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  • · Fachbeitrag · Selbstanzeigenberatung

    Keine Straffreiheit ohne Nachzahlung - was „kostetg“ die Selbstanzeige?

    von RA Bernd Guntermann, FA StR, und Lisa Brasseler, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Wilhelm Rechtsanwälte, Düsseldorf

    | Die Selbstanzeige nach § 371 AO führt zur Straffreiheit. Dies gilt aber nur, wenn der Tatbeteiligte die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb einer angemessenen Frist entrichtet hat. Probleme entstehen, wenn Ungewissheit über die Höhe der hinterzogenen Steuern besteht. Welchen wirtschaftlichen Vorteil hat der Täter durch seine Tat tatsächlich erlangt? Welcher Betrag ist nachzuzahlen? |

    1. Nachzahlung als Voraussetzung für Straffreiheit

    Zur Rückkehr in die Legalität nach einer Selbstanzeige ist es erforderlich, dass der Tatbeteiligte (Täter oder Teilnehmer) gemäß § 371 Abs. 3 AO die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.

     

    1.1 Objektive Bedingung der Straffreiheit

    Die Zahlung der hinterzogenen Steuern ist objektive Bedingung der Straffreiheit. Die Selbstanzeige begründet lediglich ein Anwartschaftsrecht auf Straffreiheit. Erst mit der vollständigen und fristgerechten Nachzahlung der hinterzogenen Steuern tritt endgültig Straffreiheit ein. Umso entscheidender ist es, Zahlungsbetrag und Zahlungszeitpunkt genau zu bestimmen.

     

    1.2 Verhältnis zur Steuerfestsetzung

    Zahlungsbetrag und Zahlungszeitpunkt können einem aufgrund der Selbstanzeige ergehenden Steuerbescheid entsprechen. Sie müssen dies aber keineswegs. Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Rechtsnatur der Steuerfestsetzung gemäß §§ 155 ff. AO und der Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO.

     

    Bei der Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO handelt es sich um eine strafprozessuale Maßnahme und nicht um eine Steuerfestsetzung i.S. des § 155 AO. Zuständig ist damit die Strafverfolgungsbehörde und nicht das für die Veranlagung zuständige Finanzamt (Münchener Kommentar zum StGB/Kohler, § 371 AO, Rn. 131).

     

    Aus der unterschiedlichen Einordnung folgen differenzierte Rechtsmittel. Die Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO kann nicht mit den abgabenrechtlichen Rechtsbehelfen (Einspruchsverfahren gemäß §§ 347 ff. AO, Finanzrechtsweg gemäß §§ 33 ff. FGO) angegriffen werden. Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, gegen die Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO sei die Beschwerde nach § 304 StPO zulässig (Münchener Kommentar/Kohler, § 371 AO, Rn. 137). Teilweise wird angenommen, die Fristsetzung sei nicht selbstständig, sondern nur im Rahmen des Strafverfahrens gerichtlich überprüfbar (Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 AO, Rn. 116). Die strafprozessuale Nachentrichtungsfrist kann dem Zeitpunkt der Steuerfälligkeit entsprechen, die Zeitpunkte können aber auch auseinanderfallen (Rolletschke, wistra 07, 371, 373).

     

    Die Festsetzung der Steuern ist gemäß § 371 Abs. 3 AO nicht einmal Voraussetzung der Nachentrichtungsfrist. Denn während § 395 Abs. 3 RAO noch regelte, dass der Tatbeteiligte die verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten Frist „nach ihrer Festsetzung“ zu entrichten habe, spricht § 371 Abs. 3 AO nicht von der Festsetzung. Deshalb kann die Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO auch wirksam erfolgen, wenn zuvor kein Steuer- oder Haftungsbescheid ergangen ist.

     

    Schließlich müssen die zugunsten des Tatbeteiligten hinterzogenen Steuern i.S. des § 371 Abs. 3 AO keineswegs den Festsetzungen eines etwa in Folge der Selbstanzeige ergangenen Steuerbescheids entsprechen. Denn die Höhe der nachzuentrichtenden Steuern gemäß § 371 Abs. 3 AO bestimmt sich nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Münchener Kommentar/Kohler, § 371 AO, Rn. 127; Franzen/Gast/Joecks, § 371 AO, Rn. 103). Nachzuzahlen ist der Betrag, der dem Fiskus bei von vornherein steuerehrlichem Verhalten des jeweiligen Tatbeteiligten zugeflossen wäre.

