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  • · Fachbeitrag · Effektive Bauüberwachung


    Bauüberwachung - Pflichtenkreis hängt von Ihrer Bevollmächtigung ab


    | Was darf ein Bauüberwacher eigentlich? Diese Frage wird in der Praxis immer wieder kontrovers diskutiert. Einerseits erwartet der Bauherr, dass sich die Bauüberwachung sozusagen um alles kümmert. Löst die Bauüberwachung dann aber durch Anweisungen vor Ort wirtschaftliche Verpflichten des Auftraggebers aus, will der Bauherr das nicht wahrhaben. Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Kompetenz-Zuweisung der Bauüberwachung am Umfang der Bevollmächtigung durch den Auftraggeber. Das sollte Sie dazu veranlassen, Schnittstellen bzw. Aufgaben sauber zu definieren. |

    Bauüberwachung darf normalerweise nur Mängel rügen


    Von der Rechtsprechung geklärt ist, dass Vertragsangelegenheiten (wie zum Beispiel die Kündigung eines Bauvertrags) Aufgabe des Auftraggebers sind. Denn der Auftraggeber ist Vertragspartner des ausführenden Unternehmens Eine Ausnahme kann vorliegen, wenn eine Vollmacht für Vertragsangelegenheiten erteilt wurde. 


    Mängelrügen nach VOB/B hingegen sollen und dürfen von der Bauüberwachung eigenständig vorgenommen werden. Das gilt auch dann, wenn die Bauüberwachung lediglich mit der technischen Überwachung entsprechend den Leistungsbildern gemäß HOAI beauftragt ist, also keine Vollmacht erteilt wurde (LG Köln, Urteil vom 9.11.2012; Az. 17 O 206/09; Abruf-Nr. 131012). 


    PRAXISHINWEIS | Damit ist die Arbeit der Bauüberwachung nachvollziehbar abgrenzbar. Das heißt für Sie:


    • Informieren Sie den Auftraggeber über den Sachverhalt umfassend, wenn Sie die Kündigung eines ausführenden Unternehmens empfehlen. Stellen Sie ihm die gesamte Korrespondenz zur Verfügung, damit er die rechtlichen Konsequenzen selbst disponieren kann. 

    • Informieren Sie den Auftraggeber auch über die voraussichtlichen baufachlichen Auswirkungen dieser Entscheidung (zum Beispiel Terminverschiebungen, Kostenerhöhungen), damit er unmittelbar die weiteren Entscheidungen treffen kann.

    • Nutzen Sie unser Muster-Beratungsschreiben „Information des Auftraggebers über mangelhaft leistendes Unternehmen“. Sie finden es auf pbp.iww.de unter Downloads → Musterschreiben → Optimale Vertragsabwicklung.

    Bauüberwachung kann auch selbst Aufträge erteilen dürfen


    Ist die Bauüberwachung „zur allumfänglichen Vertretung“ des Auftraggebers berechtigt, darf sie auch selbst vergütungspflichtige Nachträge erteilen und Rechnungen rechtsverbindlich prüfen (LG Köln, Urteil vom 7.11.2012, Az. 17 U 128/11; Abruf-Nr. 131013). Zahlungsfreigaben der Bauüberwachung sind dann als solche des Auftraggebers zu werten.


    Mengenfeststellung der Überwachung kann verbindlich sein


    Liegt eine vollumfängliche - rechtsgeschäftliche - Vollmacht vor, ist der Bauherr auch an die Mengenfeststellung der Bauüberwachung gebunden. Behauptet er, dass die eingebauten Mengen falsch waren, trägt der Bauherr die Beweislast dafür. Deswegen birgt eine „allumfängliche Vertretungsvollmacht“ auch für den Bauherrn wirtschaftlich unabsehbare Risiken.


    Beachten Sie | Besonders kritisch können sich solche Vollmachten entwickeln, wenn die Bauüberwachung im Namen des Auftraggebers über bauverzögerungsbedingte Zahlungsansprüche wirksam entscheidet. Das führt häufig zu Ärger (auch mit der eigenen Berufshaftpflichtversicherung).


    Empfehlungen für die Praxis


    Unter dem Strich kann man deshalb sagen, dass eine umfängliche Vollmacht weder aus Sicht der Bauüberwachung noch aus Sicht der Bauherrn sinnvoll ist. Die Bauüberwachung trägt das Risiko, gegebenenfalls für wirtschaftliche Risiken zulasten des Auftraggebers einstehen zu müssen, die aus ihren Entscheidungen resultieren. Das kann zum Beispiel eintreten, wenn der Bauherr mit einer Entscheidung der Bauüberwachung nicht einverstanden ist, weil er sie für unwirtschaftlich hält.


    Der Bauherr trägt das Risiko, dass er gegen das ausführende Unternehmen nicht vorgehen kann, wenn das auf Veranlassung der Bauüberwachung tätig geworden ist. Er kann sich nur mit der Bauüberwachung auseinandersetzen. 


    PRAXISHINWEIS | Wir präferieren deshalb das übliche Modell, wonach die Bauüberwachung 


    • den Auftraggeber nur fachtechnisch vertritt, ohne wirtschaftliche Verpflichtungen zulasten des Bauherrn einzugehen, 

    • Empfehlungen ausspricht und 

    • darauf hinweist, wann der Auftraggeber zusätzlichen Rechtsrat einholen sollte.


    Die Mängelrüge ist in dem Fall die äußerste Maßnahme, die die Bauüberwachung autonom und in Eigenregie übernimmt. Dieses Modell ist für beide Seiten deutlich risikoärmer. Sicherlich erfordert es, dass 


    • die Bauüberwachung den Auftraggeber über jede zu treffende Entscheidung rechtzeitig informiert und 

    • der Auftraggeber diese Entscheidung auch zeitnah trifft. 


    Das ist aber leistbar, wenn die Bauüberwachung dem Auftraggeber entsprechende - transparent gestaltete - Entscheidungsvorlagen zur Verfügung stellt. Und es erspart der Bauüberwachung in einem schief gelaufenen „umfänglichen Vollmachtsfall“ Diskussionen mit der Berufshaftpflichtversicherung.

    Weiterführende Hinweise


    • Musterschreiben „Entscheidungssteuerung des Auftraggebers“ auf pbp.iww.de unter Downloads → Musterschreiben → Optimale Vertragsabwicklung → Termine und Kosten
    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 18 | ID 38408530