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  • · Fachbeitrag · Mietkaution

    Streitige Forderungen im laufenden Mietverhältnis: Vermieter darf sich nicht aus Kaution bedienen

    Während des laufenden Mietverhältnisses darf der Vermieter eine Miet-sicherheit wegen streitiger Forderungen gegen den Mieter nicht verwerten (BGH 7.5.14, VIII ZR 234/13, Abruf-Nr. 141806).

     

    Sachverhalt

    Entsprechend § 7 des Mietvertrags zahlte die Mieterin eine Kaution von 1.400 EUR. Eine Zusatzvereinbarung zu § 7 des Mietvertrags bestimmt: „Der Vermieter kann sich wegen seiner fälligen Ansprüche bereits während des Mietverhältnisses aus der Kaution befriedigen. Der Mieter ist in diesem Fall verpflichtet, die Kautionssumme wieder auf den ursprünglichen Betrag zu erhöhen.“ Später machte die Mieterin eine Mietminderung geltend. Der Vermieter ließ sich daraufhin - während des laufenden Mietverhältnisses - das Kautionsguthaben auszahlen. Die Mieterin verlangt, den Betrag wieder dem Kautionskonto gutzuschreiben und insolvenzfest anzulegen. Die Klage hat in den Instanzen Erfolg. Der BGH weist die Revision des Vermieters zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Mieterin hat gemäß § 280 Abs. 1, § 551 BGB Anspruch auf Wiedergutschrift der Kaution. Der Vermieter hat entgegen § 551 Abs. 1, 3, 4 BGB und damit zu Unrecht auf die Mietsicherheit zugegriffen. Er war nicht berechtigt, die Kaution während des laufenden Mietverhältnisses wegen der von der Mieterin bestrittenen Mietforderungen in Anspruch zu nehmen, denn sein Vorgehen widerspricht dem in § 551 Abs. 3 BGB zum Ausdruck gekommenen Treuhandcharakter der Mietkaution. Auf die Zusatzvereinbarung zu § 7 des Mietvertrags kann der Vermieter sich daher nicht berufen (§ 551 Abs. 4 BGB).

     

    Die Kaution dient nicht dazu, dem Vermieter eine Verwertungsmöglichkeit zu schneller Befriedigung behaupteter Ansprüche gegen den Mieter während des laufenden Mietverhältnisses zu eröffnen. Gemäß § 551 Abs. 3 S. 3 BGB hat er die ihm als Sicherheit überlassene Summe getrennt von seinem Vermögen anzulegen. Mit der Pflicht zur insolvenzfesten Anlage wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Insolvenz des Vermieters ungeschmälert auf die Kaution zurückgreifen kann. Vorausgesetzt, dem Vermieter stehen keine gesicherten Ansprüche zu (BGH MK 08, 67, Abruf-Nr. 080246; MK 11, 25, Abruf-Nr. 103749; jeweils unter Hinweis auf BT-Drucksache 9/2079, 10f.). Diese Zielsetzung würde unterlaufen, wenn der Vermieter die Kaution bereits während des laufenden Mietverhältnisses auch wegen streitiger Forderungen in Anspruch nehmen könnte. Die zum Nachteil des Mieters abweichende Zusatzvereinbarung zu § 7 des Mietvertrags ist deshalb gemäß § 551 Abs. 4 BGB unwirksam.

     

    Praxishinweis

    Der BGH schließt sich der ganz überwiegenden Auffassung in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum (Nachweise Urteilsgründe Tz. 11) an und entscheidet erstmals seit Einführung der gesetzlichen Kautionsanlagepflicht durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20.12.82 (BGBl I 1912), dass dem Vermieter wegen bestrittener Mietforderungen während des laufenden Mietverhältnisses kein Verwertungsrecht an der Kaution zusteht. Folge: Ein Zugriffsrecht steht dem Vermieter nur noch zu, wenn seine Forderungen entweder rechtskräftig festgestellt, unstreitig oder so offensichtlich begründet sind, dass ein Bestreiten mutwillig erscheint. Fehlt es hieran, muss er die Berechtigung seiner Forderungen durch Leistungsklage gerichtlich klären lassen. Das einstweilige Verfügungsverfahren ist hierfür nicht geeignet. Ist die Forderung des Vermieters rechtskräftig festgestellt, kann sich der Vermieter aus der Kaution befriedigen. Diese haftet analog § 1210 Abs. 2, § 767 Abs. 2 BGB auch für die Kosten der Rechtsverfolgung (str.).

     

    Merke | Vertragsklauseln, die dem Wohnraumvermieter ein Befriedigungsrecht aus der Kaution auch bei einem Streit über die materielle Berechtigung seiner Forderung eröffnen oder die - wie hier - die Zugriffsmöglichkeit lediglich an die Fälligkeit der Forderung knüpfen, widersprechen dem Treuhandcharakter der Kaution. Sie sind unabhängig davon, ob sie individuell vereinbart oder als Allgemeine Geschäftsbedingung formuliert sind, gemäß § 551 Abs. 4 (i.V. mit § 307 BGB) unwirksam.

     

    Befriedigt sich der Vermieter bei ungeklärter Forderungsberechtigung aus der Sicherheit, ist er gemäß § 280 Abs. 1, § 551 BGB auf Verlangen des Mieters verpflichtet, die Kaution auf ihre ursprüngliche Höhe zurückzuführen. Eine Inzidenzprüfung über das Bestehen und die vermeintliche Fälligkeit der Vermieterforderung findet in diesem Verfahren nicht statt. Hat der Mieter als Sicherheit eine Forderung aus einem Sparkonto verpfändet, kann er den Vermieterzugriff durch einstweilige Verfügung abwehren (a.A. LG Potsdam GE 07, 1253). Das Sicherungsbedürfnis des Vermieters wird hierdurch nicht tangiert. Grund: Die Sicherheit bleibt ihm erhalten.

     

    Offen lassen konnte der BGH, ob der Vermieter berechtigt ist, die Kaution nach Vertragsende auch wegen einer streitigen Forderung zu verwerten (ablehnend Staudinger/Emmerich, § 551 Rn. 31; a.A. Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl., vor § 535 Rn. 123). Wer dem Vermieter zum Schutz des Mieters auch in diesem Fall die Befriedigung aus der Kaution verweigert, muss ihm in jedem Fall ein angemessenes Zurückbehaltungsrecht an der Kaution zubilligen. Andernfalls wäre der Vermieter ungesichert, wenn er später im Zahlungsprozess gegen den Mieter obsiegt.

     

    Beachten Sie | Die Entscheidung betrifft das Rechtsverhältnis zwischen dem Vermieter und Mieter von Wohnraum. Sie ist auf ein Mietverhältnis über Geschäftsraum nicht anzuwenden. Grund: Für dieses gilt § 551 BGB nicht. Deshalb lässt sich auch dem Urteil des VIII. Senats vom 12.1.72 (BeckRS 1972, 31126541) für die Zulässigkeit eines Zugriffs auf die Kaution im laufenden Wohnraummietverhältnis bei streitigen Forderungen nichts entnehmen. Ob der Vermieter von Geschäftsraum sich wegen seiner streitigen Forderungen schon vor Mietbeendigung aus der Kaution befriedigen darf, ist höchstrichterlich ebenso ungeklärt, wie die Frage, ob ihn auch ohne Vereinbarung eine Pflicht zur treuhänderischen Kautionsanlage trifft.

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 135 | ID 42753230