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  • 20.10.2011

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 04.08.2011 – 10 Sa 156/11


    Tenor:

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10. Februar 2011, Az.: 4 Ca 1765/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsabgeltung.

    Die Klägerin (geb. am 19.01.1971) war seit dem 01.10.2009 bei der Beklagten als Pflegerin zu einem Bruttomonatsgehalt von € 3.200,00 beschäftigt. Sie war seit dem 27.07.2010 erkrankt. Ob sie bis zum 15.11.2010 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt war, ist streitig. Von 24 vereinbarten Urlaubstagen hat die Klägerin im Jahr 2010 insgesamt 20 genommen.

    Die Beklagte wollte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 03.08.2010 fristlos kündigen und der Klägerin per Einschreiben zustellen. Die Klägerin hat das Übergabe-Einschreiben nicht bei der Post abgeholt. Mit Schreiben vom 11.10.2010 kündigte die Beklagte vorsorglich ordentlich zum 15.11.2010. Diese Kündigung hat die Klägerin akzeptiert. Im Gütetermin vom 21.10.2010 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine außerordentliche Kündigung zu Protokoll, die er auf den Vorwurf stützt, die Klägerin habe den Zugang der Kündigung vom 03.08.2010 vereitelt.

    Mit ihrer mehrfach geänderten Klage hat die Klägerin zuletzt die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bis zum 15.11.2010, Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 01.08. bis zum 06.09.2010 (€ 3.200,00 + € 640,00 brutto) sowie Urlaubsabgeltung für vier Tage (€ 590,76 brutto) begehrt.

    Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.02.2011 (dort Seite 2-6= Bl. 79-83 d. A.) Bezug genommen.

    Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 03.08.2010 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 21.10.2010 beendet worden ist, sondern fortbestanden hat bis 15.11.2010,

    die Beklagte zu verurteilen, an sie € 3.200,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.09.2010 zu zahlen,

    die Beklagte zu verurteilen, an sie € 640,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.10.2010 zu zahlen,

    die Beklagte zu verurteilen, an sie € 590,76 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 16.11.2010 zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der Klage mit Urteil vom 10.02.2011 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch eine fristlose Kündigung der Beklagten vom 03.08.2010 beendet worden, denn das Übergabe-Einschreiben sei der Klägerin nicht im Sinne des § 130 BGB zugegangen. Die Klägerin habe den Zugang dieser Kündigungserklärung nicht vereitelt, denn sie habe in dem Zeitraum, in dem das Einschreiben auf der Post hinterlegt gewesen sei, nicht mit dem Zugang einer Kündigung rechnen müssen. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass der Klägerin die fristlose Kündigung vom 03.08.2010 per Einwurf-Einschreiben zugegangen sei. Sie habe ihren Ehemann als Zeugen dafür benannt, dass sie das Kündigungsschreiben abgeschickt habe. Hierauf komme es jedoch nicht an. Der Zugang könne schließlich auch nicht aufgrund von vorgetragenen Indizien unterstellt werden. Das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 21.10.2010 beendet worden, denn die Beklagte habe die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt.

    Die Klägerin könne ab dem 27.07.2010 für die Dauer von sechs Wochen, also bis zum 06.09.2010, gemäß § 3 Abs. 1 EntgFG Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen. Sie habe durch Vorlage eines Duplikates der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 27.07.2010 sowie durch Vorlage der Bescheinigung der KKH Allianz vom 24.11.2010 hinreichend ihre Arbeitsunfähigkeit ab dem 27.07.2010 nachgewiesen. Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung gegen diese Ansprüche greife nicht durch, denn sie habe nicht substantiiert dargelegt, wann sie mit der Klägerin welche konkrete Rückzahlungsvereinbarung von Fortbildungskosten getroffen habe. Die Klägerin habe Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in Höhe von € 590,76 brutto für vier Urlaubstage, die sie vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen ihrer Erkrankung nicht mehr habe nehmen können. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 6 bis 13 des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 83-90 d.A.) Bezug genommen.

