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  • · Fachbeitrag · Elternunterhalt

    Einkommenslose Unterhaltspflichtige bedürfen keines Altersvorsorgevermögens

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    | Der BGH hat entschieden, dass für einen einkommenslosen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich kein Bedürfnis besteht, Altersvorsorgevermögen zu bilden. Der Beitrag zeigt, in welchem Fall etwas anderes gilt. |

    Sachverhalt

    Der Antragsteller (S) begehrt als Sozialhilfeträger von der Antragsgegnerin (T) aus übergegangenem Recht Elternunterhalt für deren Mutter (M). Mit der Geburt des ersten Kindes gab T ihre Erwerbstätigkeit auf. Ihr Ehemann (E) bezieht eine Rente. Die M lebte bis zum Tod im Seniorenzentrum. S leistete Sozialhilfe und nahm T erfolgreich in Anspruch. Der BGH hat den Beschluss aufgehoben und zurückverwiesen.

     

    • a) Für den zur Zahlung von Elternunterhalt Verpflichteten, der verheiratet ist und kein eigenes Erwerbseinkommen erzielt, besteht grundsätzlich kein Bedürfnis für die Bildung eines eigenen Altersvorsorgevermögens (Abgrenzung zu BGHZ 169, 59 = FamRZ 06, 1511 und FamRZ 13, 1554).
    • b) Dies gilt allerdings nicht, soweit der Unterhaltspflichtige über seinen Ehegatten nicht hinreichend für das Alter abgesichert ist, was er darzulegen und ggf. zu beweisen hat.
    • c) Eine unzureichende Altersversorgung ist gegeben, wenn der Ehegatte selbst nicht über eine - den Maßstäben zum Elternunterhalt entsprechende - Altersversorgung verfügt.
     

    Entscheidungsgründe

    Dem Unterhaltspflichtigen verbleibt beim Elternunterhalt der Stamm seines Vermögens, wenn er ihn benötigt, um den eigenen Unterhalt sicherzustellen. Dasselbe gilt für Vermögen, das er benötigt, um sein Alter zu sichern. Er darf Aufwendungen bis zu fünf Prozent des Bruttoeinkommens als zusätzliche Altersversorgung abziehen. Es steht ihm frei, wie er die Vorsorge trifft, etwa durch Wertpapiere, Fondsbeteiligungen, Anlage eines Sparvermögens.

     

    Es ist auf den Beginn der Erwerbstätigkeit abzustellen, um das Altersvorsorgevermögen zu berechnen. Denn der Unterhaltsschuldner darf während seines gesamten Erwerbslebens eine zusätzliche Altersvorsorge aufbauen. Um das Altersvorsorgevermögen zu berechnen, ist eine Rendite zugrunde zu legen, die für ein langdauerndes Berufsleben auf vier Prozent zu bemessen ist. Denn die Rendite ist erst in den letzten Jahren zurückgegangen.

     

    Wenn der Unterhaltspflichtige die Regelaltersgrenze erreicht hat, kann er das Vermögen für den Elternunterhalt einsetzen. Dazu ist es aufgrund der statistischen Lebenserwartung in eine Monatsrente umzurechnen, um die Leistungsfähigkeit zu ermitteln.

     

    Grundsatz: Einkommenslose bedürfen keiner zusätzlichen Altersvorsorge

    Der T ist keine zusätzliche Altersversorgung zuzubilligen. Sie ist verheiratet und verfügt über kein eigenes Erwerbseinkommen. Die Rechtsprechung zur zusätzlichen Altersvorsorge gilt nur für Erwerbstätige. Bei nicht Erwerbstätigen besteht kein Bedürfnis, eigenes Altersvorsorgevermögen zu bilden. Es obliegt dem erwerbstätigen Ehegatten durch den Familienunterhalt, für dessen Alter vorzusorgen. Denn der nicht Erwerbstätige partizipiert an der Altersversorgung des Ehegatten. Die Eheleute leben nach dem Renteneintritt des erwerbstätigen Ehegatten von dessen Rente nebst Zusatzversorgung.

     

    MERKE | Der nicht erwerbstätige Unterhaltsschuldner ist über seinen Ehegatten nach diesen Maßstäben hinreichend für das Alter gesichert, wenn sein erwerbstätiger Ehegatte selbst über eine den Maßstäben zum Elternunterhalt entsprechende Altersversorgung verfügt. Wird geprüft, ob auf das Vermögen des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen zurückgegriffen werden kann, ist daher Folgendes zu überlegen: Ist dessen Ehegatte hinreichend für das Alter gesichert? Das ist der Fall, wenn er über eine zusätzliche Altersversorgung verfügt, die einem Kapital von fünf Prozent seines Bruttoeinkommens entspricht. Dabei ist eine jährliche Kapitalverzinsung von vier Prozent bezogen auf den Zeitraum vom Einstieg in das Erwerbsleben bis zum Beginn der Unterhaltspflicht zu berücksichtigen.