     

    Das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3 AO gilt nach einhelliger Auffassung deshalb nicht im Rahmen des § 371 Abs. 3 AO. Denn der Tatbeteiligte soll nicht verpflichtet sein, Steuerbeträge zu entrichten, für die es dem Fiskus an einem Rechtsgrund zum Behaltendürfen fehlt (Klein/Jäger, AO, § 371, Rn. 85; Franzen/Gast/Joecks § 371 AO, Rn. 105; Müller, Die Selbstanzeige im Steuerstrafverfahren, Rn. 539; Schindhelm, Das Kompensationsverbot im Delikt der Steuerhinterziehung, S. 233).

     

    PRAXISHINWEIS | Ungeachtet der Differenzierung wird die Strafverfolgungsbehörde im Rahmen der Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO regelmäßig auf die Festsetzung des im Anschluss an die Selbstanzeige ergangenen Steuerbescheids Bezug nehmen. Gebräuchlich ist die Formulierung, dem Tatbeteiligten werde aufgegeben, den sich aus dem jeweiligen Steuerbescheid ergebenen Nachzahlungsbetrag bis zu dem dort ausgewiesenen Zahlungstermin zu zahlen.

     

    2. Konfliktfälle zwischen Veranlagungs- und Strafverfahren

    Selbst wenn die Nachzahlung an den im Steuerbescheid festgesetzten Betrag geknüpft wird, kann das problematisch sein, z.B. wenn der im Steuerbescheid ausgewiesene Nachzahlungsbetrag nicht den zugunsten des Tatbeteiligten hinterzogenen Steuern entspricht oder wenn diese Frage im Zeitpunkt der Fristsetzung noch streitig ist. Schließlich können sich aus der abgabenrechtlichen Stundung oder dem Erlass Rechtsfolgen für die Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO ergeben.

     

    2.1 Keine Identität zwischen festgesetzter und hinterzogener Steuer

    Die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann dazu führen, dass keine Identität zwischen Steuerfestsetzung und hinterzogenen Steuern besteht. Denkbar sind verschiedene Konstellationen:

     

    • Bei der Steuerfestsetzung werden dem FA bekanntgewordene Sachverhalte mitberücksichtigt, die nicht mit der Steuerhinterziehung im Zusammenhang stehen. In Betracht kommen beispielsweise gemäß § 182 Abs. 1 AO bindende Feststellungsbescheide als Grundlagenbescheide oder Änderungen gemäß § 174 Abs. 1 S. 1 AO wegen widerstreitender Steuerfestsetzungen.

     

    • Nach allgemeiner Auffassung hat von mehreren Tätern oder Teilnehmern an der Tat jeder zur Erlangung der Straffreiheit nur denjenigen Betrag nachzuentrichten, der seinem Vorteil aus der Steuerhinterziehung entspricht (Franzen/Gast/Joecks, § 371 AO, Rn. 104; Münchener Kommentar/Kohler, § 371 AO, Rn. 128). Anders als bei den steuerrechtlichen Haftungsvorschriften besteht im Bereich des § 371 Abs. 3 AO keine Gesamtschuldnerschaft mehrerer Tatbeteiligter. Wurde die Steuerhinterziehung beispielsweise durch einzelne Gesellschafter einer Personengesellschaft begangen, dann bezieht sich die Nachentrichtungspflicht des jeweils einzelnen nur auf den auf ihn entfallenden Vorteil der Tat. Dagegen wird der gegen die Gesellschaft ergehende Steuerbescheid (z.B. Umsatzsteuerbescheid) den gegen die Gesellschaft festgesetzten Gesamtbetrag ausweisen.

     

    • Denkbar sind Fallgestaltungen, in denen der Tatbeteiligte von vornherein wirtschaftlich nicht in der Lage war, die bei steuerehrlichem Verhalten festzusetzende Steuer vollständig zu entrichten. Hätte der Fiskus aber von vornherein aus wirtschaftlichen Gründen nur einen Teilbetrag erhalten, dann kann sich die Pflicht zur Nachentrichtung gemäß § 371 Abs. 3 AO auch nur auf diesen Teilbetrag beziehen (Stahl, Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rn. 183; Franz/Gast/Joecks, § 371 AO, Rn. 105). In diesen Fällen wird der infolge der Selbstanzeige ergehende Steuerbescheid aber selbstverständlich den tatsächlich geschuldeten Gesamtbetrag ausweisen.

