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  • 26.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112540

    Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 16.11.2010 – 9 U 196/09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    In dem Rechtsstreit
    ...
    hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg
    durch
    den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Buchloh,
    den Richter am Oberlandesgericht Handke und
    den Richter am Landgericht Bruchmüller
    auf die mündliche Verhandlung vom 02. November 2010
    für Recht erkannt:

    Tenor:
    Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21. Oktober 2009 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal - Einzelrichter - abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger und dessen Ehefrau A. K. als Mitgläubiger einen Betrag in Höhe von 82.920,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2008 zu zahlen.

    Der Beklagte wird desweiteren verurteilt, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.880,20 EUR freizustellen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Von den Kosten der ersten Instanz haben der Kläger 1/4 und der Beklagte 3/4 zu tragen.

    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5. Ausgenommen sind die Kosten des Streithelfers; von diesen hat der Kläger 1/5 und der Streithelfer 4/5 zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte kann die dem Kläger mögliche Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vor der Vollstreckung leistet.

    Der Kläger kann die dem Beklagten mögliche Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vor der Vollstreckung leistet.

    Streitwert: 103.523,06 EUR

    Gründe
    A.

    Der Kläger nimmt den Beklagten, einen Architekten, wegen Planungs- und Bauüberwachungsmängeln auf Schadensersatz in Anspruch.

    Im Jahre 1993 beabsichtigte der Beklagte in E. ein Eigenheim zu errichten. Der Beklagte sollte im Rahmen des Projekts als Architekt tätig werden. Zu diesem Zeitpunkt betrachteten sich die Parteien, die beide aus E. stammen, als gute Bekannte. Sie verzichteten deshalb auf einen schriftlichen Architektenvertrag. Der genaue Inhalt der Absprachen ist heute zwischen den Parteien streitig. Zwischen den Parteien ist jedenfalls unstreitig, dass der Kläger den Beklagten mit der Einholung eines Bauvorbescheides für das in Aussicht genommene Eigenheim beauftragte. In der - vom Beklagten unterzeichneten - "Zusatzerklärung zur Baubeschreibung" vom 22. Juli 1993, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eingereicht wurde, heißt es wörtlich:

    "Der Planverfasser wird die Einhaltung der vorstehenden Erklärungen so wie das Entstehen des Bauwerks überwachen."

    Außerdem unterzeichnete der Beklagte im Rahmen seiner Tätigkeit am Bauvorhaben u.a. einen schriftlichen Auftrag über Erd-, Maurer-, Beton- und Abdichtungsarbeiten an das Bauunternehmen S. aus St. am 23. September 1993 mit dem Zusatz "Bauleitung". Eine Abnahmebescheinigung für den Tischlermeister B. aus A. unterschrieb der Beklagte mit der Bezeichnung "Architekt".

    Im Juli 1994 bezogen der Kläger und seine Familie das Eigenheim. In der Folgezeit traten sowohl im Außen- als auch im Innenbereich erhebliche Risse in den Wänden auf.

    Der Kläger hat deshalb im Jahre 1998 beim Landgericht Stendal ein selbständiges Beweisverfahren gegen die bauausführende Firma S. eingeleitet. Auf Antrag des Klägers hat das Landgericht das Beweisverfahren mit Beschluss vom 09. April 1999 auf den Beklagten erweitert.

    Am 28. Juni 2006 schloss der Kläger mit der Baufirma S. einen Vergleich. In dem Vergleich heißt es wörtlich:

    "4. Mit der Vornahme der o. g. Zahlung erklärt der Antragsteller, dass er aus dem Sicherungsverfahren und der darin festgestellten Mängel keinerlei weitere Ansprüche gegenüber dem Antragsgegner zu 1. geltend macht." (vgl. Bd. II, Bl. 82 d.A.)

