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  • · Fachbeitrag · Insolvenzanfechtung

    Gläubigerkenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners

    Wird der Gläubiger tatsächlich durch eine Zahlung des Schuldners befriedigt, hat er von dessen Benachteiligungsvorsatz Kenntnis, wenn er um die Willensrichtung des Schuldners weiß und nach allgemeiner Erfahrung eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners zugrunde legen muss (BGH 19.9.13, IX ZR 4/13, Abruf-Nr. 133353).

     

    Sachverhalt

    Wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge pfändete die Beklagte das Konto der Schuldnerin erfolglos und stellte danach Insolvenzantrag. Hierauf zahlte die Schuldnerin auf das gepfändete Konto den Betrag der offenen Forderung von 831,51 EUR ein, sodass die Beklagte durch die Pfändung befriedigt wurde. Darauf wurde der Insolvenzantrag für erledigt erklärt. Zwei Jahre später kam es dann noch zu einem Insolvenzverfahren, in dem der Kläger die Zahlung der Schuldnerin nach § 133 InsO anficht. Während das AG die Klage abgewiesen hat, haben LG und BGH ihr stattgegeben.

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Entscheidung ist unabhängig von der Frage, dass im konkreten Fall ein Sozialversicherungsträger Gläubiger war, praxisrelevant. Die Grundsätze des BGH gelten auch für andere Gläubiger. Der BGH bereitet den Fall schulmäßig auf:

     

    Rechtshandlung

    Der BGH sieht die Rechtshandlung der Schuldnerin in der Auffüllung des gepfändeten Kontos, die die Befriedigung der Beklagten ermöglichte. Es liege ein willensgeleitetes, verantwortungsgesteuertes Handeln der Schuldnerin vor, da sie habe entscheiden können, ob sie eine Leistung erbringt oder verweigert.

     

    MERKE | Grundsätzlich fehlt es an einer solchen Schuldnerhandlung, wenn ein Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt. Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass der Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber, wenn dazu zumindest auch eine Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein (BGH NJW-RR 11, 783). Fördert ein Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers, rechtfertigt dies die Bewertung der Vollstreckungsmaßnahme als Rechtshandlung des Schuldners.

     

    Die eigentliche Kontopfändung war danach nicht anfechtbar, weil keine Rechtshandlung der Schuldnerin hierzu beigetragen hat. Die Schuldnerin hat jedoch durch die Einzahlung von Geldern auf das zuvor im Debet geführte Bankkonto als eigenständige Rechtshandlung dieses Pfandrecht der Beklagten werthaltig gemacht. In dieser Förderung der Pfändung liegt eine anfechtbare Rechtshandlung.

     

    Objektive Gläubigerbenachteiligung

    Der BGH bejaht auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung. Das setzt voraus, dass die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH WM 11, 2293).

     

    Die zwecks Befriedigung der Beklagten auf das gepfändete Konto geleiteten Mittel gehörten zuvor zum haftenden Vermögen der Schuldnerin und standen daher der Vollstreckung durch ihre Gläubiger offen. Wäre die Einzahlung auf das gepfändete Konto unterblieben, hätten die Mittel zur Befriedigung der Gläubigergesamtheit eingesetzt werden können. Mithin hat sich eine Gläubigerbenachteiligung verwirklicht.

     

    MERKE | Hier hätte der Gläubiger einhaken können. Die Feststellung des BGH trifft nämlich nur zu, wenn die Zahlung aus dem pfändbaren Vermögen des Schuldners stammt. Anderenfalls hätten nämlich weder der Insolvenzverwalter noch übrige Gläubiger auf den Betrag zugreifen können. Für die entsprechende Herkunft der Leistung ist der Insolvenzverwalter nach allgemeinen Regeln darlegungs- und beweispflichtig. Das setzt aber zunächst ein entsprechendes Bestreiten des Gläubigers voraus.

     

    Gläubigerbenachteiligungsvorsatz

    Die Schuldnerin hat die Rechtshandlung mit einem von der Beklagten erkannten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden.

     

    Checkliste / Die zwei wichtigsten Indizien des BGH

    Insoweit kommt den Beweisanzeichen der erkannten Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der Inkongruenz einer von ihm erbrachten Leistung besondere Bedeutung zu:

     

    • Sind beide Teile über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterrichtet, kann von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und dessen Kenntnis bei dem Gläubiger ausgegangen werden, weil der Schuldner weiß, nicht sämtliche Gläubiger befriedigen zu können, und dem Gläubiger bekannt ist, dass infolge der ihm erbrachten Leistung die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereitelt oder zumindest erschwert wird.

