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  • · Fachbeitrag · Reform des Bauvertragsrechts

    Forderungen sichern und richtige Form einhalten

    | Das neue Bauvertragsrecht bringt Neuerungen im Kauf- und Werkvertragsrecht. Die Reform postuliert neben inhaltlichen Vorgaben vermehrt besondere Formerfordernisse für Erklärungen der Parteien. Halten die Parteien diese nicht ein, kann dies den Anspruch, jedenfalls aber dessen Nachweis und Durchsetzbarkeit, hindern. Der folgende Beitrag fasst die wesentlichen Aspekte der Neuregelung praxisorientiert zusammen. |

    1. Schriftform im neuen Recht

    Das Schriftformerfordernis wird im neuen Recht an verschiedenen Stellen aufgestellt:

     

    • § 650g Abs. 1 BGB: Wird die Abnahme wegen Mängeln verweigert, muss der Bauzustand schriftlich festgestellt werden.
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    • MERKE | § 651g Abs. 2 ZPO sieht die Möglichkeit einer einseitigen Feststellung des Unternehmers vor, wenn der Bauherr an der schriftlichen Feststellung nicht mitwirkt. Insoweit handelt es sich primär um eine Vorschrift, die Nachweiszwecken und weniger Schutzzwecken gegenüber dem Verbraucher dient.

       

     

    • § 650g Abs. 2 S. 3 BGB: Der Unternehmer muss die einseitige Zustandsfeststellung unterschreiben und dem Besteller übersenden.
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    • PRAXISHINWEIS | Die Zustandsfeststellung begründet eine Vermutung, dass darin nicht genannte offenkundige Mängel erst nach der Zustandsfeststellung entstanden sind. Das wirkt sich erheblich auf die Berechtigung der geltend gemachten Forderung aus. Der Bauunternehmer als Gläubiger sollte also darauf achten, dass er die Voraussetzungen der gemeinsamen wie einseitigen Feststellung sowie die dabei zu beachtenden Formvorschriften genau einhält.

       

     

    • §§ 650h, § 650q BGB: Die Kündigung des Bauvertrags sowie des Architekten- und Ingenieurvertrags bedarf der Schriftform. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/8486 noch zu § 650g-E) wird dies nicht nur mit Beweissicherung, sondern auch mit Rechtssicherheit und Warnfunktion begründet. Es dürfte somit der Grundsatz des § 125 BGB (Wirksamkeitserfordernis) zum Tragen kommen.

     

    • § 416 ZPO: Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.
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    • PRAXISHINWEIS | Diese Vorschrift ist nicht neu, aber zentral. Schon der Volksmund sagt, dass „Recht haben“ und „Recht bekommen“ zweierlei Dinge sind. Gerade im Bauvertragsrecht scheitert ein ‒ berechtigter ‒ Vergütungsanspruch oft daran, dass der Bauunternehmer den vergütungspflichtigen Nachtragsauftrag nicht nachweisen kann.

       

     

     

    2. Anforderungen an die Schriftform

    Ist durch Gesetz Schriftform vorgeschrieben, muss die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB). Daraus ergibt sich: Die Urkunde muss zwar schriftlich abgefasst sein, gleichgültig ist aber, wie sie hergestellt wird und von wem. Sie kann somit per Hand oder am Computer geschrieben werden, aber auch gedruckt oder vervielfältigt sein. Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien grundsätzlich auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 Abs. 2 BGB).

     

    Es genügt also, wenn der Bauunternehmer auf der Baustelle die wesentlichen Vereinbarungen, insbesondere die Leistungspflichten und die sich hieraus ergebende Mehr- oder Mindervergütung handschriftlich auf einem Block festhält und er dann neben dem Bauherrn diese Vereinbarung unterschreibt.

     

    Die Schriftform kann allerdings durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt (§ 126 Abs. 3 BGB). Die Regelungen über die elektronische Form finden sich dann in § 126a BGB.

     

    Um die elektronische Form zu wahren, ist es erforderlich, dass der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versieht. Die Signatur muss also folgende Voraussetzungen erfüllen:

     

    Checkliste / Besondere Anforderungen bei der elektronischen Form

    Die Signatur muss

    • ausschließlich dem Schlüsselinhaber zugeordnet sein,
    • seine Identifizierung ermöglichen,
    • mit Mitteln erzeugt werden, die der Schlüsselinhaber allein kontrolliert,
    • mit den Daten, auf die sie sich bezieht, so verknüpft werden, dass eine nachträgliche Veränderung erkannt werden kann,
    • auf einem zurzeit ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und
    • schließlich mit einer sicheren Signaturerstellungseinrichtung erzeugt worden sein (§ 2 Nr. 2, 3 SigG).
     

