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  • · Fachbeitrag · HOAI

    HOAI vor dem Europäischen Gerichtshof: Noch hat das letzte Stündlein nicht geschlagen

    von Dipl.-Ing. und Architekt Klaus D. Siemon, öbuv Sachverständiger für Honorare und Leistungen der Architekten, Vellmar bei Kassel

    | Jetzt ist es passiert. Die EU-Kommission hat beschlossen, Deutschland wegen der Aufrechterhaltung der verbindlichen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen. Er muss entscheiden, ob die HOAI mit Europarecht in Einklang steht - und beibehalten werden darf. Neben der rein rechtlichen Expertise, inwieweit die HOAI ihre Berechtigung hat, gibt es auch aus fachtechnischer Sicht gute Gründe für den Erhalt der HOAI. |

    Was steckt hinter der Klage und wie geht es weiter?

    PBP Planungsbüro professionell wird Sie auf dem Laufenden halten. Dabei stehen weniger die formalen rechtlichen Schritte im Fokus, die in naher Zukunft zu erwarten sind. PBP geht vielmehr auf die praktischen Aspekte ein und beleuchtet mögliche Szenarien für das Tagesgeschäft.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Moment besteht kein Grund zur Panik. Es ist völlig offen, wie der EuGH entscheiden wird. Es ist auch nicht so, dass ein ungünstiges EuGH-Urteil alle Preisrechtsregelungen mit einem Schlag ungültig machen würde. Für alle laufenden Verträge gelten die derzeitigen Regeln. Und auch bis zu einem möglichen Außer-Kraft-Setzen der HOAI würde noch eine Zeit vergehen. Rein fachtechnisch betrachtet stellt die HOAI die angemessene Vergütungsuntergrenze dar.

     

    HOAI ist auch für öffentliche Auftraggeber vorteilhaft

    Es lohnt sich, für die HOAI zu kämpfen. Denn sie bringt auch öffentlichen Auftraggebern Vorteile.

     

    • Die HOAI wird von den meisten öffentlichen Auftraggebern geschätzt , weil sie bei Vergabeverfahren vorab eine kalkulatorische Richtschnur für das zu erwartende Mindesthonorar für die Grundleistungen ist.

     

    • Beim Wegfall müssten Vergabeverfahren, die sich bisher an der HOAI orientieren, völlig neu aufgestellt werden. Daraus würde ein erheblicher Mehraufwand
      • bei der Vergabe von Planungs- und Überwachungsleistungen resultieren (wenn z. B. der Aspekt der Qualitätssicherung und der Gleichbehandlung der Anbieter betrachtet wird),
      • bei der Abrechnung von Planungsänderungen entstehen, die bisher als wiederholte Grundleistungen kalkulatorisch einwandfrei vereinbart und abgerechnet werden können.

     

    • Das Argument, dass es ohne die HOAI billigere Planungsleistungen gibt, zieht nicht. Es hat sich gezeigt, dass viele ausländische Bewerber die Mindestsätze keineswegs unterschreiten.

     

    • Die Haushaltsvorschriften der öffentlichen Auftraggeber sehen vor, dass Planungs- und Überwachungsleistungen zu auskömmlichen Preisen beauftragt werden müssen. Die Mindestsätze für die Grundleistungen stellen die untere Auskömmlichkeitsgrenze - und damit ein leicht verwendbares Regulativ - für die öffentlichen Auftraggeber dar.

    Öffentliche Hand sollte sich für die HOAI engagieren

    Auch für die öffentlichen Auftraggeber ist es daher angezeigt, sich für den Erhalt der HOAI zu engagieren. Das gilt insbesondere vor der in den letzten Jahren deutlich verschärften Vergaberechtsgesetzgebung, die eine strukturierte Vergabe verlangt. Denn eine Vielzahl von Planungsleistungen müssen ausgeschrieben werden (ehemals nach VOF und jetzt nach VGV). Hier gilt es u. a., fachtechnisch einheitliche (also unmittelbar vergleichbare) Angebote einzuholen und dabei die Vergabeverfahren nicht noch weiter ausufern zu lassen.

     

    Auch dazu dient die HOAI. Sinngemäß das Gleiche gilt für (institutionelle) private Auftraggeber, die sich Compliance-Regelungen gegeben haben.

    Behindert die HOAI tatsächlich den Wettbewerb?

    Das von der EU u. a. herangezogene Argument der Wettbewerbseinschränkung zieht im Tagesgeschäft nicht. Denn die Mindestsätze sind nur die untere Grenze für die Grundleistungen, nichts weiter. Alles andere ist nicht einschränkend geregelt, allenfalls teilweise unpraktisch und damit verbesserungswürdig. Im Grunde genommen stellen die Mindestsätze lediglich eine Art „Mindestlohn für Architekten- und Ingenieurleistungen durch Unternehmen“ dar. Und den hat fast ganz Europa.

     

    Alle ausländischen Wettbewerber, die dem Autor bekannt sind, hatten nie Probleme mit der unteren Honorargrenze der HOAI. Sie kämpfen - wie deutsche Büros auch - eher mit unpraktischen Regelungen bei Planungsänderungen, Verzögerungen und dem teilweise erforderlichen Schriftformerfordernis bei Auftragserteilung, das sich an den unterschiedlichsten Stellen (z. B. bei den Nebenkosten oder Abweichungen vom Mindestsatz) findet. Hier sollte der Verordnungsgeber ansetzen und das Regelungsdickicht lichten.

     

    FAZIT | Eine Wettbewerbseinschränkung liegt mit der HOAI nicht vor, allenfalls ein „Mindestlohn“(= Mindestsatz), der kompliziert auszurechnen ist. An den Ermittlungsmethoden kann durch Vereinfachungen gearbeitet werden, nicht aber am „Mindest(lohn-)satz-Prinzip“ an sich.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2016 | Seite 4 | ID 44390430