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  • 29.04.2010 | Stiftung & Steuern

    Umsatzsteuer: Leitfaden für Stiftungsorgane

    von RA WP StB Stephan Römer und RA StB Stefan Öller, Dr. Mohren und Partner, München

    Gemeinnützige Stiftungen müssen keine Steuern zahlen. Eine weitverbreitete, aber falsche Ansicht, die auch für die Umsatzsteuer nicht zutrifft. Stiftungen stehen regelmäßig vor dem Problem, ob und wie Umsatzsteuer anfällt und zu behandeln ist. Der folgende Beitrag ist ein Leitfaden für Stiftungsorgane, in dem die wichtigsten Punkte vorgestellt werden, die es bei der Umsatzsteuer zu beachten gilt. Abschließend bietet eine Checkliste Orientierungshilfe für Stiftungsorgane bei der Entscheidungsfindung.  

    1. Ausgangsproblematik

    Im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer werden Stiftungsorgane oftmals mit komplexen Fragestellungen konfrontiert. Als problematisch erweist sich aus Sicht der Stiftungen oft schon, inwieweit auf die Stiftung das UStG anwendbar ist (Steuerbarkeit der Leistungen). Soweit eine Stiftung steuerbare Leistungen erbringt, muss geprüft werden, ob die Stiftung nicht als Kleinunternehmer von der Umsatzsteuer befreit ist. Schließlich sind die Steuerpflicht und der Steuersatz zu beurteilen.  

    2. Steuerbarkeit

    Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Wenn eine Stiftung diesen Tatbestand erfüllt, unterliegt sie dem UStG.  

     

    2.1 Unternehmer

    Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig und nachhaltig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist dabei jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht als Unternehmer jedes selbstständig tätige Wirtschaftsgebilde, das nachhaltig Leistungen gegen Entgelt ausführt. Das Unterhalten von Bankkonten sowie das Eigentum an Wertpapieren ist dabei keine unternehmerische Tätigkeit (Abschnitt 18 Abs. 1 UStR). Entscheidend ist, dass eine Leistung gegen Entgelt in einem wechselseitigen Leistungsverhältnis ausgeführt wird. Es kommt auf den Leistungsaustausch an. Nachhaltigkeit ist gegeben, wenn die Tätigkeit nicht nur einmalig ausgeführt wird.  

     

    Fehlt es an der wirtschaftlichen Betätigung, handelt es sich um den nichtunternehmerischen Bereich der Stiftung. Die einzelnen Tätigkeiten einer Stiftung sind also zunächst dem unternehmerischen oder dem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen. Wie an folgendem Beispiel gezeigt werden soll:  

     

    Beispiel

    Eine Stiftung, deren gemeinnütziger Zweck die Förderung von Kunst und Kultur gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AO ist, ist Eigentümerin eines Gebäudes im Inland. Das Gebäude besteht aus Erdgeschoss und Obergeschoss.  

     

    Das gesamte Erdgeschoss verpachtet die Stiftung an ein Restaurant. Das Obergeschoss besteht zur Hälfte aus einem unentgeltlich zugänglichen Ausstellungsraum, dessen Betrieb öffentlich bezuschusst wird. Den Ausstellungsraum nutzt die Stiftung einmal monatlich für kostenpflichtige Vortrags- und Weiterbildungsveranstaltung zum Thema Kunst und Kultur. Im Übrigen ist das Obergeschoss an einen Zahnarzt vermietet. Handelt es sich bei der Stiftung um einen Unternehmer i.S. des UStG?  

     

     

    • Vermietung und Verpachtung: Soweit die Stiftung an das Restaurant verpachtet und an den Zahnarzt vermietet betreibt sie ertragsteuerlich Vermögensverwaltung, die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V. mit § 14 AO steuerfrei ist. Umsatzsteuerlich nimmt sie jedoch nachhaltig mit Einnahmeerzielungsabsicht am wirtschaftlichen Verkehr teil. Sie ist Unternehmer gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 UStG.

     

    • Ausstellungsraum: Soweit die Stiftung den kostenfreien Ausstellungsraum betreibt, findet dies im ideellen Bereich statt. Es fehlt an einer Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr. Die Zuschüsse werden deshalb nicht besteuert.

     

    • Veranstaltungen: Die entgeltlichen Vortragsveranstaltungen finden im Rahmen des Zweckbetriebs gemäß § 65 AO statt. Die Stiftung erbringt eine Leistung gegen Entgelt. Sie ist auch nachhaltig und damit unternehmerisch tätig.

