Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Gemeinnützigkeit

    Angemessene Vergütung von Führungskräften bei Gemeinnützigen ‒ BFH nennt Grundsätze

    von Rechtsanwalt Dr. Matthias Uhl, Peters, Schönberger & Partner, München

    | Auch gemeinnützige Stiftungen zahlen für hochqualifizierte Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder Mitarbeiter oft hohe Vergütungen. Mit der Höhe der Vergütung des Personals steigt jedoch das Aufgriffsrisiko durch die Finanzverwaltung. In der Praxis stellt sich da die Frage, wann die Vergütung unangemessen hoch ist. Der BFH hat erstmals zentrale Grundsätze zur Höhe von Geschäftsleitervergütungen bei gemeinnützigen Organisationen formuliert. SB erläutert die Bedeutung für die Praxis. |

    Der Fall: Vergleichsweise sehr hohes Geschäftsführergehalt

    Die Klägerin ist eine gGmbH, die sich in der psychiatrischen Arbeit engagiert und in erster Linie ‒ z. B. durch den Betrieb von Kitas und Kliniken ‒ Leistungen im Bereich der Gesundheits- und Sozialbranche nach dem Sozialgesetzbuch erbringt. Dadurch fördert sie mildtätige und gemeinnützige Zwecke (Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und des Wohlfahrtswesens).

     

    Bei einem jährlichen Umsatz von ca. sieben Mio. bis 15 Mio. Euro und bis zu 450 Mitarbeitern hatte der Geschäftsführer überwiegend eine jährliche Vergütung von über 200.000 Euro (zuletzt ca. 280.000 Euro) bezogen.

     

    Das Finanzamt hatte der gGmbH für die Streitjahre 2005 bis 2010 die Gemeinnützigkeit aberkannt, weil das Geschäftsführergehalt unangemessen hoch gewesen sei. Das FG Mecklenburg-Vorpommern hatte die Entscheidung des Finanzamts mitgetragen. Ihm zufolge sei die gewährte Vergütung aus zwei Gründen unangemessen hoch: Zum einen seien die Entgelte im Verhältnis zu vergleichbaren Geschäftsführervergütungen überzogen, zum anderen lägen zu hohe Gehaltssteigerungen vor (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.12.2016, Az. 3 K 272/13, Abruf-Nr. 194789).

    Unverhältnismäßig hohe Vergütung ‒ keine Gemeinnützigkeit

    Die Revision der gGmbH hält der BFH nur teilweise ‒ nämlich hinsichtlich der Streitjahre 2006 und 2007 ‒ für begründet, im Übrigen jedoch für unbegründet (BFH, Urteil vom 12.03.2020, Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488):

     

    • Das FG hatte für das Jahr 2006 unberücksichtigt gelassen, dass die Angemessenheitsgrenze lediglich geringfügig (um ca. 3.000 Euro) überschritten war; für das Jahr 2007 hat es versäumt, bei der Prüfung der angemessenen Vergütungshöhe einen Sicherheitszuschlag anzusetzen.

     

    • Aus Sicht des BFH ist die Beurteilung der Streitjahre 2005 sowie 2008 bis 2010 in Ordnung. Insofern bestätigte er die Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Dies führt zum Verlust der Steuerbegünstigung.

     

    Die Vorgaben des Gesetzes

    Die Tätigkeit einer gemeinnützigen Stiftung muss auf die selbstlose Förderung der Allgemeinheit gerichtet sein (§ 52 Abs. 1 S. 1 AO). Eine Förderung geschieht selbstlos, wenn

    • durch sie nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt und
    • die übrigen in § 55 Abs. 1 AO genannten Voraussetzungen erfüllt werden.

     

    § 55 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 AO bestimmt hierzu, dass keine Person durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden darf (Drittbegünstigungsverbot). Eine unverhältnismäßig hohe Vergütung liegt nicht vor, wenn sie mit Blick auf die zu erbringende Tätigkeit und die zu erfüllenden Aufgaben als wirtschaftlich angemessen angesehen werden kann.

