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  • · Fachbeitrag · Stiftung & Steuern

    Kooperationen unter dem Blickwinkel der aktuellen Rechtsprechung des BFH

    von RAin Gabriele Ritter und FAin für Steuer- und Sozialrecht, BDO AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Köln

    | Kooperationen nehmen angesichts des weiter steigenden Kostendrucks im Non-Profit-Bereich zu. Während die Rechtsprechung im Umsatzsteuerrecht dem Gedanken der Kosteneffizienz Rechnung zu tragen scheint, haben sich in der ertragsteuerlichen bzw. gemeinnützigkeitsrechtlichen Jurisprudenz ähnliche Überlegungen nur im Ansatz durchgesetzt. Der folgende Beitrag zeigt, warum die derzeitige Rechtsprechung „steuersichere“ Vertragsgestaltungen schwierig macht und wo die Brennpunkte liegen. |

    1. Wo liegt das Problem?

    Kooperationen im Non-Profit-Bereich zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sich mehrere steuerbegünstigte Einrichtungen zusammentun, um gemeinsam einen Zweck zu erfüllen. Dies kann gesellschaftsrechtlich umgesetzt werden. Häufig werden jedoch rein schuldrechtliche Verbindungen bevorzugt, insbesondere wenn die Bindungen nicht langfristig ausgelegt sind oder auch nur eine Vorstufe zu einer möglichen späteren gesellschaftsrechtlichen Verbindung sein sollen. Besonders im Fokus dieser Überlegungen stehen gemeinnützigkeitsrechtlich die zugekauften (Teil-)Leistungen.

     

    • Beispiel

    Ein Vertragspartner verpflichtet sich gegenüber einem Bedürftigen zur Erbringung bestimmter Leistungen, die für sich genommen sowohl unter eine Zweckbetriebsnorm fallen als auch umsatzsteuerbefreit sind. Tatsächlich erbringt er diese Leistungen aber nicht selbst, sondern kauft sie im Innenverhältnis ganz oder teilweise ein. Dieser Zukauf kann dann unterschiedlich ausgerichtet sein.

    • Teilweise tritt der andere Vertragspartner gegenüber dem Dritten gar nicht in Erscheinung (z.B. bei Vorleistungen wie etwa eingekauften Laborleistungen).
    • In anderen Fällen erbringt der andere Vertragspartner „seine“ Leistung direkt gegenüber dem Dritten (z.B. bei Pflegeleistungen).

    2. Gemeinnützigkeitsrechtliche Betrachtungsweise des BFH

    Gemeinnützlichkeitsrechtlich spielen die vertraglichen Beziehungen eine bedeutende Rolle.

     

    2.1 Urteil des BFH vom 16.12.09

    In dem durch den BFH (I R 49/08, Abruf-Nr. 100939) entschiedenen Fall verpflichtete sich ein steuerbegünstigter Verein der freien Wohlfahrtspflege gegenüber einer steuerpflichtigen Vermieterin von Wohnungen, Leistungen gegen Entgelt im Bereich des altenbetreuten Wohnens zu erbringen (Basisleistungen). Diese Leistungen beinhalteten bestimmte Betreuungs-, Service- und Pflegeleistungen. Zusätzlich hatte der Verein den betreuten Personen darüber hinausgehende Betreuungs-, Service- und Pflegeleistungen direkt anzubieten und auf Anforderung auf eigene Rechnung zu erbringen.

     

    • Der BFH entschied, dass bei „Zwischenschaltung“ eines anderen Rechtsträgers kein Zweckbetrieb nach § 66 AO (Einrichtung der Wohlfahrtspflege) vorliegt, da die steuerbefreite Körperschaft nicht unmittelbar den in § 53 AO genannten bedürftigen Personen diene. Dabei hat sich der BFH streng nach den privatrechtlichen Leistungsbeziehungen gerichtet. Der Kläger hätte im Streitfall sämtliche Leistungen auch vertraglich mit den hilfsbedürftigen Personen unmittelbar vereinbaren können.

     

    • Auch liege kein Zweckbetrieb nach § 65 AO vor, da der Verein mit dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (wGB) eine steuerpflichtige Personengesellschaft in deren Erwerbsstreben unterstützt. Dies entsprach nicht seinem Satzungszweck. Hinsichtlich der Zusatzleistungen war die Annahme eines Zweckbetriebs nach § 66 AO unstreitig, weil hier die Verträge direkt mit den Bewohnern geschlossen worden waren.

