Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Einmeldung

    Darlegungs- und Beweislast für den immateriellen Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO

    Bild: © fotogestoeber - stock.adobe.com

    | Auskünften an Auskunfteien kommt eine große Bedeutung zu. Sie sichern, dass Unternehmen prüfen können, ob ihr Kunde über eine hinreichende Bonität verfügt, und vermindern in diesem Sinne zugleich die Gefahr für Verbraucher, sich unbedacht immer weiter zu verschulden. Solche Bonitätsauskünfte beruhen auf Einmeldungen von am Wirtschaftsleben beteiligten Akteuren über das negative wie positive Zahlungsverhalten von natürlichen Personen und Unternehmen. Sind diese Einmeldungen falsch, müssen auch die Auskünfte unzutreffend sein, was gravierende Folgen haben kann. Neben materiellen Schäden billigt Art. 82 DS-GVO in diesen Fällen auch einen immateriellen Schadenersatzanspruch zu. Der BGH hatte jetzt Gelegenheit, die Voraussetzungen an die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen Schadenersatzanspruch zu präzisieren. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz immateriellen Schadens aufgrund einer Negativmeldung der Beklagten an die Schufa Holding AG (im Folgenden SCHUFA) in Anspruch. Die Beklagte ist Betreiberin eines Inkassounternehmens, das u. a. Mandanten aus dem Energiesektor betreut. Sie meldete am 16.7.19 eine gegen den Kläger durch Vollstreckungsbescheid vom gleichen Tag titulierte Forderung des Stromlieferanten des Klägers bei der SCHUFA. Diese löschte den aufgrund der Meldung vorgenommenen Negativeintrag am 12.11.19.

     

    Der Kläger macht geltend, die Meldung der durch den Vollstreckungsbescheid titulierten Forderung an die SCHUFA sei rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte davor nicht zumindest den Ablauf der Einspruchsfrist abgewartet habe. Der infolge der Meldung der Beklagten von der SCHUFA erstellte Negativeintrag habe für ihn massive wirtschaftliche Konsequenzen und Nachteile gehabt, die zum Teil bis in die Gegenwart andauerten. Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen angemessenen Schadenersatz zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch 10.000 EUR zzgl. Zinsen betragen solle. Das LG hat diesem Antrag teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, 5.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte Berufung eingelegt, der Kläger mit dem Ziel einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiteren Schadenersatzes von mindestens 5.000 EUR, die Beklagte mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung. Das OLG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung der Beklagten hin vollständig abgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den von ihm geltend gemachten Schadenersatzanspruch weiter.

     

    Entscheidungsgründe

    Die das Berufungsurteil allein tragende Annahme, der Kläger habe den Eintritt eines immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO infolge des geltend gemachten Verstoßes der Beklagten gegen die Verordnung bei der Meldung der gegen den Kläger titulierten Forderung an die SCHUFA nicht hinreichend dargelegt, hält der BGH für rechtsfehlerhaft.

     

    Nimmt ein Betroffener ein Inkassounternehmen auf Ersatz immateriellen Schadens wegen einer Negativmeldung an die SCHUFA nach zwischenzeitlicher Löschung des Negativeintrags in Anspruch, hat er darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Verstoß gegen die DS-GVO negative Folgen für ihn gehabt hat, die einen immateriellen Schaden darstellen. Dabei sind die Substanziierungsanforderungen indes nicht zu überspannen (Abruf-Nr. 249489).

     

    Der Begriff des „immateriellen Schadens“ ist in Ermangelung eines Verweises in Art. 82 Abs. 1 DS-GVO auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung autonom unionsrechtlich zu definieren (st. Rspr., EuGH 20.6.24, C-590/2). Dabei soll nach Erwägungsgrund 146 S. 3 DS-GVO der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden, in einer Art und Weise, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht. Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der DS-GVO reicht nach dem EuGH jedoch nicht aus, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen, vielmehr ist darüber hinaus ‒ im Sinne einer eigenständigen Anspruchsvoraussetzung ‒ der Eintritt eines Schadens (durch diesen Verstoß) erforderlich. Weiter hat der EuGH entschieden, dass Art. 82 Abs. 1 DS-GVO einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Schwere oder Erheblichkeit erreicht hat. Allerdings ist die betroffene Person nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO verpflichtet, nachzuweisen, dass sie tatsächlich einen Schaden erlitten hat. Die Ablehnung einer Erheblichkeitsschwelle bedeutet nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DS-GVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DS-GVO darstellen.

     

    Aus der im ersten Satz des 85. Erwägungsgrundes der DS-GVO enthaltenen beispielhaften Aufzählung der „Schäden“, die den betroffenen Personen entstehen können, geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber unter den Begriff „Schaden“ insbesondere auch den bloßen „Verlust der Kontrolle“ über ihre eigenen Daten infolge eines Verstoßes gegen die DS-GVO fassen wollte, selbst wenn konkret keine missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil dieser Personen erfolgt sein sollte (EuGH 4.10.24, C-200/23). Danach sei das OLG zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Betroffene, der Ersatz des immateriellen Schadens verlangt, geltend machen (und ggf. nachweisen) muss, dass der Verstoß gegen die DS-GVO negative Folgen für ihn gehabt hat, die einen immateriellen Schaden darstellen. Dabei dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.

