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  • · Fachbeitrag · Restschuldbefreiung

    Postulationsfähigkeit von Inkassounternehmen

    | Inkassounternehmen werden neben Anwälten regelmäßig mit dem Einzug ‒ bevorzugt unstreitiger ‒ notleidender Forderungen beauftragt. Zu den Aufgaben gehört es oft, die Adressen zu verifizieren und die Gründe für die Nichtzahlung zu klären. Dabei kann sich herausstellen, dass der Schuldner insolvent ist. Aufgrund des eindeutigen § 174 Abs. 1 InsO ist ein registriertes Inkassounternehmen berechtigt, die einzuziehende Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden. Unsicherheiten bestehen dagegen, ob ihm auch gestattet ist, zu beantragen, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Mit dieser Streitfrage hat sich jetzt das AG Hannover auseinandergesetzt und sie im Sinne der Inkassodienstleister beantwortet. |

     

    Sachverhalt

    Die Schuldnerin hat nach dem Sachstandsbericht der Insolvenzverwalterin im Erstgespräch verschwiegen, dass sie Halterin eines Pkw ist und auch auf eine Nachfrage nicht reagiert. Hierauf gestützt haben unabhängig voneinander zwei Inkassounternehmen im Namen und in Vollmacht der jeweiligen Gläubiger als Auftraggeber die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Dem ist das AG Hannover gefolgt.

     

    • Leitsatz: AG Hannover 10.7.17, 909 IK 1129/14 ‒ 5

    Registrierte Inkassounternehmen sind gemäß §§ 305 Abs. 4 S. 2, 174 Abs. 1 S. 3 InsO in der Fassung des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.13 befugt, Insolvenzgläubiger im Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung zu vertreten (Abruf-Nr. 196317).

     

    Entscheidungsgründe

    Die Versagungsanträge sind nach Ansicht des AG nach § 305 Abs. 4 S. 2 i. V. m. § 174 Abs. 1 S. 3 InsO wirksam gestellt.

     

    PRAXISHINWEIS | Registrierte Inkassounternehmen können sich insoweit auf weitere Rechtsprechung und Literatur berufen. Das AG Coburg (zfm 16, 123) hat ebenso entschieden. In der Literatur hat das Zustimmung gefunden (Sternal in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 305 Rn. 138; Jäger, zfm 17, 24 ff.). Allerdings wird die Gegenmeinung noch immer als erheblich anzusehen sein (LG Frankenthal NZI 17, 399; AG Göttingen zfm 17, 23; Wenzel in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 58. Lfg. 4/14, § 305 Rn. 56; Stephan in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl, § 305 Rn. 56).

     

    Das AG geht vom Wortlaut der Norm aus. Nach § 305 Abs. 4 S. 2 InsO ist § 174 Abs. 1 S. 3 InsO für die Vertretung der Gläubiger entsprechend anzuwenden. Nach § 174 Abs. 1 S. 3 InsO sind zur „Vertretung des Gläubigers im Verfahren nach diesem Abschnitt auch Personen befugt, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes)“. Gemäß § 305 Abs. 4 S. 2 InsO entsprechend angewandt, geht die Regelung dahin, dass Inkassounternehmen Gläubiger in dem im Neunten Teil der InsO geregelten Verbraucherinsolvenzverfahren vertreten dürfen.

     

    Auch der Gesetzgeber sei von einem weiten Verständnis ausgegangen. Dies zeige die spiegelbildliche Vertretungsbefugnis von geeigneten Personen oder Angehörigen einer als geeignet anerkannten Stelle für den Schuldner in § 305 Abs. 4 S. 1 InsO. Diese Vertretungsbefugnis ist in der früheren Fassung dieser Bestimmung auf die Vertretung „nach diesem Abschnitt“ beschränkt gewesen. Das ist dahin ausgelegt worden, dass die Vertretungsbefugnis auf den vormaligen Zweiten Abschnitt des Neunten Teils der InsO beschränkt gewesen war (BGH NZI 04, 510), also weder das Insolvenzeröffnungs- noch das Restschuldbefreiungsverfahren umfasst hat. Diese Beschränkung hat der Gesetzgeber durch das RSB-Verkürzungsgesetz gestrichen. Damit wollte er „den Wirkungskreis der geeigneten Personen und der Angehörigen einer als geeignet anerkannten Stelle erweitern und ihnen die gerichtliche Vertretung im gesamten Insolvenzverfahren erlauben“ (BT-Drucksache 17/11268, S. 34), nämlich einschließlich der im Satz davor in der Gesetzesbegründung genannten „Wohlverhaltensperiode“, also dem Restschuldbefreiungsverfahren.