     

    Dieser Fall zeigt, dass der BFH den Regelungen zur Gemeinnützigkeit ein sehr enges („gemeinnützigkeitskritisches“) Verständnis zugrunde legt. Diese Restriktionen werden durch Aspekte der steuerlichen Gleichbehandlung und der damit einhergehenden Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gerechtfertigt. Aus der vorgestellten BFH-Rechtsprechung geht nicht hervor, wie ein vergleichbarer Sachverhalt bei Leistungserbringung an eine ebenfalls steuerbegünstigte Körperschaft zu beurteilen wäre. Dies hatte der BFH in der folgenden Entscheidung zu prüfen.

     

    2.2 Urteil des BFH vom 17.2.10 zum arbeitsteiligen Zusammenwirken

    Eine gemeinnützige GmbH, die von ebenfalls gemeinnützigen Stiftungen gehalten wurde, erbrachte im Rahmen ihres Satzungszwecks heilpädagogische Dienstleistungen zur ergänzenden und begleitenden Betreuung von entwicklungsgestörten und behinderten Menschen gegen ein im Wesentlichen auf der Grundlage der entstandenen Personalkosten berechnetes Entgelt. Für ihre Gesellschafterinnen betreute sie auf dieser Basis Jugendliche in Abend- und Nachtdiensten. Diese waren zuvor von den Gesellschafterinnen selbst betreut worden. Das Finanzamt sah diese Leistungen als (nicht gemeinnützige) Personalgestellung an und unterwarf die Einkünfte der Körperschaftsteuer mit der Begründung, dass es an der Unmittelbarkeit und Ausschließlichkeit der Zweckerfüllung fehle.

     

    Nach Ansicht des BFH kann ein solcher wGB in seiner Gesamtrichtung gleichwohl dazu dienen, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der gemeinnützigen GmbH selbst zu verwirklichen. Diese fördere durch ihre Tätigkeit zwar ihre Gesellschafterinnen bei der Verwirklichung von deren steuerbegünstigten Zwecken, verwirkliche jedoch zugleich auch (unmittelbar) eigene satzungsmäßige Ziele der Jugendhilfe, soweit sie den nach ihrer Satzung begünstigten Personenkreis selbstlos durch Betreuungsleistungen unterstützt (BFH 17.2.10, I R 2/08, SB 10, 167, Abruf-Nr. 101022).

     

    Voraussetzung für die Steuerbegünstigung der Hilfsperson ist jedoch, dass die Tätigkeit gegenüber der anderen - ebenfalls steuerbegünstigten - Körperschaft selbstständig und eigenverantwortlich erbracht werden muss. In Abgrenzung zur Personalgestellung ist daher zu prüfen, ob die Hilfsperson im Rahmen eines Werkvertrags oder eines selbstständigen Dienstvertrags tätig wurde. Grundsätzlich muss sie dabei folgende Kriterien beachten:

     

    • die eigenverantwortliche Organisation der betrieblichen Abläufe,
    • das Weisungsrecht gegenüber den tätig werdenden Mitarbeitern,
    • die Übernahme von Unternehmerrisiko und
    • (in der Regel) der Ansatz einer ergebnisbezogenen Vergütung.

     

    Unbeachtlich für die Gemeinnützigkeit im Rahmen des § 57 AO war für den BFH, dass die Vertragsbeziehungen nicht unmittelbar zu den Betroffenen bestanden, sondern dass lediglich „im Auftrag“ gearbeitet wurde. Allerdings waren die Vertragsbeziehungen in anderem Zusammenhang entscheidend. Der BFH hatte nämlich weiter zu prüfen, ob die Körperschaft, die vertraglich selbst nicht mit den betroffenen Menschen in Verbindung stand, im Rahmen eines Zweckbetriebs handelte. Hier hat der BFH dann das Vorliegen eines Zweckbetriebs nach § 66 AO wegen des Fehlens der unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Betreuten verneint. Es könne allenfalls ein Zweckbetrieb nach § 65 AO (allgemeiner Zweckbetrieb) in Betracht kommen, der allerdings voraussetzt, dass die Körperschaft nicht zu steuerpflichtigen Einrichtungen derselben oder ähnlichen Art in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei der Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.

