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  • · Fachbeitrag · Genetische Abstammung

    Auskunftsanspruch bei anonymer Samenspende

    von RAin Andrea Kern, FAin Familienrecht, Hamburg

    Ist das Interesse des durch eine heterologe Insemination gezeugten Kindes an der Kenntnis seiner genetischen Abstammung höher zu werten als das Interesse des behandelnden Arztes und des anonymen Spenders an der Geheimhaltung der Daten, besteht ein Anspruch gegen den Arzt auf Auskunft und auf Einsichtnahme in die maßgeblichen Unterlagen (OLG Hamm 6.2.13, I-14 U 7/12, n.v., Abruf-Nr. 130837).

    Sachverhalt

    Die Klägerin wurde 1991 in eine bestehende Ehe geboren. Die Zeugung erfolgte mittels einer Fremdsamenspende durch heterologe Insemination. Zugrunde lag ein 1990 zwischen den Eheleuten und der Gemeinschaftspraxis geschlossener Behandlungsvertrag. Der Beklagte ist Gesellschafter der Praxis und war behandelnder Arzt. Die Klägerin erfuhr 2009 hiervon. Nachdem vorprozessuale Auskunftsersuchen erfolglos blieben, erhob sie 2011 Klage auf Einsichtnahme in die Unterlagen zur Feststellung des Namens des Samenspenders. Das LG hat ihre Klage abgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung der Klägerin ist erfolgreich. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht verletzt. Die Bezeichnung der Unterlagen, in die Einsichtnahme gewährt werden soll, ist durch Bezugnahme auf einen inhaltlichen Zusammenhang mit der genetischen Abstammung der Klägerin beschränkt. Da ihr eine genauere Bezeichnung nicht möglich ist, ist diese mangelnde Bestimmtheit im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes hinzunehmen (BGH NJW 03, 668).

     

    Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte ist gemäß § 242 BGB zur Erteilung der Auskunft verpflichtet. Als Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis, einer GbR, ist er analog § 128 S. 1 HGB richtiger Anspruchsgegner. Er kann sich nicht auf die in dem Behandlungsvertrag mit den Eheleuten vereinbarte Anonymität des Samenspenders berufen. Insoweit stellt der Vertrag gegenüber der Klägerin einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter dar. Die nach § 242 BGB erforderliche Rechtsbeziehung zwischen den Parteien besteht.

     

    Der Behandlungsvertrag zwischen den Eheleuten und der GbR ist ein Vertrag zugunsten Dritter, § 328 Abs. 1 BGB. Gegenstand ist die Zeugung der Klägerin. Der Vertrag beinhaltet Pflichten, etwa die Gesundheitsprüfung des Samenspenders, die auch gegenüber der Klägerin zu erfüllen waren. Die Zeugung der Klägerin erst nach Abschluss des Vertrags schadet nicht. Einem noch nicht geborenen Kind können Rechte durch einen Vertrag zugunsten Dritter zugewendet werden. Auch die weiteren Voraussetzungen sind erfüllt: Die Klägerin kennt in entschuldbarer Weise ihre genetische Abstammung nicht, worauf sie einen Anspruch hat. Andere Erkenntnisquellen stehen nicht zur Verfügung, und die Informationen sind dem Arzt zugänglich.

    Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung der konkret zu berücksichtigenden Rechtspositionen fällt zugunsten der Klägerin aus. In die Abwägung einzubeziehen sind das Recht der Klägerin auf Kenntnis ihrer genetischen Abstammung, das Recht des anonymen Samenspenders auf informationelle Selbstbestimmung und sein Persönlichkeitsrecht und die Freiheit der Berufsausübung des Beklagten. Da sich der Beklagte und der Samenspender im Vorfeld ihres Handelns auf die rechtlichen Konsequenzen der Fremdsamenspende und die Frage der Anonymität einstellen konnten, während dies der Klägerin nicht möglich war, fällt die Abwägung zugunsten der Klägerin aus. Nicht entscheidend ist, ob Zweck der Auskunft die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft ist.

     

    Der Unmöglichkeitseinwand des Beklagten, er könne die Namen der anonymen Spender nicht nennen, ist erfolglos, da der Beklagte seiner Darlegungs- und Beweislast nicht genügt hat. Die Revision wird nicht zugelassen. Weder liegt eine klärungsbedürftige Rechtslage vor, noch besteht eine entgegenstehende obergerichtliche Rechtsprechung.

     

    Praxishinweis

    §§ 1592 und 1593 BGB regeln, wann eine rechtliche Vaterschaft besteht. Eine isolierte Vaterschaftsklärung ist durch ein Abstammungsklärungsverfahren nach § 1598a BGB möglich. Die Durchführung des Verfahrens hat keine familienrechtlichen oder statusrechtlichen Konsequenzen. In einem Fall der heterologen Insemination ist in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren der Kreis der Anfechtungsberechtigten seit dem Kinderrechteverbesserungsgesetz vom 9.4.02 (BGBl. I, 1239) eingeschränkt, § 1600 Abs. 5 BGB.

     

    MERKE | Entscheidend für unterhaltsrechtliche, erbrechtliche und sonstige Ansprüche ist die rechtliche Vaterschaft. Fallen die biologische und die rechtliche Vaterschaft auseinander, treffen allein den Scheinvater die Rechte und Pflichten.

     

    Wird die Vaterschaft des Samenspenders rechtskräftig festgestellt, treffen ihn die gesetzlichen Rechte und Pflichten. Eine in dem Vertrag des Samenspenders mit den Ärzten oder Eltern getroffene Freistellungsvereinbarung betreffend den Kindsunterhalt hilft ihm nicht. Wirksame Freistellungsvereinbarungen wirken auch in der Konstellation der heterologen Insemination nicht im Außenverhältnis gegenüber dem Kind. Ob die Unterhaltsverpflichtung des Scheinvaters fortdauert, wenn seine rechtliche Vaterschaft wegfällt, entscheidet sich nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage. Das Einverständnis des Ehemanns in die heterologe Insemination enthält regelmäßig zugleich seine Verpflichtung gegenüber dem auf diesem Weg gezeugten Kind, ihm Unterhalt wie ein leiblicher ehelicher Vater zu schulden (BGH FamRZ 95, 861; 95, 865).

     

    Weiterführender Hinweis

    • FK 13, 47 Gemeinsames Sorgerecht: Vertretungsrecht im Vaterschaftsanfechtungsverfahren
    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 63 | ID 38410090