    Das Urteil ist der Beklagten am 25.02.2011 zugestellt worden. Sie hat mit am 11.03.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 21.04.2011 eingegangenem Schriftsatz vom 20.04.2011 begründet.

    Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe ihren Vortrag übergangen, wonach sie die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin in der Zeit vom 04.08. bis 18.08.2010 bestritten habe. Die Klägerin habe lediglich eine Kopie einer angeblichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Somit gelte § 7 EntgFG zu ihren Gunsten. Das Arbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass die eingeschriebene Sendung, die die Klägerin am 07.09.2010 erhalten habe, kein Aufhebungsvertrag, sondern nur das Kündigungsschreiben gewesen sein könne. Für den Feststellungsantrag zu 1) habe kein Feststellungsinteresse bestanden. Die Klägerin versuche mit diesem Antrag, die versäumte Kündigungsschutzklage durch einen allgemeinen Feststellungsantrag zu retten. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe die Klägerin den Zugang der Kündigung vereitelt, weil sie das niedergelegte Schriftstück nicht abgeholt habe. Sie habe sehr wohl mit einer Kündigung rechnen müssen, nachdem sie den Abschluss eines Aufhebungsvertrags abgelehnt habe. Infolgedessen scheiterten die Zahlungsansprüche der Klägerin ab 17.08.2010, der 07.09.2010 und 21.10.2010 seien lediglich Auffangtermine. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit weder bewiesen noch angezeigt habe und ihr daher keine Ansprüche zustehen, wohl aber Schadensersatzansprüche zu ihren [der Beklagten] Gunsten, hiermit dem Grunde nach geltend gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 20.04.2011 (Bl. 119-121 d.A.) Bezug genommen.

    Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.02.2011, Az.: 4 Ca 1765/10, abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 26.06.2011 (Bl. 125-126 d.A.), auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

    Ergänzend wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach § 64 ArbGG an sich statthaft. Die Berufung wurde auch gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Die Berufungsbegründung ist auf den Streitfall zugeschnitten und lässt erkennen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen die Beklagte das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann nicht verlangt werden.

    II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht vor dem 15.11.2010 beendet worden. Die Beklagte ist für den Zeitraum vom 01.08. bis zum 06.09.2010 verpflichtet, der Klägerin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt € 3.840,00 brutto (€ 3.200,00 + € 640,00) nebst Zinsen zu gewähren. Sie ist außerdem zur Urlaubsabgeltung für vier Urlaubstage in Höhe von € 590,76 nebst Zinsen verpflichtet. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis und in der Begründung des angefochtenen Urteils vollkommen zutreffend erkannt.

    Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten. Die Berufungskammer nimmt daher gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG vollumfänglich Bezug auf die sorgfältige Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies ausdrücklich fest. Die Angriffe der Berufung geben lediglich zu folgenden Ergänzungen Anlass:

    1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vor dem 15.11.2010 aufgelöst worden ist.

    Das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 03.08.2010 ist der Klägerin nicht zugegangen. Eine Erklärung, die ein Absender im privatrechtlichen Bereich mittels Zustellung durch die Post abgibt, gilt nicht bereits mit dem Einwurf eines Benachrichtigungszettels durch den Postboten als zugegangen. Der Zugang erfolgt erst durch Aushändigung des Schreibens auf der Poststelle (§ 130 Abs. 1 BGB). Auch die Berufungskammer schließt sich der bereits vom Arbeitsgericht zitierten Rechtsprechung (vgl. BAG Urteil vom 25.04.1996 -2 AZR 13/95- NZA 1996, 1227) zum Zugang einer per Einschreiben abgesandten empfangsbedürftigen Willenserklärung an, die beim Postamt nicht abgeholt wird (siehe auch: BGH Urteil vom 26.11.1997 - VIII ZR 22/97 - NJW 1998, 976). Der Benachrichtigungszettel unterrichtet den Empfänger nur darüber, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereit liegt. Er enthält aber keinen Hinweis auf den Absender des Einschreibebriefs und lässt den Empfänger im Ungewissen darüber, welche Angelegenheit die Einschreibesendung zum Gegenstand hat. Zu Recht hat deshalb das Arbeitsgericht im Einklang mit der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen, der Zugang des Benachrichtigungszettels habe nicht den Zugang des Einschreibebriefes ersetzt. Das Kündigungsschreiben selbst wurde der Beklagten nach dem unstreitigen Sachverhalt mit Vermerk vom 17.08.2010 nach Ablauf der Lagerfrist von der Post zurückgesandt.

