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  • · Fachbeitrag · Satzungsrecht

    Moderne Abstimmungsformen trotz fehlender Satzungsvorgaben in Zeiten der Corona-Krise

    von RA Michael Röcken, Bonn, ra-roecken.de

    | Die Corona-Krise hat immer stärkere Auswirkungen auf den Stiftungsbereich. Aufgrund der bestehenden Kontaktverbote ist es nicht mehr möglich, Vorstands- oder Gremiensitzungen durchzuführen. Moderne Alternativen zu der herkömmlichen Sitzung sehen Satzungen oder Geschäftsordnungen häufig nicht vor. Hilfe kommt nun durch den Gesetzgeber. |

    „Corona-Gesetze“: Erleichterung für Mitgliederversammlung

    Der Bundestag hat am 25.03.2020 in einem bis dato beispielslosen Tempo das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrechtn“ (BT-Drs. 19/18110, Abruf-Nr. 214945) beschlossen. Der Bundesrat stimmte in seiner Sondersitzung am 27.03.2020 zu.

     

    Hierbei handelt es sich um ein sog. Artikelgesetz, das verschiedene Bereiche umfasst. Maßgeblich für den Stiftungsbereich ist Artikel 2, nämlich das „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“, das bis zum 31.12.2020 gilt. Dieses Gesetz sieht nun in § 5 Abs. 2 und 3 moderne Formen der Beschlussfassung vor:

     

    • § 5 Abs. 2 und 3

    (2) Abweichend von § 32 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung den Vereinsmitgliedern ermöglichen,

    • 1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder
    • 2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

    (3) Abweichend von § 32 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihr Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.

     

    Konkrete Umsetzung in der Praxis bei Stiftungen

    Über § 86 BGB finden zahlreiche vereinsrechtliche Regelungen auf Stiftungen entsprechende Anwendung. Für den Bereich der Vorstandssitzung auch § 28 BGB, der wiederum auf § 32 BGB verweist. Damit können nun auch Vorstandssitzungen durchgeführt werden, ohne dass sich die Mitglieder zusammenfinden müssen. Für die anderen Gremien in der Stiftung ist diese Möglichkeit analog anwendbar.

     

    Virtuelle Vorstandssitzung

    Die Regelung in Abs. 2 ermöglicht der Stiftung nun, eine virtuelle Vorstandssitzung durchzuführen. Diese kann nun also z. B. via Skype, zoom oder per Videokonferenz erfolgen.

     

    Wichtig | Die so gefassten Beschlüsse müssen auch protokolliert werden, um später nachweisen zu können, dass die Sitzung auch tatsächlich durchgeführt worden ist.

     

    „Schriftliche“ Beschlussfassung

    Aber auch eine „schriftliche“ Beschlussfassung ist nun nach Abs. 3 möglich. Voraussetzung ist, dass der Vorsitzende des Stiftungsvorstands die Vorstandsmitglieder informiert, dass dieser Weg gewählt wird. Da diese derzeit davon ausgehen, dass keine Sitzungen stattfinden, sollte nachgefragt werden, ob Anträge gestellt werden.

     

    Wenn die Anträge aus dem Vorstandskreis vorliegen, können die Beschlussvorlagen erstellt und versandt werden. Hier ist eine Frist zu setzen, bis zu der die Stimmen abgegeben werden können.

     

    Zur wirksamen Beschlussfassung müssen sich bis zum Ablauf der gesetzten Frist mindestens die Hälfte der Mitglieder an der Abstimmung beteiligen.

     

    Für die eigentliche Beschlussfassung gelten die Mehrheitsverhältnisse, wie sie in der Satzung vorgesehen sind. Fehlt eine Regelung, ist die einfache Mehrheit ausreichend (§§ 86, 28 in Verbindung mit § 32 Abs. 1 S. 3 BGB)

     

    Im Gegensatz zur bereits vorhandenen Möglichkeit der schriftlichen Abstimmung in § 32 Abs. 2 BGB können die Vorstandsmitglieder hier auch in Textform abstimmen. Sprich: Eine E-Mail oder ein Fax sind ausreichend.

     

    Nach Ablauf der gesetzten Frist muss ausgewertet werden, ob sich mindestens die Hälfte der Mitglieder beteiligt haben und ob die erforderliche Mehrheit erreicht wurde. Danach muss das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben werden.

     

    FAZIT | Der Gesetzgeber hat eine erhebliche Erleichterung geschaffen, die aber auch Optimierungsmöglichkeiten in der Satzung aufzeigt. Nutzen Sie die Chance, dies nach der Krise in der Satzung umzusetzen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Stiftungsvorstand bleibt bis zu einer Neuwahl im Amt“, SB 4/2020, Seite 61,→ Abruf-Nr. 46459496
    • Steuerliche Maßnahmen und sonstige Maßnahmen für Sitzungen in Zeiten der Corona-Pandemie entwickeln sich dynamisch. Laufende Informationen finden Sie auf sb.iww.de
    Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 79 | ID 46464328