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  • · Fachbeitrag · Aktuelle Gesetzgebung

    Änderung des AEAO bei der Gemeinnützigkeit

    von Michael Haubrich, Dipl.-Kfm. Dipl.-Finw. (FH) Steuerberater, München

    | Mit BMF-Schreiben vom 26.1.16 (IV A 3 - S 0062/15/10006 , Abruf-Nr. 146499 ) wurden einige Regelungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts mit sofortiger Wirkung geändert. In dieser Beitragsreihe werden die wichtigsten praxisrelevanten Änderungen erläutert; hier zur Selbstlosigkeit und Leistungsberechnung. |

    1. Anlass für die Änderungen

    Der Anlass für die Anpassungen war das BFH-Urteil vom 27.11.13 (I R 17/12, Abruf-Nr. 141411) das in der Praxis für erhebliche Verunsicherung gesorgt hat. Verschiedene gemeinnützigkeitsrechtliche Fragestellungen wurden teilweise abweichend zu früherer BFH-Rechtsprechung bzw. zu bestehenden Verwaltungsvorschriften entschieden. Das Urteil wurde bislang nicht im BStBl veröffentlicht und war damit nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwendbar. Die Finanzverwaltung hat sich nun zu einer Veröffentlichung im BStBl entschlossen und zu einer begleitenden Änderung des AEAO.

    2. Selbstlosigkeit bei Tochtergesellschaften

    Die Finanzverwaltung vertrat bislang die Auffassung, dass eine GmbH, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (z. B. Kommune oder Landkreis) gegründet wurde, um gesetzliche Pflichtaufgaben des Gesellschafters zu erfüllen, nicht als steuerbegünstigt anerkannt werden kann (z. B. OFD Frankfurt am Main 15.9.04, S 0174 A - 22 - St II 1.03). Dies wurde damit begründet, dass eine solche GmbH nicht selbstlos tätig ist, weil sie vorrangig die wirtschaftlichen Interessen ihres Gesellschafters fördert und damit in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt (§ 55 Abs. 1 S. 1 AO).

     

    Der BFH erteilt dieser Ansicht im Urteil vom 27.11.13 zu Recht eine Absage. Ein Landkreis hatte für den Rettungsdienst eine Tochter-GmbH eingeschaltet. Laut BFH ist bei vielen Körperschaften die Förderung der Gesellschafter notwendiges Nebenprodukt der Tätigkeit. An der Selbstlosigkeit fehlt es erst, wenn der Eigennutz der Gesellschafter in den Vordergrund tritt. Dem Staat sei die selbstlose und ausschließliche Erfüllung seiner Aufgaben zum Wohl der Allgemeinheit durch die Verfassung vorgegeben. Damit seien die von der GmbH verfolgten Ziele am Wohl der Allgemeinheit orientiert und deshalb nicht als eigenwirtschaftlich i. S. von § 55 Abs. 1 S. 1 AO anzusehen. Das BMF schließt sich nun dieser Auffassung durch Änderung des AEAO zu § 55 Nr. 2 S. 1 an und beendet damit einen jahrelangen Meinungsstreit.

    3. Leistungen müssen „angemessen“ verrechnet werden

    Nach dem neuen AEAO zu § 55 Nr. 2 S. 2 ff. ist aber Voraussetzung, dass die juristische Person des öffentlichen Rechts die Leistungen ihrer Tochtergesellschaft angemessen vergütet. Maßstab ist die Höhe des Entgelts, das ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der GmbH auch mit einem Nichtgesellschafter als Auftraggeber vereinbart hätte. Dazu muss es die Kosten ausgleichen und einen marktüblichen Gewinnaufschlag enthalten.

     

    Auch diese Änderung des AEAO geht auf das BFH-Urteil vom 27.11.13 zurück. Der BFH sieht einen Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot, wenn ein Entgelt ohne Gewinnaufschlag vereinbart wird. Er begründet es mit der Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, 2 AO, nach der die Mittel der Körperschaft nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden dürfen und die Gesellschafter keine Gewinnanteile erhalten dürfen. Dabei sind nicht nur offene, sondern auch verdeckte Gewinnausschüttungen i. S. von § 8 Abs. 3 S. 2 KStG unzulässig. Wenn eine Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter Leistungen erbringt, für die sie kein angemessenes Entgelt erhält, ist die verhinderte Vermögensmehrung eine verdeckte Gewinnausschüttung. Diese Regelungen sind auch anwendbar, wenn die GmbH steuerbegünstigt ist und der Gesellschafter eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.

     

    Beachten Sie | Stiftungen sind nicht unmittelbar betroffen. Bei ihnen kann es keine verdeckten Gewinnausschüttungen geben, weil sie keinen Gesellschafter haben. Interessant ist die Frage, welche Auswirkungen die Neuregelung auf die Beurteilung von Leistungsverrechnungen zwischen steuerbegünstigten Körperschaften hat. Bei Betriebsprüfungen - vornehmlich in NRW - ist dieses Thema in den letzten Jahren zunehmend aufgegriffen worden.