    Das Beweisverfahren dauerte bis zum 30. April 2008. Die Akten des Beweisverfahrens 23 OH 14/98 lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

    Der Kläger hat den Beklagten mit Schreiben vom 13. Juni 2008 zur Zahlung eines Betrages von 110.784,26 EUR aufgefordert. Der Beklagte lehnte dies bereits am 18. Juni 2008 durch Anwaltsschriftsatz ab.

    Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, dass er zusammen mit seiner Ehefrau den Beklagten mit der Bauplanung, Betreuung und Überwachung beauftragt habe. Diese Pflichten habe der Beklagte unzureichend erfüllt. Insbesondere habe der Beklagte weder ihn noch seine Ehefrau über die besonderen Risiken des Baugrundes am geplanten Standort des Einfamilienhauses informiert. Durch die unzureichende Gründung des Gebäudes sei es zu Setzungsrissen gekommen. Die Sanierung der Risse und deren Ursachen erfordere einen Betrag von 110.784,26 EUR, der sich wie folgt zusammensetze:

    1. Stabilisierung des Gründungsbereichs mittels URETEK-Verfahren 62.640,00 EUR
    2. Neuverfliesung im Innenbereich 8.695,59 EUR
    3. Putzsanierung 11.248,52 EUR
    4. 10%-iger Zuschlag auf Sanierungskosten 8.258,41 EUR
    5. merkantiler Minderwert 19.941,74 EUR
    Gesamt: 110.784,26 EUR

    Auch nach der Mangelbeseitigung müsse von einem merkantilen Minderwert des Hauses in Höhe von 10% ausgegangen werden, so dass der entsprechende Betrag einen ersatzfähigen Schaden darstelle.

    Der Kläger hat beantragt,

    den Beklagten zu verurteilen, an ihn und seine Ehefrau A. K. als Mitgläubiger 110.784,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2008 zu zahlen sowie dem Beklagten des weiteren zu verurteilen, ihn von den Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.237,56 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hat behauptet, dass der Kläger nicht sein Vertragspartner gewesen sei. Zunächst habe er zwar allein mit dem Kläger, den er seit seiner Kindheit kenne, gesprochen. Der Kläger sei dann aber mit seiner Ehefrau bei ihm erschienen und hätten die Grundrisse des Hauses abgestimmt. Später sei der Kläger dann zu ihm gekommen und habe gesagt, es gäbe eine Änderung. Alleinige Bauherrin solle nur noch seine Frau A. K. sein, so habe er sich mit seinem Steuerberater beraten. Ab diesem Zeitpunkt habe er, der Beklagte, nur noch A. K. als seine Vertragspartnerin angesehen. Zwar habe er zunächst den Auftrag für den Vorbescheid nur vom Kläger erhalten. Zum Schluss sei aber alleine A. K. Bauherrin und damit seine Vertragspartnerin gewesen. Die Ansprüche seien deshalb verjährt. Da seine Vertragspartnerin, A. K. nicht Beteiligte des selbständigen Beweisverfahrens gewesen sei, sei die Verjährung weder unterbrochen noch gehemmt worden.

    Er habe den Kläger mehrfach über die Möglichkeit einer Baugrunduntersuchung unterrichtet und ihm hierzu Angebote unterbreitet. Der Kläger habe diese jedoch aus Kostengründen abgelehnt. Stattdessen habe man bei der Planung auf einem Auftrag der Gemeinde gefertigtes Bodengutachten für das gesamte Baugebiet Bezug genommen. Einen Auftrag für die Bauüberwachung habe er nicht erhalten, da der Kläger insoweit kein Geld hätte ausgeben wollen; dieser habe auf die Bauüberwachung ausdrücklich verzichtet.

    Er, der Beklagte, habe seine Architektenleistungen für 17.000,00 oder 18.000,00 EUR angeboten. Letztlich habe er von dem Kläger bzw. seiner Ehefrau nur 11.000,00 DM erhalten.

