· Fachbeitrag · Architektenrecht
Gibt es eigentlich ein Recht auf Teilabnahmen?
von Dipl.-Ing. Ulrich Welter, ö.b.u.v. Sachverständiger für Ingenieurhonorare nach HOAI, ingside®, Büsum
| In einem der letzten Erfa-Kreise kam unter den Teilnehmern (allesamt Büroinhaber) die Frage auf, ob es ein gesetzlich verankertes Recht auf Teilabnahme nach jeder Lph gibt und wie es sich mit der Abnahme bei Stufenverträgen verhält. Die Abnahme ist eine wichtige Rechtshandlung, um die sich zahlreiche rechtliche Fragen ranken. In diesem Beitrag nimmt PBP aus der fachlichen Sicht eines Honorarsachverständigen Stellung. |
Rechtliche Grundsätze der Abnahme
Die Abnahme ist eine werkvertragliche Hauptpflicht des Auftraggebers (AG). Er muss abnehmen, wenn das Werk abnahmefähig ist. Ingenieurleistungen sind Werkleistungen, und diese werden, wenn sie vollständig und mangelfrei erstellt sind, übergeben. Der AG nimmt die Leistungen entgegen und bestätigt, dass er die Leistung des Unternehmers anerkennt und das Werk den vertraglich vereinbarten Anforderungen entspricht. Einfach ausgedrückt bestätigt er, dass er alles wie bestellt erhalten hat und dass das Werk im Wesentlichen mangelfrei ist. In der Praxis führt dieser Vorgang jedoch häufig zu Konflikten.
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Ein Planer war mit der Planung eines Bauwerks (Lph 1-9) beauftragt. Nach Abschluss der Lph 4 und 8 fordert der Planer den AG auf, seine bisher erbrachten Leistungen abzunehmen. Er beabsichtigt diese, jeweils in einer Teil-Schlussrechnung für die Lph 1-4 und später für die Lph 5-8 abzurechnen. Das kann z. B. für die Auszahlung eines vereinbarten Sicherheitseinbehalts wichtig sein. Der AG verweigert beide Abnahmen mit dem Hinweis, dass Teilabnahmen vertraglich nicht vereinbart seien und er zudem gar nicht wisse, wie man Ingenieurleistungen abnimmt. Ist er zu der Abnahmeverweigerung berechtigt? |
Grundsätzlich gilt, dass die Abnahme erst nach Erbringung der letzten beauftragten Leistung erlangt werden kann. Das ist im Beispiel die Lph 9. Die Leistungen der Lph 9 können erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist für die Bauleistungen erbracht werden, das sind in der Regel fünf Jahre nach der VOB-Abnahme. Können die Planungsleistungen erst dann, also nach Abschluss der Lph 9 abgenommen werden, verlängert sich dadurch die Verjährungfrist für Sachmängel für die Planer um jene fünf Jahre. Die Abnahme hat erhebliche Rechtswirkungen. Die wichtigsten sind:
- Ende der Erfüllungspflicht: Der AG hat ja erklärt, dass er alles erhalten hat.
- Beginn der Sachmängelverjährung: Diese beginnt nur mit der Abnahme.
- Fälligkeit der Vergütung: Gemäß § 650g Abs. 4 BGB und § 15 HOAI ist die Abnahme Fälligkeitsvoraussetzung für das Honorar.
Eine Abnahme der Planungsleistungen findet nicht allein durch Übergabe des Objekts oder die Inbetriebnahme des Bauwerks statt. Ob die Abnahmewirkung durch die vollständige und vorbehaltslose Bezahlung einer Schlussrechnung eintritt, ist umstritten. Planern ist zu empfehlen erst die Abnahme zu verlangen und dann die Schlussrechnung zu stellen.
Gibt es ein Recht auf Teilabnahmen?
Tatsächlich besteht kein Recht auf Teilabnahmen, wenn diese vertraglich nicht vereinbart sind. Eine wichtige Ausnahme bildet § 650s BGB, der seit der Einführung des neuen Werkvertragsrechts zum 01.01.2018 für alle seither geschlossenen Verträge gilt. Dort heißt es:
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Der Unternehmer kann ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer eine Teilabnahme der von ihm bis dahin erbrachten Leistungen verlangen. |
Diese Regelung wurde eingeführt, weil der Gesetzgeber erkannt hatte, dass die Gewährleistungsfrist unangemessen verlängert wird, wenn eine Abnahme der Planungsleistung erst nach Ablauf der Lph 9 erfolgen kann. Deshalb haben Planer nun das Recht auf Teilabnahme nach Abschluss der Lph 8. Zwar legt der Gesetzestext nahe, dass die Teilabnahme bereits nach der VOB-Abnahme gefordert werden kann. Das ist aber wenig sinnvoll, weil zu diesem Zeitpunkt die Lph 8 erst teilweise erbracht ist. Insbesondere fehlen noch die Abrechnung und Übergabe des Objekts. Es ist deshalb sinnvoll und sachgerecht, die Teilabnahme erst nach Abschluss der Lph 8 zu verlangen.