     

    In all diesen Fällen lässt sich der zugunsten des Tatbeteiligten hinterzogene Betrag gemäß § 371 Abs. 3 AO durch Bezugnahme auf den Steuerbescheid nicht bestimmen. Die Strafverfolgungsbehörde wird deshalb den nachzuentrichtenden Betrag mit der Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO gesondert zu bestimmen haben.

     

    2.2 Anhängige Rechtsbehelfsverfahren

    Weitgehend ungeklärt ist, welche Rechtsfolgen sich für die Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO ergeben, wenn der Tatbeteiligte sich mit den abgabenrechtlichen Rechtsbehelfen (Einspruchsverfahren gemäß §§ 347 ff. AO, Finanzrechtsweg gemäß §§ 33 ff. FGO) gegen den Steuerbescheid wendet.

     

    2.2.1 Grundsatz

    Aus der verfahrensrechtlichen Einordnung ergibt sich, dass allein die Einlegung eines abgabenrechtlichen Rechtsbehelfs auf die Wirksamkeit der Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO keinen Einfluss hat. Zum einen wird durch die Einlegung eines Einspruchs gemäß § 361 Abs. 1 AO die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ohnehin nicht gehemmt. Zum anderen müssen die festgesetzten Steuern den zugunsten des Tatbeteiligten hinterzogenen Steuern i.S. des § 371 Abs. 3 AO nicht entsprechen.

     

    Der Tatbeteiligte bleibt damit zur Erlangung der Straffreiheit verpflichtet, die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern gemäß § 371 Abs. 3 AO nachzuentrichten. Erfüllt er diese Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist, tritt endgültig Straffreiheit ein. Die Straffreiheit kann nicht nachträglich entfallen, wenn sich nach konkreter Fristsetzung durch die Strafverfolgungsbehörde und Zahlung herausstellt, dass die tatsächlich hinterzogenen Steuern höher sind, als von der Strafverfolgungsbehörde in der Fristsetzung angegeben. Dies kann selbstverständlich nur gelten, wenn alle für die Berechnung erforderlichen Angaben in der Selbstanzeige vollständig und richtig gemacht wurden.

     

    PRAXISHINWEIS | Übersteigt der aufgrund der Fristsetzung gezahlte Betrag die zugunsten des Täters hinterzogenen Steuern und stellt sich dies, etwa im Rahmen des abgabenrechtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, erst nach der Zahlung heraus, hat der Tatbeteiligte einen Erstattungsanspruch gegen den Fiskus (Rolletschke, wistra 07, 371, 375). Die Erstattung ist gemäß § 233a AO zu verzinsen.

     

    Eine andere Frage ist, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn der Tatbeteiligte den ihm durch die Strafverfolgungsbehörde gemäß § 371 Abs. 3 AO bestimmten Betrag nur teilweise mit der Begründung nachentrichtet, die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern seien materiell-rechtlich geringer als durch die Strafverfolgungsbehörde angenommen. Dass sich der Steuerpflichtige mit dieser Vorgehensweise den abgaben- und vollstreckungsrechtlichen Folgen der Nichtzahlung fälliger Steuern aussetzt, ist offensichtlich.

     

    Weiterhin wird die Strafverfolgungsbehörde die aus ihrer Sicht gebotenen strafprozessualen Konsequenzen (Beantragung eines Strafbefehls, Anklageerhebung) ziehen, weil sie vom Nichteintritt der Straffreiheit ausgeht. Stellt sich allerdings im Laufe des Strafverfahrens heraus, dass materiell-rechtlich der durch die Strafverfolgungsbehörde im Rahmen des § 371 Abs. 3 StPO bestimmte Betrag zu hoch bemessen war, dürfte dies den endgültigen Eintritt der Straffreiheit zur Folge haben. Denn § 371 Abs. 3 AO knüpft die Straffreiheit an die Entrichtung der materiell zugunsten des Tatbeteiligten hinterzogenen Steuer und nicht an die Entrichtung des ihm durch die Strafverfolgungsbehörde bestimmten Betrages. Dass diese Vorgehensweise allerdings mit dem hohen Risiko verbunden ist, die Straffreiheit abschließend zu gefährden, muss dem Beschuldigten bewusst sein.