    Zwar habe der Sachverständige Prof. Dr. T. das URETEK-Verfahren im Beweisverfahren als geeignet bezeichnet. Zur abschließenden Entscheidung über die Form der Sanierung müsse jedoch noch vorher geklärt werden, ob sich fließendes Wasser im Boden befinde.

    Das Landgericht hat den Beklagten mit am 21. Oktober 2009 verkündetem Urteil zur Zahlung von 103.523,06 EUR verurteilt.

    Zur Begründung ist ausgeführt, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gemäß § 635 BGB a.F. zustünde. Nach der Überzeugung des Gerichts sei zwischen den Parteien ein Vertrag über die Planung des Eigenheims und Überwachung der Bauleistungen zustande gekommen. Die Leistungen des Beklagten seien jedoch mangelhaft. Denn dem Beklagten seien im Hinblick auf den Baugrund Planungsmängel anzulasten. Der Beklagte habe insoweit den Beweis nicht führen können, dass nur aufgrund der Intervention des Klägers die Einholung einer Baugrunduntersuchung aus dem Leistungsumfang herausgenommen worden sei. Dem Beklagten seien außerdem Bauüberwachungsfehler anzulasten. Der ersatzfähige Gesamtschaden setze sich wie folgt zusammen:

    URETEK-Verfahren 62.640,00 EUR
    Fliesenarbeiten 9.130,37 EUR
    Putzsanierung 11.810,95 EUR
    merkantile Wertminderung + 19.941,74 EUR
    Summe: 103.523,06 EUR

    Die Verjährungseinrede griffe nicht durch. Die fünfjährige Verjährungsfrist sei bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens noch nicht abgelaufen gewesen. Dieses Verfahren habe zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt. Die im Jahre 2002 neu angelaufene Verjährungsfrist sei noch nicht abgelaufen gewesen als der Kläger den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit in Anspruch genommen habe.

    Der Senat nimmt hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

    Der Beklagte hat gegen die ihm am 23. Oktober 2009 zugestellte Entscheidung am 23. November 2009 Berufung eingelegt und diese nach entsprechend gewährter Fristverlängerung am 25. Januar 2010 begründet.

    Der Beklagte wiederholt seine Auffassung, dass lediglich A. K. sein Vertragspartner gewesen sei. Eventuelle Schadensersatzansprüche seien deshalb verjährt; denn sie sei am verjährungsunterbrechenden Beweisverfahren nicht beteiligt gewesen. Außerdem habe ihn keine Pflicht zur Baubetreuung und Bauüberwachung getroffen. Der vom Gericht zugrunde gelegten Schaden ergebe sich weder aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. T. noch beruhe er auf einer kausalen Pflichtverletzung des Beklagten. Außerdem berücksichtige das Landgericht weder die Sowieso-Kosten noch den Anteil der gesamtschuldnerisch haftenden Firma S. entsprechend dem geschlossenen Vergleich.

    Außerdem sei bisher nicht geklärt, ob noch fließendes Wasser vorhanden sei oder nicht. Dies sei aber Voraussetzung für die Anwendung des Uretek-Verfahrens. Aus den Gutachten des Sachverständigen ergäben sich deshalb bisher höchstens Kosten in Höhe von 18.000,00 EUR für die Schadensbeseitigung. Denn eine Stabilisierung des Gebäudes durch Betonpfähle sei ausreichend. Weiter habe der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt, dass die vorhandenen und festgestellten Risse nicht dominant durch Setzungserscheinungen zu begründen seien, sondern vielmehr durch unzureichende Dämmung. Die Putzsanierung stelle im Übrigen Sowieso-Kosten dar. In diesem Zusammenhang habe die Firma S. an den Kläger bereits 16.000,00 EUR gezahlt.

