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  • · Fachbeitrag · Nicht miteinander verheiratete Eltern

    Elterliche Sorge nach der Gesetzesänderung

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle

    | Der EuGHMR (FamRZ 10, 103) und das BVerfG (FamRZ 10, 1403) haben durch das bisher geltende deutsche Recht eine Diskriminierung von Vätern außerehelich geborener Kinder beim Zugang zur gemeinsamen elterlichen Sorge festgestellt. Am 31.1.13 beschloss der Bundestag daher das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern (BT-Drucksache 17/11048). Der Bundesrat hat keinen Einspruch erhoben. Das Gesetz tritt einen Monat nach seiner bisher nicht erfolgten Verkündung in Kraft. Der folgende Beitrag fasst die wichtigsten Änderungen zusammen. |

    1. Grundsatzänderung im materiellen Recht

    Nach der neu eingefügten Nr. 3 in § 1626a Abs. 1 BGB steht unverheirateten Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zu, soweit sie ihnen durch das Familiengericht (FamG) übertragen wird. Laut dem geänderten Abs. 2 der Norm darf eine Übertragung dem Kindeswohl nicht widersprechen. Trägt der andere Elternteil keine entsprechenden Gründe vor und sind solche nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht (Abs. 2 S. 2). Dem Vater wird die Möglichkeit eröffnet, beim FamG die gemeinsame elterliche Sorge zu erstreiten. Gemäß Abs. 3 verbleibt es im Übrigen bei der elterlichen Alleinsorge der Mutter.

     

    PRAXISHINWEIS | Das neue Verfahren zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge steht auch den Elternteilen zur Verfügung, deren Kinder vor Inkrafttreten der Neuregelung geboren sind (BT-Drucksache 17/11048, 21).

     

    Der gemäß § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB erforderliche Antrag kann von jedem Elternteil gestellt werden. Der Regelfall dürfte jedoch eine Antragstellung des Vaters sein. Der Antrag kann beim FamG gestellt werden, ohne dass der Antragsteller zunächst eine Sorgeerklärung beim Jugendamt abgegeben hat (BT-Drucksache 17/11048, 22).

     

    PRAXISHINWEIS | Da die Abgabe einer Sorgeerklärung beim Jugendamt nach § 64 Abs. 1 S. 1 SGB X kostenfrei ist, sollte in Verfahren, für die Verfahrenskostenhilfe (VKH) beantragt wird, zwecks Vermeidung einer Versagung wegen Mutwilligkeit, zunächst die Gegenseite aufgefordert werden, gemeinsam eine Sorgeerklärung beim Jugendamt abzugeben.

     

    a) Negative Kindeswohlprüfung

    Die gesetzliche Neuregelung geht über die Übergangsregelung des BVerfG insoweit hinaus, als das FamG nach § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB nur eine negative Kindeswohlprüfung vornimmt, die gemeinsame elterliche Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern also als widerlegbaren Regelfall ansieht.

     

    Sofern dem FamG Anhaltspunkte bekannt werden, dass die Übertragung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl widersprechen könnte, dürfte zu klären sein, ob die bisher von BVerfG (FamRZ 03, 285) und BGH (FamRZ 05, 1167; 08, 592) geforderte tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern besteht. Zur Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge reicht ein Widerspruch der Mutter nicht aus. Die Fähigkeit zu kooperativem Verhalten äußert sich vorrangig darin, dass Eltern in der Lage sind, persönliche Interessen und Differenzen zurückzustellen. Dazu gehört, den anderen Elternteil als Erzieher und gleichwertigen Bindungspartner des Kindes zu respektieren sowie ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten etwa über den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil (BGH FamRZ 08, 592).

     

    b) Differenzierter Tatsachenvortrag zur Entkräftung der Vermutung

    Soll die Vermutung des § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB entkräftet werden, ist differenzierter Tatsachenvortrag nötig, der anhand konkreter Vorfälle die Schwierigkeiten zwischen den Eltern schildert. Erst unüberbrückbare, dem Kindeswohl schädliche Konflikte rechtfertigen die alleinige elterliche Sorge. Sofern angesichts der Entwicklung in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass Eltern auch künftig nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzung beizulegen, ist eine erzwungene Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich.

     

    Die gesetzliche Vermutung greift, wenn der andere Elternteil zu dem Antrag keine Stellung bezieht oder für die Kindeswohlprüfung nicht bedeutende Gründe vorträgt. Solche Gründe sind z.B. (BT-Drucksache 17/1148, 24):

     

    • Wunsch der Mutter, sie wolle auch in Zukunft allein entscheiden,
    • Einwand der Mutter, sie wisse nicht, wie sie sich mit dem Vater vertrage,
    • Einwand, es bestehe keine Notwendigkeit, weil der Vater mit Vollmachten ausgestattet sei und in Kürze keine wichtigen Entscheidungen anstünden.

    2. Verfahrensrechtliche Änderung

    Das Verfahren nach § 1626a Abs. 2 BGB richtet sich nach dem neu eingefügten § 155a FamFG:

     

    • Das Gericht stellt dem anderen Elternteil den Sorgeantrag zu und setzt ihm eine Stellungnahmefrist, die für die Mutter frühestens sechs Wochen nach der Geburt endet, § 155a Abs. 2 S. 2 FamFG.

     

    • Sind der gemeinsamen Sorge widersprechende Gründe nicht ersichtlich, soll das Gericht im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamts und persönliche Anhörung der Eltern entscheiden, § 155a Abs. 3 FamFG.

