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  • · Fachbeitrag · Rechtsprechungsübersicht

    Die wichtigsten Entscheidungen der Finanzgerichte zum Steuerstrafrecht 2013

    von StA Dr. Markus Ebner, LL. M., München

    | Bisweilen müssen auch die Finanzgerichte aufgrund der Schnittstellen in der AO, also insbesondere § 71 AO , § 169 Abs. 2 S. 2 AO und § 235 AO , dezidiert zu strafrechtlichen (Vor-)Fragen Stellung beziehen. Aus dieser Wechselbeziehung können alle Verfahrensbeteiligten nicht nur wertvolle Argumentationsansätze schöpfen; den strafrechtlichen Rechtsausführungen des BFH kann sogar eine Präjudizwirkung i.S. von § 2 Abs. 1 RsprEinhG zukommen, soweit diese grundlegender Natur und in der Sache tragend sind (Ebner PStR 08, 119 ). Das gilt umgekehrt für Steuerrechtsfragen und den 1. Strafsenat des BGH entsprechend. Nicht zuletzt angesichts dieses Spannungsverhältnisses lohnt es sich, die im Folgenden aufbereiteten Passagen/Leitsätze aus ausgewählten finanzgerichtlichen Entscheidungen mit steuerstrafrechtlichem Bezug aus 2013 Revue passieren zu lassen. |

     

    Rechtsprechungsübersicht / Die wichtigsten FG-Entscheidungen 2013

    Sächsisches FG 17.1.13,7 K 1561/08,juris,Abruf-Nr. 143209

    Verlängerte Feststellungsfrist bei fremdnütziger Steuerhinterziehung (fehlende Milcherzeugereigenschaft)

     

    • Im Übrigen war bei Erlass der angefochtenen Bescheide auch eine entsprechend § 169 Abs. 2 S. 2 AO verlängerte zehnjährige Feststellungsfrist aufgrund einer vollendeten Steuerhinterziehung noch nicht abgelaufen. Denn der Geschäftsführer der EZG (Erzeugergemeinschaft) hat infolge unzutreffender Angaben an das HZA zu den Liefermengen der Klägerin bzw. der Milchgut K-GmbH - neben der in Kauf genommenen Verkürzung von Milchabgaben anderer Erzeuger - auch eine Steuerhinterziehung zugunsten der Klägerin begangen, weil die im Falle richtiger Angaben durchzuführende Freisetzung der vARM (vorläufige Anlieferungs-Referenzmenge) der Klägerin (§ 16e Abs. 1a MGV, § 8b MGV) unterblieben ist. Das Belassen der vARM ist ein nicht gerechtfertigter Abgabenvorteil der Klägerin i.S. von § 370 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 AO, § 12 MOG, da die Referenzmenge abgabenrechtlich als eine auf eine bestimmte Menge begrenzte Abgabenbefreiung anzusehen ist.

    FG München 31.1.13,10 K 1438/10,NZWiSt 13, 358,Abruf-Nr. 133506

    Beendigung (§ 78a StGB, § 31 Abs. 3 OWiG) der „Kindergeldhinterziehung“ (herrschende Meinung)

     

    • Die fünfjährige Festsetzungsverjährungsfrist war nach Auffassung des Senats bei Aufhebung der Kindergeldfestsetzung am 6.6.07 aufgrund der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO auch noch nicht abgelaufen. In den Fällen des § 169 Abs. 2 S. 2 AO endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist. Bei der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Bei dieser beginnt nach § 31 Abs. 3 OWiG die Verjährung, sobald die Handlung beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt. Die Steuerhinterziehung und die leichtfertige Steuerverkürzung werden als strafrechtliches Erfolgsdelikt betrachtet. Bei vollendeten Erfolgsdelikten liegt die Beendigung vor und beginnt die Verfolgungsverjährung, sobald der tatbestandsmäßige Erfolg eingetreten ist und der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat. Setzt sich das strafbare Verhalten aus mehreren Teilakten zusammen bzw. ist der Schaden durch verschiedene Ereignisse bedingt oder vergrößert er sich durch sie nach und nach, dann beginnt die Verjährung mit dem letzten Akt bzw. mit der letzten Schadensvergrößerung.
    • Besteht der Taterfolg nicht in der Verkürzung einer Steuer (§ 370 Abs. 4 S. 1 AO), sondern in der Erlangung eines nicht gerechtfertigten Vorteils (§ 370 Abs. 4 S. 2 AO),
    • ist die Tat erst mit der Erlangung des Vorteils vollendet und beendet. Daher tritt beim Kindergeld als Steuervergütung die Beendigung erst mit der letzten unrechtmäßigen Gewährung ein und da das Kindergeld monatlich gewährt wird, erfolgt jeden neuen Monat eine weitere unrechtmäßige Gewährung.

     

    Sächsisches FG 25.2.13,8 V 1384/12,PStR 13, 227Abruf-Nr. 132597

    Keine Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Erschleichung der Investitionszulage

     

    • Es erscheint zweifelhaft, dass sich die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf zehn Jahre verlängert hat. Im Hinblick auf die Investitionszulage ist eine Steuer nicht hinterzogen worden. Die Investitionszulage ist keine Steuervergütung. Auf sie sind lediglich die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Diese entsprechende Anwendung bewirkt nicht, dass ein pflichtwidriges Unterlassen von Mitteilungen über Änderungen in Bezug auf die Bemessungsgrundlage der Investitionszulage als Steuerhinterziehung anzusehen wäre. Die Verweisung des § 6 Abs. 1 S. 1 InvZulG 1999 betrifft lediglich die abgabenverfahrensrechtlichen Vorschriften für das Investitionszulageverfahren. Das Steuerstrafrecht wird hiervon nicht erfasst. Vielmehr zeigt gerade § 8 InvZulG 1999, der für die Verfolgung des Betrugs (§ 263 StGB) und des Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) auf das formelle Steuerstrafrecht verweist, dass es sich bei Straftaten, die sich auf die unrechtmäßige Festsetzung bzw. den unrechtmäßigen Erhalt der Investitionszulage beziehen, um (Subventions-)Betrug handelt.

