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  • · Fachbeitrag · Verfassungsrecht

    BVerfG: Sogenanntes Ehegattensplitting auch für eingetragene Lebenspartner

    von RAin Andrea Kern, FAin Familienrecht, Hamburg

    • 1.Der Ausschluss von eingetragenen Lebenspartnerschaften von der Möglichkeit der Zusammenveranlagung und der Inanspruchnahme des Splittingverfahrens ist mit dem GG unvereinbar.
    • 2.Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den Verfassungsverstoß mit Wirkung zum 1.8.01 zu beseitigen.
    • 3.Die §§ 26, 26b, 32a EStG sind bis zu einer Neuregelung mit der Maßgabe anzuwenden, dass mit Wirkung ab dem 1.8.01 eingetragene Lebenspartnerschaften die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und des Splittingverfahrens haben.
     

    Sachverhalt

    Das BVerfG hatte sich mit mehreren zu einem Verfahren verbundenen Verfassungsbeschwerden zu beschäftigen. Eingetragenen Lebenspartnern steht derzeit gesetzlich anders als Ehegatten keine Wahl zur Zusammenveranlagung offen. Damit steht ihnen je nach den Einkommensverhältnissen die Möglichkeit der Inanspruchnahme steuerlicher Erleichterungen nicht zu. Dem steht das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (BGBl I, 266), das am 1.8.01 in Kraft trat, entgegen.

     

    Entscheidungsgründe

    Die in §§ 26, 26b EStG geregelte Zusammenveranlagung und in § 32a Abs. 5 EStG gegebene Möglichkeit, das Splittingverfahren zu wählen, ist, soweit es eingetragene Lebenspartnerschaften ausschließt, verfassungswidrig. Die Ausnahme der eingetragenen Lebenspartner verstößt gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern knüpft zwar unmittelbar an den Familienstand an, betrifft aber mittelbar die sexuelle Orientierung. Die Wahl zwischen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft ist untrennbar mit der sexuellen Orientierung verbunden.

     

    Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung folgt nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG und dem Gebot des Schutzes der Ehe. Der staatliche Schutz- und Förderauftrag erlaubt es zwar, die Ehe als Lebensform gegenüber Paarbeziehungen, die keine vergleichbaren Pflichten begründen, zu begünstigen. Der Gesetzgeber muss sich aber an seiner Wertentscheidung durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften festhalten lassen. Eine Rechtfertigung folgt auch nicht aus der Typisierungsbefugnis, die dem Gesetzgeber im Steuerrecht zum Zweck der Vereinfachung der Verwaltungsverfahren zusteht. Der Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 GG erfordert eine Typisierung solcher Art gerade nicht, denn die eingetragene Lebenspartnerschaft verweist in weitem Umfang auf die gesetzlichen Regelungen zur Ehe und ist ihr daher in den wesentlichen Punkten gleich.

     

    Der Zweck der §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG rechtfertigt diese Ungleichbehandlung ebenso nicht. Der Möglichkeit der Zusammenveranlagung und der Wahl des Splittingtarifs liegt der Gedanke zugrunde, dass in einer Ehe gemeinsam gewirtschaftet und verbraucht wird. Die Rechte und Pflichten einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gestaltet diese Partnerbeziehung ebenso wie die Ehe als eine Verantwortungsbeziehung aus. Auch ihr liegt der Gedanke des gemeinsamen Wirtschaftens und Verbrauchens zugrunde. Die für die zulässige Typisierung entscheidenden Eckpunkte sind gleich. Andere, hinreichend gewichtige Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

     

    Praxishinweis

    Grundsätzlich hat das BVerfG nach dem BVerfGG bei einem Verfassungsverstoß die Wahl, eine Norm für nichtig oder für unvereinbar mit dem GG zu erklären. Die daraus resultierenden, unterschiedlichen Wirkungen sind erheblich. Damit die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und des Splittingverfahrens überhaupt bestehen bleibt, entschied sich das BVerfG gegen die Nichtigerklärung und für die Unvereinbarkeitserklärung.

     

    Das BVerfG forderte, dass der seit dem 1.8.01 bestehende verfassungswidrige Zustand, jedenfalls soweit noch nicht bestandskräftige Bescheide betroffen sind, zu beenden ist. Es ließ aber offen, ob der Gesetzgeber in eine Neuregelung auch bereits bestandskräftige Bescheide einbeziehen sollte. Das BVerfG bleibt mit der Forderung nach einer steuerlichen Gleichbehandlung für den Zeitpunkt ab 1.8.01 konsequent auf seiner Linie. Unter anderem in der Entscheidung vom 18.7.12 (1 BvL 16/11, Abruf-Nr. 122485) zum Jahressteuergesetz 2010, nach dem die Gleichbehandlung im Grunderwerbsteuerrecht erst für Erwerbsvorgänge ab dem 13.12.10 erfolgen sollte, forderte der BVerfG die Gleichbehandlung ab diesem Stichtag.

     

    Zur Beratung des Bundestags am 27.6.13 lagen verschiedene Gesetzesentwürfe der Fraktionen zur Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vor, wobei der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP (Drucksache 17/13870 vom 11.6.13) angenommen wurde. Dieser Gesetzesentwurf sieht die Einführung eines neuen Abs. 8 in § 2 EStG vor, mit dem die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Ehen erfolgt. Dabei werden gemäß des neu einzufügenden Abs. 2a in § 52 EStG von der Neuregelung nur noch nicht bestandskräftige Bescheide erfasst. Bereits im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes hatte der BFH (5.3.12, III B 6/12; 11.12.12, III B 89/12) im Hinblick auf diese zu erwartende Entscheidung des BVerfG ausgeführt, dass der Gesetzgeber aufgefordert sei zu handeln. Er müsse eine Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten im Einkommensteuerrecht schaffen.

    •  

    Ein Beschluss des Bundestags über die Gleichstellung der Adoptionsmöglichkeiten der Partner eingetragener Lebenspartnerschaften mit denen von Eheleuten (FK 13, 96) kam am 27.6.13 nicht zustande.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 134 | ID 42211474