     

    Wichtig | Die elektronische Form ist nur zu verwenden, wenn der Vertragspartner einverstanden ist. Die Einverständniserklärung selbst bedarf keiner Schriftform.

    3. Rechtsfolgen des Formfehlers

    Nach § 125 S. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, dem es an der gesetzlich vorgeschriebenen Form fehlt, grundsätzlich nichtig. Zu berücksichtigen ist aber, ob die jeweilige Rechtsnorm nach ihrem Sinn und Zweck die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts von der Einhaltung der Form abhängig machen soll. Dient die Schriftform allein der Klarstellung und Beweisführung, ist dies in der Regel auszuschließen. Die jeweiligen Formvorschriften des Bauvertragsrechts sind somit vor diesem Hintergrund zu betrachten. Während § 650g ZPO primär eine Nachweisfunktion hat, dürften §§ 650h und 650q BGB darüber hinausgehen, so dass die nicht formwahrende Kündigung nichtig sein kann.

     

    PRAXISHINWEIS | Nach wie vor problematisch bleibt zudem der Nachweis, dass die Kündigung zugegangen ist. Ein Fax-Sendebericht beweist nicht, dass das Telefax zugegangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH begründet die durch einen „OK“-Vermerk unterlegte ordnungsgemäße Absendung eines Schreibens per Telefax über ein bloßes Indiz hinaus nicht den Anscheinsbeweis für dessen tatsächlichen Zugang bei dem Empfänger, sondern nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät. Dazu stellt das Fax nur eine Kopie und kein Original dar.

     

    4. Textform im neuen Recht

    In verschiedenen Konstellationen verlangt das neue Recht zwar nicht die starke Schriftform, aber zumindest die Textform:

     

    • § 479 Abs. 2 BGB: Nach § 443 BGB kann der Verkäufer über die gesetzliche Mängelhaftung hinaus eine Garantie übernehmen. Der Verbraucher kann jetzt die Garantieerklärung in Textform verlangen, was ihm den Nachweis der Übernahme der Garantie vereinfacht.

     

    • § 640 Abs. 2 BGB: Hier wird eine für die Fälligkeit des Anspruchs wesentliche Abnahmefiktion normiert, wenn eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt wurde, aber fruchtlos verstrichen ist. Das gilt gegenüber einem Verbraucher aber nur, wenn auf diese Rechtsfolge zumindest in Textform hingewiesen wurde. Die Vorschrift ist zwingend, § 650n BGB. Ohne diesen Hinweis tritt die Abnahmefiktion gegenüber dem Verbraucher nicht ein. Das hindert die Fälligkeit der Werklohnforderung, damit deren Realisierung und würde zu einer Klageabweisung als „derzeit unbegründet führen“.

     

    • § 650b Abs. 2 S. 1 BGB: Der Bauherr kann eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs oder eine Änderung der Werkleistung zum Erreichen des Werkerfolgs verlangen. In diesem Fall ist zunächst zu versuchen, sich über die Änderung zu einigen. Gelingt dies nicht, kann der Bauherr (Besteller) die Änderung anordnen. Auch hierfür bedarf es zumindest der Textform. Die Einigung über die Änderung wie deren Anordnung ist Grundlage für die vom Werkunternehmer zu beanspruchende Mehr- oder Mindervergütung.

     

    • § 650i BGB: Der Verbraucherbauvertrag bedarf (zumindest) der Textform. Wegen des notwendigen Inhaltes des Verbraucherbauvertrages ist auf § 650k BGB zu achten. Insbesondere ist auf die Baubeschreibung sowie verbindliche Angaben zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Werks oder, wenn dieser Zeitpunkt zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bauvertrags nicht angegeben werden kann, zur Dauer der Bauausführung zu achten.

     

    Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, muss nach § 126b BGB eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger liegt bei einem Medium vor, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und das geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Es handelt sich somit um eine lesbare, aber unterschriftlose Erklärung, aus der sich der Erklärende entnehmen lässt. Dies bedeutet auch die Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung, wobei der Empfänger sich hiermit einverstanden erklärt haben muss.