     

    Wollte man demgegenüber nicht von einem ganzheitlichen Verständnis des Verbraucherinsolvenzverfahrens im Sinne des Neunten Teils ausgehen, sondern den Achten und Neunten Teil der InsO strikt trennen (so aber LG Frankenthal, a. a. O.; Cranshaw, jurisPR-InsR 17/2016 Anm. 2), wäre unerklärlich, wie der Gesetzgeber die von ihm verfolgte umfassende Vertretungsbefugnis zugunsten des Schuldners durch die Streichung der im Neunten Teil kodifizierten Abschnittsbeschränkung auf den Achten Teil hat erweitern können. Denn § 304 Abs. 4 S. 1 InsO stellt seinerseits eine Erweiterungsregelung zu §§ 4 InsO, 79 ZPO dar (MüKo/Ott/Vuia, InsO, 3. Aufl., § 305 Rn. 102); aus den vorgenannten allgemeinen Vorschriften ergibt sich eine Vertretungsbefugnis der geeigneten Personen oder Angehörigen der anerkannten Stelle gerade nicht.

     

    Gilt die schuldnerbezogene Vertretungsbefugnis in § 305 Abs. 4 S. 1 InsO demnach umfassend für alle Phasen des weit zu verstehenden Verbraucherinsolvenzverfahrens, kann wegen der allgemeinen Geltung der Vertretungsregelung des § 174 Abs. 1 S. 3 InsO auf das im Neunten Teil geregelte „Verbraucherinsolvenzverfahren“ nach der nicht aufspaltbaren Gesetzessystematik nichts anderes für die Vertretung des Gläubigers gelten. Darin liegt kein Widerspruch, sondern ein Gleichlauf der besonderen Vertretungsregelungen in gewollter Abweichung zum Regelinsolvenzverfahren (a. A. AG Göttingen zfm 17, 23). Dass der Gesetzgeber (BT-Drucksache 17/11268, a. a. O.) nur auf die umfassende Vertretung des Schuldners eingegangen ist und die Konsequenzen seiner Abschnittsaufhebung für die Vertretung der Gläubiger übersehen haben mag, kann gegen die sich aus der Neufassung der InsO objektiv ergebende Gesetzeslage nicht vorgebracht werden (a. A. AG Göttingen a.a.O.) ‒ dies auch nicht im Sinne einer teleologischen Reduktion der Bestimmung. Denn Sinn und Zweck von § 305 Abs. 4 InsO sprechen für die Gleichbehandlung. Die umfassende Befugnis zur Vertretung des Schuldners hat der Gesetzgeber mit dem praktischen Bedürfnis hierfür begründet (BT-Drucksache 17/11268, a. a. O.). Dieses praktische Bedürfnis besteht beim Gläubiger bei den hier in Rede stehenden insolvenzrechtlichen Kleinverfahren in keinem geringeren Maße. Dies ist vom Gesetzgeber auch nicht in Abrede genommen worden; aus der Gesetzesbegründung ergibt sich hierzu nichts.

    Relevanz für die Praxis

    Der Gläubiger, der ein Inkassounternehmen beauftragt, hat meist ein großes Interesse, sich von diesem von Anfang bis Ende im Verbraucherinsolvenzverfahren vertreten lassen zu können. Alles andere würde bei geringen oder gar keinen Ausschüttungsquoten für ihn entweder einen unverhältnismäßigen eigenen zeitlichen/administrativen oder ‒ im Fall der Beauftragung eines Rechtsanwalts allein für die Vertretung im Restschuldbefreiungsverfahren ‒ finanziellen Aufwand bedeuten (vgl. Sternal, a. a. O., § 305 Rn. 138).

     

    MERKE | Es gibt in der Sache auch keinen Grund, die sachkundigen registrierten Inkassounternehmen von der Vertretung auszuschließen. In der Praxis sind weder unsachgemäße Anträge noch ein Missbrauch der Vertreterstellung zu sehen.

     

    Konnten im Fall des AG die Inkassounternehmen den Versagungsantrag damit wirksam für den Gläubiger stellen, muss der Versagungsgrund gemäß § 290 Abs. 2 S. 1 HS 2 InsO glaubhaft gemacht werden. Dies ist in Form der zulässigen Bezugnahme auf die Sachstandsmitteilung der Insolvenzverwalterin geschehen (vgl. BGH NJW-RR 13, 1520).

     

    Nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach der InsO vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt.

     

    Auskunft ist nach §§ 20, 97 InsO über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen. Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfahren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können. Die Pflicht zur Auskunft ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände von sich aus selbst ohne besondere Nachfrage offenlegen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen (BGH ZInsO 13, 138; ZInsO 12, 751)

     

    Hier hatte die Schuldnerin den auf sie zugelassenen Pkw nicht angegeben. Spätestens mit der unbeantworteten Anfrage der Insolvenzverwalterin war das Verschweigen auch vorsätzlich. Seiner Art nach ist das Verschweigen geeignet, die Interessen der Gläubiger, nämlich eine gestärkte Insolvenzmasse, zu gefährden. Es handelt sich auch nicht nur um eine folgenlose geringfügige Verfehlung (hierzu BGH NJW 03, 2167), sodass es auch verhältnismäßig war, die Restschuldbefreiung zu versagen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • BGH zu Inkassovollmachten und deren Geltungsumfang, FMP 17, 151
    • Inkassokosten auch bei abgetretenen Forderungen, FMP 17, 114
    • Wann darf der Gläubiger ein Inkassounternehmen einschalten?, FMP 17, 17
    Quelle: Ausgabe 10 / 2017 | Seite 175 | ID 44870509