    Schließlich ergebe sich der merkantile Minderwert nur dann, wenn die vom Sachverständigen vorgeschlagene Variante der Sanierung mit Betonpfählen verwirklicht worden sei. Außerdem gehe das Gericht von einem zu hohen Marktwert des Gebäudes aus. Der Marktwert bei dem Gebäude betrüge aber heutzutage lediglich 100.000,00 EUR, so dass maximal ein Betrag von 10.000,00 EUR eingestellt werden könnte. Der Vergleichsschluss mit der Firma S. stelle zugleich einen Vertrag zugunsten Dritter für den Beklagten dar. In Höhe der Vergleichssumme habe der Kläger dem Beklagten eventuelle Zahlungsverpflichtungen erlassen. Schließlich rechnet der Beklagte hilfsweise mit einer Honorarforderung in Höhe von 20.569,09 EUR auf.

    Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 26. Januar 2010 Herrn T S. als Inhaber der Baufirma S. den Streit verkündet. Herr S. ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten als Streithelfer durch Schriftsatz vom 06. Mai 2010 beigetreten.

    Er schließt sich der Auffassung an, dass der Vergleich zwischen dem Kläger und ihm auch zugunsten des Beklagten wirke. Denn der Vergleich könne seine volle Wirkung nur dann entfalten, wenn er, der Streithelfer, vom Beklagten nicht in Regress genommen werden könne.

    Der Beklagte beantragt,

    das am 21. Oktober 2009 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal - Einzelrichter - abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Der Streithelfer schließt sich diesem Antrag an und beantragt,

    dem Kläger die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

    Insbesondere trägt er vor, dass die Beseitigung der konstruktiven Mängel des Eigenheims mittels des URETEK-Verfahrens im Vergleich zu der Mangelbeseitigung durch vollständige Sanierung die weitaus kostengünstigere Alternative darstelle. Die Einziehung einer Betonsäulenreihe stelle dagegen keine Alternative dar; da sie nicht zur Ursachenbeseitigung tauge; denn hierdurch werde die Gründung des Hauses nicht stabilisiert. Das URETEK-Verfahren käme auch nicht nur dann zum Einsatz, wenn noch fließendes Wasser vorhanden wäre. Der Sachverständige habe dargelegt, dass seine Kostenermittlung noch nicht die Kosten der Ursachenbeseitigung umfassten. Durch das Gutachten des Sachverständigen W. stehe fest, dass die Schäden durch fließendes Wasser verursacht worden seien. Ob es jetzt noch vorhanden wäre, sei eine Augenblicksfrage. Da die Schäden durch fließendes Wasser verursacht worden seien, stehe nicht fest, ob es wieder auftreten könnte. Deshalb sei das URETEK-Verfahren das Mittel der Wahl.

    Im Übrigen wirke ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass für die übrigen Schuldner nur dann, wenn die vertragsschließenden Parteien das gesamte Schuldverhältnis hätten aufheben wollen. Ein solcher Wille müsse sich allerdings eindeutig aus dem Vertrag mittels Auslegung ergeben. Solange Zweifel bestünden, hätte der Erlass nur Einzelwirkung.

    B.

    Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache zu einem kleineren Teil Erfolg.

    Der Kläger hat gemäß §§ 335, 334, 333 BGB a.F. gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Planungsleistungen. Dieser Anspruch ist nicht verjährt. Der Anspruch des Klägers ist aufgrund der Zahlung des Streithelfers auf den Vergleich in Höhe von 16.000,00 EUR erloschen.

    I.

    Auf das Vertragsverhältnis ist gemäß Art. 229, § 5, Satz 1 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der vor dem 01. Januar 2002 gültigen Fassung anzuwenden. Denn das fragliche Eigenheim wurde bereits 1994 errichtet.

    II.

    Zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestand unstreitig ein Vertragsverhältnis über die Einholung eines Bauvorbescheides. Von diesem Vertragsverhältnis war die Untersuchung des Baugrundes bereits umfasst.

    1.

    Die Klärung der Frage, wie und in welcher Weise das fragliche Bauwerk gegründet werden kann, gehört grundsätzlich zu einer gewissenhaften und ordnungsgemäßen Grundlagenermittelung des Architekten in der Leistungsphase I (OLG Hamm, Urteil vom 21. Mai 1997, Az.: 12 U 150/96, zitiert nach [...], Rn. 5 [= NJW-RR 1997, 1310 ff. ]).

