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  • Tragwerksplanung

    So ermitteln Sie die anrechenbaren Kosten nach § 10 Absatz 3a HOAI

    von Dipl.- Ing. und Architekt Klaus D. Siemon, ö.b.u.v. Sachverständiger für Leistungen und Honorare der Architekten, Osterode

    Die Kosten der mitverarbeiteten vorhandenen Bausubstanz gehören auch bei der Tragwerksplanung zu den anrechenbaren Kosten. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) diese zuvor umstrittene Frage eindeutig geklärt hat, interessiert Tragwerksplaner jetzt vor allem eines: Gibt es Methoden bzw. Verfahren, um die Kosten mitverarbeiteter Substanz im Tagesgeschäft ohne großen Aufwand ermitteln zu können.

    Die Antwort lautet: Ja. Ein Berechnungsschema hatten wir in der Februar- Ausgabe 2003 vorgestellt. (Neuabonnenten finden den Beitrag in unserem Online- Service unter der Rubrik „Arbeithilfen“. Wie Sie dorthin gelangen, steht auf Seite 20 unter „Online- Service“.)

    Methode bei Mitverarbeitung der tragenden Bauteile

    Da im Rahmen der Tragwerkplanung je Projekt aber unterschiedliche Anforderungen bestehen, stellen wir Ihnen in diesem Beitrag ein alternatives Verfahren zur Ermittlung der anrechenbaren Kosten nach §10 Absatz 3a HOAI vor. Dieses Verfahren geht ganz speziell auf die Tragwerksbauteile von unterschiedlichen Bauwerken ein und ist somit auch bei schwierigen Auftraggebern geeignet, schnell und unkompliziert die anrechenbaren Kosten aus mitverarbeiteter vorhandener Bausubstanz nachprüfbar darzustellen.

    Wichtig: Das Beispiel geht ähnlich einer Entkernung eines vorhandenen Altbaus davon aus, dass im Rahmen der Tragwerkplanung nur die tragenden Bauteile der vorhandenen Bausubstanz mitverarbeitet werden. Damit wird eine hohe Ergebnisgenauigkeit erzielt.

    Unser Tipp: Bei Gebäuden, die bis auf das Tragwerk entkernt und anschließend umgebaut werden (zum Beispiel Fachwerkhäuser oder alte Industriebauten bei Umnutzungen), können auch Architektenleistungen mit diesem Verfahren abgerechnet werden.

    In zwei Schritten zu den anrechenbaren Kosten

    Nachfolgend erläutern wir die wesentlichen Schritte der Berechnung.

    1. Basisdaten der tragenden Bauteile ermitteln

    Bei der Tragwerksplanung kommt es zu allererst darauf an, die Kosten von tragenden Konstruktionen des Altbaus gegliedert nach Bauteilen zu erfassen. Um diese Kostenanteile ermitteln zu können, haben wir in Tafel 1 auf Seite 14 eine Tabelle mit Erfahrungswerten für einzelne Tragkonstruktionen in prozentualen Anteilen von Kostengruppe 300 der einzelnen Bauteile abgedruckt.

    In der 2. Summenzeile dieser Tafel sind ferner die Kostenanteile des Tragwerks an den Bauwerksgesamtkosten (Kostengruppen 300 + 400) dargestellt. Diese Anhaltswerte sind für verschiedene Gebäudearten ermittelt, so dass eine hohe Ergebnisgenauigkeit erzielt wird. Diese Daten bilden die Grundlage für die Berechnung der anrechenbaren Kosten aus mitverarbeiteter vorhandener Bausubstanz. Da die Kostenermittlung immer auf das jeweilige Objekt bezogen sein muss, sind individuelle Anpassungen der Prozent- Werte erforderlich (zum Beispiel bei vorhandenen Tiefgründungen, Hanglagen oder rückverankerten Bohrpfahlwänden).

    2. Individuelle Ermittlung der anrechenbaren Kosten

    In Tafel 2 auf Seite 15 ist das Berechnungsprinzip dargestellt. Zunächst werden in der Kopfzeile der Rechnung aus den allgemeinen Baukostendaten (Euro / je cbm BRI) der Kostengruppen 300 + 400 die Kosten für die Kostengruppe 300 abgeleitet (hier: 7.837.500 Euro). Anschließend werden die anteiligen Kosten für die tragenden Bauteile (Spalte 1- 2) ermittelt. Basis für diese Berechnung sind die Teilkostenwerte aus der Spalte 3. In Spalte 3 werden die Anhaltswerte aus Tafel 1 angewendet. Bei anderen Bauwerken sind die entsprechenden Anhaltswerte aus Tafel 1 einzusetzen und gegebenenfalls entsprechend zu gewichten, wenn es Besonderheiten gibt. Typisches Beispiel sind Krankenhäuser: Bei diesen gibt es fast nie geneigte Dachkonstruktionen. Folglich ist bei Krankenhäusern für diesen Bauteil ein geringerer Prozent- Wert anzusetzen.