     

    • Eine analoge Anwendung des § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf deliktisches Handeln in Bezug auf die Investitionszulage bedarf einer planwidrigen Regelungslücke und eindeutiger Rechtsprinzipien, nach denen diese Lücke zu schließen wäre. Für die analoge Anwendung des § 169 Abs. 2 S. 2 AO fehlt es jedoch an einem Rechtsprinzip, wonach vorsätzliche oder leichtfertig bewirkte unzutreffende Festsetzungen der Subventionszulage wie Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung zu behandeln wären.

    Sächsisches FG 27.2.13,8 K 965/12 (Kg),juris,Abruf-Nr. 131550

    Hinterziehungszinsen bei der Erschleichung von (EStG-)Kindergeld; Ermittlungsgrundsätze und Feststellungslast

     

    • Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO erfordert das Vorliegen einer vollendeten Steuerhinterziehung (§§ 370, 373 AO) oder eines vollendeten (Subventions-)Betrugs (§§ 263, 264 StGB). Es müssen sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt sein.

     

    • Vorliegend konnte die Beklagte die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht darlegen. Die Erfüllung des objektiven Tatbestandes einer Steuerhinterziehung i.S. von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO setzt voraus, dass tatsächlich keine Ausbildungsbemühungen der Tochter J stattfanden. Denn ob ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil erlangt wurde, ergibt sich aus einem Vergleich zwischen der Kindergeldfestsetzung und -auszahlung aufgrund der Unkenntnis über steuerlich erhebliche Tatsachen, in der der Täter die Finanzbehörde pflichtwidrig lässt, und der bei wahrheitsgemäßen, rechtzeitigen und vollständigen Angaben gerechtfertigten Kindergeldfestsetzung und -auszahlung. Dabei bestimmt sich die gerechtfertigte Kindergeldfestsetzung und -auszahlung anhand der festgestellten Besteuerungsgrundlagen nach materiellem Steuerrecht, während sich die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach strafprozessualen und nicht nach steuerrechtlichen Verfahrens- und Beweisgrundsätzen richtet. Dies kann im Besteuerungsverfahren bzw. finanzgerichtlichen Verfahren und im Strafverfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen; eine Bindung an bestandskräftige Bescheide besteht nicht.
    • Für die Streitmonate konnte der Kläger zwar keine ernsthaften Ausbildungsbemühungen seiner Tochter nachweisen, sodass ihm im Besteuerungsverfahren kein Kindergeld zustand, weil er insoweit die Feststellungslast trägt. Hinsichtlich der vorliegend streitigen Hinterziehungszinsen verhält es sich indessen umgekehrt: Insoweit trägt die Beklagte die Feststellungslast dafür, dass die Tochter des Klägers ihre Bemühungen um einen Ausbildungsplatz in den Streitmonaten eingestellt hat. Objektive Anhaltspunkte hierfür wie etwa die Aufnahme einer Erwerbsarbeit sind nicht ersichtlich und werden nicht vorgebracht. Im Gegenteil: Zumindest wurde J in der Kundendatei der Arbeitsagentur gemäß dem Ausdruck vom 12.2.09 seit dem 30.5.07 bei der Berufsberatung als ratsuchend geführt. Zudem hat die Beklagte nicht darlegen können, dass der Kläger, selbst wenn seine Tochter in den Streitmonaten tatsächlich keine Bemühungen um einen Ausbildungsplatz an den Tag gelegt haben sollte, hiervon Kenntnis hatte oder dies zumindest hätte kennen müssen. Das aber wäre weitere Voraussetzung dafür, dass der Kläger die Familienkasse hierüber pflichtwidrig i.S. von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Unkenntnis gelassen hat.

    FG Köln 13.3.13,10 K 2820/12,EFG 13, 1391,Abruf-Nr. 132152

    Leichtfertige Steuerverkürzung (Scheinrendite im Schneeballsystem)

     

    • Nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist fünf Jahre, soweit eine Steuer leichtfertig verkürzt worden ist. Die Frist begann nach Abgabe der ESt-Erklärung für 2000 im Jahre 2002 mit Ablauf des Jahres 2002 zu laufen. Die fünfjährige Frist wäre damit Ende 2007 abgelaufen. Gemäß § 171 Abs. 5 AO trat jedoch mit Beginn der Steuerfahndungsprüfung gegenüber der Klägerin im Jahre 2007 eine Ablaufhemmung ein. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Klägerin durch die Nichtangabe der Zinseinnahmen Steuern verkürzt hat. Dies geschah auch leichtfertig i.S. des § 378 Abs. 1 S. 1 AO. Der Klägerin als Innenarchitektin musste sich aufdrängen, dass die Zahlung von Herrn L steuerliche Relevanz haben konnte. Sie hätte deshalb diesen Sachverhalt der Finanzverwaltung mitteilen und dieser die Entscheidung darüber überlassen müssen, welche steuerliche Relevanz dieser Vorgang hat. Sie hätte diesen Vorgang und überhaupt die Geldanlage nicht verschweigen dürfen, da in den Steuererklärungen ausdrücklich nach Kapitaleinnahmen gefragt wurde. Auch einem steuerlichen Laien musste klar sein, dass die Wiederanlage von Zinsen, wofür man „neue“ Zinsen erhielt, zu einem vorherigen Zufluss der Zinsen bei ihm führen musste; andernfalls hätte es hierfür keine neuen Zinsen gegeben. Der Grundsatz, dass es keine Zinsen auf die Zinsen gibt, ist auch jedem steuerlichen Laien bekannt (bestätigt durch BFH 2.4.14, VIII R 38/13, BFHE 245, 295, DStRE 14, 1166).