     

    2.2.2 Aussetzung der Vollziehung

    Ungeklärt ist, welche strafprozessualen Folgen sich ergeben, wenn die Finanzbehörde gemäß § 361 Abs. 2 S. 1 AO oder das FG gemäß § 69 Abs. 3 S. 1 FGO die Vollziehung des angegriffenen Steuerbescheids ganz oder teilweise bis zur Entscheidung über den abgabenrechtlichen Rechtsbehelf aussetzt. Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, durch die Aussetzung der Vollziehung (AdV) werde die strafrechtliche Nachzahlungsfrist gehemmt (Franzen/Gast/Joecks, § 371 AO, Rn. 119; Stahl, Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rn. 202; a.A. Klein/Jäger, § 371 AO, Rn. 90). Teilweise wird vertreten, bereits der Antrag auf AdV hemme die strafrechtliche Frist jedenfalls bis zur Antragsentscheidung (Franzen/Gast/Joecks, § 371 AO, Rn. 119). Begründet wird dies mit der Erwägung, es sei ermessenswidrig, auf Steuernachzahlungen zu bestehen, wenn die Forderung rechtlich ernstlich zweifelhaft sei (z.B. Stahl, Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, Rn. 202). Im Gesetz findet diese Auffassung keine Stütze. Insbesondere angesichts der verfahrensrechtlichen Verschiedenheit des abgabenrechtlichen Rechtsbehelfsverfahrens und der Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO ist sie dogmatisch nur schwer zu begründen.

     

    Schließlich führt diese Auffassung auch praktisch zu unbefriedigenden Ergebnissen. Würde die strafprozessuale Frist gemäß § 371 Abs. 3 AO durch die abgabenrechtliche AdV gehemmt, dann bestünde unter Umständen das Anwartschaftsrecht auf Straffreiheit über Jahre, ohne dass eine Entscheidung darüber herbeigeführt ist, ob endgültig Straffreiheit eingetreten ist oder nicht. Unterliegt z.B. der Tatbeteiligte im abgabenrechtlichen Verfahren nach mehrjährigem Rechtsstreit und ist er nach der Beendigung der AdV nicht in der Lage, die dann fälligen Steuern zu entrichten, würde sich erst nach langer Zeit herausstellen, dass endgültig keine Straffreiheit eintritt. Gegebenenfalls wäre die Strafverfolgungsbehörde, wenn Eintritt der Verfolgungsverjährung droht, gezwungen, Unterbrechungshandlung gemäß § 78c StGB vorzunehmen, obwohl ein Anwartschaftsrecht auf Straffreiheit besteht.

     

    PRAXISHINWEIS | Durch die Strafgerichte, insbesondere den 1. Strafsenat des BGH, ist die Möglichkeit der Hemmung der Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 StPO bisher nicht entschieden. Ob die im Schrifttum vertretene Auffassung bestätigt würde, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls geht der Beschuldigte im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren ein erhebliches Risiko ein, wenn er sich auf die Möglichkeit der Hemmung der Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO verlässt.

     

    2.2.3 Erschwerung der strafrechtlichen Ermittlungen

    Die Entscheidung des LG Heidelberg (16.11.12, 1 Qs 62/12, Abruf-Nr. 130108) wirft ein anderes Licht auf das Verhältnis zwischen abgaberechtlichem Rechtsbehelfsverfahren und Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO (dazu auch Wegner, PStR 13, 34). Danach soll die Straffreiheit jedenfalls dem nicht zuteil werden, der zwar Selbstanzeige erstattet und damit eine Nachprüfung ermöglicht, zugleich aber den Steueranspruch bereits dem Grunde nach in Zweifel zieht oder gar bestreitet und dadurch die weiteren Ermittlungen der Finanzbehörde mindestens erschwert, wenn nicht vereitelt.