     

    Die zentralen Aussagen des BFH zur Vergütungshöhe

    In seiner neuen Entscheidung trifft der BFH die folgenden Aussagen, die für die Praxis jeder gemeinnützigen Stiftung von zentraler Bedeutung sind:

     

    • Fremdvergleich nach vGA-Grundsätzen: Die Zahlung überhöhter Geschäftsführervergütungen verstößt gegen das Drittbegünstigungsverbot in § 55 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 AO. Ob Vergütungen unverhältnismäßig sind, ist durch einen Fremdvergleich zu ermitteln. „Unverhältnismäßig“ im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 AO ist gleichbedeutend mit „unangemessen“ im Bereich einer sog. verdeckten Gewinnausschüttung (vGA, § 8 Abs. 3 S. 2 KStG). Die Unverhältnismäßigkeit einer Vergütung ist daher entsprechend den Grundsätzen der vGA zu bestimmen.

     

    • Externer Fremdvergleich: Für die Feststellung einer vGA durch überhöhte Vergütungen kann die Vergütung vor allem mit denjenigen Entgelten verglichen werden, die unter gleichen Bedingungen an Geschäftsführer anderer Unternehmen gezahlt werden (externer Fremdvergleich). Dieser Vergleich bezieht sich auf die Jahresgesamtvergütung („Gesamtausstattung“). Danach sind alle Vorteile, die dem Geschäftsführer zufließen (Gehälter, Weihnachts-/Urlaubsgeld, Versicherungsbeiträge, Pkw-Nutzung, Pensionszusagen), zusammenzurechnen.
    •  

    Wichtig | Pensionszusagen sind allerdings nicht mit dem jeweiligen Rückstellungsbetrag in die Gesamtausstattung einzubeziehen, sondern lediglich mit der fiktiven Jahresnettoprämie, die der Geschäftsführer für eine entsprechende Versicherung aufbringen müsste.

     

    PRAXISTIPP | Für den anzustellenden externen Fremdvergleich kann die in Rede stehende Vergütung mit der üblichen Vergütung bei Wirtschaftsunternehmen abgeglichen werden. Es muss kein „NPO-Rabatt“ oder „Abschlag“ für Geschäftsführer gemeinnütziger Organisationen vorgenommen werden. Anders als nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung, die nur einen Vergleich mit ebenfalls steuerbegünstigen Körperschaften gelten lassen will, können damit frei verfügbare Gehaltsstrukturuntersuchungen herangezogen werden, in denen die erforderlichen empirischen Daten aufbereitet werden.

     

     

    Wichtig | Viele steuerbegünstigte Stiftungen sind nach ihrer „Größe“ (Vermögensausstattung, Personal, Umsatz), ihrem Tätigkeitsspektrum und ihrer Organisation einzigartig. Ein belastbarer Fremdvergleich wird daher nur selten zweifelsfrei möglich sein. Es ist daher nachvollziehbar, dass der BFH darauf hinweist, dass die empirischen Daten immer auf ihre Konsistenz, Belastbarkeit (insbesondere Repräsentanz) und Vergleichbarkeit mit dem Betrachtungsobjekt hin überprüft und unter Umständen angepasst werden müssen.

     

    • Schätzung und Bandbreite: Mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben ist die obere Grenze einer angemessenen Vergütung im Einzelfall durch Schätzung (§ 162 AO) zu ermitteln. Dabei kann naturgemäß keine genaue Höhe definiert werden, sodass sich der Bereich des Angemessenen immer auf eine gewisse Bandbreite erstreckt. Unangemessen sind nur diejenigen Bezüge, die den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen.

     

    • Bagatellvorbehalt: Nur diejenigen Bezüge führen zum Verlust der Gemeinnützigkeit, die den oberen Rand der gefundenen Bandbreite um mehr als 20 Prozent übersteigen. Ein Entzug der Gemeinnützigkeit ist nämlich erst dann gerechtfertigt, wenn es sich nicht lediglich um einen geringfügigen Verstoß gegen das Mittelverwendungsgebot handelt. Der BFH greift diesen Gedanken nunmehr zum ersten Mal ausdrücklich auf. Er erkennt damit einen „Bagatellvorbehalt“ an, dem zufolge bei „kleineren, einmaligen Verstößen“ die Gemeinnützigkeit nicht verloren geht. Mit anderen Worten: Es darf nicht jeder Bagatellverstoß gleich zum worst case führen.