    FG Münster 10.4.13,13 K 3654/10 E,PStR 13, 220,Abruf-Nr. 132150

    Sich-Zurverfügungstellen als Scheinbetriebsleiter als sonstige Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG; Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; „in dubio pro reo“; Vorsatz; Selbstbelastungsfreiheit; Verbotsirrtum (§ 17 StGB); Abgrenzung zum Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB)

     

    • Der Kläger hat mit seinem Verhalten gegenüber der Firma B bzw. Herrn C1 eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG erbracht. Er überließ der Firma B bzw. Herrn C1 den von ihm zum Schein unterzeichneten Anstellungsvertrag, die zum Schein unterzeichnete Betriebsleitererklärung sowie die Kopie seines Meisterbriefs, um der Firma B zu ermöglichen, mit diesen Unterlagen gegenüber den Krankenkassen den Anschein seiner Betriebsleitertätigkeit in einer ihrer Betriebsstätten zu erwecken. Ferner duldete er bis März 2004 die weitere „Nutzung“ dieser Unterlagen, d.h. die fortdauernde Anscheinserweckung seiner Betriebsleitertätigkeit für die Firma B. Sein Verhalten i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist nicht erforderlich - in einem synallagmatischen Verhältnis zu der für die Überlassung/Duldung erhaltenen Gegenleistung. Denn er hat die ihm angebotene Bezahlung für die Überlassung des Meisterbriefs angenommen, um neben seinen Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit „zusätzliche Einnahmen zu bekommen“. Die Schecks stellten damit eine Gegenleistung für die Überlassung der Unterlagen bzw. die Duldung der Nutzung dar.
    • Auch der Umstand, dass der Kläger sich mit seinem Verhalten gegebenenfalls der Beihilfe zu einer Straftat strafbar gemacht hat, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts, denn § 22 Nr. 3 EStG erfasst auch Entgelt für verbotene Leistungen, d.h. - soweit die Voraussetzungen des § 22 Nr. 3 EStG erfüllt sind - auch strafbare oder berufsrechtlich sanktionierte Handlungen. Denn nach § 40 AO ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder teilweise erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.

     

    • Die Festsetzungsfrist war gewahrt. Hängt die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung von der Feststellung einer Steuerhinterziehung ab, haben die Finanzbehörden und Finanzgerichte eigenständig nach den Vorschriften der AO und FGO zu ermitteln und zu entscheiden, ob die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung i.S. von § 370 AO gegeben sind. Der - auch von dem Kläger angeführte - Grundsatz „in dubio pro reo“ ist zwar auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren zu beachten, jedoch bedeutet dies keine Übernahme von Grundsätzen des Strafverfahrens, sondern ist Ausfluss dessen, dass die Behörde im finanzgerichtlichen Verfahren die Feststellungslast für die Frage, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt, trägt. Für die Feststellung einer Steuerhinterziehung ist danach kein höherer Grad von Gewissheit notwendig, als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die die Finanzbehörde die Feststellungslast trägt. Demnach muss das FG mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugt sein, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt.

     

    • Der Kläger erfüllte im Streitfall durch die Nichtangabe der streitbefangenen Einnahmen in seinen ESt-Erklärungen den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Das Verschweigen der streitbefangenen Einnahmen stellt - entgegen der Auffassung des Klägers - auch einen Fall der Tatbestandsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und nicht der Tatbestandsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO dar. Denn mit seiner Unterschrift auf den Erklärungsvordrucken versicherte der Kläger, dass die Angaben in den Erklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen gemacht worden sind (§ 150 Abs. 2 AO), was auch die Behauptung der Vollständigkeit der Angaben - der erklärten Einnahmen - impliziert. Der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Handelns des Klägers liegt daher nicht in einem „Unterlassen“ (= § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), sondern vielmehr in der Behauptung der Vollständigkeit der Angaben in der ESt-Erklärung, einem „Handeln“, sodass die Tatbestandsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO einschlägig ist.

     

    • Dass der Kläger die Tatsachen, die zum Verkürzungserfolg geführt haben, kannte und den Verkürzungserfolg zumindest für möglich gehalten und diesen billigend in Kauf genommen hat, ergibt sich für den Senat aus den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, in der er unter anderem vorgetragen hat, dass er befürchtete, dass alles „auffliegen“ könne, wenn die Einnahmen in der Steuererklärung auftauchen würden, und dass er letzten Endes, wenn alles „aufliegen“ würde, seinen Meisterbrief verlieren und vielleicht auch wegen Beihilfe bestraft werden würde.
    • Die Pflicht des Klägers, die streitbefangenen Einnahmen im Rahmen seiner ESt-Erklärungen anzugeben, war auch nicht unter dem Gesichtspunkt suspendiert, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder sonst zur eigenen Überführung beizutragen („nemo tenetur se ipsum accusare“). So hätte der Kläger im Streitfall seiner strafbewehrten Erklärungspflicht dadurch nachkommen können, dass er die Einnahmen betragsmäßig offen legt und einer Einkunftsart zuordnet, ohne die genaue Einkunftsquelle zu benennen. Denn diese Erklärung hätte zu einer Festsetzung der ESt ausgereicht, durch die im Ergebnis eine Verkürzung von Steuern vermieden worden wäre.

