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  • 01.09.2006 | Versorgungsausgleich

    Unterhaltsbedürftigkeit auf Grund des VA

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle
    Ein Anspruch auf Altersunterhalt (§ 1571 BGB) besteht nicht, wenn der während der Ehe wirtschaftlich stärkere Ehegatte erst auf Grund des Versorgungsausgleichs unterhaltsbedürftig wird, aber nicht mit einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich eine Kürzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c BGB geltend gemacht hat (OLG Celle 24.1.06, 10 UF 190/05, OLGR 06, 403, Abruf-Nr. 062375).

     

    Sachverhalt

    Der Ehemann nimmt im Scheidungsverbund die Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt von 960 EUR in Anspruch. Beide Eheleute befinden sich bereits im Ruhestand. Der Ehemann bezieht Renten und Pensionen von monatlich 4.432 EUR und muss monatliche Krankenversicherungsbeiträge von 548 EUR zahlen sowie eine Steuernachzahlung von monatlich durchschnittlich 203 EUR leisten. Er bewohnt eine eigene Immobilie mit einem Wohnwert von monatlich 367 EUR, dem Kreditbelastungen von monatlich 574 EUR gegenüber stehen. Außerdem muss er für weitere Darlehen, die er allein und u.a. für die Anschaffung einer Eigentumswohnung aufgenommen hat, monatlich 2.173 EUR leisten. Die Ehefrau bezieht Renten von monatlich 1.177 EUR und zahlt für eine private Zusatz-Krankenversicherung monatlich 172 EUR. Das AG hat mit der Scheidung den Versorgungsausgleich (VA) durchgeführt und ihr zu Lasten der Versorgungsanrechte des Ehemannes gesetzliche Rentenanwartschaften von monatlich 1.108 EUR übertragen bzw. begründet. Der Antrag des Ehemannes, die Ehefrau zur Zahlung nachehelichen Unterhalts zu verurteilen, wurde mit der Begründung abgewiesen, die Kreditbelastungen des Ehemannes seien unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen. Ohne diese Verbindlichkeiten sei sein Einkommen jedoch auch nach Durchführung des VA nicht geringer als das der Ehefrau. Mit seiner Berufung macht der Ehemann erfolglos geltend, die Kredite seien während der Ehe aufgenommen worden und müssten deshalb unterhaltsrechtlich anerkannt werden. Der VA habe zur Folge, dass sein Einkommen nach der Scheidung rund 1.920 EUR niedriger sei als das der Ehefrau. In Höhe der Hälfte dieser Einkommensdifferenz stehe ihm ein nachehelicher Aufstockungsunterhalt zu. Die Entscheidung zum VA ist rechtskräftig geworden.  

     

    Entscheidungsgründe

    Es kann dahinstehen, ob die Kreditbelastungen des Ehemannes unterhaltsrechtlich voll berücksichtigungsfähig sind. Die von ihm errechnete Einkommensdifferenz zu seinen Gunsten nach der Scheidung beruht ausschließlich auf der Durchführung des VA. Vom Standpunkt des Ehemannes aus, dass die Kreditbelastungen abzugsfähig sind, hätte der VA nicht durchgeführt werden dürfen. Denn er darf nicht dazu führen, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte erstmals unterhaltsbedürftig wird. In einem solchen Fall ist der VA grob unbillig, § 1587c Nr. 1 BGB (BGH FamRZ 81, 756; 87, 255). Der Ehemann kann nicht daraus, dass er den VA hingenommen und nicht mit einem Rechtsmittel angefochten hat, nun einen nachehelichen Unterhaltsanspruch herleiten. Er kann sich auch nicht darauf berufen, dass wegen des künftigen Wegfalls seiner Kreditverbindlichkeiten ein Ausschluss des VA nicht in Betracht komme. Denn einerseits ist der Wegfall der Kreditverbindlichkeiten nicht in absehbarer Zeit zu erwarten. Andererseits hat der BGH klargestellt, dass auch eine zeitweise Kürzung des VA gemäß § 1587c BGB in Betracht kommt (BGH FamRZ 05, 696).  

     

    Praxishinweis

    Bei Ehegatten, die bereits Rentner sind, wirkt sich der VA sofort nach Rechtskraft der Scheidung auf die bezogenen Renten aus. Da die Übertragung bzw. Begründung von Rentenanwartschaften bei beiden Ehegatten wirksam wird, verändert sich die Differenz zwischen den beiderseitigen Einkünften um das Doppelte des Gesamtausgleichsbetrags (bezogen auf das Ende der Ehezeit). Hier führt der VA zur Veränderung der Differenz zwischen den Einkommen um monatlich (2 x 1.108 EUR =) 2.216 EUR. Bezieht man alle Kreditbelastungen ein, verringert sich das Einkommen des Ehemannes von 1.301 EUR vor der Scheidung auf 193 EUR nach der Scheidung, das Einkommen der Ehefrau steigt von 1.005 EUR vor der Scheidung auf 2.113 EUR nach der Scheidung. Während vor der Scheidung der Ehemann in Höhe von monatlich mindestens (1.301 EUR ./. 1.005 EUR = 296 EUR : 2 =) 148 EUR unterhaltspflichtig war, ergäbe sich nach der Scheidung ein um (2.113 EUR ./. 193 EUR = ) 1.920 EUR höheres Einkommen der Ehefrau und ein möglicher rechnerischer Aufstockungsunterhaltsanspruch des Ehemannes von (1.920 EUR : 2 =) 960 EUR.