     

    2.2 Lieferung oder sonstige Leistung

    Steuerbar sind Lieferungen oder sonstige Leistungen die im Inland gegen Entgelt ausgeführt werden. Wichtig ist deshalb die Ortsbestimmung der Leistung. Hier haben sich durch das Jahressteuergesetz 2009 ab 1.1.10 zumindest für die sonstigen Leistungen erhebliche Änderungen ergeben. Zur Bestimmung des Leistungsorts kommt es nun entscheidend darauf an, ob der Leistungsempfänger Unternehmer oder Privatperson ist. Im Fall des unternehmerischen Abnehmers, ist Leistungsort regelmäßig dessen Unternehmenssitz. Ist der Abnehmer Privatperson, so wird der Leistungsort zumeist am Ort des Sitzes des leistenden Unternehmers begründet. Abweichend davon, kann der Leistungsort aber auch am Liegenschafts- oder Tätigkeitsort sein.  

     

    Für unser Beispiel liegen in allen Varianten sonstige Leistungen gemäß § 3 Abs. 9 S. 1 UStG vor. Leistungsort der Vermietung und Verpachtung ist am Liegenschaftsort des Grundstücks, also im Inland. Leistungsort der Vortragsveranstaltungen ist der Tätigkeitsort und deshalb ebenfalls im Inland.  

    3. Steuerbefreiung

    Sind Stiftungen unternehmerisch tätig und liegen steuerbare Sachverhalte vor, so ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob für die Umsätze eine Steuerbefreiung gemäß § 4 UStG gegeben ist.  

     

    3.1 Einzelne Befreiungstatbestände

    § 4 UStG enthält dabei eine Vielzahl von Steuerbefreiungen, die meist auf die Geschäftsvorfälle von Stiftungen keine Anwendung finden. Relevant sind aber insbesondere die Befreiungen gemäß § 4 UStG:  

     

    Übersicht: Befreiungen nach § 4 UStG

    § 4 Nr. 12 UStG: Vermietung und Verpachtung,  

    § 4 Nr. 14 UStG: Heilbehandlungen und Krankenhausbehandlungen,  

    § 4 Nr. 18 UStG: Leistungen der Wohlfahrtspflege,  

    § 4 Nr. 20 UStG: Umsätze kultureller Einrichtungen und  

    § 4 Nr. 22 UStG: Wissenschaftliche, andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen.  

     

    In Anwendung auf unser Beispiel ergibt sich danach Folgendes:  

     

    • Vermietung und Verpachtung: Die Verpachtung an das Restaurant und die Vermietung an den Zahnarzt ist steuerfrei (§ 4 Nr. 12 UStG).

     

    • Ausstellungsraum: Soweit der Ausstellungsraum unentgeltlich der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird liegt schon keine Umsatzsteuerbarkeit vor. Die Frage der Steuerbefreiung stellt sich gar nicht.

     

    3.2 Option zur Umsatzsteuer gemäß § 9 Abs. 1 UStG

    Im Rahmen der Umsätze aus Vermietung und Verpachtung kann die Stiftung möglicherweise zur Umsatzsteuer optieren. Dies ist zulässig, soweit der Leistungsempfänger Unternehmer ist und das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die steuerpflichtig sind. Die Umsatzsteuer ist dann in Rechnung zu stellen und an das Finanzamt abzuführen. Eine Option zur Umsatzsteuer hat den Vorteil, dass korrespondierend dazu der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden kann. Bezogen auf unser Beispiel bedeutet dies:  

     

    • Restaurant: Bei der Verpachtung an das Restaurant ist die Option zur Umsatzsteuer möglich. Denn das Restaurant erbringt seinerseits steuerbare und -pflichtige Umsätze, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (§ 9 Abs. 2 S. 1 UStG).

     

    Hier ist es womöglich sinnvoll, auf die Befreiung zu verzichten. Der Restaurantbetreiber wird sich nicht an dem Ausweis der Umsatz-
    steuer stören, denn er ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Für ihn ist die Umsatzsteuer wirtschaftlich ohne Bedeutung. Die Stiftung muss nun zwar Umsatzsteuer abführen, doch wird diese vom Restaurantbesitzer bezahlt. Im Gegenzug kann sie Vorsteuerbeträge auf etwaige Kosten im Zusammenhang mit dem Gebäudeteil Restaurant zum Abzug bringen. Dies kann insbesondere im Fall von Neubauten oder umfangreichen Instandhaltungsmaßnahmen vorteilhaft sein und muss im Einzelfall geprüft werden.

     

    • Zahnarzt: Soweit die Stiftung an den Zahnarzt vermietet, ist die Option gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 UStG ausgeschlossen. Denn der Zahnarzt erbringt selbst keine steuerpflichtigen Leistungen. In diesem Umfang ist auch der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen.

     

    Zu beachten ist hierbei, dass Stiftungen regelmäßig Gegenstände sowohl zu steuerbefreiten als auch zu steuerpflichtigen Umsätzen verwenden. In diesen Fällen greift § 15 Abs. 4 S. 1 UStG. Es findet, soweit keine direkte Zuordnung möglich ist eine quotale Aufteilung der auf die Eingangsumsätze entfallenden Vorsteuerbeträge statt. Die Quote ermittelt sich entsprechend der wirtschaftlichen Zuordnung der verwendeten Gegenstände.