    Spalte 4 enthält baufachliche Hinweise, inwieweit Sie das entsprechende Bauteil mitverarbeitet haben. Im Einzelfall kann es erforderlich sein, dass Sie Ihre Mitverarbeitung in einer gesonderter Anlage detaillierter beschreiben. Da von den tragenden Bauteilen nicht immer alle Teile planerisch mitverarbeitet werden, sind in Spalte 5 nur diejenigen Kosten je Bauteil berücksichtigt, die dem Umfang der mitverarbeiteten Bausubstanz entsprechen.

    3. Wertminderung berücksichtigen

    Den so ermittelten Betrag müssen Sie noch um einen Betrag reduzieren, der die Wertminderung des Bauteils widergibt. Erst dann haben Sie die effektiven anrechenbaren Kosten (Spalte 6). Die Wertminderung ist erforderlich, weil als Datenausgangsbasis vergleichbare Neubaukosten angesetzt werden. Die Höhe der Wertminderung ist in der Praxis oft umstritten, weil sie erheblichen Einfluss auf das Honorar hat. Deshalb werden wir etwas intensiver darauf eingehen. Für die Wertminderung von tragenden Bauteilen gelten bei der Tragwerksplanung andere Kriterien als bei Architektenleistungen. Die häufigsten sind:

    • Mängel im Tragverhalten (gemessen an aktuellen Anforderungen).
    • Bauschäden, die im Zuge des Umbaues beseitigt werden (die Beseitigungskosten gehen ohnehin in die anrechenbaren Kosten ein).
    • Bauphysikalische Mängel.

    Im Beispiel sind die Deckenkonstruktionen vollständig mitverarbeitet (siehe Spalte 3). Bei teilweiser Mitverarbeitung reduziert sich der Betrag in Spalte 5.

    Wichtig: Es gibt auch Situationen, in denen keine technisch oder funktional bedingte Wertminderung der vorhandenen Bausubstanz anzusetzen ist. Auch dafür gibt es Praxis- Beispiele: So wurde ein Krankenhaus zwei Jahre nach der Inbetriebnahme in der Notfallaufnahme (ca. 1.000 m³ BRI) umgebaut. Beim Umbau wurden für die betreffende vorhandene Bausubstanz die anrechenbaren Kosten aus dem erst kurz zuvor abgerechneten Neubau ohne Wertminderung angesetzt.

    Unser Tipp: Eine rein altersbedingte Wertminderung müssen Sie auf keinen Fall hinnehmen. Diese würde theoretisch dazu führen, dass bei Baudenkmälern des Mittelalters anrechenbaren Kosten aus mitverarbeiteter Bausubstanz rechnerisch nicht zu berücksichtigen wären. Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck von § 10 Absatz 3a HOAI.

    Der Rechenaufwand lohnt sich

    Im Beispiel fallen immerhin fast 1,2 Mio Euro anrechenbare Kosten in Kostengruppe 3.1 gemäß DIN 276/81 an. Da für den Bereich der Tragwerksplanung die Kosten der Kostengruppe 3.1 gemäß § 62 Absatz 4 HOAI mit 55 Prozent der errechneten Beträge anzusetzen sind, ist dies auch bei den anrechenbaren Kosten aus vorhandener Bausubstanz aus Kostengruppe 3.1 zu berücksichtigen. Folglich ergeben sich für den Bereich der Tragwerksplanung anrechenbare Kosten in Höhe von 691.372 Euro. Der Umbauzuschlag bleibt davon unberührt. Er wird auf das gesamte Honorar aufgeschlagen.

    Die Berücksichtigung dieser Kosten (691.372 Euro) macht bei einem Umbau mit 4 Mio. Euro anrechenbaren Kosten in Honorarzone IV eine Honorardifferenz von 34.000 Euro netto aus. Der Rechenaufwand lohnt sich also. Beachten Sie aber bitte, dass die Anrechnung der mitverarbeiteten vorhandenen Bausubstanz weder den Umbauzuschlag noch die erforderlichen Besonderen Leistungen (zum Beispiel Standsicherheitsnachweis an vorhandenen Baukonstruktionen) ersetzen. Es handelt sich lediglich um eine rechnerische Honorarermittlungsgrundlage für die Grundleistungen.


    Quelle: Wirtschaftsdienst Ingenieure und Architekten - Ausgabe 09/2003, Seite 11

    Quelle: Ausgabe 09 / 2003 | Seite 11 | ID 108192