Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Zugewinnausgleich

    Bewertung gewerblicher Unternehmen

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    Zur Anwendung des Ertragswertverfahrens bei der Bewertung gewerblicher Unternehmen im Zugewinnausgleich (BGH 6.11.13, XII ZB 434/12, FamRZ 14, 98, Abruf-Nr. 133989).

     

    Zum Sachverhalt siehe S. 38 in diesem Heft.

    Entscheidungsgründe

    Das Beschwerdegericht hat seine Beurteilung auf das von dem AG eingeholte Sachverständigengutachten gestützt. Zur Feststellung des Ertragswerts hat der Sachverständige zwei alternative Berechnungsmodelle angeboten:

     

    • Der erste Ansatz knüpft an die Prämisse der unbegrenzten Unternehmensfortdauer an und gelangt beim Kapitalisierungszinsfuß von 9,75 Prozent nach der Formel für die ewige Rente zu einem Ertragswert.

     

    • Für die Alternativberechnung hat er einen begrenzten Ertragszeitraum von vier Jahren zugrunde gelegt und bei gleichem Kapitalisierungszinsfuß von 9,75 Prozent einen Barwertfaktor von 3,1859 und damit einen Ertragswert errechnet.

     

    Maßgeblich ist der objektive Verkehrswert

    Für die Bewertung des Endvermögens nach § 1376 Abs. 2 BGB ist der objektive Verkehrswert der Vermögensgegenstände am Stichtag maßgebend. Ziel der Wertermittlung ist es, die Unternehmensbeteiligung des Antragstellers mit ihrem „vollen, wirklichen“ Wert anzusetzen. Grundsätze darüber, nach welcher Methode das geschehen muss, enthält das Gesetz nicht. Die sachverhaltsspezifische Auswahl aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Methoden und deren Anwendung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats Aufgabe des - sachverständig beratenen - Tatrichters. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (BGH FamRZ 91, 43, 44; 86, 776, 779). Auch nach diesen eingeschränkten Überprüfungsmaßstäben bestehen Bedenken gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts:

     

    Ansatz des Ertragswertverfahrens ist zu akzeptieren

    Nicht zu beanstanden ist, dass das Beschwerdegericht den Wert der Gesellschaft grundsätzlich nach dem - von den Beteiligten akzeptierten - Ertragswertverfahren ermittelt hat. Der Umfang der (hier: hälftigen) Beteiligung am Unternehmen und der sich unter Berücksichtigung der Ertragslage ergebende Unternehmenswert bilden i.d.R. die wesentliche Grundlage für die Bemessung des Werts der Beteiligung im Zugewinnausgleich (ZGA, BGH FamRZ 80, 37, 38).

     

    Die Ermittlung eines objektiven Unternehmenswerts nach dem Ertragswertverfahren geht grundsätzlich von folgender Annahme aus: Das Unternehmen kann mit unverändertem Konzept sowie mit allen realistischen Zukunftserwartungen fortgeführt werden, die sich aus den Marktverhältnissen und den sonstigen Einflussfaktoren des Unternehmens zum Bewertungsstichtag ergeben (Peemöller/Kunowski in Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 3. Aufl., Rn. 32).

     

    Das erste Berechnungsmodell beruht auf der Anwendung des („klassischen“) Ertragswertverfahrens in seiner Grundform, die eine unbegrenzte Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens unterstellt und von der im Regelfall auszugehen ist (Peemöller/Kunowski in Peemöller, a.a.O., Rn. 105).

     

    Der Alternativberechnung liegt das Ertragswertverfahren mit der Annahme eines begrenzten Ergebnishorizonts zugrunde. Ein solches Vorgehen hat der Senat für die Bewertung von freiberuflichen Praxen im Rahmen des sog. modifizierten Ertragswertverfahrens grundsätzlich gebilligt (BGH FamRZ 11, 622). Die Begrenzung des Ergebnishorizonts trägt bei Freiberuflern in erster Linie der starken Inhaberbezogenheit ihrer Tätigkeit Rechnung. Diese führt dazu, dass einerseits der Einfluss des bisherigen Praxisinhabers auf seinen Nachfolger nur eine begrenzte Zeit nachwirken kann. Andererseits könnte ein Praxiserwerber mit gleicher Qualifikation nach einer entsprechenden Aufbauphase eine vergleichbare Praxis aufbauen (reproduzieren; vgl. Englert in Peemöller, a.a.O., Rn. 711; Kuckenburg, FuR 11, 512, 513).

     

    Demgegenüber wird es bei mittleren oder größeren gewerblichen Unternehmen an einer auf der Inhaberbezogenheit beruhenden Reproduktionsmöglichkeit regelmäßig fehlen. Gleichwohl kann auch bei gewerblichen Unternehmen nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der sachverständig beratene Tatrichter in besonderen Bewertungssituationen eine Begrenzung des Ergebnishorizonts für sachgerecht erachtet (vgl. auch Peemöller/Kunowski in Peemöller, a.a.O., Rn. 105).