Recht auf Teilabnahme für jede Leistungsphase?
Diese Forderung hört man immer wieder. Jedoch ist sie nicht sinnvoll, weil die Lph aufeinander aufbauen. So wäre es fast gar nicht möglich, die Ergebnisse einer Lph 2 abnahmereif darzulegen. Das ist nach der Lph 4 anders. Hier stellt eine erteilte Genehmigung den geschuldeten Erfolg dar.
Wichtig | Etwas anderes ist es, vom AG stets die „Freigabe“ der fertiggestellten Lph zu fordern. Leistet der Planer ohne eine solche (inhaltliche) Freigabe bereits in der folgenden Lph weiter, so „prescht er vor“ und hat bei Änderungswünschen des Auftraggebers für die bereits erbrachten Leistungen der folgenden Lph keinen Honoraranspruch. Die Freigabe einerseits und die Abnahme andererseits sind also unbedingt zu unterscheiden.
Was gilt bei Stufenverträgen?
Bei Stufenverträgen stellt jede Stufe einen eigenständigen Vertrag dar. Die Verträge sind deshalb auch getrennt abzunehmen und abzurechnen (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 18.11.2021, Az. 2 U 155/20, Abruf-Nr. 227140 und zuvor OLG Brandenburg, Urteil vom 16.03.2016, Az. 4 U 19/15, Abruf-Nr. 190137, sowie OLG Dresden, Urteil vom 17.06.2010, Az. 10 U 1648/08, Abruf-Nr. 248062). Mit der gleichen Begründung hatte auch der BGH mit Urteil vom 18.12.2014, Az. VII ZR 350/13, Abruf-Nr. 143689 entschieden, dass für die einzelnen Planungsstufen diejenige HOAI gilt, die bei Abruf der Stufe Gültigkeit hat. Die Planungsbüros sollten nach jeder Vertragsstufe eine Abnahme verlangen. Hinzuweisen ist darauf dennoch, dass es sich hier um reine Rechtsfragen handelt, die manche Rechtsanwälte anders beurteilen.
PRAXISTIPP | Hin und wieder tauchen Mustertexte für die Abnahme von Planungsleistungen auf. Die Ausarbeitungen sind oft ausschweifend und versuchen, alle möglichen Fälle zu lösen. Tatsächlich reicht das einfache „ich nehme ab“ des AG aus. Übergeben Sie alle erstellten Leistungen und legen Sie Ihrem AG ein Schreiben vor, in dem auf den Vertrag und die erbrachten Leistungen Bezug genommen wird und der AG erklären möge: „Die Leistungen werden abgenommen“. Aus der fachlichen Sicht des Autors ist das ausreichend. |
Ein gute Alternative für Ihre Praxis ‒ die fiktive Abnahm
Wenn Sie die ausdrückliche Abnahme nicht fordern wollen, können Sie auch die sog. fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB verfolgen.
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Teilen Sie Ihrem AG also schriftlich mit, dass Sie alle Leistungen erbracht haben, setzen Sie ihm eine angemessene Frist (z. B. 14 Tage) und fordern Sie ihn auf, die Leistungen innerhalb dieser Frist abzunehmen. Meldet er sich nicht, ist das Werk abgenommen und die Schlussrechnung kann gestellt werden. Ist der AG unsicher, wie er die Abnahme durchführen soll, zeigen Sie ihm auf, dass die Planung genehmigt worden sei und die Bauleistung erfolgreich und mangelfrei erbracht wurden. War eine mangelfreie Bauleistung möglich, so konnte das nur auf der Grundlage einer guten Ausschreibung und Bauüberwachung geschehen. Es kann deshalb nichts gegen die Abnahme der Planungs- und Überwachungsleistung sprechen.
FAZIT | Die Abnahme der Planungsleistungen ist erforderlich, weil sie das Ende der Erfüllungspflicht markiert, mit ihr ‒ und nur mit ihr ‒ die Sachmängelverjährung beginnt und sie Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlussrechnung ist. Der Planer hat erst Anspruch auf die Abnahme, wenn er alle beauftragten Leistungen mangelfrei erbracht hat. Teilabnahmen müssen vertraglich vereinbart sein. Einzige Ausnahme ist das Recht auf Teilabnahme gemäß § 650s BGB nach der Lph 8. |
Weiterführender Hinweis
- Sonderausgabe „Das neue Architekten- und Ingenieurrecht im BGB“ → Abruf-Nr. 45281852