     

    Ausnahme: Anspruch auf zusätzliche Altersvorsorge

    Wird die Altersversorgung des erwerbstätigen Ehegatten aber nicht diesen Maßstäben gerecht, darf der Unterhaltspflichtige selbst für sein Alter sorgen. Wenn die von dem erwerbstätigen Ehegatten begründete Altersversorgung unzureichend erscheint, ist mit dem Vermögen des Unterhaltspflichtigen die entsprechende Versorgungslücke aufzufüllen. Das Vermögen ist soweit vor dem Zugriff des Gläubigers des Elternunterhalts zu schützen.

     

    Daher hätte das OLG feststellen müssen, über welches Vermögen der E verfügt. Allerdings trägt die T die Darlegungs- und Beweislast, da sie sich als Unterhaltspflichtige darauf beruft, leistungsunfähig zu sein.

     

    Für das weitere Verfahren gilt:

     

    • Wenn der T kein gesondertes Altersvorsorgevermögen zuzubilligen ist, dürfte sie leistungsfähig sein. Das gilt, auch wenn man ihr einen „Notgroschen“ von 5.000 EUR lässt, der viel zu knapp bemessen ist. Die T verfügt aber auch über einen Wohnvorteil und hat dadurch Mietaufwendungen erspart.

     

    • Soweit die T ihr Vermögen wegen der Altersvorsorge nicht einsetzen muss, ist zu prüfen, inwieweit sie aus den sonstigen Einnahmen leistungsfähig ist. Der E muss das von ihm gebildete Altersvorsorgevermögen als zusätzliches Einkommen einsetzen, da er die Regelaltersgrenze erreicht hat.

    Relevanz für die Praxis

    Die Frage, ob Vermögen zu verwerten ist, ist beim Elternunterhalt relevant. Denn der Unterhaltspflichtige verfügt entweder über zu geringe oder gar keine Einkünfte. Er ist aufgrund seiner Einkommenssituation für den Elternunterhalt nicht oder nur teilweise leistungsfähig. Verfügt er über Vermögen, sind die Sozialämter i.d.R. bestrebt, darauf zurückzugreifen und von dem Unterhaltspflichtigen zu verlangen, den Stamm seines Vermögens einzusetzen.

     

    Ist der Unterhaltsschuldner erwerbstätig, ist das Vermögen der Altersvorsorge vorbehalten und nicht für den Elternunterhalt einzusetzen. Der BGH gestattet dem Unterhaltspflichtigen von Beginn des Erwerbslebens an fünf Prozent seiner Bruttoeinkünfte als Altersvorsorge zurückzustellen, wobei dem konkreten Altersvorsorgevermögen zudem eine Rendite zugrunde zu legen ist, die für ein langandauerndes Berufsleben auf vier Prozent zu bemessen ist.

     

    • Beispiel

    Bei einem Bruttoeinkommen von 2.143,85 EUR und einer privaten Altersvorsorge von 107,19 EUR monatlich ergibt sich bei einer Verzinsung von 4 Prozent nach 35 Berufsjahren Kapital von 98.526,88 EUR bei vorschüssiger Zahlung (BGH FamRZ 06, 1511, 1516).

     

    Ist der Unterhaltspflichtige nicht erwerbstätig, aber verheiratet, partizipiert er an der primären und sekundären Altersversorgung seines Ehegatten. Der Unterhaltspflichtige muss sein Vermögen für den Elternunterhalt einsetzen.

     

    Etwas anderes gilt, wenn ein Ehegatte nicht hinreichend für den Fall des Alters abgesichert ist. Es ist zu prüfen, ob der Ehegatte über ein für die Altersvorsorge bestimmtes Vermögen verfügt, das seiner Höhe nach den Betrag erreicht, der auf der vorhergehenden Berechnungsbasis ermittelt werden kann, also fünf Prozent des Bruttoeinkommens über die gesamten Berufsjahre verzinst mit vier Prozent. Ist dies der Fall, muss der Unterhaltspflichtige, der nicht erwerbstätig ist, sein Vermögen für den Elternunterhalt einsetzen.

     

    Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, wie viel von dem Vermögen eingesetzt werden muss, damit mit dem Vermögen des anderen Ehegatten der Betrag erreicht wird, der für eine angemessene Altersversorgung erforderlich ist. In diesem Fall kann allenfalls das Vermögen, das der Altersvorsorge nicht vorbehalten ist, verwertet werden.

     

    Hat ein Ehegatte bereits die Regelaltersgrenze erreicht, muss er sein Vorsorgevermögen einsetzen und verbrauchen. Dies ist gem. § 14 Bewertungsgesetz in einen monatlich zur Verfügung stehenden Geldbetrag umzurechnen.

     

    MERKE | Dem Unterhaltspflichtigen steht ein sog. Notgroschen für plötzlich auftretenden Sonderbedarf zu. Dessen Höhe hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein Betrag von 10.000 EUR reicht aus (BGH FamRZ 13, 1554).

     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2016 | Seite 4 | ID 43555674