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  • · Fachbeitrag · Verwirkung

    Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehen

    Der Ausübung eines grundsätzlich unbefristeten Widerrufsrechts kann der aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abgeleitete Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (OLG Frankfurt 10.3.14, 17 W 11/14, Abruf-Nr. 143021).

     

    Sachverhalt

    Der PKH beantragende Schuldner begehrt vom Gläubiger die Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung von rd. 22.500 EUR aus einem mit der Rechtsvorgängerin des Schuldners geschlossenen Darlehensvertrag. Er macht geltend, den Darlehensvertrag aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung noch widerrufen zu können und von diesem Recht Gebrauch gemacht zu haben. Der Gläubiger tritt dem entgegen. Der Schuldner könne sich auf sein Widerrufsrecht nicht mehr berufen, wenn der Vertrag durchgeführt werde und lange Zeit vergehe. LG und OLG haben den PKH-Antrag mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Im Fall des OLG zahlte der Schuldner zunächst die Vorfälligkeitsentschädigung und fordert diese nun zurück. Die für eine solche Klage maßgeblichen Aspekte sind in gleicher Weise zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger eine solche Entschädigung einklagt, aber auch wenn er schlicht die Rückzahlung des verzinsten Darlehens fordert.

     

    Außer Streit war im Fall des OLG, dass dem Schuldner ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1, § 355 BGB a.F. zustand, da es sich um ein Verbraucherdarlehen gehandelt hat, bei dem die Erblasserin über ein ihr zustehendes Widerrufsrecht zu belehren gewesen wäre. Das zunächst der Erblasserin zustehende und dann noch auf den Schuldner übergegangene Widerrufsrecht ist auch nicht durch Fristablauf erloschen, weil die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung entsprechend § 355 Abs. 3 BGB nicht wirksam in Gang gesetzt worden ist.

     

    Soweit die für die Widerrufserklärung vorhandene Frist von zwei Wochen auszuüben gewesen wäre, entsprach die Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB, indem die Belehrung mit der Verwendung des Wortes „frühestens“ unzureichend war. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Regelung, weshalb bei einer unzureichenden Belehrung die Widerrufsfrist überhaupt nicht erst zu laufen beginnt.

     

    Einem Fristablauf steht demnach die inzwischen in § 355 Abs. 4 S. 3 BGB normierte Regelung entgegen, die dem Verbraucher im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht einräumt.

     

    MERKE | Grundsätzlich sind die Erklärung des Widerrufs und dessen Berücksichtigung nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Antragsteller zuvor mit einer Kündigung oder einem Angebot zur Vertragsaufhebung herangetreten ist. Das gilt jedenfalls, wenn der Darlehensnehmer sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben konnte (BGH NJW 13, 3776).

     

     

    Das OLG lässt dann offen, ob aber für die Ausübung des Widerrufsrechts generell kein Raum mehr verbleibt, wenn der Darlehensvertrag zuvor bereits auf andere Weise in Wegfall gekommen ist. Der Ausübung des Widerrufsrecht stehe nämlich der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegen. Dabei greift es in der Sache auf das Umstandsmoment bei der Annahme der Verwirkung zurück.

     

    MERKE | Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre und der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde, sodass die verspätete Geltendmachung gegen den Grundsatz von Treu und Glaube verstößt. Maßgeblich sei bei einem unbefristeten Widerrufsrecht die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten.

     

    Im konkreten Fall musste gesehen werden, dass dem Schuldner bzw. dessen Rechtsvorgängerin immerhin eine - wenn auch unzureichende - Widerrufsbelehrung erteilt wurde, die Befristung des Widerrufsrechts daraus ersichtlich war und der unterlassene Widerruf nicht auf dem Fehler der Belehrung beruhte. War der Inhalt der Widerrufsbelehrung grundsätzlich geeignet, einen durchschnittlichen Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts aufzuklären, darf der Darlehensgeber - so das OLG - auf den dauernden Bestand des Darlehensvertrags vertrauen. Letztlich war auch die zunächst einvernehmlich erfolgte Darlehensrückabwicklung zu sehen.

     

    MERKE | Diese Sicht des OLG läuft darauf hinaus, dass jedenfalls dann, wenn überhaupt eine Widerrufsbelehrung erteilt wurde, ein unbefristetes Widerrufsrecht nicht in Betracht kommt. Die Möglichkeit, Forderungen aus älteren Darlehensverträgen durchzusetzen, wächst damit erheblich.

     

    Weiterführende Hinweise

    • BGH klärt Streitfrage zum verbundenen Geschäft, FMP 10, 84
    • Durch Darlehen abgelöste Bürgschaften und die Folgen, FMP 10, 117
    • Darlehen vom geschiedenen Ehegatten zurückfordern, FMP 11, 20
    • Mitverpflichtung des Ehegatten: Wer trägt die Darlegungs- und Beweislast?, FMP 09, 87
    • Darlehensanspruch: Darlegungs- und Beweislast für den Rückzahlungsanspruch, FMP 13, 127
    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 189 | ID 43005553