     

    • Beispiel

    Eine gemeinnützige Stiftung hat ein Krankenhaus in eine neu gegründete gemeinnützige Tochter-GmbH eingebracht. Im Verwaltungsbereich des Krankenhauses ist auch die Buchhaltungsabteilung angesiedelt, die künftig entgeltliche Buchhaltungsleistungen an die Stiftung erbringt. Diese werden der Stiftung zu Selbstkosten ohne Gewinnaufschlag berechnet.

     

    Die Tochter-GmbH ist wegen der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens als gemeinnützig anerkannt. Die Einnahmen aus den Buchhaltungsleistungen gehören zum steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (wGB) und sind ertragsteuerpflichtig. Bei der gemeinnützigen Stiftung wirken sich die gezahlten Entgelte in der Regel steuerlich nicht aus. Es würde sich damit eine endgültige Steuerbelastung ergeben, wenn die Tochter-GmbH die Leistungen mit Gewinnaufschlag verrechnen würde. Bei der Berechnung zu Selbstkosten wäre dies nicht der Fall, weil kein Gewinn entstehen würde.

     

    In Betriebsprüfungen vertraten Prüfer in vergleichbaren Fällen folgende Auffassung: Die Leistungen zu Selbstkosten ohne Gewinnaufschlag zu berechnen sei durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer würde bei Leistungen an Dritte einen Gewinnaufschlag einkalkulieren. Damit liege insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, die zu einer außerbilanziellen Gewinnhinzurechnung nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG führt. Im Ergebnis würde damit ein tatsächlich nicht erzielter Gewinn im steuerpflichtigen wGB der GmbH besteuert.

     

    Das BFH-Urteil vom 27.11.13 führte zu einer gewissen Verunsicherung in der Praxis. Es gab Bedenken, dass der vom BFH im Urteilsfall für erforderlich gehaltene Gewinnaufschlag nun generell bei Leistungsverrechnungen zwischen steuerbegünstigten Körperschaften verlangt wird. Dazu gibt es nun eine erfreuliche Klarstellung im letzten Satz der neuen Nr. 2 im AEAO zu § 55: „Bei steuerbegünstigten Einrichtungen ist aufgrund der fehlenden Gewinnorientierung die Erhebung eines Gewinnaufschlags in der Regel nicht marktüblich.“ Wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft Leistungen verrechnet, ist folglich in der Regel kein Gewinnzuschlag erforderlich. Ein fehlender Gewinnzuschlag stellt damit keinen Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot dar und ist gemeinnützigkeitsrechtlich unschädlich. Diese Rechtsfolge hat sich aber auch schon nach der bisherigen Rechtslage aus § 58 Nr. 2 AO ergeben. Eine unentgeltliche oder verbilligte Berechnung oder eine Berechnung ohne Gewinnzuschlag von einer steuerbegünstigten Körperschaft an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft ist bereits nach § 58 Nr. 2 AO unschädlich.

     

    Die eigentliche Bedeutung der Neuregelung ergibt sich aus dem Beispielsfall. Wenn bei steuerbegünstigten Einrichtungen die Erhebung eines Gewinnzuschlags in der Regel nicht marktüblich ist, dann hält die Berechnung zu Selbstkosten einem Fremdvergleich stand. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte auch mit einer steuerbegünstigten Körperschaft, die nicht Gesellschafter ist, den marktüblichen Preis, d. h. zu Selbstkosten ohne Gewinnaufschlag vereinbart. Die Preisfindung ist daher nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und es kann daher keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen.

     

    Es wäre wünschenswert, wenn diese Frage in einem eigenen BMF-Schreiben oder durch eine Ergänzung der Körperschaftsteuerrichtlinien geregelt werden. So lässt sich nur durch Auslegung folgern, dass der letzte Satz nicht nur gemeinnützigkeitsrechtlich bezüglich der Selbstlosigkeit, sondern auch ertragsteuerlich bezüglich einer verdeckten Gewinnausschüttung gilt. Zu kritisieren ist auch die Einschränkung „in der Regel nicht marktüblich“. Es ist nicht klar, in welchen Fällen die Erhebung eines Gewinnaufschlags ausnahmsweise doch marktüblich ist.

     

    • Beispiel

    Im o. g. Beispiel erbringt die Tochter-GmbH Buchhaltungsleistungen auch an dritte steuerbegünstigte Einreichungen und berechnet bei diesen einen Gewinnzuschlag. Nur gegenüber der Stiftung, d. h. dem eigenen Gesellschafter wird ohne Gewinnzuschlag abgerechnet. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist anzunehmen.

     

    Die Neuregelung hilft nicht weiter, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft Leistungen verbilligt an nicht steuerbegünstigte Körperschaften erbringt. In diesem Fall liegt eine Mittelfehlverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO vor, weil die Begünstigung einer gewerblichen Gesellschaft keine Mittelverwendung für die satzungsmäßigen Zwecke ist. Der Verstoß kann auch nicht durch § 58 Nr. 2 AO geheilt werden.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2016 | Seite 53 | ID 43888927