    Die Berufung rügt vergeblich, die Klägerin müsse sich gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als ob ihr die Kündigung vom 03.08.2010 zugegangen wäre. Die Klägerin hat den Zugang nicht vereitelt. Eine Zugangsvereitelung ist bei einem erfolglos gebliebenen Zustellungsversuch durch die Post nicht immer schon dann erfüllt, wenn der Absender behauptet, dem Empfänger sei der Benachrichtigungszettel über die Niederlegung des Kündigungsschreibens bei der Post zugegangen. Es ist auch der Berufungskammer nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte meint, die Klägerin habe im Zeitpunkt des behaupteten Zustellversuchs mit einer fristlosen Kündigung rechnen müssen. Das ergibt sich jedenfalls nicht daraus, dass sie sich mit Schreiben vom 17.08.2010 geweigert hat, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Die Darlegungs- und Beweislast für alle Tatsachen, die den Einwand begründen, der Arbeitnehmer berufe sich treuwidrig auf den Nichtzugang einer Kündigung, treffen den Kündigenden. Konkrete Anhaltspunkte, die geeignet sind, im Rahmen einer Gesamtschau aller feststehenden Umstände dem Gericht die Überzeugung zu vermitteln, die Klägerin habe den Zugang der Kündigung vom 03.08.2010 vereitelt, sind nicht vorhanden. Die Mutmaßungen und Spekulationen der Beklagten darüber, welche Sendungen die Klägerin erhalten bzw. welche Sendungen die Klägerin verwechselt haben könnte, vermögen konkreten Tatsachenvortrag nicht zu ersetzen. Deswegen kann auch nicht unterstellt werden, der Klägerin sei am 07.09.2010 eine Kündigung zugegangen. Das hat die Klägerin auch nicht "indirekt bestätigt", wie die Beklagte meint.

    Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete auch nicht durch die mündliche fristlose Kündigung vom 21.10.2011, die das Arbeitsgericht auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der Güteverhandlung gemäß § 160 Abs. 4 ZPO in das Protokoll aufgenommen hat. Die Beklagte stützt diese Kündigung auf den Vorwurf, die Klägerin habe den Zugang der Kündigung vom 03.08.2010 vereitelt. Die Wirksamkeit dieser fristlosen Kündigung scheitert -unter anderem- daran, dass die Beklagte die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt hat. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Es kann dahinstehen, ob die fristlose Kündigung vom 21.10.2010 auch als "hilfsweise fristgerecht gewollt gewertet werden" muss, wie die Berufung meint, denn die Klägerin hat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.11.2010 akzeptiert, während eine umgedeutete ordentliche Kündigung gemäß § 622 Abs. 1 BGB erst zum 30.11.2010 wirksam geworden wäre. Dieser spätere Beendigungstermin war von der Klägerin nicht beantragt (§ 308 Abs. 1 ZPO) und dürfte auch nicht dem Interesse der Beklagten entsprechen.

    2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG verpflichtet ist, der Klägerin in der Zeit vom 01.08. bis zum 06.09.2010 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in rechnerisch unstreitiger Höhe von € 3.840,00 brutto (€ 3.200,00 für August, € 640,00 für September) nebst Verzugszinsen zu leisten.

