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  • · Fachbeitrag · Bauen im BestanD

    Lph 1 fachgerecht erbringen - und Honorar- verluste in den folgenden Lph vermeiden

    | Die Leistungsphase 1 (Lph 1) ist beim Bauen im Bestand eine der - auch für das Honorar - ganz wichtigen Lph. Nur wenn Sie schon hier klären, ob die vorhandene Bausubstanz Bestandsschutz in der vorgefundenen Form genießt oder ertüchtigt bzw. geändert werden muss, um bauordnungsrechtlich akzeptiert zu werden, legen Sie eine sichere Basis für die Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme und damit die Fälligkeit Ihres Honorars. |

    Zwei Fälle aus der Praxis geben Anschauungsmaterial

    Erfahren Sie nachfolgend anhand von zwei realen Fällen, worauf man achten sollte. Die Beispiele betreffen zwar die Objektplanung Gebäude; sie gelten aber sinngemäß auch für Ingenieurbauwerke oder Fachplanungen, die die Modernisierung von technischen Anlagen im Auftrag haben.

     

    Fall 1: Risikoreiche Genehmigungsplanung „ins Blaue hinein“

    Ein Architekt sollte den Erweiterungsbau an ein freistehendes Gebäude in Waldrandlage planen, das 1947 errichtet worden war. Bevor der Architekt den Bauantrag einreichte, hatte er sich um die Frage, ob die Bausubstanz überhaupt eine (öffentlich-rechtliche) Daseinsberechtigung hatte, gar nicht gekümmert. Ohne solchen Bestandsschutz kann es aber passieren, dass die gesamte Planungsleistung nicht verwertbar ist. Und das wiederum hat zur Folge, dass das Honorar für die nicht verwendbare Planung nicht fällig wird.

     

    Im konkreten Fall hatte die Behörde im Zuge der Bearbeitung des Bauantrags entdeckt, dass das Ursprungsgebäude gar nicht genehmigt worden war. Es fehlte also scheinbar am Bestandsschutz. Auch für eine nachträgliche Legalisierung sahen die Beamten keinen Raum, weil die aktuellen Vorschriften mit dem vorhandenen Bauwerk nicht erfüllt werden konnten. Statt der Genehmigung des Anbaus drohte also plötzlich der Abriss des Gebäudes.

     

    Dass es für den Besitzer und auch für den Architekten, der eine genehmigungsfähige Planung vorzulegen hatte, noch zu einem guten Ende kam, lag an Folgendem: Der Besitzer konnte der Behörde eine Bauerrichtungsgenehmigung der britischen Militärverwaltung aus dem Jahr 1947 vorlegen, die ihm sein Vorbesitzer überlassen hatte. Damit war der Bestandsschutz geklärt.

     

    Fall 2: Genießt ein Fenster in einer Brandwand Bestandsschutz?

    Um das Honorarthema „Bestandsschutz“ geht es auch beim zweiten Praxisfall. Auslöser war hier ein altes Fenster in einer Brandwand. Das Bauamt hatte - brandschutztechnisch korrekt - angeordnet, dass das einfach verglaste Fenster in einer Brandwand der Bausubstanz nicht den Anforderungen entspreche und folglich zugemauert werden müsse. Das wollte sich der Bauherr nicht gefallen lassen. Er wollte das Fenster aus optischen Gründen in dem Bauwerk belassen - und ging vor Gericht.

    Das OVG Rheinland-Pfalz hat dazu wie folgt Stellung genommen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.12.2012, Az. 8 A 10875/12; Abruf-Nr. 131372):

     

    • Bestandsschutz kann angenommen werden, wenn das Fenster zum Errichtungszeitpunkt legal eingebaut wurde, also nach damaligem Baurecht zulässig war. Das muss der Hausbesitzer beweisen.

     

    • Bestandsschutz kann außerdem zugestanden werden, wenn das Fenster (unberührt von der Rechtslage zum Errichtungszeitpunkt) über einen längeren Zeitraum dem materiellen Baurecht entsprochen hat.

     

    • Kein Bestandsschutz besteht, wenn der Nachweis der damaligen Legalität nicht geführt werden kann und das Fenster auch dem aktuell geltenden Baurecht nicht entspricht.

    Die Konsequenzen für alle Planungsbüros

    Für alle Planungsbüros bedeutet das, dass bei Modernisierungen oder Umbauten im Zuge der Lph 1 und 2 geklärt werden sollte, ob

    • die vorhandene Bausubstanz in der vorgefundenen Form Bestandsschutz genießt,
    • sie baulich ertüchtig bzw. geändert werden muss, um bauordnungsrechtlich akzeptiert zu werden,
    • Recherchen beim Bauamt (zum Beispiel Akteneinsicht) oder Bestandsaufnahmen erforderlich sind, um die vorgenannten Fragen zu klären.