     

    • Ebenso bildet eine inkongruente Deckung, bei welcher der Schuldner anderes oder mehr leistet als geschuldet, wegen der ihr innewohnenden Begünstigungstendenz ein Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und dessen Kenntnis bei dem Gläubiger, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.
     

    Diese Indizien hat der BGH hier gesehen. Gerade der Zahlung unter dem Druck des Insolvenzantrags misst er erhebliche Bedeutung zu. Die Beklagte hat die Zahlung mithilfe des von ihr gestellten Insolvenzantrags zu einem Zeitpunkt erwirkt, als Zweifel an der Liquidität der Schuldnerin bestanden. Bei dieser Sachlage ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht sowohl von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin als auch dessen Kenntnis bei der Beklagten auszugehen.

     

    MERKE | Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung muss der Gläubiger gut erwägen, ob er zur Erzielung einer Zahlungsbereitschaft einen Insolvenzantrag androht oder tatsächlich stellt. Jedenfalls muss er auf eine darauf erfolgende Zahlung positiv die Zahlungsfähigkeit feststellen, wenn er nicht das Risiko einer späteren Insolvenzanfechtung tragen will.

     

     

    Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Vorsatz

    Der von § 133 Abs. 1 S. 1 InsO verlangte Benachteiligungsvorsatz des Schuldners knüpft an die von ihm vorgenommene, eine Gläubigerbenachteiligung hervorrufende Rechtshandlung an. Spiegelbildlich muss der Anfechtungsgegner erkannt haben, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte. Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und seine Kenntnis bei dem Anfechtungsgegner sind mithin auf die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners bezogen.

     

    Das war hier der Fall, weil die Schuldnerin bewusst zur Befriedigung der Gläubigerin eine Einzahlung auf das gepfändete Konto vorgenommen hat.

     

    Den subjektiven Anforderungen ist in der Person der Beklagten genügt. Ähnlich hat der BGH bei vergleichbaren Sachverhaltsgestaltungen bereits früher entschieden (WM 11, 1343; WM 12, 1401). Die Beklagte konnte sich nicht der Kenntnis verschließen, dass die an sie mit Benachteiligungsvorsatz bewirkte Zahlung auf einer die Gläubigergesamtheit benachteiligenden Rechtshandlung der Schuldnerin beruhte.

     

    MERKE | An einer Rechtshandlung der Schuldnerin hätte es gefehlt, sofern ein Dritter ohne Veranlassung und nähere Kenntnis der Schuldnerin im ausschließlichen Interesse der Befriedigung der Gläubigerin oder auch ohne eine solche Zielrichtung dem gepfändeten Konto ein Guthaben zugeführt hatte.

     

     

    Der BGH arbeitet hier aber mit Unterstellungen: Selbst der geschäftlich ungewandte, über den konkreten Zahlungsfluss nicht näher unterrichtete Anfechtungsgegner gehe mangels ihm bekannter gegenteiliger Anhaltspunkte von dem Regelfall aus, dass er außerhalb einer Zwangsvollstreckung die empfangene Zahlung einer die Gläubigergesamtheit benachteiligenden Rechtshandlung seines Schuldners und nicht dem uneigennützigen Dazwischentreten eines Dritten verdankt. Im Interesse der Erfüllung seiner Forderung ist der Anfechtungsgegner grundsätzlich mit jeder möglichen und gerade auch - wenn eine Vollstreckung aus verschiedensten Gründen, auch etwa einer freiwilligen Zahlung, nicht zum Erfolg führt - mit einer auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruhenden Befriedigung einverstanden, welche als Kehrseite die Gläubigergesamtheit benachteiligt. Angesichts dieses tatsächlichen Befunds hat derjenige allgemeine Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, der im Wissen um die Willensrichtung des Schuldners auf der Grundlage einer von diesem tatsächlich veranlassten Rechtshandlung befriedigt wird, die unter den äußerlich zutage getretenen Gegebenheiten nach allgemeiner Erfahrung auf den Schuldner zurückgehen kann.

     

    MERKE | Der Gläubiger ist also gut beraten, zum konkreten Zahlungsfluss beim Schuldner nachzufragen und den Sachverhalt - beweiskräftig - zu klären. Im Zweifelsfall muss er dann dem Risiko der späteren Anfechtung durch entsprechende Rückstellungen begegnen.

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 124 | ID 42759550