Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich

    Schnell übersehene Schätze:Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung

    von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

    | Ansprüche auf schuldrechtlichen VA nach §§ 20 bis 24 VersAusglG erlöschen mit dem Tod eines Ehegatten, § 31 Abs. 3 S. 1 VersAusglG. Ist der Ausgleichspflichtige gestorben, kann dem Ausgleichsberechtigten aber unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung zustehen, § 31 Abs. 3 S. 2 i. V. m. §§ 25, 26 VersAusglG. |

    1. Basics

    Dem schuldrechtlichen VA vorbehalten bleiben Versorgungsanrechte, die mangels Ausgleichsreife (§ 19 VersAusglG) nicht in den Wertausgleich bei der Scheidung nach §§ 9 ff. VersAusglG einbezogen werden konnten, aber gem. § 224 Abs. 4 FamFG vom Gericht in der Entscheidung benannt worden sind (BGH FK 14, 49; 15, 65), sowie Anrechte, die nach früherem Recht nicht oder nicht vollständig im öffentlich-rechtlichen VA ausgeglichen werden konnten, § 1587f BGB a. F., § 2 VAHRG. Ist das Anrecht auf eine Rente gerichtet, kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte vom Ausgleichspflichtigen eine Ausgleichsrente verlangen, sobald der Anspruch fällig ist, § 20 Abs. 2 VersAusglG. Ist ein Anrecht i. S. d. BetrAVG oder des AltZertG auf eine Kapitalzahlung (in einem Betrag oder in Raten) gerichtet und unterliegt damit gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 VersAusglG dem VA, hat der Ausgleichsberechtigte einen Anspruch auf Auszahlung eines Kapitalbetrags i. H. d. Ausgleichswerts, § 22 VersAusglG. Mit dem Tod des Ausgleichspflichtigen erlöschen die Ausgleichsansprüche und können ‒ mit Ausnahme rückständiger Beträge (§ 31 Abs. 3 S. 3 VersAusglG) ‒ nicht mehr gegen die Erben geltend gemacht werden. Der Berechtigte kann aber einen Anspruch gegen den Versorgungsträger (VT, § 25 VersAusglG) oder ‒ wenn das ausgeglichene Anrecht bei einem ausländischen, zwischen- oder überstaatlichen VT besteht ‒ gegen die Witwe/den Witwer des Ausgleichspflichtigen (§ 26 VersAusglG) haben.

     

    MERKE | § 25 VersAusglG gibt dem Ausgleichsberechtigten einen eigenständigen Anspruch gegen den VT. Es ist nicht erforderlich, dass vor dem Tod des Ausgleichspflichtigen ein fälliger schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen diesen bestand. Die Beteiligten werden auch nicht durch eine gerichtliche Entscheidung gebunden, mit der dem Ausgleichspflichtigen zu dessen Lebzeiten die Zahlung einer Ausgleichsrente aufgegeben worden war. Der Ausgleichsberechtigte muss seinen Ausgleichsanspruch daher ggf. neu gegen den VT titulieren lassen, wenn sie sich nicht außergerichtlich einigen (BGH FK 18, 79).

     

    2. Anspruchsvoraussetzungen

    Ein Anspruch auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung kann hinsichtlich eines „noch nicht ausgeglichenen Anrechts“ bestehen, § 25 Abs. 1 VersAusglG. Dabei muss es sich um ein Anrecht handeln, das an sich gem. §§ 20 bis 24 VersAusglG durch schuldrechtliche Ausgleichszahlungen des verpflichteten Ehegatten auszugleichen wäre, wenn dieser noch leben würde. Die Voraussetzungen, um den schuldrechtlichen VA durchzuführen, müssen beim Tod des Ausgleichspflichtigen dem Grunde nach vorgelegen haben. Der Ausgleichsanspruch des Berechtigten muss aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht (i. S. v. § 20 Abs. 2 VersAusglG) fällig gewesen sein. Für Teilhabeansprüche kommen ‒ ebenso wie für den schuldrechtlichen Ausgleich nach § 20 VersAusglG ‒ in Betracht Anrechte,

    • die im Wertausgleich bei der Scheidung nach neuem Recht (§§ 9 ff. VersAusglG) festgestellt, aber wegen fehlender Ausgleichsreife (§ 19 VersAusglG) gem. § 224 Abs. 4 FamFG in den schuldrechtlichen VA verwiesen worden sind,
    • die im öffentlich-rechtlichen VA nach früherem Recht (§§ 1587a, 1587b BGB a.F., § 1 VAHRG) ganz oder zum Teil unberücksichtigt geblieben sind.

