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  • 06.06.2012 · IWW-Abrufnummer 168759

    Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 30.04.2012 – 4 Ta 662/11

    Anders als im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren, in dem die Neubegründung von Darlehensverbindlichkeiten nach Klageerhebung nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden darf, ist im Überprüfungsverfahren ein großzügigerer Maßstab geboten. Die hilfsbedürftige Partei ist nicht verpflichtet, während des gesamten Vier-Jahres-Zeitraums des § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO ihre private Lebensführung allein danach auszurichten, nach Möglichkeit entstandene Prozesskosten nachträglich zu begleichen. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob die fragliche Kreditaufnahme angemessen erscheint, und ob sich eine Person, die nicht dem Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 unterliegt, in einer vergleichbaren Situation zu der Kreditaufnahme entschlossen hätte


    Tenor: Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 14.09.2011 wird der Prozesskostenhilfe-Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 19.08.2011 - 1 Ca 980/07 - aufgehoben Gründe: I. Durch Beschluss vom 27.11.2007 bewilligte das Arbeitsgericht Arnsberg dem Kläger unter Beiordnung von Rechtsanwalt L1 für die von ihm am 18.10.2007 erhobene Klage Prozesskostenhilfe, zunächst mit der Maßgabe, dass ihm auferlegt wurde, monatliche Raten in Höhe von 30,00 EUR zu zahlen. Die Ratenzahlungsanordnung hob das Arbeitsgericht Arnsberg durch Änderungsbeschluss vom 27.04.2009 auf. Durch Beschluss vom 30.04.2009 bewilligte es dem Kläger auch für die durchzuführende Zwangsvollstreckung Prozesskostenhilfe. Im Jahr 2011 wurde der Kläger im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO aufgefordert, seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachzuweisen. Dieser überreichte daraufhin eine mit "privates Budget" überschriebene Auflistung per 06.07.2011 nebst diversen Unterlagen, hinsichtlich deren Einzelheiten auf Aktenblatt 106 bis 118 des PKH-Hefts verwiesen wird. Durch Verfügung vom 15.07.2011 teilte das Arbeitsgericht Arnsberg ihm mit, dass es zwei zwischenzeitlich von ihm aufgenommene Darlehen nicht einkommensmindernd berücksichtigen könne und dieser daher über ein abgerundetes Resteinkommen in Höhe von 193,00 EUR monatlich verfüge. An sich seien monatliche Raten in Höhe von 60,00 EUR festzusetzen. Mit Rücksicht auf die tatsächliche Tilgung der Kredite werde ihm angeboten, monatliche Raten in Höhe von 20,00 EUR zu zahlen. Als der Kläger darauf nicht reagierte, änderte das Arbeitsgericht Arnsberg durch Beschluss vom 19.08.2011, dessen Prozessbevollmächtigten zugestellt am 23.08.2011, die Bewilligungsbeschlüsse dahin ab, dass ihm auferlegt wurde, beginnend mit dem 17.10.2011 monatliche Raten in Höhe von 20,00 EUR zu zahlen. Dabei ging das Arbeitsgericht von einem Durchschnittseinkommen in Höhe von 1.043,87 EUR aus. Hiervon zog es den Erwerbstätigen-Freibetrag in Höhe von 182,00 EUR, eine Arbeitsmittelpauschale in Höhe von 5,20 EUR, den Lebensbedarfsfreibetrag in Höhe von 400,00 EUR, anrechenbare Versicherungen in Höhe von 33,08 EUR und hälftige Wohnkosten in Höhe von 230,00 EUR ab. Wegen der Einzelheiten des angefochtenen Beschlusses wird auf Aktenblatt 123 bis 124 des PKH-Hefts verwiesen. Hiergegen richtet sich die am 15.09.2011 eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers vom 14.09.2011, in der dieser geltend macht, es fielen noch Fahrtkosten an. Er müsse arbeitstäglich fünf Kilometer zurücklegen. Wegen des frühen Schichtbeginns an Freitagen sei er auf ein Kraftfahrzeug angewiesen. Es müssten daher entweder die Fahrtkosten berücksichtigt werden oder die Monatsraten für das Auto. Er habe auch früher schon ein Auto besessen, welches aber nicht mehr reparabel gewesen sei. Deshalb habe er sich ein neues Fahrzeug angeschafft und zur Finanzierung einen Kredit aufgenommen. Der P1 Kredit in Höhe von 54,00 EUR sei ebenfalls zu berücksichtigen. Hinzu kämen noch 25,00 EUR monatlich pauschal für die Hausrat- und Haftpflichtversicherung, die er vergessen habe aufzuführen. Mithin bleibe ein Betrag für die PKH-Rate nicht. Das Arbeitsgericht Arnsberg hat der sofortigen Beschwerde des Klägers durch Beschluss vom 24.10.2011 nicht abgeholfen. II. