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  • · Fachbeitrag · Rechtsmittel

    Rechtsmittelbegründung beim unzuständigen Gericht eingereicht: Das ist zu beachten

    von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch

    | Der BGH hat klargestellt, was das Gericht und die Anwälte beachten müssen, wenn eine beim unzuständigen Gericht eingereichte Rechtsmittelbegründungsschrift weiterzuleiten ist. |

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten streiten um einen Vermögensausgleich. Das AG hat die F mit seinem später berichtigten Beschluss zur Zahlung an den M verpflichtet. Der Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten der F am 24.11.14 zugestellt worden. Die neue Verfahrensbevollmächtigte (VB) hat dagegen am 23.12.14 beim AG Beschwerde eingelegt und „PKH“ beantragt. Einen weiteren die Beschwerdebegründung enthaltenen Schriftsatz hat die VB am 20.1.15 per Fax an das AG versandt. Der Schriftsatz ist vom AG an das OLG weitergeleitet worden, bei diesem aber erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 26.1.15 eingegangen. Das OLG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Die Rechtsbeschwerde blieb erfolglos (BGH 27.6.16, XII ZB 203/15, Abruf-Nr. 188117).

     

     

    Entscheidungsgründe

    Der Berichtigungsbeschluss hat weder den Beginn noch den Lauf von Rechtsmittelfristen beeinflusst. Ausnahme: Die berichtigte Fassung lässt die Beschwer des Rechtsmittelführers erst hinreichend erkennen. Diese Ausnahme liegt hier nicht vor. Die F konnte schon anhand der Begründung des Ausgangsbeschlusses erkennen, dass der dem M zugesprochene Betrag bei bekannten Ausgangsgrößen der Hauptforderung und der begründeten Gegenforderung offensichtlich fehlerhaft ermittelt worden und der letztlich eingesetzte Betrag richtig ist.

     

    Unerheblich ist, dass der F aufgrund verzögerter Vorlage der Beschwerdeschrift bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist weder eine Eingangsbestätigung des OLG noch ein Aktenzeichen mitgeteilt worden war. Die Pflicht, die Beschwerde unverzüglich vorzulegen, dient dazu, das Verfahren zu beschleunigen. Es entbindet einen Anwalt aber nicht davon, eigenständig den richtigen Adressaten für die Beschwerdebegründung zu prüfen und den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist festzustellen.

     

    Geht eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung beim erstinstanzlichen Gericht ein, ist es verpflichtet, diese im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Der Schriftsatz muss aber so zeitig eingehen, dass die fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang ohne Weiteres erwartet werden kann. Nur dann darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz rechtzeitig dort eingeht. Das war hier nicht der Fall. Der Richter hat am 21.1.15 verfügt, dass die am 20.1.15 beim AG eingegangene Beschwerdebegründung an das OLG weiterzuleiten ist. Der Schriftsatz ist nicht binnen der folgenden drei Arbeitstage dort eingegangen. Die Versendung ist durch Kurier erfolgt. Daher ist der Zeitaufwand unbedenklich. Das unzuständige Gericht ist nur gehalten, die in die Empfangszuständigkeit des OLG fallende Beschwerdebegründung im ordentlichen Geschäftsablauf weiterzuleiten. Das AG ist nicht verpflichtet, den Fristablauf zu prüfen und den Schriftsatz als besonders eilig oder per Fax weiterzuleiten. Ferner ist das Gericht nicht verpflichtet, die VB der F telefonisch über ihren Fehler zu informieren.

     

    Fraglich ist, ob im Hinblick auf den VKH-Antrag eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bewilligt werden müsste, weil bei Bedürftigkeit die Fristversäumnis ursächlich geworden wäre. Das ist aber nicht der Fall, weil die VB der F die Beschwerde auch ohne VKH-Bewilligung eingelegt und begründet hat.

     

    Relevanz für die Praxis

    F hat mit Einlegung der Beschwerde VKH beantragt. Daher gilt: Ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist VKH beantragt hat, gilt solange schuldlos als verhindert, die fristwahrende Handlung vorzunehmen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht damit rechnen musste, dass sein Antrag abgelehnt wird (BGH FK 12, 109). Denn er durfte sich für bedürftig halten und hat aus seiner Sicht alles Erforderliche getan, damit über sein VKH-Gesuch entschieden werden kann. Holt eine Partei die Verfahrenshandlung nach Fristablauf nach, ist davon auszugehen, dass die Mittellosigkeit für die verspätete Verfahrenshandlung ursächlich war. Im Hinblick darauf hätte sich die F darauf berufen können, dass über ihr VKH-Gesuch noch nicht entschieden war und sie daher nicht verpflichtet war, die Beschwerde zu begründen. Der Fehler liegt darin, dass sie dies aber dennoch getan hat.

     

    Da die F die Beschwerde begründet hat, lässt dies den Schluss darauf zu, dass das wirtschaftliche Unvermögen für die Fristversäumung nicht ursächlich war. Das zeigt, dass die VB bereit war, das Rechtsmittel auch ohne VKH-Bewilligung zu begründen. Daher ist die Mittellosigkeit nicht ursächlich. Von daher hat sich die VB der F den Weg in die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand selbst dadurch verbaut, dass sie die Beschwerde begründet hat.

     

    PRAXISHINWEIS | Begründen Sie die Beschwerde nicht im letzten Moment. Wenn Sie sie beim falschen Gericht eingereicht haben, müssen Sie den Zeitaufwand für die Weiterleitung in die Rechtsmittelfrist miteinbeziehen. Ist die Begründung verfristet, beseitigt die Weiterleitung nicht die Unzulässigkeit. Liegen AG und OLG entfernt voneinander, darf auch ein Kurierdienst eingesetzt werden, wenn dies zum ordnungsgemäßen Geschäftsgang gehört. Dessen Zeitaufwand ist einzubeziehen. Hier hätte die Beschwerdebegründung rechtzeitig eingehen können, wenn die Rechtsmittelfrist nicht ausgeschöpft worden wäre.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2017 | Seite 94 | ID 44409062