     

    Ein Teilhabeanspruch besteht nur, wenn das auszugleichende Anrecht eine Witwen- bzw. Witwerversorgung umfasst. An einer solchen partizipiert über den Anspruch nach § 25 VersAusglG zwingend auch der geschiedene Ehegatte; eine in der maßgebenden Versorgungsregelung vorgesehene Beschränkung auf eine noch bestehende Ehe ist unwirksam. Sieht die Versorgungsregelung allerdings ‒ wie üblich ‒ vor, dass die Hinterbliebenenrente im Fall der Wiederheirat der Witwe/des Witwers ruht oder erlischt, so erstreckt sich diese Rechtswirkung auch auf den geschiedenen Ehegatten, sodass der Berechtigte seinen Teilhabeanspruch mit erneuter Eheschließung verliert (BGH FamRZ 11, 961).

     

    Gem. § 25 Abs. 2 VersAusglG ist der Teilhabeanspruch ausgeschlossen, wenn die Ehegatten ein Anrecht in einer Vereinbarung dem schuldrechtlichen VA vorbehalten haben. Das Gleiche gilt in bestimmten Fällen fehlender Ausgleichsreife bei der Scheidung (degressive Leistungsbestandteile und Unwirtschaftlichkeit des Ausgleichs, § 19 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VersAusglG). Der Ausschluss umfasst darüber hinaus auch an sich dem Wertausgleich zugänglich gewesene inländische Anrechte, die das Familiengericht im Hinblick auf ausländische Anrechte des anderen Ehegatten gem. § 19 Abs. 3 VersAusglG dem schuldrechtlichen VA vorbehalten hat (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 22, 689).

    3. Höhe des Teilhabeanspruchs

    Der Anspruch gegen den VT wird begrenzt durch

    • den Betrag, den der Ausgleichsberechtigte vom VT als Hinterbliebenenversorgung erhielte, wenn die Ehe bis zum Tod des Ausgleichspflichtigen fortbestanden hätte (§ 25 Abs. 1 VersAusglG), und

     

    • den Betrag, den der Berechtigte als schuldrechtliche Ausgleichsrente vom Ausgleichspflichtigen selbst verlangen könnte, wenn dieser noch leben würde, § 25 Abs. 3 S. 1 VersAusglG. Maßgeblich ist insoweit der Ausgleichswert des auszugleichenden Anrechts als Hälfte des Ehezeitanteils, § 20 Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 2 S. 2 VersAusglG. Der Ehezeitanteil ist nach § 41 VersAusglG zu berechnen. Bei einem auf eine Kapitalleistung gerichteten Anrecht i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 VersAusglG ist der Ausgleichswert entsprechend § 20 VersAusglG zu ermitteln, § 22 S. 2 VersAusglG. Nach Ehezeitende eingetretene Wertveränderungen sind zu beachten, § 5 Abs. 2 S. 2 und Abs. 4 S. 2 VersAusglG. Hatten sich die geschiedenen Ehegatten auf eine Ausgleichsrente geeinigt, die niedriger war als der gesetzliche Ausgleichswert, ist auch dies zu beachten (BGH FK 18, 46). Sämtliche Härtegründe i. S. v. § 27 VersAusglG, die bei gerichtlicher Festsetzung der Ausgleichsrente (§ 20 VersAusglG) berücksichtigt worden sind oder zu berücksichtigen wären, wirken sich auf die Höhe des Teilhabeanspruchs aus (OLG Schleswig FamRZ 21, 1285).

     

    PRAXISTIPP | I. d. R. ist die Hinterbliebenenversorgung höher als die schuldrechtliche Ausgleichsrente. Deshalb ist zunächst die Ausgleichsleistung zu ermitteln, die der Verpflichtete im Zeitpunkt seines Todes schuldete oder geschuldet hätte, wenn die Fälligkeitsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 VersAusglG bereits vorgelegen hätten. Anschließend ist die errechnete Ausgleichsleistung ggf. auf den Betrag der fiktiven Hinterbliebenenversorgung zu kürzen.

     

    Die Berechnung der vom VT zu leistenden Ausgleichsrente erfolgt als Bruttobetrag. Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbare Aufwendungen sind ‒ anders als bei der vom Ausgleichspflichtigen selbst nach § 20 Abs. 1 VersAusglG geschuldeten Ausgleichsrente ‒ nicht abziehbar; § 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG ist auf den Teilhabeanspruch nicht entsprechend anwendbar, weil die Beiträge nach dem Tod des Ausgleichspflichtigen allein aufseiten des Ausgleichsberechtigten anfallen (BGH FK 18, 46). Folglich muss ein Nettobetrag, auf den sich geschiedene Ehegatten auf schuldrechtliche Ausgleichsrente geeinigt hatten, in einen Bruttobetrag umgerechnet werden, um den entsprechenden Teilhabeanspruch nach § 25 VersAusglG zu ermitteln (OLG Schleswig FamRZ 21, 1285).

