· Nebengüterrecht
Eigenbedarfskündigung gegen die Schwiegermutter: Getrenntlebende Frau muss mitwirken

von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm
| Wenn sich Eheleute trennen, gibt es i. d. R. einen erhöhten Wohnbedarf, da weitere getrennte Räumlichkeiten angemietet werden müssen. Im Fall des OLG Celle wollte der Mann in eine im Miteigentum der Ehegatten stehende Immobilie einziehen. Problem: Die Immobilie war an die Schwiegermutter vermietet. Das OLG hat entschieden, dass der Mann von seiner Frau verlangen kann, dass diese an der Eigenbedarfskündigung mitwirkt. |
Sachverhalt
Der Mann (M) und die Frau (F) haben sich getrennt. Vorher hatten sie eine im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Immobilie an die Mutter der F (S) vermietet. M möchte das Mietverhältnis kündigen. F hat eine von M erklärte Kündigung nicht genehmigt, u. a. weil ihrer Ansicht nach die Eigenbedarfskündigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Das AG hat den Antrag des M, die F zu verpflichten, eine gemeinsame ordentliche Kündigungserklärung des Mietverhältnisses in Bezug auf die näher bezeichneten Räumlichkeiten der S abzugeben, abgewiesen. Die Beschwerde des M dagegen war erfolgreich (OLG Celle 19.3.25, 21 UF 237/24, Abruf-Nr. 247983).
Entscheidungsgründe
M hat gegen F gem. § 745 Abs. 2 BGB einen Anspruch darauf, dass die Nutzungsverhältnisse an der von S bewohnten Immobilie neu geregelt werden. M kann von F verlangen, das von beiden Ehegatten mit der S geschlossene Mietverhältnis zu kündigen. Seit der Trennung der Ehegatten haben sich die Voraussetzungen für die Nutzung des Hauses derart wesentlich geändert, dass es M nicht länger zuzumuten ist, an dem Mietverhältnis festzuhalten.
M und F haben keine BGB-Innengesellschaft gegründet. Sie haben keinen Gesellschaftsvertrag in Bezug auf die Immobilie geschlossen. Vielmehr sind sie gemeinsam Eigentümer des Mietobjekts und im Mietvertrag auf Vermieterseite auch gemeinsam aufgetreten. Deswegen bilden sie im Innenverhältnis aus ihrer Eigentümerstellung eine Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB.
MERKE | Die Abgrenzung, ob die Ehegatten eine BGB-Innengesellschaft begründet haben, oder Bruchteilseigentümer sind, ist praktisch bedeutsam. Denn danach richtet sich, ob Gestaltungsrechte gemeinsam auszuüben sind (bei der Bruchteilsgemeinschaft) oder Einstimmigkeit hinsichtlich dieser erforderlich ist (vgl. § 714 BGB für die BGB-Gesellschaft). |
M muss nicht an der gemeinschaftlich geschlossenen Regelung in Bezug auf die an S vermietete Immobilie festhalten. Da sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben, hat er einen Anspruch auf Neuregelung. Durch die Trennung ist aufseiten des M ein Bedarf an angemessenem Wohnraum entstanden.
M kann gem. § 745 Abs. 2 BGB verlangen, dass die Benutzung so geregelt wird, wie es aufgrund der veränderten Umstände erforderlich ist und dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entspricht. Welche Neuregelung der Benutzung von einem Teilhaber verlangt werden kann, ist nach den konkreten örtlichen und sonstigen Verhältnissen sowie nach der bisherigen Zweckbestimmung festzustellen. Dabei ist dies vom Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers zu entscheiden. Bestehen verschiedene Möglichkeiten für eine Neuregelung, kann nur diejenige begehrt werden, die die Interessen aller Teilhaber bestmöglich wahrt (MüKo/Schmidt BGB, 9. Aufl., §§ 744, 745 Rn. 37).
MERKE | Auch die Kündigung eines Mietverhältnisses über ein gemeinschaftliches Grundstück kann Gegenstand einer (mehrheitlich zu treffenden) Verwaltungsentscheidung nach § 745 Abs. 1 BGB sein und stellt keine nach Abs. 3 dieser Vorschrift unzulässige wesentliche Veränderung des gemeinschaftlichen Gegenstands dar (BGH NJW-RR 10, 1312). |
Bei der Neuregelung ist die bei Ehegatten gem. § 1353 BGB gebotene gegenseitige Rücksichtnahmepflicht zu beachten. Nach Rechtskraft der Ehescheidung ist das Rücksichtnahmegebot nach Maßgabe der fortwirkenden nachehelichen Solidarität zu bestimmen (OLG Hamm NZG 02, 864). M musste und hat dargelegt, dass er die bisher vermietete Immobilie selbst nutzen will und dass eine Eigenbedarfskündigung gegen S eine hinreichende Erfolgsaussicht hat.