    Konsequenzen für die Praxis

    Das Urteil des BFH ist von eminenter Bedeutung für alle steuerbegünstigten Stiftungen und wirkt weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus.

     

    BFH-Urteil gilt nicht nur für Leitungspositionen

    Der BFH skizziert nicht nur die Grundlagen für die Ermittlung angemessener Vergütungen von Geschäftsführern und anderen Leitungsorganen. Der BFH deutet in seiner Pressemitteilung vom 20.08.2020 an, dass die aufgestellten Grundsätze entsprechend

    • für alle anderen Personen, die für eine gemeinnützige Stiftung tätig sind, und
    • letztlich auch für alle anderen Geschäftsbeziehungen, wie z. B. Miet-, Pachtverhältnisse oder Darlehensverträge, relevant sind.

     

    Marktübliche Vergütungen auch im gemeinnützigen Sektor zulässig

    Dabei steht nunmehr auch fest, dass gemeinnützige Einrichtungen keinem besonderem Sparsamkeitsgebot unterliegen, sondern allgemein marktübliche Entgelte bzw. Vergütungen zahlen dürfen.

     

    PRAXISTIPP | Um für die Betriebsprüfung gewappnet zu sein, sollten steuerbegünstigte Einrichtungen bestmögliche vorsorgen, um ihre Nachweispflicht bezüglich der Angemessenheit sämtlicher Vergütungen erfüllen zu können. Sie sollten angesichts der Komplexität der Thematik versuchen, Gehaltsstrukturen zu optimieren und Zweifelsfälle gutachterlich klären zu lassen.

     

     

    Wichtig | Die allgemeine Verwaltungskostenquote ist weiterhin zu beachten, d. h. die gesamten Verwaltungskosten der Stiftung, von denen die Kosten für Personal in der Regel einen maßgeblichen Anteil ausmachen, müssen angemessen sein. Die Finanzverwaltung stellt diesbezüglich auf das Verhältnis zu den Gesamteinnahmen ab.

     

    Entzug der Gemeinnützigkeit an Verhältnismäßigkeitsprinzip zu messen

    Auch der neue Blick auf das scharfe Schwert des Entzugs der Gemeinnützigkeit ist von enormer Tragweite: Die gesetzliche Systematik beruht auf einer Art Alles-oder-Nichts-Prinzip: Genaugenommen führt jede noch so geringfügige Verletzung gegen die Vorgaben des Steuerrechts (z. B. ein nur geringfügig überhöhtes Entgelt) zum Verlust der Gemeinnützigkeit.

     

    Aufgrund der hohen Bedeutung des Gemeinnützigkeitsstatus wurde in der Literatur bisher darauf hingewiesen, dass Regelverstöße gegen die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO) jedoch stets verhältnismäßig sein müssen.

    Dies hat der BFH nun erstmals höchstrichterlich bestätigt:

     

    • Auszug aus dem BFH-Urteil

    „Das Vorliegen unverhältnismäßig hoher Geschäftsführervergütungen und damit von Mittelfehlverwendungen rechtfertigt jedoch ... nicht in jedem Fall den Verlust der Gemeinnützigkeit. Die Versagung der Anerkennung als „qualitativer Sprung“ (Reimer/Waldhoff, Finanz-Rundschau ‒ FR ‒ 2002, 318) muss daher auch dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen.“

     

    Wichtig | Gemeinnützige Stiftungen müssen danach anders als bislang nicht mehr fürchten, bereits bei geringfügigen Verstößen gegen das Mittelverwendungsgebot den Gemeinnützigkeitsstatus aufs Spiel zu setzen.

    Ausblick: Aufgriffsrisiko steigt

    Das Aufgriffsrisiko bei Geschäftsführer- und Vorstandsgehältern steigt. Nach den Erfahrungen des Autors haben Sachbearbeiter von Finanzämtern die Bearbeitung von solchen Verfahren wieder aufgenommen, die wegen des beim BFH anhängigen Verfahrens zwischenzeitlich ruhend gestellt worden waren.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 188 | ID 46833605