     

    • Das Gericht teilt dem zuständigen Jugendamt seine Entscheidung unter Angabe von Geburtsdatum und -ort des Kindes formlos mit. Nach § 155a Abs. 5 FamFG können Sorgerechtserklärungen und Zustimmung des gesetzlichen Vertreters eines beschränkt geschäftsfähigen Elternteils auch im Erörterungstermin zur Niederschrift des Gerichts erklärt werden.

     

    Mit der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung in § 155a FamFG will der Gesetzgeber den Weg zum gemeinsamen Sorgerecht durch ein vereinfachtes Verfahren erleichtern. Die im Gesetz vorgesehene Schutzfrist der Mutter von sechs Wochen führt dazu, dass der Vater innerhalb dieser Zeit generell ohne ausreichende Gründe von der gemeinsamen Sorge ausgeschlossen ist. In diesen Zeitraum fallen aber wichtige Entscheidungen, etwa über Namen und Religionszugehörigkeit, Anmeldung beim Standesamt sowie gesundheitliche Maßnahmen. Eine Begründung für die Schonfrist enthält das Gesetz nicht.

     

    Musterformulierung / Übertragung der gemeinsamen Sorge

    In der Kindschaftssache

    das minderjährige Kind Klara Mustermann betreffend

     

    wird beantragt,

     

    die elterliche Sorge für das am ... in ... geborene Kind Klara Mustermann, den Eltern gemeinsam zu übertragen.

     

    Trägt der andere Elternteil in der gesetzten Frist schriftlich kindeswohlrelevante Bedenken vor, richtet sich das Verfahren nur nach §§ 151 ff. FamFG und ist beschleunigt durchzuführen. Fehlt es an solchen Einwendungen, soll das Gericht ohne Anhörung des Jugendamts und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheiden. Anders als im Regierungsentwurf ist in Ausnahmefällen eine schriftliche Entscheidung des Gerichts im beschleunigten Verfahren möglich (BT-Drucksache 17/12098, 4). Das Gericht muss aber das Kind nach § 159 FamFG anhören (BT-Drucksache 17/11048, 33).

    3. Übertragung der Alleinsorge

    Neu ist, dass der Vater gemäß § 1671 Abs. 2 S. 1 BGB die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge oder eines Teils hiervon durch das FamG auf sich verlangen kann, wenn die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben oder die elterliche Sorge nach § 1626a Abs. 3 BGB der Mutter zusteht. Dem Antrag ist laut § 1671 Abs. 2 S. 2 BGB stattzugeben, soweit

    • die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung oder
    • eine gemeine Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
    •  

    Die Vorschrift ist neu konzipiert worden. In § 1671 Abs. 1 BGB sind die früheren Abs. 1 und 2 der Norm, die inhaltlich beibehalten worden sind, enthalten. Geregelt sind die Fälle, in denen Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben und ein Elternteil die Übertragung der Alleinsorge begehrt. Auch die Möglichkeiten durch § 1671 Abs. 2 BGB sind komplett neu. Die Vorschrift beinhaltet die Fälle, in denen ein Vater bei Alleinsorge der Mutter die Übertragung des Sorgerechts auf sich erstrebt. Zusätzlich zu den in § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB geregelten Fällen ist eine negative Kindeswohlprüfung nötig.

     

    Anders als im Fall des § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB kommt es zu einem vollständigen Austausch des Sorgeberechtigten (BT-Drucksache 17/11048, 27). Kommt nach § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht, ist die Alleinsorge des Vaters auszusprechen, wenn die Übertragung dem Kindeswohl entspricht, ohne dass es einer Zustimmung der Mutter bedarf.

    4. Möglichkeit der Abänderung von Entscheidungen

    Der neu gefasste § 1696 Abs. 1 S. 2 BGB regelt die Abänderung gerichtlicher Entscheidungen nach § 1626a Abs. 2 BGB (Sorgerechtsübertragung auf beide Elternteile gemeinsam). Anders als gemäß § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB ist es nicht notwendig, dass eine Abänderung aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Maßgeblich ist allein, ob die beantragte Änderung dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Bei Zustimmung des anderen Elternteils muss das Gericht dem Antrag sogar ohne Kindeswohlprüfung stattgeben, § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB.

    5. Fazit

    Zwar ist das neue Gesetz ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Regelung, letztlich aber nur ein halbherziger Koalitionskompromiss. Verheiratete und nicht verheiratete Väter und deren Kinder sind weiterhin nicht gleichgestellt.

     

    Auch im europäischen Rechtsvergleich erweist sich der Gesetzentwurf als restriktiv. Aus der Entscheidung des BVerfG (a.a.O.) wird deutlich, dass in der ganz überwiegenden Zahl von Ländern der Europäischen Union für unverheiratete Eltern kraft Gesetzes die gemeinsame elterliche Sorge besteht. Damit wird eine Gleichstellung mit verheirateten Eltern erreicht. Das französische Recht z.B. kennt nur die „Eltern“.

     

    Verhärtete politische Positionen haben vorliegend eine wirkliche Gleichstellung verhindert. Ob die gesetzliche Neuregelung tatsächlich einen schnelleren und unbürokratischen Weg (Pressemitteilung des BMJ vom 31.1.13) darstellt, ist äußerst fraglich. Es bleibt zu hoffen, dass sich die familiengerichtliche Praxis von dem Grundsatz der Gleichheit aller Lebensformen leiten lässt und die gesetzliche Neuregelung nicht nur zu „ein bisschen mehr Vater fürs Kind“ führt. Angesichts der nach wie vor bestehenden Ungleichbehandlung wird wohl letztlich der EuGHMR zu entscheiden haben.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 87 | ID 39058610