M hat für einen längeren Zeitraum Räumlichkeiten in der von ihm betriebenen ärztlichen Praxis für seine Wohnzwecke genutzt und in der Folge andere Räume gemietet. Dieses Mietverhältnis ist befristet, sodass M konkret einen anderen Wohnraum benötigt. M hat als Mieteigentümer grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, die im Miteigentum stehende Immobilie selbst zu bewohnen, ohne ein anderweitiges Mietverhältnis über Wohnraum einzugehen zu müssen, soweit dadurch die berechtigten Interessen der F nicht beeinträchtigt werden.
Gem. § 573 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat, dass es beendet wird. Ein solches kann vorliegen, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörigen seines Haushalts benötigt. Im Rahmen der Prüfung der Eigenbedarfslage erfolgt keine Abwägung der Interessen auf Vermieter- und Mieterseite, da diese im Rahmen des § 574 Abs. 1 BGB in der Weise vorzunehmen ist, ob der Mieter der Kündigung widersprechen kann (Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 84. Aufl., § 573 Rn. 25).
Die von M erstrebte Wohnnutzung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Nutzung dieser Immobilie mit einer Wohnfläche von 150 qm ist angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse von M und F nicht unangemessen, zumal die F ihrerseits die frühere Ehewohnung mit einer Wohnfläche von rund 350 qm mit den gemeinsamen Kindern nutzt. Ob eine Eigenbedarfskündigung gegenüber der S gem. §§ 573, 574 BGB begründet ist, muss ggf. in einem weiteren Verfahren abschließend entschieden werden.
Auch die S zählt zu dem privilegierten Personenkreis (Familienangehörige) i. S. v. § 573 BGB. In der Abwägung zwischen der Eigennutzung eines Miteigentümers und der Nutzung eines Familienangehörigen eines Miteigentümers dürfte, auch bei beiderseits guten wirtschaftlichen Verhältnissen, mit Blick auf die insoweit auch betroffenen Grundrechte, dem Begehren nach Eigenbedarf des Miteigentümers der Vorrang einzuräumen sein.
Der Senat kann nicht feststellen, dass S gem. § 574 Abs. 1 und 2 BGB offensichtlich einem gemeinschaftlichen Kündigungsbegehren widersprechen kann. Für S ist es keine besondere Härte, dass das Mietverhältnis beendet wird. Sie verfügt über monatliche Einnahmen von jedenfalls 15.000 EUR. Sie ist in der Lage, angemessenen Ersatzwohnraum zu erlangen. F könnte S in der Einliegerwohnung der von ihr bewohnten Immobilie aufnehmen. Dass dies bei einer Wohnfläche von 350 qm der Immobilie und einer Wohnfläche von 70 qm der Einliegerwohnung unzumutbar ist, ist nicht dargetan. Im Rahmen des § 574 Abs. 1 BGB ist das hohe Alter von S (83 Jahre) zu berücksichtigen. Dieses lässt einen Wohnungswechsel nicht zwingend als unzumutbar erscheinen. Es ist aber nicht hinreichend dargetan, dass S pflegebedürftig ist.
Die Miete liegt mit rund 1.000 EUR nur bei rund der Hälfte der marktüblichen Miete. Zieht M in die Immobilie ein, hat F bis zur rechtskräftigen Scheidung einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gem. § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB, danach gem. § 745 Abs. 2 BGB, wobei die Höhe der Nutzungsentschädigung sich nach der objektiven im Marktmiete bestimmt. Den beiderseitigen Interessen der Beteiligten wird auch die Nutzung der Immobilie durch den M selbst sowie die finanzielle Teilhabe der F durch eine an der Marktmiete orientierten Nutzungsentschädigung bzw. einen entsprechenden Ausgleich beim Unterhalt in angemessener Weise Rechnung getragen.
Relevanz für die Praxis
Bei familienrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten steht oft der Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung des Miteigentümers gegen den die Ehewohnung weiter nutzenden anderen Ehegatten im Vordergrund. Diese Entscheidung zeigt, dass es aber auch andere Konstellationen gibt, vgl. auch OLG Hamm FamRZ 13, 1739 zu einem Anspruch auf Mieterhöhung gegenüber der Schwiegermutter/Mutter.
Der Antrag auf Neuregelung ist auf die Zustimmung zu einer bestimmt zu bezeichnenden Art der Benutzung zu richten (BGH NJW 07, 149,150). Das Gericht kann keine hiervon abweichende interessengerechte Regelung treffen. Wird eine Regelung begehrt, die i. S. d. § 745 Abs. 2 BGB nicht billigem Ermessen und einer vernünftigen Interessenabwägung entspricht, muss der Antrag abgewiesen werden (BGH NJW 93, 3326). Der Anwalt muss ggf. Hilfsanträge stellen und sollte gerichtliche Hinweise ausdrücklich einfordern.
Musterformulierung / Verpflichtung zur gemeinsamen Kündigung |
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, eine gemeinsame ordentliche Kündigungserklärung des Mietverhältnisses zwischen … und …, in …, bestehend aus … Zimmern, … Bad, … Küche und einem Dachboden sowie einem Garten mit dem Antragsteller gegenüber der Mieterin … abzugeben. |