     

    • Der Kläger unterlag auch keinem schuldausschließenden Verbotsirrtum. Der Kläger trägt im Streitfall vor, er sei davon ausgegangen, dass er sich nicht habe selbst „belasten“ müssen. Die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt, wäre diese Fehlvorstellung jedoch nach Ansicht des Senats durch die Einholung fachlichen Rats vermeidbar gewesen.
    • Letztendlich ergäbe sich aber auch keine andere rechtliche Beurteilung, wenn man der Rechtsauffassung des Klägers folgend die Nichtangabe der streitbefangenen Einnahmen in den ESt-Erklärungen der Tatbestandsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zuordnet. Denn der Irrtum, ihm sei die steuerlich gebotene Erklärung nicht zumutbar, da er sich dadurch selbst belasten würde, stellt keinen den Tatbestandsvorsatz ausschließenden (Tatbestands-)Irrtum nach § 16 Abs. 1 StGB, sondern einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB dar.

    Nds. FG 18.4.13,6 K 381/12,PStR 13, 282,Abruf-Nr. 132596

    Wiederbestellung als Steuerberater nach Steuerhinterziehung und Insolvenzverschleppung

     

    • Das Ignorieren des Widerrufs der Bestellung als Steuerberater und der Verstoß gegen das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen in 23 Fällen kann einer Wiederbestellung als Steuerberater entgegenstehen.

    FG Hamburg 20.6.13,3 V 69/13,PStR 13, 246,Abruf-Nr. 132936

    Steuerhinterziehung bei „Lohnsplittingmodell“

     

    • Überweist eine Arbeitgeberin als Auslagenersatz deklarierte Beträge auf ausländische Konten ihrer Arbeitnehmer („Lohnsplittingmodell“), zählen diese Zahlungen grundsätzlich zum steuerpflichtigen Arbeitslohn des Arbeitnehmers, und zwar auch dann, wenn und soweit durch die Zahlungen Werbungskosten des Arbeitnehmers, etwa aufgrund doppelter Haushaltsführung, erstattet werden. Die Zahlungen führen zu einer Steuererhöhung, soweit kein entsprechender Werbungskostenabzug und damit eine Saldierung vorzunehmen ist.

     

    • Im Rahmen des § 169 Abs. 2 S. 2 AO hat das FG die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Beweismaßerleichterungen aufgrund einer verweigerten Mitwirkung seitens des Steuerpflichtigen dürfen bei der Feststellung einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach nicht genutzt werden.

     

    • Wesentliches Indiz für einen bedingten Vorsatz des Arbeitnehmers bezüglich einer Steuerverkürzung ist bei einem derartigen Lohnsplitting vor allem die Art und Weise der Abwicklung (Zahlung des lohnversteuerten Gehalts auf ein inländisches Konto und Erstattung privater Aufwendungen des Arbeitnehmers auf ein ausländisches Konto ohne Lohnsteuerabzug und ohne Angabe auf der Lohnsteuerbescheinigung).

    Nds. FG 27.8.13,

    8 K 78/12,PStR 13, 289,Abruf-Nr. 133180

    Sammelauskunftsersuchen (§ 93 AO) an einen Verlag (Benennung von „Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftraggeber“ sowie des Anzeigentextes, „soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen“)

     

    • Dem Auskunftsverlangen steht das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO nicht entgegen, da sich dieses nur auf den redaktionellen Teil, nicht auf den Anzeigen- oder Werbeteil von Zeitungen bezieht.

     

    • Das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 GG) wird durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt. Zwar umfasst der Schutzbereich der Pressefreiheit auch den Anzeigenteil einer Zeitung, weil der Anzeigenteil die öffentliche Aufgabe der Presse mit erfüllt. Art. 5 Abs. 2 GG erlaubt indes Eingriffe in den Schutzbereich der Pressefreiheit im Rahmen der allgemeinen Gesetze. Die §§ 93 ff., 208 AO stellen allgemeine Gesetze dar, die mithin einen Eingriff (auch) in das Grundrecht der Pressefreiheit gestatten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die genannten Vorschriften der AO verfassungswidrig sind.

    FG München 26.9.13,5 K 1610/12,EFG 13, 2025,Abruf-Nr. 133827

    Keine „Kindergeldhinterziehung“ bei unzureichendem Merkblatt 1999

     

    • Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin keine Steuerhinterziehung und auch keine leichtfertige Steuerverkürzung begangen, da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Klägerin die Familienkasse im Jahr 2003 und in der Folgezeit ihre Mitteilungspflicht nach § 68 Abs. 1 EStG vorsätzlich oder leichtfertig dadurch verletzt hat, dass sie die Beklagte nicht über den Schulbesuch ihres Kindes in der Türkei ab September 2003 in Kenntnis gesetzt hat.