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) für die Einlegung der sofortigen Beschwerde ist gewahrt. Auch in der Sache ist die sofortige Beschwerde des Klägers erfolgreich. Das Arbeitsgericht Arnsberg ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich im Sinne von § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO geändert haben. Tatsächlich verfügt der Kläger weiterhin über kein einzusetzendes monatliches Einkommen im Sinne von § 115 Abs. 1 ZPO, weshalb ihm keine Ratenzahlung auferlegt werden durfte. Zutreffend ist das Arbeitsgericht von monatlichen Nettoeinkünften in Höhe von 1.043,87 EUR ausgegangen. Hiervon in Abzug zu bringen sind zunächst der persönliche Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a ZPO in Höhe von nunmehr 411,00 EUR und der Erwerbstätigen Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO in Höhe von nunmehr 187,00 EUR. Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO waren außerdem die Mietkosten einschließlich Mietnebenkosten mit 230,00 EUR zu berücksichtigen. Dabei hat das Arbeitsgericht zu Recht nur den hälftigen Mietbetrag in Ansatz gebracht, weil im Mietvertrag eine Frau K1 S1 - die mutmaßliche Lebensgefährtin des Klägers - als Mitmieterin eingetragen ist und davon ausgegangen werden kann, dass diese ihren Mietanteil selbst trägt. Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1a ZPO in Verbindung mit § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII sind außerdem die nachgewiesenen Versicherungskosten in Höhe von wiederum hälftig 6,00 EUR für die gemeinsame Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung sowie 21,09 EUR für die Kfz-Haftpflichtversicherung zu berücksichtigen. Schließlich sind monatlich 26,00 EUR für die berufsbedingten Fahrtkosten nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1a ZPO in Verbindung mit § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII in Abzug zu bringen, wobei nach § 3 Abs. 6 Nr. 2a der DurchführungsVO zu § 82 SGB XII pro Entfernungskilometer ein monatlicher Pauschalbetrag von 5,20 EUR anzusetzen ist. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Arnsberg ist auch das Privatdarlehen vom 26.04.2011 mit monatlich 150,00 EUR und der P1-Minutenkredit vom 01.06.2011 mit monatlich 54,00 EUR als angemessene besondere Belastung gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO berücksichtigungsfähig. Dem steht nicht entgegen, dass beide Darlehn erst nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgenommen wurden. Anders als im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren, in dem die Neubegründung von Darlehensverbindlichkeiten nach Klageerhebung nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden darf, ist im Überprüfungsverfahren ein großzügigerer Maßstab geboten. Die hilfsbedürftige Partei ist nicht verpflichtet, während des gesamten Vier-Jahres-Zeitraums des § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO ihre private Lebensführung allein danach auszurichten, nach Möglichkeit entstandene Prozesskosten nachträglich zu begleichen. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob die fragliche Kreditaufnahme angemessen erscheint, und ob sich eine Person, die nicht dem Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 unterliegt, in einer vergleichbaren Situation zu der Kreditaufnahme entschlossen hätte (LAG Hamm, Beschluss vom 16.02.2010 - 4 Ta 131/09 - n. v.). Im vorliegenden Fall ist die Angemessenheit der Begründung der Darlehensverbindlichkeiten zu bejahen. Hinsichtlich des Privatkredits in Höhe von 4.500,00 EUR, den der Kläger mit monatlichen Raten in Höhe von 150,00 EUR tilgt, hat dieser vorgetragen, dass er aufgrund des frühen Arbeitsbeginns an Freitagen auf ein Kraftfahrzeug angewiesen und das vorher von ihm genutzte Auto nicht mehr reparabel gewesen sei. Dies erscheint nachvollziehbar und plausibel. Ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der nicht dem Überprüfungsverfahren unterliegt, hätte an seiner Stelle ebenfalls als Ersatz für den nicht mehr reparablen PKW ein Ersatzfahrzeug angeschafft und den Kaufpreis durch Darlehnsaufnahme finanziert. Hinsichtlich des Minutenkreditvertrags bei der P1 gilt nichts anderes. Dazu hat der Kläger angegeben, dass mit dem Darlehen ein "Dispo-Ausgleich" erfolgt sei. Der ihm eingeräumte Dispositionskredit war nach seinen Aufgaben wegen angefallener Umzugskosten, der Anschaffung von Möbeln und der Leistung einer Mietkaution ausgeschöpft. Auch dies hält die Kammer unter Berücksichtigung der konkreten Situation für angemessen. Die vorgenannten Abzugsbeträge summieren sich auf 1.085,09 EUR. Da dieser Betrag das verfügbare Nettoeinkommen des Klägers übersteigt, verbleibt ihm weiterhin kein einzusetzendes Einkommen im Sinne von § 115 Abs. 1 ZPO. Ihm durfte daher keine Ratenzahlung auferlegt werden. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 19.08.2011 war somit aufzuheben