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  • · Fachbeitrag · Schadenersatz

    Titulierte Forderungen können auch früher als nach 30 Jahren verjähren

    | Rezept- und Fahrtkosten als Behandlungskosten nach einem Verkehrsunfall unterfallen nicht dem Anwendungsbereich des § 197 Abs. 2 BGB. So hat es jetzt das OLG Oldenburg entschieden. Es hat dabei zugleich ein Risiko nach Feststellungsurteilen gezeigt, mit denen die Pflicht zur Leistung des materiellen Schadenersatzes nur festgestellt wird. |

     

    Sachverhalt

    Um die Prozessdauer zu verkürzen, hat es sich in den letzten Jahren bewährt, den Schadenersatzanspruch (etwa nach einem Verkehrsunfall oder in einer Arzthaftungssache) dem Grunde nach zu klären, und nur einen immateriellen Schadenersatzanspruch zu beziffern. Wegen des vergangenen, gegenwärtigen und künftigen materiellen Schadens wird dann nur beantragt, festzustellen, dass der Schädiger zum Ausgleich verpflichtet ist. Der BGH hat dazu festgestellt:

     

    • Eine Klage auf Feststellung der deliktischen Pflicht eines Schädigers, künftige Schäden zu ersetzen, ist zulässig, wenn ein Schadenseintritt möglich ist. Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW-RR 07, 601).

     

    • Ein Kläger muss seine Klage nicht in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage aufspalten, wenn ein Teil des Schadens schon entstanden ist und mit der Entstehung eines weiteren Schadens ‒ jedenfalls nach seinem Vortrag ‒ noch zu rechnen ist (BGH NJW 99, 3774; NVwZ 87, 733; NJW 03, 2827).

     

    Im Fall des OLG Oldenburg wurde der Anspruchsteller bei einem Verkehrsunfall verletzt. Nach einem ersten Rechtsstreit zum Grund wurde in einem zweiten Rechtsstreit mit Urteil vom 30.3.06 geklärt, dass der Pflichtversicherer des Schädigers dem Kläger allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden ersetzen muss. Er glich in der Folge alle Behandlungskosten aus. Am 22.5.14 forderte der Bevollmächtigte des Geschädigten die verurteilte Versicherung auf, die Behandlungskosten für die Jahre 2008 bis 2010 auszugleichen. Das lehnte der Versicherer ab und erhob die Einrede der Verjährung.

     

    Relevanz für die Praxis

    Rechtskräftig festgestellte Ansprüche verjähren nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB grundsätzlich in 30 Jahren. Dabei lässt jede Vollstreckung oder jedes Anerkenntnis die Verjährung neu beginnen, § 212 BGB. Ausnahme: Nach § 197 Abs. 2 BGB verjähren künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen, auch wenn sie tituliert sind, bereits nach drei Jahren.

     

    MERKE | Die Qualifizierung einer Leistung als regelmäßig wiederkehrend i. S. d. § 197 Abs. 2 BGB setzt ausschließlich voraus, dass die Leistung an von vornherein bestimmten regelmäßig wiederkehrenden Terminen zu erbringen ist. Auf den Rechtsgrund und ein Gleichbleiben der Höhe kommt es nicht an.

     

    Einer Leistung kann der Charakter einer regelmäßig wiederkehrenden Leistung im Sinne des § 197 Abs. 2 BGB nur zugesprochen werden, wenn sie nach Gesetz oder Parteivereinbarung an von vornherein bestimmten regelmäßig wiederkehrenden Terminen zu erbringen ist (BGH NJW 59, 239; Soergel-Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 197, Rn. 4). Während es nicht darauf ankommt, dass die wiederkehrende Leistung immer denselben Betrag ausmacht, der Höhe nach also nach oben oder unten bis zum vollständigen Ausfall schwanken kann, ist entscheidendes Kriterium der zeitliche Aspekt (MüKo/Grothe, BGB, 7. Aufl., § 197, Rn. 29; Staudinger, BGB, 2014, § 197, Rn. 67 und 69; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 197, Rn. 10). Die regelmäßige zeitliche Wiederkehr von Einzelleistungen muss im Anwendungsbereich des § 197 Abs. 2 BGB von vornherein zur Natur des Anspruchs gehören (BGH NJW 01, 1063).

     

    Anders als in einem Fall des OLG Köln (5.8.09, 5 W 23/09) hat das OLG Oldenburg (28.8.18, 2 U 66/18, Abruf-Nr. 204870) § 197 Abs. 2 BGB für nicht anwendbar angesehen, weil die Regelmäßigkeit aus der ex-ante-Sicht nicht derart vorhersehbar war und keinem festen Zeitschema folgte.

     

    Das Risiko der bewertenden Betrachtung trägt allerdings der Anspruchsteller. Insoweit sollte er entweder die Ansprüche regelmäßig innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums geltend machen oder den Versicherer auffordern, eine verjährungsverlängernde Vereinbarung nach § 202 Abs. 2 BGB zu treffen.

     

    Musterformulierung / Schreiben an den Versicherer (verjährungsverlängernde Vereinbarung)

    An die ...-Versicherungs AG, ...-stadt

     

    In der Schadenssache Schädiger ... ./. Geschädigter ...

     

    Ihre Schadensnummer: ...

     

    müssen Sie nach dem Urteil des LG ... vom ..., Az., ... unserem Mandanten jeden künftigen materiellen Schaden aus dem Schadensereignis vom ... erstatten.

     

    Wir fordern Sie auf dieser Grundlage auf, den aus der anliegenden Aufstellung ersichtlichen Schadensbetrag von

     

    ... EUR bis zum ....

     

    auf eines unserer angegebenen Konten anzuweisen. Der anliegenden Aufstellung sind die Einzelnachweise beigefügt.

     

    Um das rechtliche Risiko meines Mandanten im Hinblick auf die Entscheidung des OLG Köln (5.8.09, 5 W 23/09) einerseits und des OLG Oldenburg (28.8.18, 2 U 66/18) andererseits zu reduzieren, dass Sie einzelne Leistungen als regelmäßig wiederkehrende Leistungen i. S. d. § 197 Abs. 2 BGB ansehen, bieten wir Ihnen hiermit an, eine verjährungsverlängernde Vereinbarung nach § 202 Abs. 2 BGB dahingehend zu schließen, dass die Verjährungsfrist (auch) für künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen aus dem o. g. Urteil auf 30 Jahre, beginnend mit dem gesetzlichen Verjährungsbeginn, verlängert wird. Ihr Vorteil liegt darin, dass kürzere Abrechnungszyklen mit dem damit verbundenen vermehrten Prüfungsaufwand vermieden werden.

     

    Ich bitte um die Annahme unseres Angebots bis zum ...

     

    Rechtsanwalt

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 6 | ID 45637778