     

    • Dem der Klägerin mit der Bewilligung des Kindergelds im Jahr 1999 übersandten Merkblatt (Stand: Dezember 1998) war ein eindeutiger Hinweis auf eine entsprechende Mitteilungspflicht schon nicht zu entnehmen. Nach Ziffer 17 des Merkblatts ist die Familienkasse unverzüglich zu benachrichtigen, wenn eine Beschäftigung im Ausland aufgenommen wird oder der Kindergeldberechtigte oder das Kind ins Ausland verzieht. Dass die Klägerin eine Beschäftigung in der Türkei aufgenommen hätte, ist weder vorgetragen noch nachgewiesen. Die Formulierung „ins Ausland verziehen“ ist unklar und missverständlich, weil schon offen bleibt, ob dies nach wie vor eine Anknüpfung an den Begriff des Wohnsitzes ausdrückt (insoweit bereits zum Merkblatt 1995 mit der Formulierung „unter Aufgabe des Wohnsitzes ins Ausland verzieht“ - FG München 14.6.12, 5 K 1058/10, Abruf-Nr. 133548).

     

    • Inhaltlich ist auch die Fassung 1999 unklar und missverständlich und lässt für einen Laien keine eindeutige Mitteilungspflicht erkennen. Der Senat hatte zum Merkblatt 1995 Folgendes ausgeführt: „Da die Klägerin zum einen der Auffassung ist, dass das Kind seinen Wohnsitz in Deutschland mit Beginn des Schulbesuchs in der Türkei nicht aufgegeben hat, zum anderen die Beantwortung der Frage, ob der Wohnsitz aufgegeben wurde, eine rechtliche Wertung voraussetzt, zu der die Klägerin insbesondere in Anbetracht ihres Bildungsstands (es bestehen nach Aktenlage, insbesondere nach dem Schriftbild der vorliegenden Anträge, Zweifel, in welchem Umfang sie überhaupt des Schreibens mächtig ist) auch im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre gegebenenfalls gar nicht in der Lage war, ergab sich aus diesem Hinweis für die Klägerin keine eindeutige Benachrichtigungspflicht.“ Auch wenn das Merkblatt 1999 den Wohnsitzbegriff nicht mehr explizit enthält, erscheint doch genauso fraglich, ob „verziehen“ mit „endgültig wegziehen“ gleichzusetzen ist, zumal die Klägerin nach den Ermittlungen der Beklagten bis Juli 2007 selbst noch in München unter einer eigenen Wohnanschrift gemeldet war.

    FG Münster 10.12.13,2 K 4490/12,EFG 14, 801,Abruf-Nr. 141143

    Beihilfe zur ESt- und USt-Hinterziehung durch GmbH-Geschäftsführer („Rechnungssplitting“-System); Haftung der GmbH gemäß § 70 AO

     

    • Zwar wurde § 70 AO insbesondere für bestimmte Fälle des Zoll- und Verbrauchssteuerrechts geschaffen. Eine Beschränkung auf diese Fälle oder auf Abzugssteuern sieht die Vorschrift aber weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Zweck vor. Die Haftung wird auch nicht durch spezialgesetzliche Regelungen verdrängt. Denn insbesondere im Fall der Steuerhinterziehung kann eine Haftung nach § 70 AO in Betracht kommen, da sich in diesen Fällen die Festsetzungsfrist gemäß § 191 Abs. 3 S. 2 AO auf zehn Jahre verlängert.

     

    • Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 70 AO sind erfüllt. Vorliegend sind durch eine von Herrn BQ begangene Steuerhinterziehung USt und ESt der Jahre 2003 bis 2007 verkürzt worden. Es steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass Herr TE als bestellter und Herr NP als faktischer Geschäftsführer zu dieser Steuerhinterziehung vorsätzlich Beihilfe geleistet haben. Sie wurden deshalb nach vollumfänglichen Geständnissen vom LG wegen vorsätzlicher Beihilfe zur Steuerverkürzung rechts-kräftig zu jeweils vier Jahren Haft verurteilt. Zudem steht aufgrund der unbestrittenen Feststellungen der Steuerfahndung J und der darauf beruhenden rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen zur Überzeugung des Senats fest, dass Herr TE und Herr NP das vorliegende System des Rechnungssplittings initiiert, aktiv angeboten und insoweit sogar als Berater bei der Umsetzung durch die Kunden fungiert haben. Damit hatten sie nicht nur auf der Ebene der GmbH Kenntnis von der Art der
    • Rechnungserteilung, sondern sie wussten auch auf der Kundenebene von der weiteren Behandlung der Rechnungen. Sie nahmen somit zumindest billigend in Kauf, dass die Kunden ihre Umsätze und damit ihre Steuern verkürzten.

     

    • Eine Haftung der GmbH ist auch nicht nach § 70 Abs. 2 AO ausgeschlossen. Im Streitfall hat die GmbH einen Vermögensvorteil erlangt. Denn dafür reicht es nach Auffassung des Senates aus, dass die Art der Rechnungserteilungen die Geschäftsbeziehungen zu den Kunden vorliegend sicherte. Die Kunden, die die Steuern verkürzen wollten, hatten nicht nur keinen Anlass, den Lieferanten zu wechseln. Im Gegenteil, sie hätten entweder einen neuen Lieferanten mit einem vergleichbaren System finden oder unter Umständen einen auffallend hohen Umsatz erklären müssen. In jedem Fall liefen die Kunden der GmbH bei einem Lieferantenwechsel Gefahr, dass ihre Steuerhinterziehung entdeckt würde. Angesichts dieser Risiken konnte die GmbH sicher sein, dass ihre Kunden ihr lange Zeit treu blieben. Einer Bezifferung oder einer weiteren Konkretisierung dieses Vorteils bzw. des unterbliebenen Nachteils bedarf es nicht.