     

    Beachten Sie | Ein potenzieller Wettbewerb wird als ausreichend angesehen, sodass es bei dieser Beurteilung z.B. nicht darauf ankommt, ob in der räumlichen Umgebung ein steuerpflichtiger Wettbewerber vorhanden ist.

     

    2.3 Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 7.2.12

    Eine gemeinnützige Rettungsdienst-GmbH, deren alleiniger Anteilseigner ein Landkreis ist, führt für diesen die Notfallrettung und Krankentransporte aus und betreibt Rettungswachen. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Übernahme von „hoheitliche Pflichtaufgaben“ durch eine Tochtergesellschaft nicht gemeinnützig möglich ist. Die Tochtergesellschaft handle nicht selbstlos gemäß § 55 AO, sondern primär im Interesse des Gesellschafters. Handelt es sich hingegen um „freiwillige Aufgaben“ des öffentlich-rechtlichen Gesellschafters, könne eine Tochtergesellschaft mit entsprechenden Aufgaben gemeinnützig sein.

     

    Dies sah das FG Berlin-Brandenburg anders und hat die Steuerbegünstigung trotz fehlender Vertragsbeziehungen bejaht (7.2.12, 6 K 6086/08, Abruf-Nr. 122666). Eine solche Gesellschaft ist - so das Gericht - auch dann gemeinnützig und somit von der Pflicht zur Steuerzahlung befreit, wenn sie in der Rechtsform einer GmbH organisiert ist und Gesellschafter ein Landkreis ist, dem diese Aufgaben eigentlich obliegen. Zu den als gemeinnützig im steuerlichen Sinne anzusehenden Tätigkeiten gehört die Förderung der Rettung aus Lebensgefahr, sodass an der Gemeinnützigkeit der Tätigkeit kein Zweifel besteht. Maßgeblich sei allein, dass die infrage stehende Tätigkeit den Anforderungen entsprach, die an die Gemeinnützigkeit gestellt würden; der Nutzen für die Allgemeinheit sei durch die im streitigen Fall gewählte rechtliche Konstruktion schließlich nicht vermindert.

     

    In seiner Begründung wies das Gericht zum Merkmal der Unmittelbarkeit nach § 57 Abs. 1 AO darauf hin, dass es unbeachtlich ist, wenn zwischen den betroffenen Menschen und der Klägerin, der Rettungsdienst GmbH, keine Vertragsbeziehungen bestanden, sondern nur zwischen der Klägerin und dem Landkreis in Gestalt des Dienstleistungsvertrags sowie zwischen dem Landkreis und den Krankenkassen in Gestalt der Kosten- und Leistungsrechnung und damit auf sozialversicherungsrechtlicher Grundlage i.S. von § 133 Abs. 1 SGB V. Ebenso ist unbeachtlich, wer im Fall der Notfallrettung Gebührenschuldner ist. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Gebührenschuldner oder gegebenenfalls die für ihn leistende Krankenkasse an den Landkreis D zahlt oder unmittelbar an die Klägerin.

     

    Mit dieser Begründung steht das Gericht in Einklang mit der unter Punkt 2.2 dargestellten Rechtsmeinung des BFH. Allerdings hat das Gericht keine weitere Prüfung der Zweckbetriebseigenschaft vorgenommen, sodass es offensichtlich den vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien insofern keine weitere (eigenständige) Bedeutung beimisst, sondern das Zugutekommen der Leistung als ausreichend ansieht. Der Beklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 17/12 beim I. Senat anhängig ist.

    3. Umsatzsteuerliche Betrachtung

    Mit Urteil vom 8.6.11 hat der BFH zu dem unter 2.2 dargestellten Fall aus umsatzsteuerlicher Sicht entschieden, dass die Basisleistungen, die ein gemeinnütziger Verein der freien Wohlfahrtspflege im Rahmen des „betreuten Wohnens“ erbringt, nach Europarecht umsatzsteuerfrei sind (XI R 22/09, Abruf-Nr. 113000).

