertragende Stiftung wird bei Vollzug der Zulegung aufgelöst. Unter Berücksichtigung von §§ 80 und 87 BGB sind also Erklärungen der Stiftungsaufsicht erforderlich ‒ die Stiftung entsteht unter staatlicher Mitwirkung, sie darf auch nur unter dieser Mitwirkung erlöschen bzw. „in ihrer DNA“ geändert werden.

     

    Bei der aufnehmenden Stiftung dürfte in der Regel zumindest eine Satzungsänderung anstehen. Das vor allem deswegen, weil sie die Zwecke der übertragenden Stiftung künftig fortführen muss. Auch hierfür ist die Zustimmung der Stiftungsaufsicht (vorab) einzuholen.

     

    PRAXISTIPP | Die Stiftungen sollten vor der Zulegung mit der zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde abstimmen, ob, wie und unter welchen Voraussetzungen aus deren Sicht die Zulegung durchgeführt werden kann. Das gilt gerade, wenn eine solche Maßnahme nicht explizit im Landesstiftungsgesetz vorgesehen ist.

     

    Auch steuerrechtliche Vorgaben einhalten

    Bei der Zulegung sind jedenfalls bei steuerbegünstigten (gemeinnützigen/mildtätigen) Stiftungen die steuerrechtlichen Vorgaben, insbesondere §§ 52 ff. AO, im Blick zu behalten. So ist z. B. sicherzustellen, dass die Zwecke von übertragender und aufnehmender Stiftung und die Regelungen zur Anfallberechtigung miteinander einhergehen und dass die Aufteilung des Stiftungsvermögens der übertragenden Stiftung grundsätzlich beibehalten wird, dass also insbesondere zeitnah zu verwendende Mittel auch bei der aufnehmenden Stiftung als solche ausgewiesen und behandelt werden und Grundstockvermögen weiter als solches eingeordnet wird.

     

    PRAXISTIPP | Steuerbegünstigte Stiftungen sollten sich vor der Zulegung mit den zuständigen Finanzbehörden abstimmen und klären, ob, wie und unter welchen Voraussetzungen die Maßnahme erfolgen kann, und die Zustimmung der Finanzbehörde einholen.

     

    Die Rechtsfolgen der Zulegung

    Überwiegend wird derzeit im Hinblick auf das von der übertragenden auf die aufnehmende Stiftung zu überführende Vermögen von einer Einzelrechtsnachfolge ausgegangen. Diese Einzelrechtsnachfolge erfolgt nach Genehmigung durch die Stiftungsaufsicht und durchgeführtem Liquidationsverfahren bei der übertragenden Stiftung wohl erst nach einem Sperrjahr (vgl. §§ 88, 47 ff. BGB, zum Sperrjahr vgl. § 51 BGB). Eine stiftungsrechtliche Ausnahmeregelung im BGB gibt es nicht; LStiftG enthalten teils Regelungen, wobei die diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz unklar ist. Das UmwG kann nicht (analog) herangezogen werden. Demnach macht die Einzelrechtsnachfolge wenig Sinn bzw. ist zumindest unpraktikabel. Die besseren Gründe sprechen dafür, Gesamtrechtsnachfolge „durch Gestaltung“ anzunehmen, ähnlich dem Austritt des vorletzten Gesellschafters aus einer Personengesellschaft.

     

    Im Rahmen der Stiftungsrechtsreform werden die Rechtsfolgen der Zulegung zumindest künftig erfreulicherweise gesetzlich bestimmt: Die Gesamtrechtsnachfolge findet sich dann in § 86f BGB neu.

     

    PRAXISTIPP | Solange die Regelungen aus der Stiftungsrechtsreform noch nicht gelten, sollte mit der zuständigen Stiftungsaufsicht abgestimmt werden, wie die Zulegung genau durchgeführt wird. Im Zweifel bedarf es dann aufgrund der überwiegend vertretenen Auffassung derzeit noch eines Liquidationsverfahrens mit anschließender Übertragung des Vermögens mittels Einzelrechtsnachfolge von der übertragenden auf die aufnehmende Stiftung.

     

    Abschließende Praxishinweise für Stiftungen

    Mangels einheitlicher gesetzlicher Grundlagen ist bereits bei der Gründung einer Stiftung darauf zu achten, die Möglichkeiten des Zusammenschlusses ‒ hier also eine Zulegung ‒ in der Satzung festzuhalten und dabei die formalen und materiellen Voraussetzungen klar zu regeln.

     

    Schon um Klarheit zu schaffen, unter welchen Voraussetzungen die Zulegung möglich ist, bedarf es in jedem Fall der vorherigen Abstimmung und Zustimmung durch die Stiftungsaufsichtsbehörden. Insbesondere steuerbegünstigte Stiftungen sollten sich zudem vorher auch mit den Finanzbehörden abstimmen und deren Zustimmung einzuholen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Die Stiftungsrechtsreform regelt die Zulegung von Stiftungen ausdrücklich. Mehr dazu in einer der nächsten Ausgaben
    Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 183 | ID 47456240