    FG Hamburg 12.12.13,3 K 87/13,juris,Abruf-Nr. 140519

    Beteiligung an USt-Hinterziehungssystem

     

    • Hinsichtlich der nicht abgegebenen USt-Voranmeldung kommt eine täterschaftliche Steuerhinterziehung durch den Kläger nicht in Betracht. Denn Täter (auch Mittäter) einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann nur sein, wer selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist, wer also die rechtliche Erklärungspflicht für die Voranmeldungen und die Jahreserklärungen zu erfüllen hat. Das ist der gesetzliche Vertreter gemäß § 34 Abs. 1 AO, aber auch der Verfügungsberechtigte nach § 35 AO, d. h. jeder, der nach dem Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solcher nach außen auftritt. Der Kläger war jedoch nicht Geschäftsführer und damit gesetzlicher Vertreter der A. Anzeichen dafür, dass er als faktischer Geschäftsführer gehandelt hätte oder dass ihm eine Verfügungsbefugnis über das Vermögen der A eingeräumt worden wäre, liegen nicht vor.

     

    • Jedoch ist dem Kläger in Bezug auf die nicht abgegebene USt-Voranmeldung eine Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung zur Last zu legen. Dem steht die Behauptung des Klägers, er habe Herrn R nicht gekannt und auf die Abgabe der USt-Voranmeldungen keinen Einfluss gehabt, nicht entgegen. Ist der Haftungsschuldner in ein USt-Hinterziehungssystem integriert, wirkt sich dies, wenn er von den in der Lieferkette nachfolgenden Geschäften Kenntnis hatte, in der strafrechtlichen Beurteilung nicht nur auf die von ihm selbst abgegebenen Steuererklärungen aus. Vielmehr fördert er dann mit seinem Beitrag innerhalb der Lieferkette auch jeweils eine USt-Hinterziehung der anderen Mitglieder, die an den auf Hinterziehung der USt gerichteten Geschäften beteiligt waren. Entsprechendes gilt nach Auffassung des Senats für die in der Kette vorgelagerten Geschäfte und Erklärungen.

    FG BW 4.12.13,1 K 3881/11,PStR 14, 89,Abruf-Nr. 140759

    Steuergeheimnis (§ 30 AO); Herausgabe von durch den Steuerpflichtigen betrügerisch erlangten Eingangsrechnungen an die Kriminalpolizei

     

    • Das Gericht kann nicht feststellen, dass die Herausgabe der dem Beklagten am vom Kläger übergebenen Rechnungskopien an die Kriminalpolizei Y rechtswidrig gewesen wäre.

     

    • Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 5b AO für eine Herausgabe der Rechnungen haben im Streitfall vorgelegen. Dem Kläger ist der Vorwurf gemacht worden, er habe in einer Vielzahl von Fällen Leistungen der verschiedenen geschädigten Zeitungsverlage (nämlich in Gestalt des Abdruckens von Stellenanzeigen) in Anspruch genommen, ohne willens und in der Lage gewesen zu sein, diese Leistungen innerhalb angemessener Frist auch zu bezahlen. Dabei soll es dem - vermögenslosen - Kläger auch und in erster Linie darum gegangen sein, von den Geschädigten für diese Leistungen Rechnungen zu erhalten und die Finanzbehörden unter Vorlage dieser Rechnungen zur Auszahlung der in ihnen offen ausgewiesenen USt zu veranlassen (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG). Auf diese Steuerguthaben hätte der Kläger indessen keinen Anspruch gehabt: Hätte er - wovon
    • indessen bereits nach den dem Beklagten mitgeteilten Erkenntnissen der Kriminalpolizei Y zum nicht bestehenden Geschäftsbetrieb des Klägers und erst recht nach dem Gesamtergebnis des Klageverfahrens nicht auszugehen ist - den Abdruck der Stellenanzeigen als Eingangsleistung für ein von ihm geführtes Unternehmen bezogen, wäre ihm der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen zwar grundsätzlich eröffnet gewesen; er wäre indessen wegen der schon von vornherein feststehenden Uneinbringlichkeit des mit den Verlagen vereinbarten Entgelts zu seinen Lasten umgehend wieder auf 0 EUR zu berichtigen gewesen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG).

     

    • Bei dem dem Kläger zur Last gelegten Betrug handelte es sich - aus der dafür maßgeblichen Sichtweise des Beklagten bei Ergehen der Verwaltungsentscheidung - um eine Wirtschaftsstraftat i.S. des § 74c Abs. 1 S. 1 Nr. 6 a GVG, da sie im Zuge der wirtschaftlichen Betätigung des Klägers und - bei Abwägung aller bekanntgewordenen Tatumstände - auch unter Missbrauch des im Wirtschaftsleben nötigen Vertrauens auf die Redlichkeit, die Zahlungswilligkeit und die Zahlungsfähigkeit des jeweiligen Geschäftspartners begangen worden ist. Durch sie werden offenkundig auch - über eine individuelle Schädigung der Zeitungsverlage hinaus - in erheblichem Umfang Belange der Allgemeinheit berührt, weil die vom Kläger gewählte Vorgehensweise zugleich auf die vorläufige Auszahlung von Vorsteuerbeträgen in einer Größenordnung mindestens im obersten fünfstelligen Bereich angelegt war, ohne dass dem Fiskus noch die spätere Möglichkeit einer erfolgreichen Rückforderung ihm gegenüber offen gestanden hätte.