     

    Hier entschied der 11. Senat des BFH aus umsatzsteuerlicher Sicht, dass ungeachtet der gemeinnützigkeitsrechtlichen Betrachtung die Basisleistungen umsatzsteuerfrei erbracht werden können. Daher könne sich der Verein für die Umsatzsteuerbefreiung unmittelbar auf die europarechtliche Regelung berufen (für die Streitjahre war die Steuerbefreiung in Art. 13 Teil A Abs. 1g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG geregelt; nun Art. 132 Abs. 1g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Diese Bestimmung sei nämlich mit § 4 Nr. 18 UStG nicht adäquat in das deutsche Umsatzsteuerrecht umgesetzt worden. Der Kläger gehört zwar - so der BFH - zu dem nach § 4 Nr. 18 UStG begünstigten Personenkreis, da er einem amtlich anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege i.S. des § 23 UStDV angeschlossen ist und nach seinem Satzungsinhalt unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke verfolgt. Es sei aber zweifelhaft, ob die weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 UStG erfüllt sind. Denn der I. Senat des BFH habe in seinem Urteil vom 16.12.09 (siehe Punkt 2.1) zur Körperschaft- und Gewerbesteuer das Kriterium der Unmittelbarkeit der Leistungen verneint unter Hinweis darauf, dass die Mieter nach dem Betreibervertrag selbst keinen unmittelbaren Anspruch auf Erfüllung der Basisleistungen gegen den Kläger haben. Für die unmittelbare Berufung auf die vorgenannte EG-rechtliche Befreiungsnorm müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, die

    • Leistungen müssen mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit eng verbunden sein, und
    • von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden.

     

    Diese Voraussetzungen sieht der BFH bei der Erbringung der Basisleistungen als erfüllt an. Der Annahme einer eng mit der Fürsorge oder sozialen Sicherheit verbundenen Leistung stehe insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger keine Vertragsbeziehung zu den Mietern hat, sondern sich gegenüber dem Vermieter zum Erbringen der Leistungen verpflichtet hatte. Denn Art. 13 Teil A Abs. 1g der Richtlinie 77/388/EWG stellt auf die Art der Dienstleistung ab und verlangt nicht zwingend, dass schuldrechtliche Beziehungen zwischen der betreuten Person und dem Leistenden bestehen, solange die Betreuung tatsächlich gegenüber den hilfsbedürftigen Personen erfolgt. Ihnen müssen jedoch die Leistungen unmittelbar zugutekommen.

     

    Das Leistungsbündel der oben genannten Basisleistungen dürfe bei einer Gesamtbetrachtung auch nicht künstlich aufgespalten werden, sondern sei vielmehr - aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers - als einheitliche Leistung anzusehen. Der BFH stellt in seiner Begründung darauf ab, dass sich der Verein zur Erbringung eines gesamten Leistungspakets verpflichtet hat, diese Verpflichtung zudem in einer einzigen Vertragsgrundlage enthalten ist und danach einheitlich abgerechnet wird. Insofern sei es nicht sachgerecht, das Leistungspaket „Basisleistungen“ in seine einzelnen Leistungselemente aufzuspalten. Unter diesem Gesichtspunkt bleibt die Vertragsgestaltung auch aus umsatzsteuerlicher Sicht weiter relevant.

    4. Abschließende Bemerkung

    Die Urteile zeigen, dass bei der steuerlichen Beurteilung der Leistungsbeziehungen die gemeinnützigkeits- und umsatzsteuerliche Prüfung getrennt unter den jeweils für sie maßgebenden Bestimmungen zu erfolgen hat. Ertragsteuerlich zieht der I. Senat des BFH zum Schutz eines funktionierenden Markts hier sehr enge Maßstäbe; es kommt auch auf die unmittelbaren Vertragsverhältnisse an. Diese Linie des I. Senats scheint gefestigt. Vor diesem Hintergrund dürfte auch die derzeit anhängige Revision zu der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg wenig Anlass auf Hoffnung geben.

     

    Für die umsatzsteuerliche Auslegung des „eng verbundenen Umsatzes“, der Merkmal in zahlreichen Befreiungsvorschriften der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ist, kommt es nicht auf die vertraglichen Beziehungen zu den Leistungsempfängern an, ihnen müssen die Leistungen „lediglich“ zugutekommen. Umsatzsteuerlich problematisch bleibt die Beurteilung der Befreiung im Rahmen der Einheitlichkeit der Leistungserbringung. Hier stellt der BFH auch für die umsatzsteuerliche Betrachtungsweise auf die jeweilige Vertragsgestaltungen ab.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 53 | ID 38273440