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  • · Fachbeitrag · Stiftungsrechtsreform

    Eckpunkte des Regierungsentwurfs über ein Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts

    von Dr. Matthias Uhl, Rechtsanwalt bei Peters, Schönberger & Partner, München

    | Am 28.09.2020 hatte das BMJV einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ veröffentlicht. Dieser war sowohl von Verbänden als auch von der Rechtswissenschaft stark kritisiert worden. Die Bundesregierung hat darauf reagiert. Der „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ vom 03.02.2021 enthält im Vergleich zum Referentenentwurf deutliche Änderungen. SB StiftungsBrief stellt Ihnen die wesentlichen Änderungen vor. |

    Die wesentlichen Ziele des Regierungsentwurfs

    Der Text des Regierungsentwurfs für ein neues Stiftungsrecht (RegE, Abruf-Nr. 220357) basiert auf dem Referentenentwurf vom 28.09.2020 (RefE, Abruf-Nr. 46366265) sowie einem Diskussionsentwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ vom Februar 2018 (Abruf-Nr. 220406). Damit wird das Kernanliegen der Reform, den derzeit über die 16 Bundesländer zersplitterten Rechtszustand durch abschließende Regelungen des Stiftungsprivatrechts im BGB stärker zu vereinheitlichen, weiter verfolgt und konkretisiert.

     

    Fortan wären aufgrund bundeseinheitlicher Vorgaben u. a. zum Namen, Sitz und Vermögen der Stiftung, zur Änderung der Satzung, zur Beendigung sowie zur Zusammenführung von Stiftungen Details abschließend im Stiftungsrecht des BGB geregelt. Daneben soll ein neues Stiftungsregister, das vom Bundesamt für Justiz geführt wird, für mehr Transparenz im Stiftungssektor sorgen. Zugleich könnten Stiftungen leichter am Rechtsverkehr teilnehmen, da es künftig nicht mehr der in der Praxis häufig lästigen Ausstellung von Vertretungsbescheinigungen bedürfte.

    Die wesentlichen Änderungen zum Referentenentwurf

    Der RegE enthält neun wesentliche Änderungen zum RefE:

     

    1. „Reaktivierung“ des mutmaßlichen Stifterwillens

    Der Stifterwille ist das Herzstück einer jeden Stiftung und die oberste Richtschnur jedes stiftungsrechtlichen Denkens und Handelns. Während nach dem Referentenentwurf lediglich der tatsächliche Wille des Stifters als Maßstab dienen sollte, wird der mutmaßliche (hypothetische) Stifterwille durch den Regierungsentwurf gleichsam „reaktiviert“. So wie es dem geltenden Recht entspricht, soll danach auch dieser mutmaßliche Wille relevant werden, wenn der tatsächliche Stifterwille nicht (mehr) ermittelt werden kann. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs ist als mutmaßlicher Wille des Stifters „der Wille anzusehen, der dem Interesse der Stiftung entspricht.“ (Begr. RegE BT § 81 Abs. 4 S. 2, Seite 55 und § 83 Abs. 2, Seite 57).

     

    2. Abkehr vom Prinzip der stiftungsrechtlichen Satzungsstrenge

    In § 83 Abs. 2 BGB-RefE war vorgesehen, dass durch die Satzung von den Vorschriften des Untertitels „Stiftungen“ (§§ 80 ff. BGB) nur abgewichen werden konnte, wenn dies im BGB ausdrücklich bestimmt gewesen wäre. Die damit verbundene Einführung einer stiftungsrechtlichen „Satzungsstrenge“ ist zu Recht stark kritisiert worden. Denn sie hätte die Attraktivität der Rechtsform mit Sicherheit geschmälert.

     

    Künftig soll die Stifter- und Stiftungsfreiheit jedoch weiter hoch gehalten werden. Rechtliche Schranken bestehen nur dort, wo aus Gründen des öffentlichen Interesses Mindestanforderungen an die Rechtsform zu stellen sind und die Rechtsordnung einem Stiftungsgeschäft die Anerkennung versagen muss, weil es gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (BGH, Urteil vom 22.01.1987, Az. III ZR 26/85; BGH, Urteil vom 15.12.2016, Az. I ZR 63/15, Abruf-Nr. 191553). Nach dem RegE soll es dem Grunde nach auch künftig so sein. Zum derzeitigen Stand des Reformprozesses ist davon auszugehen, dass der Rechtsform Stiftung ihre Gestaltungsfreiheit erhalten bleibt, was vor allem für angehende Stifter wichtig sein dürfte.