     

    PRAXISHINWEIS | Das Einverständnis kann ausdrücklich geschehen, aber auch konkludent, etwa durch Angabe der E-Mail-Adresse im Schriftverkehr.

     

    Das bloße Einstellen der in Textform zu übermittelnden Erklärung auf einer Website genügt den Anforderungen nur, wenn sichergestellt ist, dass der Empfänger diese Seite auch tatsächlich downgeloaded hat (BT-Drucksache 17/12637, S. 44). Bei der Übersendung per E-Mail genügt deren Zugang. Um die Veränderbarkeit auszuschließen, bedarf es einer Abschlussklausel oder einer Faksimile-Unterschrift o.Ä.

     

    Wichtig | Beachten Sie auch die gesonderte Formvorschrift für die Baubeschreibung beim Verbraucherbauvertrag gemäß § 650j BGB i. V. m. Art 249 §§ 1,2,3 EGBGB (FMP 17, 141). Bei deren Fehlen ist an folgende, für die Forderungsbegründung und -geltendmachung nachteiligen Rechtsfolgen zu denken:

     

    • Kündigung aus wichtigem Grund;
    • Verwirkung des Rechts auf Abschlagszahlung;
    • Schadenersatz bei vollständigem Fehlen (BT-Drucksache 18/8486, S. 62/63) oder bei Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins.

     

    Wichtig | Ist die Baubeschreibung (nur) unvollständig, geht deren Auslegung vor (§ 650k Abs. 2 BGB n.F.).

     

    MERKE | Über § 650u BGB finden § 650 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. (Textform für Änderung des Bestellers) und § 650l BGB (Belehrungspflicht über Widerrufsrecht) beim Bauträgervertrag keine Anwendung.

     

    5. Belehrungspflichten und Nachweisnotwendigkeiten

    Beachten Sie auch die normierten Belehrungspflichten: § 640 Abs. 2 S. 2 BGB (Belehrung über Abnahmefiktion beim Verbraucher(werk)vertrag (in Textform)) und § 650i BGB (Belehrung über das Widerrufsrecht beim Verbraucherbauvertrag nach gesetzlichem Muster gemäß Art. 249 § 3 EGBGB). Nach § 650o BGB sind diese Vorschriften nicht dispositiv. Da die negativen Folgen der unterlassenen Belehrung den Bauunternehmer treffen, muss er sicherstellen, die erfolgte Belehrung auch nachweisen zu können. Dies geschieht am besten durch die Formwahrung und den förmlichen Zugangsnachweis.

     

    Wurden die vertraglich geschuldeten Leistungen gemäß § 650p Abs. 2 BGB bei einem Architekten- und Ingenieurvertrag erbracht, steht dem Besteller ein zweiwöchiges Sonderkündigungsrecht nach § 650r BGB zu. Die zeitliche Begrenzung gilt für den Verbraucher aber wiederum nur, wenn er durch den Unternehmer hierauf zumindest in Textform hingewiesen wurde.

     

    Soweit keine Kündigung erfolgt, kann der Architekt oder Ingenieur auf der Grundlage der festgestellten Planungsziele weiter arbeiten und damit einen weitergehenden Vergütungsanspruch generieren. Unterlässt er die Belehrung in Textform, gefährdet er die Vergütung weitergehender Tätigkeiten, wenn später als zwei Wochen nach Übergabe der Unterlagen gekündigt wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Oft gibt es auch Handlungsgebote, ohne dass für diese eine Form vorgesehen ist, z.B. nach § 648a Abs. 4 BGB, die unverzügliche Anzeige, warum die Teilnahme an einem gemeinsamen Termin zur Feststellung des Bautenstandes nicht möglich war. Vor dem Hintergrund einer notwendigen gerichtlichen Auseinandersetzung sollten auch solche Mitteilungen und deren Zugang beweisgeeignet erfolgen, z.B. schriftlich mit Zugangsnachweis. Sofern eine Empfangsbestätigung auf der Baustelle eingeholt wird, sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass eine vertretungsberechtigte Person den Eingang bestätigt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Das neue Bauvertragsrecht ‒ ein erster Überblick, FMP 17, 123
    • Verbraucherbauvertrag nach neuem Recht, FMP 17, 141
    • Architekten-, Ingenieur- und Bauträgervertrag: Das ändert sich, FMP 17, 160
    • Neu: (Mit-)Haftung für den Lieferanten (mit Checkliste), FMP 17, 178
    Quelle: Ausgabe 11 / 2017 | Seite 194 | ID 44922271