    Die Klägerin hat spätestens im vorliegenden Rechtsstreit den Nachweis erbracht, dass sie in der Zeit vom 27.07.2010 bis zum 15.11.2010 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt war. Die Berufung verkennt, dass die Beklagte nach § 7 EntgFG nicht berechtigt ist, die Entgeltfortzahlung dauerhaft zu verweigern, selbst wenn die Klägerin ihren Anzeige- und Nachweispflichten aus § 5 EntgFG zunächst nicht nachgekommen sein sollte. § 7 Abs. 1 EntgFG gewährt lediglich eine zeitweilige -dilatorische- Einrede (BAG Urteil vom 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 - NZA 1997, 652). Bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handelt es sich lediglich um ein Beweismittel, nicht um ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal im Sinne des § 3 EntgFG. Gleiches gilt für die Mitteilungspflichten nach § 5 Abs. 2 EntgFG, denen gleichfalls eine rein beweisrechtliche Funktion zukommt. Der Arbeitnehmer kann die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 EntgFG und damit die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit einschließlich Beginn und Dauer auch anderweitig nachweisen. Die Berufung verkennt, dass es sich bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lediglich um ein Beweismittel handelt. Auch wenn diesem Beweismittel ein hoher Beweiswert zukommt, ist der Arbeitnehmer nicht darauf verwiesen, sich allein dieses Beweismittels zu bedienen. Das wird er zwar aus Gründen der Sicherheit des Beweismittels und zur Vermeidung von Zweifeln in aller Regel tun. Er kann aber die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auch anderweitig nachweisen. Gelingt ihm dies, so endet das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers nach § 7 EntgFG (BAG Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 726/96 - NZA 1998, 369; Treber, EFZG, 2. Aufl., § 7 Rn. 15, m.w.N.).

    Die Klägerin hat vorliegend für die Zeit vom 27.07. bis zum 08.08.2010 das Duplikat einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Diese Ausfertigung, die der Arzt zur Vorlage bei der Krankenkasse (mit Diagnose) ausstellt, genügt als Beweismittel. Die Klägerin hat weiter eine Bestätigung der gesetzlichen Krankenkasse zur Vorlage bei ihrem Arbeitgeber vom 24.11.2010 vorgelegt. Aus der Urkunde ergibt sich, dass sie seit dem 27.07.2010 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt ist. Sie hat außerdem den Krankengeldbescheid vom 29.09.2010 vorgelegt, wonach sie seit dem 07.09.2010 Krankengeld bezieht. Diese Urkunden, die die gesetzliche Krankenkasse ausgestellt hat, der gegenüber die Kassenärzte gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V "zur Ausstellung von Bescheinigungen" verpflichtet sind, "die die Krankenkassen ... zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen", genügen als Beweismittel. Die Beklagte darf sich nach den im Entgeltfortzahlungsgesetz normierten Grundsätzen nicht auf den formalen Standpunkt zurückziehen, ihr lägen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

    3. Das Arbeitsgericht hat weiterhin zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Urlaubsabgeltung für vier Urlaubstage in rechnerisch unstreitiger Höhe von € 590,76 brutto nebst Verzugszinsen hat. Die Berufung hat dagegen nichts vorgebracht. Wenn im arbeitsgerichtlichen Urteil - wie hier - über mehrere Ansprüche im prozessualen Sinne entschieden worden ist, dann muss sich die Berufungsbegründung mit jedem Einzelanspruch auseinandersetzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll. Zur Urlaubsabgeltung verhält sich die Berufungsbegründung mit keinem Wort. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer: "Ich erkläre mit den Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung die Aufrechnung gegen Zahlungsansprüche, die die Klägerin geltend macht", ist nicht nachvollziehbar. Die Urlaubsabgeltung ist ein Anspruch der Klägerin und kein aufrechenbarer Gegenanspruch der Beklagten. Die Behauptung der Beklagten im vorletzten Satz ihrer Berufungsbegründung, es bestünden Schadensersatzansprüche zu ihren Gunsten, "die sie hiermit dem Grunde nach geltend mache", ist völlig unsubstantiiert. Sie enthält keinen Tatsachenkern, der eine entsprechende Annahme auch nur im Ansatz stützen könnte.

    III. Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

    Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

    VorschriftenBGB § 130, BGB § 242, EntgFG § 3, EntgFG § 5, EntgFG § 7