     

    Im Vergleich zum RefE erhalten bleibt jedoch die Idee einer „Errichtungssatzung“. Danach soll lediglich im Zuge der Errichtung der Stiftung, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt, von bestimmten Vorschriften abgewichen werden können. Mit anderen Worten: Es sollen gewisse stiftungsrechtliche Vorschriften nur für den Stifter dispositiv sein. Dazu gehören die folgenden Fälle:

     

    • Die Haftung für Pflichtverletzungen von Organmitgliedern soll nur in der Errichtungssatzung beschränkt werden können (§ 84a Abs. 1 S. 3 Hs. 2 BGB-RegE).

     

    • Der Stifter soll die neuen Regeln über Satzungsänderungen nur in der Errichtungssatzung ausschließen oder beschränken können (§ 85 Abs. 4 S. 1 BGB-RegE).

     

    • Satzungsänderungen durch Organe der Stiftung kann der Stifter in der Errichtungssatzung auch abweichend von den Absätzen 1 bis 3 des § 85 BGB zulassen (§ 85 Abs. 4 S. 2 BGB-RegE).

     

    3. Zusatz zur Regelung der Form des Stiftungsgeschäfts

    § 81 Abs. 3 BGB-RegE enthält einen neuen Zusatz zur Form des Stiftungsgeschäfts unter Lebenden: Das Stiftungsgeschäft bedarf danach (weiter lediglich) der schriftlichen Form, „wenn nicht in anderen Vorschriften ausdrücklich eine strengere Form vorgeschrieben ist (…)“.

     

    Nach der Begründung zum RegE soll damit klargestellt werden, dass Formerfordernisse, die für Verträge gelten, wie insbesondere § 311b Abs. 1 S. 1, Abs. 3 oder § 15 Abs. 4 GmbHG, nicht analog auf das Stiftungsgeschäft anzuwenden sind. Soweit in der Vergangenheit in der Rechtsprechung eine solche Analogie gezogen worden ist, wäre dem nun endgültig die Basis entzogen (Begr. RegE BT § 81 Abs. 3, Seite 54).

     

    4. Flexiblere Regelung bei Verbrauchsstiftungen

    Im RefE war vorgesehen, dass bei Verbrauchsstiftungen in der Satzung genau festgelegt wird, wie lange sie konkret bestehen soll. Nach dem RegE müssen Verbrauchsstiftungen nunmehr zwar nicht mehr für einen konkreten „Zeitraum“, jedoch für eine bestimmte „Zeit“ von mindestens zehn Jahren errichtet werden. Die Begründung zum RegE führt hierzu aus:

     

    • Auszug aus der Begründung zu § 81 Abs. 2 Nr. 1 BGB-RegE (Seite 53)

    In der Stiftungssatzung kann ein Zeitraum festgelegt werden, für den die Stiftung bestehen soll. Es reicht aber auch aus, das Ende der Stiftung an ein bestimmtes Ereignis zu knüpfen, das sicher eintritt, wie zum Beispiel den Tod einer Person. Bei solchen Zeitbestimmungen ist allerdings die Prognose nach § 82 S. 1 BGB-neu, ob die Verbrauchsstiftung ihren Zweck dauernd und nachhaltig erfüllen kann, erheblich unsicherer als bei Festlegung eines festen Endzeitpunkts, zu dem die Stiftung ihre werbende Tätigkeit beenden soll. Wenn in der Errichtungssatzung ein Zeitraum für die Stiftung festgelegt wird, besteht eine bessere Grundlage für die Prognose nach § 82 S. 1 BGB-neu, ob davon ausgegangen werden kann, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert ist. Die zuständigen Stiftungsorgane können auch besser den Verbrauch des Stiftungsvermögens planen.

     

    5. Kein Automatismus bei Vermögensumschichtungen

    Zu der im RefE vorgesehen Verschärfung der Behandlung von Vermögensmehrungen bei Umschichtung des Grundstockvermögens soll es nicht kommen. In der Begründung des RegE heißt es dazu:

     

    • Auszug aus der Begründung zu § 83c Abs. 1 S. 1 BGB-RegE (Seite 62)

    Die Zusammensetzung des Grundstockvermögens kann von den zuständigen Stiftungsorganen auch geändert werden, um durch Vermögensumschichtungen höhere Erträge für die Stiftung zu erwirtschaften. Werden Umschichtungsgewinne erzielt, können diese wie bisher zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden. § 83c Abs. 3 BGB-neu stellt klar, dass § 83c Abs. 2 S. 2 BGB-neu einer Satzungsbestimmung nicht entgegensteht, die ausdrücklich regelt, dass die Zuwächse aus Umschichtungen für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden können.

