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  • · Fachbeitrag · Elterliche Sorge

    Gemeinsames Sorgerecht: Vertretungsrecht im Vaterschaftsanfechtungsverfahren

    von RAin Andrea Kern, FAin Familienrecht, Hamburg

    Sind die Eltern gemeinsam sorgeberechtigt, ist die nicht mehr mit dem rechtlichen Vater verheiratete Mutter im Vaterschaftsanfechtungsverfahren des rechtlichen Vaters nicht vertretungsbefugt. Es bedarf einer Ergänzungspflegschaft (OLG Oldenburg 27.11.12, 13 UF 128/12, OLG Report Nord 1/2013, Anm. 2, Abruf-Nr. 130501).

    Sachverhalt

    Die Eltern üben nach rechtskräftiger Scheidung das gemeinsame Sorgerecht für das während bestehender Ehe geborene Kind K aus. Der rechtliche Vater V des K strengte einen Vaterschaftsanfechtungsprozess an und stellte einen Antrag auf Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft zur Vertretung des in diesem Verfahren beteiligten K. Der Antrag wurde abgelehnt mit dem Hinweis, dass K im Abstammungsverfahren von seiner Mutter M vertreten werden könne. Die Entscheidung des BGH vom 21.3.12 (XII ZB 510/10, NJW 12, 1731), auf die sich V beruft, sei nicht einschlägig, da M und V geschieden seien.

    Entscheidungsgründe

    Die Beschwerde des V ist zulässig (§ 11 RpflG in Verbindung mit §§ 58 ff. FamFG) und begründet. Die Ergänzungspflegschaft ist erforderlich. Der anzuwendende § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB normiert verschiedene Gründe für den Ausschluss der vormundschaftlichen Vertretungsmacht. Dem Wortlaut nach sind nur miteinander verheiratete Eltern von der Vertretungsmacht ausgeschlossen.

     

    Anwendbare Ausschlussnorm muss erweitert ausgelegt werden

    Regelungszweck des § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist es aber, Konfliktlagen zu regeln, in denen Eltern gemeinsam sorgeberechtigt sind, einer der Elternteile jedoch gemäß § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795 BGB von der Vertretung ausgeschlossen ist. Der Grundsatz der Gesamtvertretung bedeutet, dass nur beide Eltern gemeinsam zur Vertretung des Kindes befugt sind. Daher wächst dem anderen Elternteil nicht das Alleinvertretungsrecht zu, wenn der eine Elternteil kraft Gesetzes von der Vertretung ausgeschlossen ist.

     

    Dies gilt unabhängig davon, ob auch in der Person des anderen Elternteils ein Fall des § 1795 BGB vorliegt. Die Konfliktlage ändert sich nicht durch Scheidung der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern. Dass eine Regelung für unverheiratete Eltern nicht enthalten ist, wird mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm verständlich. Zur Entstehungszeit der Norm gab es keine gemeinsame elterliche Sorge nach der Scheidung oder für außerehelich geborene Kinder, sodass diese Konstellation nicht denkbar war.

     

    Geändertes Verfahrensrecht zwingt zu keinem anderen Ergebnis

    Auch die Änderung des Verfahrensrechts, die mit dem Inkrafttreten des FamFG eintrat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Entscheidung des BGH vom 21.3.12 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des FamFG die materielle Rechtslage über die Vertretung in Abstammungssachen nicht ändern wollte.

    Praxishinweis

    Im Ergebnis ist der Entscheidung zuzustimmen. Nicht verständlich ist die Begründung mit einer erweiterten Auslegung des § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Da K minderjährig und nicht verfahrensfähig ist, benötigt es einen gesetzlichen Vertreter, § 9 Abs. 2 FamFG. Der anfechtende V ist von der Vertretung ausgeschlossen. Der Senat zog den Grundsatz der Gesamtvertretung (Palandt/Götz, BGB, 72. Aufl., § 1629 Rn. 6) heran und verneinte ein Anwachsen der Vertretungsbefugnis zu einem Alleinvertretungsrecht der M. Im Folgenden hätte es keiner weiteren Prüfung zum Vorliegen eines Ausschlusses der M von der Vertretungsmacht bedurft.

     

    Dass die abstrakte Gefahr eines Interessengegensatzes ausreichen und § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB Maßstab sein muss, zeigt sich daran, dass der Gesetzgeber in Vaterschaftsklärungsverfahren beide Elternteile und die herrschende Meinung in Vaterschaftsanfechtungsverfahren den Vater von der Vertretung ausschließen - mit Hinweis auf eine abstrakte Gefahr. Dass es nicht auf eine konkrete Gefahr ankommt, ergibt sich auch aus der Entscheidung des BGH vom 27.3.02 (XII ZR 203/99, MDR 02, 948). Eine unterschiedliche Behandlung von Müttern und Vätern oder verheirateten und nicht verheirateten Eltern ist vor dem Hintergrund der Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 GG nicht gerechtfertigt.

     

    Die Norm ist doppelt analog anzuwenden, da § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB den Ausschluss der Vertretungsmacht im Fall eines Rechtsstreits regelt, das Abstammungsverfahren aber nach dem FamFG keine Familienstreitsache und gemäß § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG nicht als Rechtsstreit zu bezeichnen ist. Die Eltern und das Kind sind, anders als noch nach der ZPO, Beteiligte gemäß § 172 Abs. 1 FamFG. Das Verfahren wird nur auf Antrag eingeleitet, der Strengbeweis gilt, und die Entscheidung entfaltet inter omnes Wirkung.

     

    FAZIT | Der Ausschluss der Vertretungsbefugnis des anfechtenden V entspricht der herrschenden Meinung, ist aber nach wie vor nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, sondern wird aus § 1795 Abs. 2, § 181 BGB hergeleitet (vgl. BGH 21.3.12, a.a.O.). Wird kein Ergänzungspfleger bestellt und ist das Kind im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten, liegt ein von Amts wegen zu überprüfender, absoluter Verfahrensmangel im Sinne des § 72 Abs. 3 FamFG in Verbindung mit § 547 Nr. 4 ZPO vor, sodass die Sache an das Beschwerdegericht zurückverwiesen werden muss. Eine Heilung des Mangels ist nicht möglich (Unger in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 3. Aufl., § 74 Rn. 12).

    Weiterführender Hinweis

    • FK 12, 192, zur gemeinsamen elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 47 | ID 37812480