    2.

    Die Bodengrunduntersuchung war damit hier bereits zur Einholung des Bauvorbescheides erforderlich. Sie gehörte damit zum Pflichtenkreis eines unstreitig zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses.

    III.

    Der Beklagte hat gegen die im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses bestehenden Vertragspflichten verstoßen.

    1.

    Es ist anerkannt, dass zu den Hauptpflichten eines Architekten in der mit der Grundlagenermittlung beginnenden Planungsphase u.a. gehört, die Eignung des Baugrundes für das Bauvorhaben zu prüfen oder prüfen zu lassen und den Bauherrn entsprechend zu beraten. Dabei handelt es sich um eine wesentliche und zentrale Vertragspflicht des Architekten im Rahmen der Leistungsphase 1 (Grundlagenermittlung, hier insbesondere Klärung der Aufgabenstellung) des § 15 Abs. 1 HOAI (vgl. z.B. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 7. Aufl., § 15 Rn. 9; Pott, Dahlhoff, Kniffka, HOAI, 7. Aufl., § 15 Rn. 7 a), deren Verletzung der Schadensersatzpflicht gemäß § 635 BGB führen kann (vgl. Hesse/Korbion/Mantscheff/ Vygen, HOAI, 5. Aufl., § 15, Rn. 43; vgl. auch OLG Hamm, NJW-RR, 1997, 1310 ff. m.w.N.).

    2.

    Hier musste deshalb der Beklagte bereits im Rahmen seiner Vertragspflicht zum Klären der Aufgabenstellung jeglichen Bedenken gegen die Geeignetheit des Baugrunds für die vorgesehene Bebauung nachgehen. Solche Bedenken mussten sich, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen W. ergibt, hier aufdrängen. Denn das Grundstück liegt nahe eines Sees und im Boden sind, wie dem Beklagten auch bekannt war, Sande vorhanden.

    a)

    Ein solches Bodengrundgutachten hat der Beklagte hier nicht eingeholt und damit grundsätzlich eine Hauptleistungspflicht des Architektenvertrages verletzt.

    b)

    Der Beweis, dass er von der Einholung eines Bodengrundgutachtens nur auf Bitte des Klägers abgesehen hätte, ist ihm nicht gelungen. In der informatorischen Befragung der Parteien stehen sich insoweit die Aussage des Klägers und des Beklagten widersprechend gegenüber. Weitere Beweismittel sind nicht vorhanden. Der Senat nimmt insoweit auf die Entscheidungsgründe der landgerichtlichen Entscheidung Bezug.

    c)

    Wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, ist bei Planungsfehlern des Architekten grundsätzlich eine Fristsetzung gemäß §§ 634 Abs. 2, 633 BGB a.F. entbehrlich (vgl. auch BGHZ 43, 227).

    IV.

    Der grundsätzlich bestehende Schadensersatzanspruch ist auch nicht verjährt. Wie das Landgericht zutreffend und ausführlich dargelegt hat, ist die Verjährung zunächst durch das Beweissicherungsverfahren unterbrochen und dann gehemmt worden. Auch insoweit nimmt der Senat auf das landgerichtliche Urteil Bezug.

    V.

    Der Beklagte schuldet daher den durch den Planungsfehler verursachten Schaden. Dieser Schaden setzt sich zusammen zum einen aus den Kosten der Ursachenbeseitigung und zum anderen aus den Kosten der Beseitigung der Risse, die aufgrund der Setzungserscheinungen entstanden.

    1.

    Im selbständigen Beweisverfahren des Landgerichts Stendal 23 OH 14/98 hatte die Kammer dem Sachverständigen u.a. die Frage vorgelegt "Welches sind die Ursachen für die gemäß I. Ziffer 1 bis 14 festgestellten Mängel?"