     

    Besondere Leistung berechtigt zur Abrechnung von Zusatzhonorar

    Bei der Klärung all dieser Fragen handelt es sich um Besondere Leistungen, für die Sie ein Zusatzhonorar beanspruchen können. Denn die Prüfung der Rechtmäßigkeit der vorhandenen Bausubstanz ist keine Grundleistung aus den Leistungsbildern der HOAI.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    • Unterschätzen Sie die Wichtigkeit dieser Besonderen Leistung nicht. Denn es kommt oft vor, dass einst genehmigte Gebäude im Verlauf der Jahrzehnte an vielen Stellen umgebaut oder kleinteilig verändert worden sind (siehe oben: Fenster in Brandwand) und den Bestandsschutz damit ganz oder anteilig eingebüßt haben.
    • Aber der Fall kann auch umgekehrt eintreten: Sie stellen zu spät fest, dass kein Bestandsschutz besteht. Das kann zur Folge haben, dass
      • erbrachte Leistungen der Lph 1 bis 4 nicht verwertbar sind und
      • die Kostenfolgen (zum Beispiel Erstattung der vergeblichen Planungshonorare der Fachplaner) vom Objektplaner zu übernehmen sind.
     

    Hinweise gelten sinngemäß auch für andere Leistungsbilder

    Diese Hinweise gelten sinngemäß auch für andere Leistungsbilder, zum Beispiel für Technische Anlagen der Kostengruppe 400. Auch in den Anlagen für Heizungs- und Lüftungstechnik sowie Elektro können Bestandsschutzfragen schwerwiegende Folgen haben.

    So bieten Sie Bauherren die Besondere Leistung an

    Informieren Sie Bauherren also in der Lph 1 über das „Bestandsschutzrisiko“ und bieten Sie ihnen entsprechende Besondere Leistungen an. Sie erfüllen damit Ihre Beratungspflichten, vermeiden Honorarverluste und gehen Schadenersatzforderungen des Auftraggebers aus dem Weg.

     

    Nutzen Sie das folgende Musterschreiben als Ausgangsbasis. Das auf die Objektplanung ausgerichtete Schreiben ist in abgewandelter Form auch für andere Leistungsbilder, zum Beispiel Technische Anlagen, anwendbar.

     

    Musterschreiben /u Klärung des Bestandsschutzes der Bausubstanz als Besondere Leistung

    Betr. Um- und Erweiterungsbau der …

     

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    nachdem wir die Planungstätigkeiten vereinbarungsgemäß aufgenommen haben, stellt sich die Klärung des Bestandsschutzes der vorhandenen Altbausubstanz als wichtige Grundlage für die weitere zeichnerische, konstruktive und funktionale Planungsvertiefung dar. Aus den uns vorliegenden Bauwerksakten ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, inwieweit die vorhandene Bausubstanz, die der weiteren Planung zugrunde gelegt werden soll, zum aktuellen Zeitpunkt bauordnungsrechtlichen Bestandsschutz genießt.

     

    Nur wenn dieser Bestandsschutz für alle Bauteile besteht, können wir auf dieser Bausubstanz planerisch fachgerecht aufbauen. Bedenken Sie, dass insbesondere auch kleinere Veränderungen in und am Gebäude, die in den vergangenen Jahren stattgefunden haben, von der Problematik des Bestandsschutz tangiert sind.

     

    Wir halten es deshalb für erforderlich, zu recherchieren, ob tatsächlich Bestandsschutz besteht. Verfügen Sie über weitere Genehmigungen, bitten wir Sie, uns diese zur Verfügung zu stellen. Ist das nicht der Fall, schlagen wir vor, in den Archiven der Bauordnungsbehörden zu recherchieren. Dafür können Gebühren bei der Bauaufsichtsbehörde anfallen (ähnlich einem amtlichen Lageplan), die von Ihnen zu tragen wären.

     

    Grundsätzlich erhalten nur Sie als Grundstückseigner aufgrund Ihrer berechtigten Interessen Zugang zu den Akten. Wir bitten Sie daher, diese Prüfung kurzfristig vorzunehmen und uns die Akten dann zur Verfügung zu stellen.

     

    Sollten sich auch in den behördlichen Archiven keine weiteren Genehmigungen befinden, schlagen wir vor, den genehmigungsrechtlichen Ist-Zustand des Gebäudes sachgerecht zu prüfen und mit der Bauaufsichtsbehörde abzustimmen. Dazu ist eventuell zunächst eine Bestandsaufnahme erforderlich. Diese beiden Leistungen (Bestandsaufnahme, Abstimmung des Ist-Zustands mit der Baubehörde) bieten wir Ihnen zusätzlich zur bereits vereinbarten Planungsleistung an. Dadurch ist gewährleistet, dass alle fachtechnischen Fragestellungen sachgerecht bearbeitet werden. Für die vorgenannten Besonderen Leistungen wird jedoch ein zusätzliches Honorar zu vereinbaren sein.

     

    Entscheiden Sie sich dafür, auf diese Klärung zu verzichten, gehen Sie damit nicht unerhebliche Kostenrisiken ein. Diese können aus später erforderlichen Planungsänderungen oder der Ablehnung des Bauantrags bestehen. Im Saldo erachten wir die von uns vorgeschlagene Vorgehensweise als sehr wirtschaftlich, weil die genannten Kostenrisiken in keinem Verhältnis zu den sehr überschaubaren Aufwendungen stehen, die Ihnen durch die Beauftragung der Besonderen Leistungen an uns entstehen.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Weiterführender Hinweis

    • Das Musterschreiben „Klärung des Bestandsschutzes vorhandener Bausubstanz als Besondere Leistung“ finden Sie auf pbp.iww.de unter Downloads → Musterschreiben → Honorargestaltung/-sicherung.
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 12 | ID 39067390