· Nachricht · Auslagenerstattung
Kann der ortsansässige Rechtsanwalt eine Aktenversendungspauschale verlangen?
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg
| Die Frage, ob auch der ortsansässige Rechtsanwalt die bei seiner Akteneinsicht entstandene Aktenversendungspauschale als notwendige Auslage ersetzt verlangen kann, ist in der Rechtsprechung umstritten. Mit der Problematik hat sich jetzt auch der VerfGH Berlin befasst. |
Sachverhalt
Das AG Tiergarten (12.7.23, (327 Ds) 232 Js 312/19 29207 V (10/19), AGS 23, 407) hatte entschieden, dass die Aktenversendungspauschale für den ortsansässigen Rechtsanwalt keine notwendige Auslage der Prozessführung sei. Sie sei damit nicht zu erstatten.
Entscheidungsgründe
Das sei nach Ansicht des VerfGH aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (13.5.25, VerfGH 94/23, Abruf-Nr. 249377). Das AG habe sich mit seiner Begründung, dass der einem Anwalt durch Akteneinsicht entstehende Aufwand mit der Grund- und Verfahrensgebühr des RVG abgegolten sei, mit dem Begriff der notwendigen Auslagen im Sinne von § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO inhaltlich auseinander gesetzt. Diese Sichtweise möge streng gegenüber einem Rechtsanwalt sein, der Akteneinsicht nehmen müsse. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass sie unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar und folglich willkürlich wäre. Die Frage, ob sie in einfachrechtlicher Hinsicht Zustimmung verdiene, sei durch den VerfGH nicht zu überprüfen. Soweit der VerfGH in seinem Beschluss vom 18.5.22, VerfGH 91/21 in einem anderen Fall die Versagung einer Aktenversendungspauschale als Verstoß gegen das Willkürverbot angesehen hat, habe dies an der anderslautenden Begründung der dort angefochtenen Entscheidung gelegen.
Relevanz für die Praxis
M. E. ist die Entscheidung falsch. Denn die Auffassung des AG verkennt ‒ bewusst oder unbewusst ‒ den einfachen Unterschied zwischen anwaltlicher Vergütung und Auslagen (vgl. § 1 Abs. 1 RVG), den offenbar auch der VerfGH nicht zu kennen scheint. Der vom AG gemachte Fehler ist m. E. auch so eklatant, dass er eben nicht mehr rechtlich vertretbar und folglich willkürlich ist.
Im Übrigen erkenne ich nicht, wo der Unterschied zu der vom Verteidiger angeführten Entscheidung des VerfGH Berlin 18.5.22, VerfGH 91/21 liegen soll. Denn letztlich wird der Erstattungsantrag des Rechtsanwalts in beiden Fällen damit beschieden, dass man ihm sagt: Die Abholung der Akten ist möglich, weshalb eine Übersendung der Akten nicht notwendig ist. Wenn wir es trotzdem tun, ist es ein Service, den du bezahlen musst.
Weiterführende Hinweise
- Nun gibt es doch eine Aktenversendungspauschale für den ortsansässigen Verteidiger AK 25, 39
- Keine Aktenversendungspauschale für ortsansässige Verteidiger? AK, 25, 22