    Diese Frage hat der Sachverständige Prof. Dr. Ing. R. T. in seinem Gutachten vom 31. Mai 2004 wie folgt beantwortet:

    "Die Ursachen für die konstruktiven Mängel sind

    - primär:

    - begrenzte Bodensteifigkeit und das damit verbundene vergleichsweise hohe Setzungsmaß

    - der hohen Setzungsempfindlichkeit nicht angepasste Steifigkeit der Konstruktion

    - wie sie durch einen komplexen steifen Trog im Massivbau möglich gewesen wäre

    - durch Vermeidung von punktuellen Lastabtragungen, die ungleichmäßigen Setzungen nun einmal befördern - also mit weitestgehender Lastverteilung durch eine wesentlich dickere Bodenplatte mit angemessener Mattenbewehrung an der Ober- und Unterseite

    - sekundär:

    - ein nicht optimales Wärmedämmsystem auch in der konstruktiven Konzeption (Übergangsbereich)

    - die Qualität des Putzmörtels ist zu hinterfragen wie auch der Auftragsmodus in 2 oder nur 1Schicht bei 1,2 cm Putzstärke

    (vgl. Bd. IV, Bl. 38 des OH-Verfahrens)

    Diese Feststellung hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 16. Dezember 2007 wiederholt (vgl. Bd. V, Bl. 43 d.A.).

    In der weiterer Ergänzung seines Gutachtens hat der Sachverständige Prof. T. lediglich festgestellt, die heute noch auftretende Vertiefung der Risserscheinungen (Reisen der Gipsmarken) wohl in erster Linie auf das mangelhafte Wärmedämmsystem und nicht mehr auf Setzungserscheinungen zurückzuführen sind.

    Damit bleibt festzuhalten, dass der Sachverständige eine primäre Kausalität der Setzungserscheinung für die Rissbildung festgestellt hat. Sekundär hat das unzureichende Wärmedämmsystem zu der Rissbildung beigetragen.

    2.

    Eine Beseitigung der Ursachen ist nach dem Sachverständigengutachten vom 31. Mai 2004 nur mit dem finanziellen Aufwand eines Neubaus zu erreichen. Sie wäre mit einer Unterfangung oder schrittweisen Ausbildung einer quasi starren und zugleich dicken Wanne theoretisch möglich (vgl. Bd. IV, Bl. 39 des Verfahrens 23 OH 14/98).

    Nach dem Gutachten des Sachverständigen vom 02. März 2007 wäre alternativ auch das Vorgehen nach Maßgabe des sogenannten URETEK-Verfahrens, durch welches eine quasi steife Gründungszone für die gesamte horizontale Gründungsfläche des Hauses geschaffen werde, zum Preis von 62.400,00 EUR in Betracht zu ziehen. Der Sachverständige wies aber darauf hin, dass er aus eigener Sachkunde nicht vorhersagen könnte, ob damit sich die Setzungserscheinung letztlich stoppen ließen.

    3.

    In diesem Zusammenhang hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass der Umstand, dass der Kläger sich mit einem geringeren Betrag als für die Neuerstellung notwendig begnügt, für den Beklagten eher einen Vorteil darstellt. Jedenfalls kann der Beklagte dem Kläger nicht entgegenhalten, dass die Wirksamkeit des URETEK-Verfahrens in dem selbständigen Beweisverfahren nicht abschließend geklärt werden konnte.

    Soweit der Beklagte im Berufungsrechtszug geltend macht, dass die Frage, ob zurzeit unterirdisch fließendes Wasser vorhanden ist, nicht geklärt worden ist, spielt dies für die Höhe des Schadensersatzes keine Rolle. So hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung vom 30. April 2008 u.a. auch ausgeführt: "Die Frage der Wasserverhältnisse ist nur marginaler Bestandteil der Frage der Bodenverhältnisse." (vgl. OH-Verfahren Bd. V, Bl. 81 d.A.).

