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  • · Fachbeitrag · Ausgehebelte HOAI

    BGH toleriert vereinbarte Unterschreitung des Mindestsatzes: Wichtiges für Ihre Verhandlung

    | Der Mindestsatz ist sicher (genauso wie die Rente). So lautet ein geflügeltes Sprichwort, das leider nicht immer gilt. Das OLG Frankfurt hat im Einvernehmen mit dem BGH nämlich klargestellt, dass es durchaus möglich ist, dass eine einvernehmlich vereinbarte Unterschreitung des Mindestsatzes nachträglich nicht nach oben korrigiert werden kann. Ziehen Sie daraus die richtigen Schlüsse für schwierige Vertragsverhandlungen. |

    Vom Gericht bestätigte Vereinbarung fußte auf zwei Säulen

    Die Honorarvereinbarung des konkreten Falls bestand aus zwei Determinanten:

     

    • 1. Einem Honorarbetrag, von dem alle Beteiligten wissen mussten, dass er zweifelsfrei unterhalb des Mindestsatzes lag (im Gerichtsverfahren wurde festgestellt, dass der Mindestsatz das Siebenfache der Pauschale betrug).
    •  
    • 2. Einer Vereinbarung, dass das Pauschalhonorar verbindlich sei und der Planer keine weiteren Honorarforderungen stellen würde, um zum Beispiel nachträglich den Mindestsatz einzufordern.

    Richter stärken dem Bauherrn den Rücken

    Beide Punkte nahm das OLG Frankfurt zum Anlass, dem Planer das Mindestsatzhonorar zu verwehren. Die Entscheidung ist rechtskräftig (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.8.2012, Az. 21 U 34/11; Abruf-Nr. 141870). Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Architekten zurückgewiesen (BGH, Beschluss vom 20.2.2014, Az. VII ZR 265/12).

     

    Vertraglicher Ausschluss von Honorarnachforderungen war bindend

    Die Richter begründeten die Klageabweisung zum einen damit, dass der Auftraggeber sich darauf verlassen durfte, dass die Vereinbarung, wonach keine weitergehenden Honorarzahlungen möglich sind, bestandswirksam sei.

     

    Wichtig | Solche Vereinbarungen waren in der Vergangenheit keineswegs Anlass, einen Verstoß gegen die Preisrechtsverordnung HOAI zu billigen. Hier ist also höchste Vorsicht geboten. Denn diese Argumentation des OLG könnte Auftraggeber künftig veranlassen, ergänzend zur Honorarvereinbarung zu regeln, dass neben der Pauschalhonorarsumme keine weiteren Honorarforderungen mehr erhoben werden.

     

    Honorarnachforderung war Auftraggeber nicht zuzumuten

    Der zweite Ablehnungsgrund bestand darin, dass dem Auftraggeber die hohe Honorardifferenz nicht zumutbar sei.

     

    Wichtig | Auch dieses Argument ist nicht schlüssig. Denn es wirft die Anschlussfrage auf, ab welcher Honorardifferenz eine Nachforderung des Planers bei einer Mindestsatzunterschreitung denn zumutbar ist. Wäre zum Beispiel eine Differenz um das Dreifache noch zumutbar?

     

    PRAXISHINWEIS | Viele Pauschalhonorarvereinbarungen, die bei Auftragserteilung getroffen werden, bergen das Risiko einer ungewollten Mindestsatzunterschreitung. Denn es ist sehr gut möglich, dass die Kostenberechnung, die ja erst im Zuge der Entwurfsplanung erstellt wird, andere Resultate ergibt als die, die zum Zeitpunkt der Auftragserteilung und Vereinbarung der Pauschale getroffen wurde. Natürlich ist kein Richter erfreut, wenn erst Mindestsatzunterschreitungen vereinbart werden, um sie später auf HOAI-Niveau zu heben. Aber es ist halt die Realität, dass Honorarvereinbarungen gelegentlich schlicht ungewollt unter dem Mindestsatz liegen.

     

    Im Tagesgeschäft sachgerechte Honorare sichern

    Aus dem Frankfurter Fall gilt es, Lehren für die Zukunft zu ziehen. Diese lauten wie folgt:

     

    • Lassen Sie sich unter keinen Umständen auf eine Vereinbarung ein, mit der Sie zusichern, auf weitere - die Pauschalhonorarvereinbarung ergänzende - Honorarforderungen zu verzichten.

     

    • Unterrichten Sie den Auftraggeber sofort, wenn Sie merken, dass Sie sich verrechnet und dadurch eine Pauschalhonorarvereinbarung getroffen habe, die die Mindestsätze unterschreitet. Teilen Sie dem Auftraggeber das angemessene Honorar mit und kündigen Sie eine entsprechende Abrechnung an.