     

    • Dagegen spricht ersichtlich auch nicht, dass das LG in einer späteren Entscheidung aus Anlass einer Haftprüfung eine Sonderzuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer nach § 74c Abs. 1 S. 1 Nr. 6a GVG mit Blick darauf verneint hat, dass für die Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens nicht erforderlich seien.

     

    • Vorgelegen haben daneben auch die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 4b AO. Es wird vom Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellt, dass er selbst es war, der die streitbefangenen Rechnungen zunächst bei den geschädigten Verlagshäusern angefordert und anschließend beim Beklagten eingereicht hat.

     

    • Schließlich war die Offenbarung der Rechnungskopien dem Beklagten auch nach § 30 Abs. 5 AO möglich. Denn danach dürfen vorsätzlich falsche Angaben des Betroffenen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden. Die vom Kläger vorgenommene Vorlage der Rechnungen für den Voranmeldungszeitraum beim Beklagten war Teil seines Tatplans, der auf USt-Hinterziehung gerichtet war. Sie hatte die vorsätzlich falsche Behauptung zum Inhalt, dass die den Rechnungen zugrunde liegenden Leistungen für unternehmerische Zwecke des Klägers bezogen worden seien.
     

     

    Rechtsprechungsübersicht / Die wichtigsten BFH-Entscheidungen 2013

    BFH 15.1.13,VIII R 22/10,BFHE 240, 195 =PStR 13, 146,Abruf-Nr. 131234

    Haftung (§ 71 AO) des Bankmitarbeiters wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Ermöglichung anonymisierter Kapitaltransfers ins Ausland

     

    • Die Haftung nach § 71 AO setzt voraus, dass der Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt ist.

     

    • Im Zusammenhang mit anonymisierten Kapitaltransfers ins Ausland setzt die Feststellung einer Steuerhinterziehung voraus, dass der jeweilige Inhaber des in das Ausland transferierten Kapitals daraus in der Folge Erträge erzielt hat, die der Besteuerung im Inland unterlagen, dass er z.B. unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung gemacht, dadurch Steuern hinterzogen und dabei vorsätzlich gehandelt hat.

     

    • Kann das FG verbleibende Zweifel, ob und in welchem Umfang Steuerhinterziehungen begangen wurden, nicht ausräumen, muss es wegen der insoweit bestehenden Feststellungslast des FA zu dessen Lasten den Haftungstatbestand i.S. des § 71 AO verneinen.

    BFH 12.9.13,VII B 31/13,BFH/NV 14, 4,Abruf-Nr. 143212

    Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör („Überraschungsentscheidung“)

     

    • Mit einer (eingestellten) Steuerstraftat nach § 370 Abs. 1 AO hat das HZA den vom FG ausdrücklich in Bezug genommenen Bescheid über den Entzug der Vergünstigung unter Abfindung zu Brennen begründet. Somit musste der Kläger davon ausgehen, das FG werde das Vorgehen des Klägers - insbesondere hinsichtlich einer Verlängerung der Festsetzungsverjährungsfrist - auch unter dem Gesichtspunkt eines strafrechtlich relevanten Handelns beurteilen. Dabei liegt es nahe, dass sich eine solche Prüfung nicht nur auf Steuerstraftaten i.S. des § 370 Abs. 1 AO, sondern auch auf Steuer-Ordnungswidrigkeiten - insbesondere auf § 378 AO - erstreckt, zumal eine vom FG angenommene leichtfertige Steuerverk_ürzung die Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale des § 370 Abs. 1 AO voraussetzt. Daher bedurfte es keines ausdrücklichen Hinweises des FG in Bezug auf das eventuelle Vorliegen einer Steuer-Ordnungswidrigkeit nach § 378 Abs. 1 AO.

    BFH 11.10.13,VIII R 26/10,wistra 14, 151,Abruf-Nr. 143213

    StraBEG 2003 (Auslegungsgrundsätze; Behandlung eines erschlichenen Verlustvortrags)

     

    • Ein zugunsten des Steuerpflichtigen fehlerhafter Grundlagenbescheid kann ein Steuervorteil i.S. von § 370 Abs. 1 (2. Alt.) AO sein. Ungeachtet der hieran von Teilen der Literatur geübten Kritik ist diese höchstrichterliche Rspr. der Strafgerichtsbarkeit bei der Auslegung der strafrechtlichen Tatbestandsmerkmale im StraBEG maßgeblich zu berücksichtigen. Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Kläger durch die Abgabe inhaltlich falscher Steuererklärungen für den Amnestiezeitraum unter Verschweigen steuerpflichtiger Einkünfte bereits vor dem maßgeblichen Stichtag des 18.11.03 (§ 1 Abs. 7 StraBEG) eine vollendete Steuerhinterziehung und damit eine Tat i.S. des § 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG begangen hat. Er war deshalb zur Abgabe einer strafbefreienden Erklärung berechtigt.

    BFH 29.10.13,VIII R 27/10,BFHE 243, 116 =PStR 14, 37,Abruf-Nr. 133946

    Leichtfertige Steuerverkürzung bei Fehlern des Steuerberaters

     

    • Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO sind nicht erfüllt, wenn der Steuerberater bei der Erstellung der ESt-Erklärung den Gewinn leichtfertig fehlerhaft ermittelt, da der Steuerberater mangels eigener Angaben gegenüber dem FA nicht Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO i.V. mit § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist.