    Letztlich berührt die Frage, ob zurzeit noch fließendes Wasser anliegt, die Höhe des Schadensersatzes aber nicht. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich, dass eine sichere Ursachenbeseitigung - wie bereits ausgeführt - nur mit dem Aufwand eines Neubaues möglich wäre. Diese sichere Ursachenbeseitigung schuldet der Beklagte. Auch die vom Beklagten immer wieder erwähnte Reihe aus Betonpfählen repariert die Gründungszone des Hauses nicht, sondern schließt "nur das Risiko für das Gebäude infolge besonderen unvorhersehbaren Wasserdrangs mit der Tendenz Richtung Teich" aus (vgl. Bd. IV, Bl. 39 des Verfahrens 23 OH 14/98). Der Sachverständige schildert diese Möglichkeit auch nur als in Zukunft zu erwägende Lösung, da er die totale Sanierung der Mängel als unwirtschaftlich "empfindet" (a.a.O.).

    Denn selbst wenn zurzeit kein fließendes Wasser vorhanden sein sollte, so kann nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden, dass dieses Phänomen in der Zukunft wieder auftritt. Insofern umfasst eine Ursachenbeseitigung die Berücksichtigung der Bodenverhältnisse insgesamt.

    4.

    Der Sachverständige hat hinsichtlich der Kausalität für die Rissbildung nicht im Einzelnen differenziert, für welche Risse die Setzungserscheinungen und für welche Risse das Putzsystem verantwortlich seien. Stattdessen hat er die Kausalität in die Kategorien "primär" und "sekundär" eingeteilt. Dies bedeutet, dass sowohl die unzureichende Gründung wie auch das Wärmedämmsystem für die derzeit vorhandenen Risse kausal geworden sind. Im Beweisverfahren und auch im vorliegenden Prozess muss nicht abschließend geklärt werden, wie das Verhältnis dieser Kausalbeiträge im Einzelnen zu bewerten ist. Denn dies betrifft nur das Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Streithelfer.

    5.

    Der vom Landgericht zuerkannte Betrag für die Beseitigung der vorhandenen Risse (Fliesenarbeiten und Putzsanierung) ist jedoch um einen Betrag von 16.000,00 EUR zu kürzen. Denn insoweit ist der Anspruch des Klägers durch die Zahlung des Streithelfers erfüllt worden.

    a)

    Hinsichtlich der Beseitigung der vorhandenen Risse und der Sanierung des Putzsystems sind möglicherweise Beklagter und Streithelfer Gesamtschuldner. Der Beklagte könnte hier - neben der Haftung wegen Planungsmangels - auch unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Bauaufsicht, der Streithelfer wegen eines entsprechenden Ausführungsmangels haften. Durch den Vergleich, den der Kläger mit dem Streithelfer im Rahmen des OH-Verfahrens abgeschlossen hat, hat er diesen aus der Haftung für die Beseitigung der durch das mangelhafte Putzsystem entstandenen Mängel entlassen. Dies führt auch dazu, dass der Kläger den Beklagten in Höhe dieses Betrages nicht mehr für die Mangelbeseitigung in Anspruch nehmen darf. In Höhe dieses Betrages ist die Verpflichtung zur Mängelbeseitigung durch die aufgrund des Vergleichs geleistete Zahlung von 16.000,00 EUR bereits erfüllt. Der Kläger kann diesen Betrag nicht doppelt beanspruchen.

    b)

    Ob der Vergleich jeglichen Regress des Beklagten auf den Streithelfer ausschließt, braucht hier nicht entschieden zu werden, denn dies betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Streithelfer und Beklagten.

    aa)

    In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass bei einem Vergleichsabschluss Gesamtwirkung anzunehmen ist, wenn der Gläubiger mit demjenigen Gesamtschuldner einen Erlassvertrag schließt, der im Innenverhältnis der Gesamtschuldner untereinander allein verpflichtet ist, den Schaden zu tragen (Urteil des 18. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. September 2004, Az.: 18 U 181/04, zitiert nach [...], Rn. 52 [= BauR 2005, 1954 ff. ]).

    bb)

    Da - wie bereits dargelegt - sowohl der Beklagte als auch der Streithelfer zur Entstehung der Schäden im Hinblick auf das mangelhafte Putzsystem beigetragen haben dürften, spricht viel dafür, dass die genannte Voraussetzung der Alleinhaftung eines Gesamtschuldners im Innenverhältnis hier nicht erfüllt ist.

