Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Verfahrenskostenhilfe

    Bewilligung für Beteiligte im Beschwerdeverfahren

    von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

    Einem beteiligten Ehegatten kann Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz in der Versorgungsausgleichsfolgesache nicht deswegen versagt werden, weil er selbst keine Beschwerde eingelegt hat (BGH 16.1.14, XII ZB 413/12, FamRZ 14, 551, Abruf-Nr. 140525).

     

    Sachverhalt

    Das AG hat die beteiligten Eheleute geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich (VA) durchgeführt. Dabei hat es ein Anrecht der Ehefrau (F) bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund intern geteilt und ein Anrecht des Ehemannes (M) bei der DRV Knappschaft-Bahn-See, das es als knappschaftliches Anrecht angesehen hat, nach § 18 Abs. 2 VersAusglG wegen Geringfügigkeit vom Ausgleich ausgeschlossen. Dagegen hat die DRV Knappschaft-Bahn-See Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, F habe kein Anrecht in der knappschaftlichen, sondern in der allgemeinen RV erworben. Es sei mit dem des M gleichartig. Deshalb sei § 18 Abs. 1 VersAusglG einschlägig und das Anrecht der F dürfe nicht wegen Geringfügigkeit vom Ausgleich ausgeschlossen werden. Das OLG hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Beschwerde begründet sein dürfte, und aktuelle Auskünfte der Versicherungsträger eingeholt. Daraufhin hat F um Verfahrenskostenhilfe (VKH) für die Beschwerdeinstanz nachgesucht. Diese hat ihr das OLG mit der Begründung versagt, VKH könne nur für eine eigene Rechtsverfolgung oder -verteidigung bewilligt werden. F habe aber keine Verteidigungsabsicht angezeigt, sondern wolle ihre Rechte nur „verfahrensbegleitend“ wahrnehmen. Für die bloße Mitteilung, dass dem Beschwerdebegehren nicht entgegengetreten werde, sei keine anwaltliche Vertretung geboten, ebenso wie beim Anerkenntnis. Die dagegen gerichtete zugelassene Rechtsbeschwerde der F ist erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Rechtsbeschwerde der F ist begründet. Nach § 76 Abs. 1 FamFG sind die §§ 114 ff. ZPO in Familiensachen, die wie der VA nicht zu den Streitsachen gehören, entsprechend anzuwenden. Dass in diesen Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, steht der VKH-Bewilligung nicht entgegen. Demgemäß erstreckt sich die Bewilligung der VKH für die Scheidungssache nach § 149 FamFG auch auf eine VA-Folgesache, sofern das Gericht nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Für die Scheidungssache ist VKH ohne Rücksicht darauf zu bewilligen, ob der Antragsgegner der Scheidung widerspricht oder ihr zustimmt. Die VKH steht deshalb grundsätzlich selbst dem Beteiligten zu, der der Scheidung zustimmt und zum VA keinen eigenen Antrag stellt.

     

    In der Rechtsmittelinstanz dürfen jedenfalls keine strengeren Anforderungen gestellt werden, wenn das erkennbare Verfahrensziel eines Ehegatten Aussicht auf Erfolg hat. Für eine eigene Beschwerde hätte der F VKH bewilligt werden müssen, weil der dem AG unterlaufene Fehler zu ihren Lasten gegangen ist. Dass bereits ein Versorgungsträger Beschwerde eingelegt hat, stellt keinen entscheidenden Unterschied dar, weil eine Antragstellung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 16/6308, S. 212) in diesen Verfahren nicht erforderlich ist. Auch wenn ein Ehegatte der Beschwerde nur nicht entgegentritt, ist ihm beim VA nach der Scheidung jedenfalls VKH zu bewilligen, wenn die Beschwerde zu seinen Gunsten Aussicht auf Erfolg hat.

     

    Die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung richtet sich in diesen Fällen nach dem erkennbaren Verfahrensziel des Beteiligten. Die Ehegatten müssen ihre Interessen auch im Beschwerdeverfahren selbstständig wahrnehmen können. VKH kann ihnen nicht deshalb versagt werden, weil bereits ein anderer Verfahrensbeteiligter oder das Gericht ihre Interessen wahrt. Angesichts der Komplexität der Materie muss es den Ehegatten auch im Beschwerdeverfahren möglich sein, den VA sachgerecht zu beurteilen und ggf. richtigstellend einzugreifen. Zur Wahrung ihrer Rechte benötigt die F rechtskundige Unterstützung, schon weil sie die Richtigkeit der geforderten neuen Auskünfte und die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen für den VA nicht selbst beurteilen kann.

     

    Die Beratungshilfe stellt insoweit keine gleichwertige Alternative dar und kann die VKH zur Ermöglichung der sachgerechten Beteiligung im Beschwerdeverfahren nicht ersetzen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die VKH in Einzelfällen wegen Mutwilligkeit zu versagen ist.

     

    Praxishinweis

    Zutreffend weist der BGH darauf hin, dass den Ehegatten nach § 149 FamFG im erstinstanzlichen Scheidungsverbundverfahren für den VA ohne Erfolgsprüfung VKH zu bewilligen ist. In der zweiten Instanz ist dagegen nach § 76 Abs. 1 FamFG i.V. mit §§ 114 ff. ZPO VKH nur bei erfolgversprechender Rechtsverfolgung oder -verteidigung zu bewilligen. Ein Ehegatte, der nicht selbst Beschwerde führt, müsste danach einen Verteidigungswillen haben, d.h. der Beschwerde entgegentreten wollen. Der BGH lässt es jedoch für die VKH genügen, dass die von einem anderen Beteiligten eingelegte Beschwerde erfolgversprechend ist und der Ehegatte wegen der rechtlichen Schwierigkeit des VA ein Bedürfnis für eine sachkundige Beratung hat. Dies wird hier bejaht, „schon weil“ die F die Richtigkeit der neu einzuholenden Auskünfte nicht selbst beurteilen kann. Die Formulierung des BGH deutet darauf hin, dass VKH grundsätzlich auch bewilligt werden könnte, wenn über die Beschwerde ohne neue Auskünfte entschieden werden kann. Allerdings macht der BGH eine Einschränkung für den Fall der Mutwilligkeit. Deshalb ist dem um VKH nachsuchenden Ehegatten anzuraten, dem Antrag auf VKH für die Beschwerdeinstanz noch keine Stellungnahme zur Beschwerde beizufügen. Mutwilligkeit könnte anzunehmen sein, wenn ausdrücklich erklärt wird, dass der Beschwerde nicht entgegengetreten wird oder dass diese begründet sein dürfte.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Die DRV Knappschaft-Bahn-See verwaltet nicht nur Anrechte der knappschaftlichen Versicherung, sondern auch Anrechte der allgemeinen Versicherung, die einen geringeren Wert haben als knappschaftliche Anrechte und somit nicht von gleicher Art i.S. des § 18 Abs. 1 VersAusglG sind. Bei Auskünften der DRV Knappschaft-Bahn-See muss daher immer genau auf die Art der dort erworbenen Anrechte geachtet werden.
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 177 | ID 42847878