     

    Der Kläger hat hinsichtlich der negativen Folgen der o. g. SCHUFA-Meldung u. a. ausgeführt, für seine berufliche Tätigkeit sei er auf Kreditkarten angewiesen, ohne die er praktisch handlungsunfähig sei. Aufgrund des negativen SCHUFA-Eintrags seien ihm jedoch die Kreditkarten gesperrt worden. Die von der D. Bank ausgesprochene Kreditkartenkündigung sei trotz Löschung des Negativeintrags aufrechterhalten worden. Im Rahmen eines bei der D. Bank erstellten eigenen Scorewerts zur Kreditwürdigkeit werde er aufgrund des negativen SCHUFA-Eintrags weiter als nicht ausreichend kreditwürdig beauskunftet. Der von ihm zunächst mit einem anderen Anbieter geschlossene Vertrag über eine neue Kreditkarte sei wegen der Negativauskunft wieder gekündigt worden. Die ihm von der D. Bank angedrohte Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung hätte zur Fälligstellung von Verbindlichkeiten in Höhe von 67.000 EUR und zur Lohnpfändung geführt. Zwischen Eintragung und Löschung der Eintragung habe zudem das Scheitern einer Immobilienfinanzierung gedroht.

     

    Mit diesem ‒ vom OLG als zutreffend unterstellten ‒ Vortrag hat der Kläger den Eintritt eines immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO in Form einer Beeinträchtigung seiner Kreditwürdigkeit und damit seines (wirtschaftlichen) guten Rufs (vgl. Erwägungsgründe 75 und 85 DS-GVO) hinreichend dargelegt. Er hat nicht lediglich auf die abstrakte Geeignetheit der weitergegebenen Daten zur Herabsetzung seiner Kreditwürdigkeit und Erschwerung seiner Teilhabe am Wirtschaftsleben verwiesen, sondern insoweit mit dem Hinweis auf die Kündigung der Kreditkartenverträge und die Androhung der Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung durch die D. Bank konkrete negative Auswirkungen benannt, die seiner Behauptung nach auf die streitgegenständliche Meldung zurückzuführen sind.

     

    Soweit das OLG die Kündigung der Kreditkartenverträge mit der Erwägung für irrelevant gehalten habe, es sei nicht ersichtlich, dass und in welcher Weise dieser Umstand den Kläger tatsächlich in seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit beeinträchtigt habe, da er ggf. über weitere Kreditkarten verfügt habe, die die gewohnte finanzielle Unabhängigkeit auch während der „angeschlagenen Geschäftsbeziehung“ zur D. Bank gewährleisteten, fände diese Spekulation unter Verstoß gegen den Beibringungsgrundsatz keine Stütze im festgestellten Parteivortrag. Die geschilderten Bemühungen um einen Ersatz für die von der D. Bank gekündigten Kreditkartenverträge sprechen vielmehr eher gegen die Annahme, der Kläger sei zur Wahrung seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit nicht auf die Kreditkarten der D. Bank angewiesen gewesen. Der Ansehensverlust des Klägers durch die Beeinträchtigung seiner Kreditwürdigkeit aufgrund der streitgegenständlichen SCHUFA-Meldung habe sich bereits in der Kündigung der Kreditkartenverträge und der Androhung der Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung durch die D. Bank manifestiert. Damit sei der Eintritt eines immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO hinreichend dargetan.

     

    Weitere negative Folgen aufgrund der (angedrohten) Kündigungen mögen diesen Schaden noch vertiefen, waren hier aber nicht erforderlich, um die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO darzulegen. Aus demselben Grund könne der Eintritt eines immateriellen Schadens auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Kläger habe nicht substanziiert vorgetragen, ob und in welchem Maß es ‒ bedingt durch den „Verlust“ der Kreditkarten der D. Bank ‒ im Rahmen der allgemeinen Lebensführung zu kompromittierenden und/oder sonstigen persönlichkeitsverletzenden Begebenheiten gekommen sei.

     

    Der Kläger habe mit der weiteren Behauptung, dass die Beklagte unter Verstoß gegen die DS-GVO seine persönlichen Daten unzulässig an einen Dritten (hier die SCHUFA) übermittelt habe, der Sache nach auch einen immateriellen Schaden in Form des sog. Kontrollverlustes über seine Daten geltend gemacht.

     

    Das Vorliegen eines nach Art. 82 DS-GVO ersatzfähigen immateriellen Schadens kann nach dem BGH auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Kläger habe die durch den Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung erst nach dessen Ergehen beglichen, weshalb es ihm zuzuschreiben sei, dass es überhaupt zu einer „einmeldefähigen“ Sollstellung gekommen sei. Für die Frage, ob dem Kläger ein immaterieller Schaden entstanden ist, spielt eine etwaige Mitwirkung des Klägers an dessen Entstehung keine Rolle.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH hat auf dieser Grundlage das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Eher überraschend hat er für das weitere Verfahren keine „Segelanweisung“ erteilt. Das OLG wird nun aber zumindest davon ausgehen müssen, dass ein substanziierter Vortrag vorliegt. Auf dieser Basis wird die Art und der Umfang der Betroffenheit weiter zu klären sein.

     

    Vor dem Hintergrund des erlassenen Vollstreckungsbescheids, kann der Kläger sicher auch nicht als „unbeschriebenes Blatt“ gelten, sodass auch die Frage nach der Kausalität zu beantworten sein wird. Letztlich wird dann die ‒ spannende ‒ Frage zu beantworten sein, ob eine Einmeldung einer Forderung aus einem Vollstreckungsbescheid vor Ablauf der Einspruchsfrist tatsächlich rechtswidrig ist. Im Ergebnis sollte dies zu verneinen sein, da der Titel auch schon vorläufig vollstreckbar ist. Ob und in welcher Höhe dann immaterieller Schadenersatz zu leisten sein wird, ist also gleichermaßen völlig offen. Das OLG könnte also auch nach Beantwortung der weiteren Fragen zum gleichen Ergebnis kommen. Vielleicht ist es also nicht das letzte Mal, dass sich der BGH mit dem Fall beschäftigen muss.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2025 | Seite 189 | ID 50568608