    Dies kann jedoch offen bleiben. Denn hier haftet der Beklagte für alle Schadenspositionen bereits unter dem Gesichtspunkt des Planungsmangels. Insoweit liegt jedenfalls keine Gesamtschuld mit dem Streithelfer vor.

    6.

    Der merkantile Minderwert stellt ebenfalls eine ersatzfähige Schadensposition dar. Der Beklagte möchte die Berechnung des merkantilen Minderwertes an der heutigen Situation auf dem Immobilienmarkt festmachen. Der Minderwert ist jedoch auf den Zeitpunkt der Schadensentstehung zu beziehen. Wäre das neu errichtete Haus bereits im Jahre 1994 entsprechend repariert worden, hätte es die entsprechende vom Sachverständigen bekundete Werteinbuße zu verzeichnen gehabt.

    Der Beklagte hat den vom Kläger angegebenen Neubauwert von 390.026,00 DM bereits erstinstanzlich bestritten. Ein Beweisangebot des Klägers ist insoweit nicht ersichtlich. Daher ist von den Angaben des Beklagten auszugehen. Er hat die Neubaukosten mit 300.000,-- DM, also 153.387,56 EUR, beziffert. Der Kläger kann daher eine Wertminderung von 15.338,76 EUR beanspruchen.

    7.

    Damit berechnet sich der Schadensersatzanspruch des Klägers wie folgt:

    URETEK-Verfahren 62.640,00 EUR
    Fliesenarbeiten 9.130,37 EUR
    Putzsanierung 11.810,95 EUR
    merkantile Wertminderung +15.338,76 EUR
    ./. Zahlung - 16.000,00 EUR
    Summe: 82.920,08 EUR

    8.

    Die Hilfsaufrechnung des Beklagten ist in der Berufungsinstanz nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Es handelt sich um neue Tatsachen.

    a)

    Ob das Angriffs- oder Verteidigungsmittel neu ist, wird anhand des Tatbestandes des Ersturteils und des Protokolls geprüft. Die Hilfsaufrechnung hatte der Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht geltend gemacht.

    b)

    Deshalb hätte der Beklagte gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO vortragen müssen, warum er in der ersten Instanz nicht in der Lage war, die Hilfsaufrechnung mit seinen Honorarforderungen in den Rechtsstreit einzuführen.

    aa)

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs will § 531 Abs. 2 ZPO die Parteien zu konzentrierter Verfahrensführung anhalten, begründet aber grundsätzlich keine Verpflichtung, tatsächliche Umstände, die ihnen nicht bekannt sind, zu ermitteln (BGH MDR 2009, 160 [BGH 06.11.2008 - III ZR 231/07]).

    Hier hatte der Beklagte sein Honorar bereits im Jahre 1994 verdient. Insofern bleibt unerfindlich, warum die Hilfsaufrechnung nicht bereits früher in den Prozess eingeführt worden ist.

    9.

    Der Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Kosten berechnet sich also nach einen Streitwert von 82.920,08 EUR. Dies ergibt einen Betrag von 1880,20 EUR.

    C.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Entscheidung über die Höhe des Gebührenstreitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47, 63 GKG, 3 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 543 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor; denn diese Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Beurteilung des Einzelfalles gebietet auch nicht, die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, weil die vorliegende Entscheidung nicht von der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.

    VorschriftenArt. 229 EGBGB § 5 S. 1 EGBGB