     

    Gericht hat Vortrag der Antragsgegnerin zu Unrecht nicht beachtet

    Das Beschwerdegericht stützt den Ansatz eines auf vier Jahre begrenzten Ergebnishorizonts nicht auf die Inhaberbezogenheit der betrieblichen Tätigkeit der Karl R.-GmbH, sondern auf den Einfluss des Standortfaktors. Insoweit macht die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin zu Recht geltend, dass das Beschwerdegericht bei seinen Erwägungen zum Standortrisiko unter Verstoß gegen § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 286 ZPO möglicherweise entscheidungserheblichen Sachvortrag der Antragsgegnerin außer Betracht gelassen und nicht in seine Würdigung einbezogen hat.

     

    Das Beschwerdegericht hat seine Beurteilung, dass die Fortführung der Karl R.-GmbH an ihrem Standort nicht nachhaltig gesichert sei, darauf gestützt, dass ein ordentlich kündbarer Mietvertrag vorliege. Ferner gebe es weder verpflichtende Weisungen der Verstorbenen an ihre Erben noch rechtlich gefestigte Vereinbarungen zwischen den Erben und der Karl R.-GmbH, wonach der Mietvertrag von Vermieterseite nicht gekündigt werden dürfe. Diese Erwägungen greifen zu kurz, weil es für die Prognose der Fortführung eines „Mieterbetriebs“ an seinem bisherigen Standort auch darauf ankommt, ob das Unternehmen am Bewertungsstichtag eine von ihm gewünschte langfristige mietvertragliche Bindung an seinen Standort herbeiführen könnte.

     

    Bei Abschluss des Mietvertrags spielte die Frage der nachhaltigen Standortsicherung für das Sanitätshaus schon wegen der Personenidentität zwischen den Gesellschaftern der Vermietungsgesellschaft und den (Mehrheits-) Gesellschaftern der Karl R.-GmbH keine Rolle. Die Antragsgegnerin hat unter Beweisantritt Folgendes vorgetragen: Die Erben seien als neue Gesellschafter der Vermietungsgesellschaft über die ideelle Verbundenheit mit dem Sanitätshaus als Lebenswerk ihrer Eltern hinaus auch aus kaufmännischen Gründen daran interessiert, dass ihnen der weitgehend konjunkturunabhängige Betrieb der Karl R.-GmbH als Mieter langfristig erhalten bleibe. Daher hätte sich das Beschwerdegericht - auch vor dem Hintergrund, dass der Mietvertrag im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz fast fünf Jahre über den Bewertungsstichtag hinaus ungekündigt fortgesetzt worden war - auch mit folgender Erwägung befassen müssen: Fraglich ist, ob die Vermietungsgesellschaft am Bewertungsstichtag nicht zuletzt aus eigenem Interesse bereit gewesen wäre, den Standort der Karl R.-GmbH durch einen befristeten Mietvertrag oder auf andere rechtsverbindliche Weise längerfristig zu sichern.

    Praxishinweis

    Der Einfluss des Standortfaktors auf die Fortführungsperspektive eines Unternehmens hängt von einzelfallbezogenen Umständen ab. Hat der Standort eines Unternehmens keinen oder keinen nennenswerten Einfluss auf seinen Geschäftsbetrieb und lässt er sich im Bedarfsfall ohne Weiteres verlegen, gilt: Die Annahme, dass das Unternehmen nur wegen einer fehlenden mietvertraglichen Absicherung des gegenwärtigen Standorts künftig nur noch für einen begrenzten Zeitraum finanzielle Überschüsse erwirtschaften kann, stellt keine realistische Zukunftserwartung dar.

     

    Hier hat die Antragsgegnerin vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass dem Standort der Betriebsräume des Sanitätshauses keine wesentliche Bedeutung zukomme, weil die Belieferung von Krankenhäusern und niedergelassenen Orthopäden im Rahmen langfristiger Geschäftsbeziehungen etwa zwei Drittel des Umsatzes ausmachten. Soweit im Übrigen Umsätze durch Verkäufe und Dienstleistungen an Privatkunden erzielt würden, müssten auch diese Kunden teilweise die Geschäftsräume nicht aufsuchen, sondern würden durch Boten beliefert. Dem Unternehmen sei selbst im Fall einer Kündigung ihrer bisherigen Geschäftsräume ohne Weiteres möglich, adäquate Ersatzräume anzumieten. Selbst eine Verlagerung der Geschäftsräume in eine städtische Randlage hätte wegen der besseren Erreichbarkeit für gehbehinderte Kunden keine Auswirkungen auf die Ertragslage.

     

    Weiterführende Hinweise

    • FK 14, 38 (in diesem Heft), zu weiteren Aspekten der Entscheidung
    • FK 12, 33, zur richtigen Methode für die Bewertung von freiberuflichen Praxen
    • Büte, ZGA bei Ehescheidung, 4. Aufl.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 44 | ID 42468439