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  • · Fachbeitrag · Kalkulation

    Auftragsanbahnung: Proaktive Kalkulation von Projektrisiken macht Ihr Büro erfolgreicher

    | Im Einkauf liegt der Gewinn, heißt es im produzierenden Gewerbe. Bei Planungsbüros hilft dies nicht. Sie müssen anders herausfinden, ob und wenn ja mit welchem Personal, welcher internen Organisationsform, in welchem Terminrahmen und insbesondere mit welcher Honorarhöhe Sie einen bevorstehenden Auftrag sinnvoll und ertragssicher abgewickeln können. Wir empfehlen: Bewerten Sie die Risiken des in Aussicht stehenden Auftrags vorausschauend und objektiv und legen Sie so das Fundament für die Entscheidung, ob Sie das Angebot annehmen oder ablehnen. |

    Harte und weiche Faktoren einfließen lassen

    Viele Büros beurteilen Projekte bei der Auftragsanbahnung vor allem aus fachtechnischer Sicht - und schätzen auf der Basis die zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden. Wir meinen, dass dieser auf die harten Fakten gerichtete Blickwinkel zu eng ist.

     

    Ob ein Vertrag effektiv und damit wirtschaftlich abgewickelt werden kann, hängt nämlich auch von den weichen Faktoren ab. Auch diese sollten deshalb bei dem zur Verhandlung stehenden Planungs- und/oder Überwachungsvertrag betrachtet werden. Weiche Faktoren sind zum Beispiel:

    • Die Art der Kommunikation mit dem Auftraggeber, der Verständnishorizont des Auftraggebers und die Projekterfahrung aus ähnlichen Projekten,
    • Die voraussichtliche Abstimmungsintensität in gestalterischer und funktionaler Hinsicht,
    • Die Mitwirkungsbereitschaft und Entscheidungsstärke des Auftraggebers
    • Die Einschätzung, ob eine strukturierte Abwicklung gewährleistet sein wird oder ob mit Projektchaos (zum Beispiel ständigen Änderungen) zu rechnen ist

    Ein Muster-Bewertungsschema mit allen Einflussfaktoren

    Nachfolgend stellen wir ein Bewertungsschema vor, in dem sowohl die harten Faktoren (zum Beispiel technische Risiken, Kostenrisiken) als auch die weichen Faktoren gleichberechtigt berücksichtigt werden - innerhalb einer einzigen Beurteilungsstruktur.

     

    Vorausschauende Aufwandsanalyse beantwortet viele Fragen

    Damit sind Sie in der Lage, den voraussichtlichen Aufwand bei sich anbahnenden Projekten zu analysieren. Diese Analyse dient unter anderem folgenden - bei der Vertragsanbahnung anstehenden - Fragestellungen:

     

    • Gehört das Projekt zu den attraktiven Projekten oder ist es eher ein notwendiges Übel (reiner Füllauftrag)?
    • Muss hier ausschließlich mit erfahrenem Personal agiert werden oder können auch jüngere MitarbeiterInnen wichtige Posten bekleiden?
    • Sind hohe bürointerne Aufwendungen zur Absicherung gegen etwaige Haftungsrisiken bzw. Auseinandersetzungen zu erwarten?
    • Bestehen Honorarrisiken, die sich insbesondere in späten Projektphasen ergeben können?
    • Kann das Projekt für unser Büro ein Referenzobjekt darstellen oder eher nicht?
    • Sollten ungünstige Umstände durch ein höheres Honorarangebot ausgeglichen werden (wenn ja, mit welchen kalkulatorischen Auswirkungen)?

     

    Noch einmal: Sich die Risiken eines jeden Projekts vor der Vertragsunterzeichnung bewusst zu machen, lohnt sich allein deshalb, weil die unreflektierte Annahme aller Aufträge zum untersten Mindestsatz ein Büro in schwierige Situationen bringen kann.

     

    So könnte Ihr konkretes Bewertungsschema aussehen

    Als nächstes geht es darum, ein Bewertungsschema festzulegen, das unter dem Strich zeigt, wie hoch die Risiken oder Ertragschancen bei dem Projekt sind. Wir empfehlen hier, untenstehendes Punktesystem zu verwenden.

     

    Dabei werden je Bewertungskriterium 1 bis 5 Punkte vergeben. Je größer das Risiko bzw. der zu erwartende Aufwand gegenüber dem Durchschnitt aller Projekte ist, umso höher ist die Punktzahl beim jeweiligen Kriterium. Null Punkte bedeuten keinerlei Mehraufwand gegenüber dem Mindestaufwand.