     

    Zwar konzediert das LG Heidelberg, allein der Einspruch gegen den Steuerbescheid lasse die Wirkung des § 371 AO nicht entfallen. Denn anderenfalls sehe sich der Steuerschuldner vor die missliche Wahl gestellt, entweder einen vielleicht rechtswidrigen Steuerbescheid zu akzeptieren oder sich auf ein Strafverfahren mit ungewissem Ausgang einzulassen. Je nach Gegenstand der materiellen Einwendungen im abgabenrechtlichen Verfahren sollen diese „Erschwerungen“ den Eintritt der Strafbefreiung aber verhindern können.

     

    PRAXISHINWEIS | Auch wenn sich diese Entscheidung angesichts der verfahrensrechtlichen Verschiedenheit dogmatisch ebenfalls schwer begründen lässt, muss sie Beschuldigtem und Verteidiger im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren vor Augen führen, dass nicht jede zulässige Rechtsverteidigung im abgabenrechtlichen Rechtsbehelfsverfahren auch strafprozessual sinnvoll ist, will man den Eintritt der Straffreiheit gemäß § 371 Abs. 3 StPO nicht gefährden.

     

     

    2.3 Stundung und Erlass der festgesetzten Steuern

    Gewährt die Finanzbehörde eine zeitlich befristete Stundung gemäß § 222 AO, führt diese Stundung ebenfalls nicht automatisch zu einer Hemmung der Nachentrichtungsfrist gemäß § 371 Abs. 3 AO. Nach überwiegender Auffassung ist eine Fristverlängerung im Rahmen des § 371 Abs. 3 AO allerdings möglich (Münchener Kommentar/Kohler, § 371, Rn. 134). Die durch die Finanzbehörde gewährte Stundung sollte mithin zum Anlass genommen werden, vor Fristablauf eine Fristverlängerung hinsichtlich der Nachzahlungsfrist gemäß § 371 Abs. 3 AO bis zum Ende der abgabenrechtlichen Stundung zu beantragen.

     

    Der Erlass der hinterzogenen Steuern durch die Finanzbehörde gemäß § 227 AO soll nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung der Entrichtung i.S. des § 371 Abs. 3 AO gleichstehen (Franzen/Gast/Joecks, § 371 AO, Rn. 125). Im Wortlaut des § 371 Abs. 3 AO findet diese Auffassung keine Stütze. Da im Fall hinterzogener Steuern die Erlasswürdigkeit regelmäßig fehlt, dürfte diese Konstellation kaum Praxisrelevanz haben. Im Einzelfall wird darauf hinzuwirken sein, dass die Strafverfolgungsbehörde den zu erlassenden Anteil der Steuern durch Herabsetzung des im Rahmen des § 371 Abs. 3 AO bestimmten Betrags berücksichtigt.

    3. Praxishinweis

    Um den Eintritt der Straffreiheit nach erfolgter Selbstanzeige nicht zu gefährden, ist innerhalb der durch die Strafverfolgungsbehörde bestimmten Frist gemäß § 371 Abs. 3 StPO der Betrag zu entrichten, den die Strafverfolgungsbehörde bestimmt. Entspricht die zugunsten des Tatbeteiligten hinterzogene Steuer nicht der Steuerfestsetzung durch das für die Veranlagung zuständige FA, sollte der Verteidiger auf die Strafverfolgungsbehörde einwirken. Es kommt darauf an aufzuzeigen, welchen wirtschaftlichen Vorteil der Beschuldigte abweichend von einer möglichen Steuerfestsetzung tatsächlich erlangt hat. Dabei ist beispielsweise auch die wirtschaftliche Situation des Beschuldigten im Zeitpunkt der Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung zu berücksichtigen. Ziel der Bemühungen muss sein, eine Beschränkung des dem Beschuldigten gemäß § 371 Abs. 3 AO zur Nachentrichtung bestimmten Betrags auf den Betrag zu erreichen, der dem Vorteil der Tat für den jeweiligen Tatbeteiligten entspricht. Dieses Ziel lässt sich nur durch eine Auseinandersetzung mit der Strafverfolgungsbehörde, nicht dagegen allein durch abgabenrechtliche Rechtsbehelfsverfahren erreichen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Aue, Wirksame Selbstanzeige: Nachentrichtung per Bankeinzug, PStR 11, 80
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 203 | ID 38159810

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