     

    6. Feinjustierungen bei den Vorgaben zu Satzungsänderungen

    Der RegE knüpft an die bisherigen Vorschläge an, Satzungsänderungen abgestuft nach dem Grad der „Eingriffsintensität“ zuzulassen:

     

    • Satzungsänderungen, die den Stiftungszweck nicht ändern, sollen bereits zulässig sein, wenn sie der „Zweckerfüllung fortan dienen“ (statt bisher „die Zweckerfüllung erleichtern“ ‒ § 85 Abs. 3 BGB RegE).

     

    • Auch prägende Bestimmungen der Satzung sollen geändert werden können, wenn sich die Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung wesentlich verändert haben oder eine solche Änderung erforderlich ist, um die Stiftung an veränderte Verhältnisse anzupassen. Aus dem Katalog der prägenden Bestimmungen sind nun aber die „Zusammensetzung und Aufgaben der Organe“ gestrichen worden. Fortan sollen für eine Stiftung in der Regel nur noch ihr Name und ihr Sitz, die Art und Weise der Zweckerfüllung sowie die Regelungen zur Verwaltung des Grundstockvermögens prägend sein. Erweiternd heißt es in der Begründung zum Regierungsentwurf, dass auch die Anordnung, dass eine Stiftung „eine gemeinnützige oder eine kirchliche Stiftung sein soll“ als für die Stiftung prägend anzusehen ist (Begr. RegE BT § 85 Abs. 2 S. 2 BGB-RegE, Seite 75).

     

    • Eine Änderung des Zwecks soll z. B. möglich sein, wenn die Stiftung ihren Zweck nicht mehr wirksam erfüllen kann und nicht damit zu rechnen ist, dass dies von der Stiftung in absehbarer Weise geändert werden kann. Nach dem RegE ist nun nicht mehr erforderlich, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks „endgültig“ unmöglich sein muss. Die „endgültige Unmöglichkeit“ der Zweckerfüllung ist nun nur noch für die Auflösung der Stiftung vorgesehen. Damit kommt zum Ausdruck, dass die Auflösung gegenüber der Zweckänderung nachrangig ist.

     

    Auch nach dem RegE sind die Bestimmungen zu Satzungsänderungen dispositiv, also durch den Stifter abänderbar. Das soll aber (lediglich) in der Errichtungssatzung möglich sein (§ 85 Abs. 4 BGB-RegE).

     

    7. Beweislast bei der Haftung von Stiftungsorganen

    Die im RefE vorgesehene eigenständige Binnenhaftung von Organmitgliedern gegenüber der Stiftung soll doch nicht Gesetz werden. Somit bleibt es bei § 280 Abs. 1 BGB als Haftungsgrundlage. Folglich bleibt es auch bei einer Beweislastumkehr für das Vertretenmüssen („Verschuldens“) des pflichtschuldigen Organmitglieds („Verschuldensvermutung“).

     

    8. Stiftungsregister mit Publizitätswirkung

    Der „große Wurf“ der Reform bleibt das mit Publizitätswirkung ausgestattete Stiftungsregister, für dessen Umsetzung weiterhin ein „Stiftungsregistergesetz“ vorgesehen ist. Trotz Kritik aus der Wissenschaft soll das Register weiterhin nicht dezentral durch die Länder, sondern durch das Bundesamt für Justiz geführt werden. Die Einsichtnahme soll jedermann gestattet sein. Anders als bislang vorgesehen soll jedoch der Zugang zu den zum Register eingereichten Dokumenten aufgrund eines berechtigten Interesses der Stiftung oder Dritter beschränkt oder ausgeschlossen werden können (z. B. wegen personenbezogener Daten von Stiftern oder Destinatären).

     

    9. Zeitpunkt des Inkrafttretens hinausgeschoben

    Anders als bislang vorgesehen soll die Reform des Stiftungsrechts nicht am 01.01.2022, sondern erst zum 01.07.2022 in Kraft treten. Damit soll vor allem bestehenden Stiftungen ausreichend Zeit gegeben werden, Satzungen anzupassen. Und die Länder sollen Zeit haben, ihre Landesstiftungsgesetze zu ändern. Die Vorschriften zum neuen Stiftungsregister sollen erst zum 01.01.2026 in Kraft treten.

     

    Der RegE wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme vorgelegt und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung ist der Bundestag am Zug.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 49 | ID 47117579