     

    Der Mindestaufwand (entspricht im Ergebnis über alles 0 Punkte bei der Beurteilung) ist dabei gekennzeichnet durch Auskömmlichkeit beim Mindestsatz mit zutreffender Honorarzone und Beauftragung nicht gesplitterter Leistungsphasen. Beim Bauen im Bestand gehört ein Umbauzuschlag mit 20 Prozent zum unteren Mindestauskömmlichkeitssatz (0 Punkte über alles beim nachstehenden Schema).

     

    Die Gesamtpunktzahl spiegelt im Ergebnis die Abweichung gegenüber dem Mindest-Aufwand bzw. Mindest-Risikopotenzial wider. Das maximale Risiko beträgt 90 Punkte, was dem HOAI-Höchstsatz mit Höchstumbauzuschlag entsprechen würde.

    • Schema zur Einschätzung und Plausibilisierung der Projektrisiken

    Kriterium

    Einschätzende Beurteilung (hier: beispielhaft)

    Punkte

    (1 - 5)

    1.Auftraggeber-Struktur

    1.1 Organisation

    Übersichtliche flache Hierarchie, klare Zuständigkeiten, gute Dokumentation, nachhaltige Entscheidungen

    1

    1.2 Erfahrung des Auftraggebers

    Erhebliche Erfahrung, sachliche Vorgehensweise

    1

    1.3 Mitwirkungsleistungen

    Schnelle, zeitnahe Entscheidungsprozesse, geringe Änderungshäufigkeit, keine Projektbehinderung

    1

    2. Allgemeine Risiken

    2.1 Technische Risiken

    Hohes Baugrundrisiko, schwierige Baukonstruktion, Innovationsrisiko

    4

    2.2 Genehmigungsrisiken

    Genehmigungsfähigkeit ist erwartungsgemäß

    0

    2.3 Gesellschaftliche Risiken

    Eventuelle sind Widerstände zu erwarten, da prominenter und umstrittener Standort und prägende Architektur

    2

    3. Kostenrisiken

    3.1 Kostendruck (Investition)

    Überdurchschnittlich hoher Kostendruck auf Investitionskosten

    5

    3.2 Kostendruck (Betriebskosten)

    Ohne besondere Anforderungen (durchschnittlich)

    0

    3.3 Allgemeine Kostenrisiken

    Kein Finanzierungsrisiko oder Mietausfallrisiko bei Investorenprojekten mit Projektrisiko (zum Beispiel Nutzerinsolvenz)

    0

    4. Planungsinhalte

    4.1 Komplexität der Planung

    Sehr viele Schnittstellen mit vielen Risiken, hoher Abstimmungsaufwand, viele unterschiedliche Nutzer mit je eigener Nutzeinheit

    4

    4.2 Änderungsanfälligkeit

    Viele Änderungen im Planungsprozess zu erwarten

    4

    4.3 Genehmigungsverfahren

    Komplexe Genehmigung mit vielen beteiligten Behörden

    1

    5. Termine

    5.1 Planungsterminfristen

    Sehr eng bemessene Fristen

    4

    5.2 Ausführende-Terminfristen

    Sehr eng bemessene Fristen

    4

    5.3 Terminreserven

    Keine, wegen fester Terminvereinbarungen

    5

    6. Bürointerne Risiken

    6.1 Büroorganisation

    Sehr hoher Dokumentationsaufwand

    5

    6.2 Kostenrisiken intern

    Keine besonderen Risiken, keine Generalplanung

    1

    6.3 Honorarrisiken

    Langer Rechnungsablauf, Schlechte Zahlungsmoral gegen 
Projektende

    4

    Gesamt

    [maximal mögliche Punktzahl: 18 x 5 = 90]

    46

     

    Ergebnis: Bei 46 von maximal 90 Aufwands-/Risikopunkten ergibt sich ein mittleres Projektrisiko. Ein Honorar nach dem untersten Mindestsatz wird hier wahrscheinlich nicht auskömmlich sein. Auf die besonders risikobehafteten Bereiche (Kosten, Komplexität der Planung, Termine) kann durch besondere Personalauswahl reagiert werden. Hier wäre also erfahrenes Personal einzusetzen, dessen höhere Personalkosten man entsprechend beim Honorarangebot einkalkulieren müsste. In Bezug auf die Risiken 4.2 und 6.3 empfiehlt es sich, auf Personal mit besonderer HOAI-Erfahrung zurückzugreifen, um diese Risiken bestmöglich abzudecken.

     

     

    PRAXISHINWEISE |  

    • Das Bewertungsschema können Sie auch zur Nachschau und -kalkulation abgewickelter Projekte einsetzen, um so Verbesserungspotenziale bei künftigen Projekten zu identifizieren.
    • Damit Sie das Schema sofort anwenden können, haben wir es in Excel programmiert. Sie finden das „Rechenschema zur Aufwands- bzw. Risikokalkulation bei angefragten Projekten“ als Excel-Datei auf pbp.iww.de unter Downloads → Rechentools.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 21 | ID 39688210