     

    Die steuerbefreiten Umsätze dürfen in diesem Zusammenhang allerdings nicht mit nicht steuerbaren Umsätzen des ideellen Bereichs verwechselt werden. Hier findet bisher keine Versagung der Vorsteuer statt. Die Europäische Union beschloss jedoch kürzlich die Einführung von Art. 168a Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Danach sind Vorsteuerbeträge nur noch begrenzt abziehbar. Im Ergebnis werden diese Fälle dann analog zu den oben genannten Fällen behandelt, bei welchen der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 und 4 UStG verweigert wird.

    4. Steuersatz

    Der Umsatzsteuersatz beträgt gemäß § 12 Abs. 1 UStG regelmäßig 19 %. Bei Stiftungen ist jedoch § 12 Abs. 1 Nr. 8 UStG zu beachten. Danach unterliegen die Leistungen im Rahmen der Vermögensverwaltung und der Zweckbetriebe dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. In unserem Fall beträgt damit die Umsatzsteuer sowohl für den Zweckbetrieb als auch für die Verpachtung an den Restaurantbesitzer 7 % des Nettoentgeltes.  

    5. Kleinunternehmer

    Die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 Abs. 1 UStG ist auch auf Stiftungen für deren unternehmerischen Bereich anwendbar. Umsatzsteuer wird nicht erhoben, falls die Umsatzgrenzen, von 17.500 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr und 50.000 EUR im aktuellen Kalenderjahr, des § 19 Abs. 1 S. 1 UStG nicht überschritten werden.  

     

    Unsere Stiftung aus dem Beispiel bietet den Besuchern des Ausstellungsraums Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung) an. Sie erwirtschaftet im Geschäftsjahr voraussichtlich Umsätze von 12.000 EUR aus Kursgebühren und 5.000 EUR aus Bewirtungen. Die Option nach § 9 Abs. 1 UStG wurde für die Vermietungsumsätze nicht ausgeübt. Umsatzsteuer wird nicht ausgewiesen.  

     

    Im Ergebnis ist das ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gemäß § 14 AO. Die Leistungen sind steuerbar und steuerpflichtig. Die Umsatzgrenzen des § 19 Abs. 1 UStG sind aber nicht überschritten.  

     

    Gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 UStG kann die Stiftung durch Erklärung gegenüber dem Finanzamt auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichten. Dies kann im Einzelfall von Vorteil sein, wenn die Vorsteuerbeträge die Umsatzsteuer übersteigen. Die Erklärung bindet jedoch für fünf Jahre. Aufgrund der Erklärung wird dann keine Umsatzsteuer erhoben.  

    6. Fazit

    Eine Stiftung ist, soweit sie unternehmerisch tätig wird, mit ihren Umsätzen zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Dabei gelten sowohl die Regelungen zur Steuerbefreiung als auch der Regelsteuersatz in Höhe von 19 % und die Kleinunternehmerregelung. Werden die Umsätze im Rahmen der Vermögensverwaltung oder der Zweckbetriebe ausgeführt, ist regelmäßig der ermäßigte Steuersatz von 7 % anwendbar. Der Verzicht auf etwaige Steuerbefreiungen oder die Kleinunternehmerregelung kann sinnvoll sein, falls die Stiftung mit Vorsteuer belastete Investitionen beabsichtigt. Dies sollte aber im Einzelfall genau untersucht werden.  

     

    Checkliste

    1. Ist die Stiftung Unternehmer gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 UStG?  

    NaN) Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr die über das Unterhalten von Bankkonten und das Eigentum an Wertpapieren hinausgeht?
    NaN) Einnahmeerzielungsabsicht
    NaN) Nachhaltigkeit

     

    2. Liegt ein entgeltlicher Leistungsaustausch vor?  

    a) Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 3 UStG

     

    3. Liegt eine Steuerbefreiung gemäß § 4 UStG vor?  

     

    4. Ist eine Option zur Steuerpflicht (§ 9 Abs. 1 und 2 UStG) möglich und sinnvoll?  

     

    5. Welcher Steuersatz gemäß § 12 UStG ist einschlägig?  

    a) Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (Regelsteuersatz 19 %)
    b) Vermögensverwaltung, Zweckbetriebe (ermäßigter Steuersatz 7 %)

     

    6. Ist die Stiftung Kleinunternehmer gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 UStG?  

    a) Umsatzgrenzen
    Vorjahr 17.500 EUR
    Aktuelles Jahr 50.000 EUR

     

    b) Verzicht
    Erklärung gegenüber dem Finanzamt
    Bindung für fünf Jahre
     

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2010 | Seite 87 | ID 135283