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  • · Fachbeitrag · Vertragsrecht

    Auch ohne Vollmacht: Baustellenprotokolle ändern den Vertrag

    | Protokolle von Baubesprechungen können vertraglich vereinbarte Regelungen ändern. Das gilt selbst dann, wenn Teilnehmer gar nicht offiziell zur Vertragsänderung bevollmächtigt sind. Das lehren zwei aktuelle - vom BGH gebilligte - Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt und des Kammergerichts (KG) Berlin. Ziehen Sie daraus für Ihre Vertragsabwicklung die richtigen Schlüsse. |

    Streit um Pauschalhonorar für digitale Planerfassung

    Im Fall vor dem OLG Frankfurt ging es um das Honorar für die digitale Planerfassung der Wohnungen einer Wohnungsbaugesellschaft. Das Ingenieurbüro hatte einen Auftrag mit einem Honorarvolumen von 143.770 Euro mit dem Zusatz bestätigt, es gehe „wie besprochen“ von rund 250.000 qm Bruttogrundfläche aus. Der Auftraggeber erteilte den Auftrag und betonte, dass die „Auftragssumme von 190.750,40 Euro brutto ... nicht überschreitbar“ sei. Diesem Schreiben widersprach das Ingenieurbüro. Es erklärte, dass diejenige Bruttogeschossfläche honorarentscheidend sei, die tatsächlich vorgefunden werde. Diese betrug letztlich nicht 250.000 qm sondern knapp eine Mio. qm. Das Ingenieurbüro forderte ein entsprechend höheres Honorar.Das OLG gab ihm Recht, weil der Auftraggeber auf dieses Schreiben nicht reagiert hatte (OLG Frankfurt, Urteil vom 22.12.2011, Az. 10 U 78/06; Abruf-Nr. 134011):

     

    Wichtig | In ähnlicher Weise hat das KG entschieden (KG Berlin, Urteil vom 18.9.2012, Az. 7 U 227/11). Diese Rechtsprechung darf nun als „gefestigt“ erscheinen, weil der BGH die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde in beiden Fällen zurückgewiesen hat; im Berliner Fall mit Beschluss vom 11.10.2013 (Az. VII ZR 301/12), im Frankfurter Fall mit Beschluss vom 25.9.2103 (Az. VII ZR 7/12).

    Die Grundsätze zu kaufmännischen Bestätigungsschreiben

    Vor allem das KG Berlin hat die Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben in der Urteilsbegründung beinahe lehrbuchhaft aufgelistet:

     

    • Erhält der Auftragnehmer zeitnah zur einer Verhandlung das Protokoll und ist aus diesem eine Änderung eines Vertrags zu erkennen, ist er in gleicher Weise verpflichtet, den Änderungen zu widersprechen, wie er es wäre, wenn er nach der Vertragsverhandlung ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben über das Ergebnis der Vertragsverhandlung erhalten hätte.

     

    • Er muss der Vereinbarung, die er oder sein Mitarbeiter getroffen hat, unverzüglich widersprechen, um zu verhindern, dass sein Schweigen wie eine nachträgliche konkludente Genehmigung behandelt wird und die Vereinbarung mit diesem Inhalt zustande kommt.

    Geltung des Bauprotokolls als Bestätigungsschreiben

    Diese Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben gelten nach Ansicht der Richter auch für Baustellenprotokolle. Insbesondere wird der Empfänger durch seine Pflicht, den Inhalt des Baustellenprotokolls zu prüfen, nicht überfordert.

     

    Diese Prüfpflicht dient nicht nur seinen eigenen Interessen, sondern entspricht den besonderen Anforderungen an ein redliches Verhalten bei der Abwicklung eines Bauvertrags. Deren Abwicklung ist häufig durch Änderungen gekennzeichnet, die sich aus ständig neu auftauchenden technischen oder rechtlichen Problemen ergeben können. Solche Änderungen erfolgen in (Nach-)Verhandlungen, Baubesprechungen oder anderen Sitzungen, die dem Zweck dienen, den Vertrag an die veränderten Umstände anzupassen.

     

    Es ist üblich, dass über diese Verhandlungen Protokolle erstellt und an die Parteien verschickt werden. Will jemand den Inhalt des Protokolls nicht gegen sich gelten lassen, muss er ihm unverzüglich widersprechen. Tut er das nicht, erlangt die Erklärung für und gegen ihn Wirksamkeit. Die Vereinbarung kommt mit dem protokollierten Inhalt zustande. Bestand schon ein Vertrag, wird er in dem protokollierten Umfang geändert oder ergänzt.

    Anforderungen ans Baustellenprotokoll

    Damit das Baustellenprotokoll als kaufmännisches Bestätigungsschreiben wirksam wird, muss es sich auf eine getroffene Absprache beziehen, also das Ergebnis der vorausgegangenen Vertragsverhandlungen verbindlich festlegen. Es muss in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit den Verhandlungen zugegangen sein. Und es muss das widergeben, was tatsächlich besprochen worden ist. Nimmt der Empfänger das Bestätigungsschreiben hin, ohne ihm zu widersprechen, gilt sein Inhalt als (neuer) Vertragsinhalt.

     

    Beachten Sie | Das Baustellenprotokoll ist nur dann ohne Wirkung, wenn der Bestätigende so weit vom Ergebnis der Verhandlungen abweicht, dass er vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis rechnen konnte.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    • Machen Sie sich bewusst, dass Protokolle von Baubesprechungen künftig gravierende Vertragsänderungen auslösen können. Nachfolgende Fälle würden zum Beispiel jeweils Ansprüche auf Zusatzhonorare begründen:
      • Der Auftraggeber beauftragt Sie gemäß Protokoll zur Erstellung eines Modells oder einer Bestandsaufnahme.
      • Das Baubesprechungsprotokoll enthält eine Vereinbarung, wonach Sie fertige Planungen ändern.
      • Das Protokoll ergibt, dass in der Besprechung eine Vereinbarung über die Honorierung einer vorliegenden Bauzeitverlängerung getroffen wurde.
    • Schulen Sie Ihre Mitarbeiter. Honorargutachten zeigen, dass Zusatzhonoraransprüche aus Jour-fixe-Protokollen verschenkt werden, weil Sachbearbeiter Änderungen nach ihrer subjektiven Einschätzung für „Planungsfortschreibungen“ oder „Planungsoptimierungen“ halten, für die kein Honorar anfällt.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 12 | ID 42444580