    4. Ausgestaltung des Teilhabeanspruchs

    Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Teilhabeanspruchs verweist § 25 Abs. 4 auf § 20 Abs. 3 VersAusglG, der seinerseits auf § 1585 Abs. 1 S. 2 und 3 und 1585b Abs. 2 und 3 BGB Bezug nimmt. Folge: Auch der Anspruch gegen den VT richtet sich auf Zahlung einer monatlichen Geldrente. Streitig und noch nicht höchstrichterlich entschieden (vgl. BGH FamRZ 22, 1517 Rn. 29) ist jedoch, ob der VT die Ausgleichsrente auch gem. § 1585 Abs. 1 S. 2 BGB monatlich im Voraus entrichten muss, wenn die Rente des verstorbenen Ehegatten und die Witwen- bzw. Witwerrente nach den maßgeblichen Versorgungsbestimmungen erst zum Monatsende zu zahlen wäre (dafür z. B. OLG Nürnberg FamRZ 16. 550; dagegen z. B. OLG Hamm FamRZ 19, 1692; OLG Schleswig FamRZ 21, 1285; OLG Zweibrücken FamRZ 22, 354).

    5. Schutz des VT vor Doppelbelastung

    Eine doppelte Belastung des VT wird zum einen dadurch verhindert, dass er die Hinterbliebenenversorgung, die er nach der Versorgungsregelung an den neuen Ehegatten des Verstorbenen zahlen muss, um den dem Ausgleichsberechtigten nach § 25 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 VersAusglG zustehenden Betrag kürzen kann, § 25 Abs. 5 VersAusglG. Soweit er während des laufenden Verfahrens aufgrund einer bisherigen Leistungspflicht noch Versorgungsleistungen an die Witwe/den Witwer des Ausgleichspflichtigen erbringt, wird er zudem durch § 30 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 VersAusglG vor einer doppelten Inanspruchnahme geschützt. In Höhe dieser Leistungen wird er während der in § 30 Abs. 2 VersAusglG genannten Übergangsfrist (Ende des Monats, der auf den Monat folgt, in dem er von der Rechtskraft der Entscheidung Kenntnis erlangt hat) von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Ausgleichsberechtigten befreit. Im Verfahren über Ansprüche nach § 25 VersAusglG kann jedoch nicht darüber entschieden werden, ob und inwieweit der VT bereits mit befreiender Wirkung an die Witwe/den Witwer geleistet, wann er Kenntnis von der Rechtskraft der Entscheidung erlangt und bis wann demzufolge die Übergangszeit i. S. v. § 30 Abs. 2 VersAusglG gedauert hat. Dem muss der Tenor der Gerichtsentscheidung durch einen Feststellungsausspruch in abstrakter Formulierung Rechnung tragen (BGH FK 18, 79). Auch bei der Antragstellung kann dies beachtet werden (s. u. 5).

     

    Soweit die Hinterbliebenenrente der Witwe/dem Witwer des Ausgleichspflichtigen seit Rechtskraft der Entscheidung materiell nicht mehr zustand, kann der Ausgleichsberechtigte gegen die Witwe/den Witwer Bereicherungsansprüche nach §§ 812, 816 Abs. 2 BGB geltend machen, § 30 Abs. 3 VersAusglG. Bei einem gerichtlichen Verfahren darüber handelt es sich nach zutreffender Ansicht nicht um eine VA-Sache i. S. d. § 217 FamFG, sondern um eine sonstige Familien(streit)-sache i. S. d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG (OLG Frankfurt FamRZ 21, 1292).

    6. Verfahren

    Das Verfahren über den Teilhabeanspruch nach § 25 VersAusglG wird auf Antrag an das (gem. § 217 FamFG örtlich zuständige) Familiengericht eingeleitet, § 223 FamFG. Dieser braucht nicht beziffert zu werden. Der Ausgleichsberechtigte sollte lediglich darlegen, welches Verfahrensziel er verfolgt und auf welche tatsächlichen Verhältnisse er seinen Antrag stützt.

     

    Musterformulierung / Antrag nach § 25 VersAusglG

    Es wird beantragt, festzustellen, dass der Antragsgegner (Versorgungsträger) zum Ausgleich der Versorgung des … (verstorbenen Ausgleichspflichtigen) für die Zeit ab … (Verzug oder Rechtshängigkeit des Antrags) bis zum Ablauf des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Antragsgegner Kenntnis von der Rechtskraft der Entscheidung erlangt, als Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung eine monatliche Rente an die Antragstellerin zu zahlen hat, soweit der Antragsgegner in diesem Zeitraum nicht mit befreiender Wirkung an weitere Beteiligte (Witwe/Witwer des verstorbenen Ausgleichspflichtigen) gezahlt hat.

     

    Weiter wird beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, vom Beginn des zweiten Monats nach Ablauf des Monats, in dem der Antragsgegner Kenntnis von der Rechtskraft der Entscheidung erlangt, eine monatliche Ausgleichsrente, fällig monatlich im Voraus, an die Antragstellerin zu zahlen.

     

    Beteiligte des Verfahrens sind nur der ausgleichsberechtigte Ehegatte als Antragsteller und der VT als Antragsgegner sowie ggf. die Witwe/der Witwer des Ausgleichspflichtigen. Das Gericht erlässt einen Zahlungstitel, aus dem der Berechtigte nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 FamFG i. V. m. §§ 802a ff. ZPO die Zwangsvollstreckung betreiben kann.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2023 | Seite 51 | ID 47968559