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  • · Fachbeitrag · Honorarrecht

    Honorarzoneneinstufung: OLG Hamm lässt entgegen der HOAI Beurteilungsspielraum zu

    | Selbst wenn ein fachlich unantastbares Gutachten ergibt, dass ein Objekt im Leistungsbild Gebäude auf 27 Bewertungspunkte kommt und damit in Honorarzone 4 einzustufen ist, besteht für den Auftraggeber doch noch ein „Abwertungsspielraum“ in Höhe von zwei Bewertungspunkten. Diese seltsam anmutende - und HOAI-widrige - Entscheidung hat das OLG Hamm getroffen. Erfahren Sie, wie Sie damit in der Praxis richtig umgehen. |

    Urteil des OLG Hamm hinterlässt viele Fragezeichen

    Im konkreten Fall war zu klären, in welche Honorarzone ein Objekt einzugliedern war. Das Gericht hatte einen Sachverständigen eingeschaltet. Dieser kann in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass das Objekt im Leistungsbild Gebäude 27 Bewertungspunkte verdiente, also in Honorarzone 4 einzustufen war. Da im Planungsvertrag nur die Honorarzone 3 vereinbart war, ansonsten der Mittelsatz, hätte das bedeutet, dass das Honorar auf den Mindestsatz nach Honorarzone 4 hätte angepasst werden müssen.

     

    OLG sieht Beurteilungsspielraum bei Bewertungspunkten

    Dazu kam es aber nicht, weil das OLG dem Auftraggeber einen gewissen Beurteilungs- besser Abwertungsspielraum in Höhe von bis zu zwei Bewertungspunkten zubilligte. Damit war das Objekt in die Honorarzone 3 einzustufen und das Honorar lag über dem Mindestsatz (OLG Hamm, Urteil vom 13.1.2015, Az. 24 U 136/12, Abruf-Nr. 145214).

     

    Wichtig | Das Urteil betrifft zwar die HOAI 1996. Es ist aufgrund der vergleichbaren Honorarzonenregelungen aber auch für die HOAI 2013 relevant.

     

    Entscheidung widerspricht Wortlaut und Sinn der HOAI

    PBP meint: Die Entscheidung ist ein Verstoß gegen die an dieser Stelle eindeutigen HOAI-Regelungen. In der HOAI gibt es im Leistungsbild Gebäude eine klar definierte Grenze zwischen den Honorarzonen (und keine Beurteilungsspielräume). Nach HOAI gehören Objekte mit 27 Bewertungspunkten in die Honorarzone 4. Die Anwendung eines Beurteilungsspielraums von eins bis zwei Bewertungspunkten an den „Honorarzonengrenzen“ würde die HOAI hinsichtlich der Honorarzoneneingruppierung unanwendbar machen.

    Auswirkungen auf Ihre Honorarpraxis

    Nichtsdestotrotz: Das Urteil ist in der Welt. Sie müssen damit rechnen, dass sich Auftraggeber im Falle eines Falles darauf berufen. Was also tun?

     

    1. Bei der Vertragsanbahnung Honorarpflöcke setzen

    PBP empfiehlt, im Zuge der Vertragsanbahnung bei den Leistungsbildern, bei denen eine genaue Punktegrenze zwischen den Honorarzonen existiert (Gebäude, Innenräume, Ingenieurbauwerke, Verkehrsanlagen), eine rechnerische und sachgerechte Disposition zur Honorarzone zu treffen. Dazu finden Sie Berechnungsschemata im Downloadbereich von PBB (mehr dazu unten).

     

    Beachten Sie | Bei diesen Leistungsbildern gilt es aber einen anderen - in der HOAI vorhandenen - Ermessensspielraum zu beachten. Dieser Ermessensspielraum liegt darin, dass in der HOAI nicht geregelt ist, bei welcher Mindestpunktzahl (null Punkte oder ein Punkt) die jeweilige Bewertungskaskade beginnt. Die unterschiedlichen HOAI-Kommentare enthalten daher auch unterschiedliche Punkteschemata.

     

    PRAXISHINWEIS | PBP empfiehlt, dass Sie im Zuge der Vertragsanbahnung vorsorglich bürointern eine eigene Punktebewertung nach den beiden Bewertungsschemata durchführen.

    • Am besten ist es, wenn Sie die Honorarzone zwei Mal ermitteln.
      • Einmal, indem Sie die Bewertungsskala bei 0 Punkten anfangen lassen (so zum Beispiel Korbion/Vygen/Mantscheff, Kommentar zur HOAI, 6. Auflage).
      • Und das zweite Mal, indem 1 Punkt die Mindestpunktzahl ist (so zum Beispiel Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI 2013, Seite 939 für Objektplanung Gebäude).
    • Die entsprechenden Bewertungsskalen für die Leistungsbilder Gebäude sowie Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen finden Sie zur individuellen Anwendung auf pbp.iww.de unter Downloads → Arbeitshilfen → Honorarabrechnung.
    • Die daraus resultierenden Ermessensspielräume sind im Ergebnis HOAI-konform und haben nichts mit dem (falschen) Urteil des OLG Hamm zu tun.
     

    2. Bei Technischer Ausrüstung und Tragwerksplanung Zone vereinbaren

    Bei den Leistungsbildern Technische Ausrüstung und Tragwerksplanung gibt es keine genaue „Punktegrenze“ zwischen den jeweiligen Honorarzonen. Es sind lediglich die Kriterien zur Eingliederung in die zutreffende Honorarzone geregelt. Das bedeutet, dass hier durchaus Auslegungsspielräume bestehen.

     

    PRAXISHINWEIS | PBP empfiehlt, bei der Technischen Ausrüstung und der Tragwerksplanung die Honorarzone bereits im Vertrag einvernehmlich zu vereinbaren und die Einstufung gegebenenfalls zu begründen.

     

    FAZIT | Es darf zwar davon ausgegangen werden, dass das Urteil des OLG Hamm nicht verallgemeinert werden kann, weil es weder HOAI-konform noch plausibel ist. Um Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, wird trotzdem vorsorglich empfohlen, in allen Fällen (also bei allen Leistungsbildern) eine vertragliche Regelung der Honorarzone anzustreben. Ist diese Vereinbarung sachgerecht, ist sie unantastbar. Wenden Sie bei der Honorarzonen-Eingruppierung beide Ermittlungsschemata an. Das bietet größtmögliche Transparenz und Sicherheit, das Objekt in die richtige Honorazone eingestuft zu haben.

     

    Weiterführender Hinweis

    • „Zwei Bewertungsskalen zur Honorareinzonung von Objekten“ aus den Leistungsbildern Gebäude sowie Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen finden Sie auf pbp.iww.de unter Downloads → Arbeitshilfen → Honorarabrechnung.
    Quelle: Ausgabe 09 / 2015 | Seite 4 | ID 43555596