     

    PRAXISHINWEISE |

    • Wenn Sie diese beiden Maßnahmen ergreifen, kann sich der Bauherr nicht mehr darauf einrichten, dass kein zusätzliches Honorar anfällt. Die Umstände des Frankfurter Urteils liegen nicht mehr vor.
    • Das Schöne ist, dass Sie diese Honorarsicherungsfunktion nutzen können, ohne ein Einvernehmen mit dem Auftraggeber zu erwirken. Sie erreichen Ihr Ziel ohne dass der Auftraggeber dem Inhalt zustimmt.
    • Nutzen Sie dazu das folgende - auf den jeweiligen Fall auszurichtende - Musterschreiben „Auftraggeber-Information zur Anpassung einer Pauschalhonorarvereinbarung“. Sie finden das Schreiben auf pbp.iww.de unter Downloads → Musterschreiben → Honorargestaltung/-sicherung.
    • Es ist ratsam, darin die Umstände des Einzelfalls möglichst ausführlich zu schildern. So entfaltet das Schreiben seine beratende Wirkung am besten und Sie erreichen, dass Ihr Auftraggeber ein Grundverständnis für die neue Lage aufbringt.
     

     

    Musterschreiben / Auftraggeber-Information zur Anpassung einer Pauschalhonorarvereinbarung

    An (Bauherr)

     

    Betr. Planung und Bauüberwachung für die …

    Pauschalhonorarvereinbarung vom …

     

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    wir haben die Planung inzwischen so weit entwickelt, dass absehbar ist, mit welchen Kosten zu rechnen ist und welche Standards der weiteren Planungsvertiefung zugrunde gelegt werden sollen. Außerdem haben wir Ihre Anforderungen an die Gestaltung, an die Flächennutzungen und an die gewünschte Art der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Im Ergebnis haben wir damit eine Reihe von Vertiefungsschritten absolviert, sodass das Projekt jetzt hinreichend konkretisiert ist.

     

    Wie Ihnen bekannt ist, ermittelt sich das Honorar für unsere Leistungen, die in den Leistungsbildern gem. Ziff. … des Planungsvertrags erfasst sind, nach HOAI unter anderem nach der Höhe der anrechenbaren Kosten. Unserer Pauschalhonorarvereinbarung vom … war der damalige Kenntnisstand vor Planungsbeginn zugrunde gelegen. Wie alle Honorarvereinbarungen, die vor Beginn der Planungsleistungen getroffen worden sind, war auch diese Vereinbarung von entsprechenden Unsicherheiten geprägt. Sie fußte auf einem Erkenntnisstand, der längt überholt sein wird, wenn eine Kostenberechnung auf Basis einer Entwurfsplanung vorliegt, bei der die oben genannten Arbeitsschritte absolviert und alle Erkenntnisse aus den jeweiligen Fachbeiträgen der weiteren an der Planung Beteiligten integriert sind.

     

    Außerdem dürfen wir festhalten, dass wir in Bezug auf … und … bei Vertragsabschluss von Annahmen ausgegangen sind, die sich jetzt ebenfalls als nicht zutreffend erwiesen haben. Von daher lag unserer Pauschalhonorarvereinbarung also auch an dieser Stelle ein Einschätzungsdefizit zu Projektbeginn zugrunde.

     

    Weil sich die auf das Honorar anrechenbaren Kosten unter anderem aus den Baukosten ableiten, die in der Entwurfsplanung, und deshalb immer erst weit nach Vertragsabschluss, fachtechnisch ermittelt werden, handelt es sich um eine honorarrelevante Kostenabweichung, mit der immer zu rechnen ist, wenn eine konkrete Honorarvereinbarung getroffen werden soll, bevor überhaupt Planungsleistungen ergriffen worden sind.

     

    Da die Honorarordnung HOAI verbindliches Preisrecht darstellt, ist davon auszugehen, dass das verordnungsgerechte Honorar um rund … Prozent oberhalb unserer Pauschalhonorarvereinbarung liegen wird. Näheres werden wir im Zuge der Entwurfsplanung feststellen können, wenn die Kostenberechnung erstellt wird. Wir bitten Sie also, mit einer entsprechenden Honorarerhöhung zu disponieren. Die Kostenberechnung und die Ermittlung des dann angemessenen Honorars werden wir Ihnen umgehend nach fachlicher Klarstellung zusenden.

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Planungsbüro ...

    FAZIT | Die Anpassung eines Pauschalhonorars unterhalb der Mindestsätze auf Mindestsatzniveau kann scheitern, wenn sich der Bauherr darauf verlassen durfte, dass keine Nachforderung kommt. Diese Dispositionssicherheit bietet die HOAI aber gerade wegen der Honorarermittlungssystematik nicht. Genau deshalb sollte Ihr Planungsbüro den Bauherrn nicht in dieser Sicherheit wiegen. Machen Sie ihn stattdessen auf die Risiken der frühen Honorarvereinbarung aufmerksam und nennen Sie ihm die Gründe, warum das ursprüngliche Pauschalhonorar nicht mehr haltbar ist. Diesem Zweck dient das Musterschreiben.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „So ermitteln Sie eine Unterschreitung der Mindestsätze in der Praxis“, PBP 5/2012, Seite 3
    • Beitrag „Umgang mit Pauschalhonoraren bei mehreren Anlagengruppen“ PBP 6/2012, 14
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 7 | ID 42961104