     

    • Der Steuerpflichtige darf im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die vom Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen.

     

    • Dem Steuerpflichtigen kann das leichtfertige Handeln des Steuerberaters weder nach straf- oder bußgeldrechtlichen noch nach steuerrechtlichen Grundsätzen zugerechnet werden.

    BFH 19.12.13,III R 25/10,BFHE 244, 217 =PStR 14, 140,Abruf-Nr. 141258

    Haftung (§ 71 AO; §§ 823, 830 BGB) bei Subventionsbetrug (Investitionszulage)

     

    • Wer einen Subventionsbetrug begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet nicht nach § 71 AO für die zu Unrecht gewährte Investitionszulage (Änderung der Senatsrechtsprechung).

     

    • Die Investitionszulage ist keine Steuer i.S. des § 3 Abs. 1 AO. Der Gesetzgeber hat die Investitionszulage materiell-rechtlich auch nicht als eine Steuervergütung ausgestaltet. Es fehlt - anders als z.B. für das Kindergeld (§ 31 S. 3 EStG) - eine Norm, welche die Investitionszulage als Steuervergütung qualifiziert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in den Investitionszulagengesetzen enthaltenen Gesetzesverweisung (z.B. § 5 Abs. 5 S. 1 InvZulG 1982, § 7 Abs. 1 S. 1 InvZulG 1993), die eine entsprechende
    • Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der AO anordnet. Durch diese Verweisungsnorm wird die Investitionszulage abgabenrechtlich nicht in eine Steuervergütung umqualifiziert, sondern allgemein das Investitionszulageverfahren geregelt. Demnach hat der Gesetzgeber in Anbetracht des in § 1 Abs. 1 S. 1 AO geregelten Anwendungsbereichs der AO und des Umstands, dass die Investitionszulage gerade keine Steuervergütung ist, in § 7 Abs. 1 S. 1 InvZulG 1993 folgerichtig nur eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der AO angeordnet.

     

    • Aufgrund dieser Verweisung sind zwar auch die Haftungsnormen der §§ 69 ff. AO entsprechend anwendbar. Nach dem Wortsinn des § 71 AO scheitert dessen Anwendung auf die Investitionszulage aber daran, dass das auf die „Erschleichung“ einer Investitionszulage gerichtete Verhalten strafrechtlich keine Steuerhinterziehung, sondern ein Betrug (§ 263 StGB) bzw. ein Subventionsbetrug (§ 264 StGB) ist. Auch wenn die Abgrenzung zwischen den unter § 370 AO fallenden Steuern bzw. Steuervorteilen und den von § 264 StGB erfassten Subventionen schwierig sein kann, gehört doch die Investitionszulage zu den Subventionen i.S. des § 264 Abs. 7 StGB und nicht zu den Steuern oder Steuervorteilen. Abweichendes ergibt sich nicht aus § 370 Abs. 4 S. 2 AO, wonach auch Steuervergütungen Steuervorteile sind. Die Investitionszulage ist - wie aufgezeigt - materiell-rechtlich gerade keine Steuervergütung. Schließlich lässt sich etwas anderes auch nicht aus § 9 InvZulG 1993 (= § 5a InvZulG 1977/1982/1986) entnehmen, nach dem die Vorschriften der AO über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend gelten. Hierdurch werden lediglich die Verfahrensvorschriften der §§ 385 ff. AO einschließlich der Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörden (§ 386 Abs. 2 AO) für anwendbar erklärt.

     

    • Auch die in § 7 Abs. 1 S. 1 InvZulG 1993 angeordnete „entsprechende“ Anwendung des § 71 AO rechtfertigt es nicht, von dem tatbestandlichen Erfordernis einer Steuerhinterziehung abzusehen oder das auf die „Erschleichung“ einer Investitionszulage gerichtete Verhalten als eine Steuerhinterziehung i.S. des § 71 AO zu behandeln. Dass es sich hierbei um eine Rechtsgrund- und nicht um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, entspricht auch der bisherigen Senatsrechtsprechung. Ein bloßer Verweis nur auf die Rechtsfolge des § 71 AO könnte schon gar nicht umgesetzt werden, weil der Haftungsumfang im Dunkeln bliebe. Allerdings reicht - entgegen der bisherigen Rechtsprechung - im Zusammenhang mit der Investitionszulage der Subventionsbetrug als Rechtsgrund nicht aus. Eine derartige - auf das Wort „entsprechend“ gestützte - Gesetzesauslegung überspannt den möglichen Wortsinn. Die entsprechende Geltung der Steuervergütungsvorschriften führt zwar dazu, dass die §§ 69 ff. AO dem Grunde nach anwendbar sind. Der Gesetzgeber hat aber bewusst davon abgesehen, im InvZulG - im Gegensatz zu anderen Zulagen- und Prämiengesetzen - auch eine entsprechende Anwendung des § 370 Abs. 1 bis Abs. 4 AO anzuordnen, weil er die Investitionszulage unter den besonderen straf-rechtlichen Schutz des § 264 StGB gestellt hat. Hiernach ist § 370 AO auf die Investitionszulage gerade nicht entsprechend anwendbar. Damit wäre jedoch der Wortsinn einer entsprechenden Anwendung überspannt, wollte man die Erschleichung einer Investitionszulage abgabenrechtlich doch wieder wie eine Steuerhinterziehung behandeln.

     

    • Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 71 AO liegen nicht vor.

     

    • Ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB, § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB i.V. mit § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 27 StGB kann nicht mittels eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 AO geltend gemacht werden.
     

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