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11.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062375

Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 24.01.2006 – 10 UF 190/05

Ein Anspruch auf Altersunterhalt (§ 1571 BGB) besteht nicht, wenn der während der Ehe wirtschaftlich stärkere Ehegatte erst aufgrund des Versorgungsausgleichs unterhaltsbedürftig wird, aber nicht mit einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich eine Kürzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587 c BGB geltend gemacht hat.


Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil

10 UF 190/05

Verkündet am
24. Januar 2006

In der Familiensache

hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 29. Juni 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten der zweiten Instanz trägt der Antragsgegner mit Ausnahme der außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 1., die diese selbst zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sachverhalts und des Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 29. Juni 2005 verwiesen

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hatte die ZVK H. Beschwerde eingelegt, diese jedoch nach Hinweis des Senats auf die Unzulässigkeit zurückgenommen.

Gegen das Urteil hat der Antragsgegner Berufung eingelegt, mit der er in erster Linie die Abweisung des Scheidungsantrages und hilfsweise die Verurteilung der Antragstellerin zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 960, EUR an ihn erreichen will.

Der Antragsgegner rügt, das Amtsgericht habe die Scheidung zu Unrecht ausgesprochen, weil die Antragstellerin nicht prozessfähig gewesen sei. Sie sei psychisch schwer erkrankt und zu einer eigenen fundierten Willensbildung nicht in der Lage. Sie leide an den Folgen eines Schlaganfalls sowie an einer Manie, einer Schizophrenie und an Depressionen. Dies habe zur Folge, dass sie selbst zu keiner nachhaltigen Willensbildung in der Lage sei und allenfalls von Dritten an sie herangetragene Erwartungshaltungen in der Lage sei zu reflektieren. Auch im Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht, in welchem die Antragstellerin angehört worden sei, hätten erhebliche Zweifel daran bestanden, ob die Antragstellerin tatsächlich den Sachverhalt überblickt habe. Sie sei jedoch von ihrem Prozessbevollmächtigten nachhaltig aufgefordert worden, selbst keine Erklärung mehr abzugeben. Es entspreche auch nicht dem Wohl der Antragstellerin, dass die Ehe tatsächlich geschieden werde. Der Antragsgegner sei schwer chronisch krank. Mit einer hohen Lebenserwartung könne im Hinblick auf diese Erkrankung nicht gerechnet werden. Die Antragstellerin verliere letztendlich ihren Anspruch auf Witwenrente mit der Scheidung, welcher wesentlich höher wäre als der Anspruch im Rahmen des Versorgungsausgleichs.

Das Amtsgericht habe zu Unrecht den Antrag des Antragsgegners auf Zahlung nachehelichen Unterhalts zurückgewiesen. Das Amtsgericht habe das Einkommen des Antragsgegners ab Juni 2005 zunächst richtig mit 3.238,77 EUR zzgl. 229,92 EUR zzgl. 1.043,59 EUR festgestellt. Es habe dann jedoch bei der Berechnung des Antragsgegners irrig veraltete Werte für das Einkommen von der Niedersächsischen Versorgungskasse mit 3.556,49 EUR in Ansatz gebracht.

Rechtsfehlerhaft habe das Amtsgericht jedoch Kreditbelastungen des Antragsgegners teilweise unberücksichtigt gelassen, und zwar insbesondere Privatdarlehen mit der Endnummer 070 und 358 in Höhe von 46, EUR und 253, EUR, welche aus der Zeit des gemeinsamen ehelichen Zusammenlebens der Parteien stammen würden. Der Antragsgegner sei weiterhin Eigentümer einer Eigentumswohnung P. Straße ... in H. gewesen, welche neben der von ihm bisher bewohnten Wohnung liege und während des Verfahrens veräußert worden sei. Ursprünglich sei geplant gewesen, beide Wohnungen mittels Durchbruch zu verbinden, um so eine größere Ehewohnung zu haben. Die Wohnung sei während des Scheidungsverfahrens veräußert worden. Es sei eine Unterdeckung verblieben, weil die Wohnung überschuldet gewesen sei. Diese Unterdeckung werde durch ein monatliches Darlehen des Antragsgegners in Höhe von 374, EUR vom Antragsgegner bedient. Das Amtsgericht habe auch diese Verbindlichkeit zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Richtig sei selbstverständlich, dass Tilgungsraten aufgrund der Gütertrennung nicht berücksichtigt werden könnten. Dies sei jedoch auch erstinstanzlich seitens des Antragsgegners nicht geschehen. Es ergebe sich unter Berücksichtigung der richtigen Einkommensverhältnisse und des inhaltlich richtigen Hinweises des Senats im Beschwerdeverfahren betreffend den Versorgungsausgleich vom 27. Juli 2005 folgende Berechnung:

Einkommen Antragstellerin
Renteneinkünfte 1.177, EUR
Zzgl. Versorgungsausgleich 1.108, EUR
Abzgl. Zusatzkrankenversicherung 172, EUR
Insgesamt 2.113, EUR

Einkommen Antragsgegner
Rente NVK 3.238, EUR
Rente BfA 1.043, EUR
ZVK-Versorgung 229, EUR
Abzgl. Nettoanteil Familienzuschlag 78, EUR
4.432, EUR
Steuernachzahlung 2003 (2.442, EUR) 203, EUR
4.229, EUR
Krankenversicherung 548, EUR
Versorgungsausgleich 1.108, EUR
2.573, EUR
Wohnwert (61,28 qm X 6, EUR) 367, EUR
Kreditbelastungen selbst bewohnte Immobilie 172, EUR
402, EUR
2.366, EUR
Restdarlehen P. Straße ... 374, EUR
Privatdarlehen aus ehelichem Zusammenleben Nr. 406 336, EUR
Nr. 070 46, EUR
Nr. 358 253, EUR
Verlust aus Wohnung in L.
Für Kalenderjahre 2001 bis 2003 1.164, EUR
193, EUR

Es bestehe ein Differenzeinkommen von 1.920, EUR, mithin ein Unterhaltsanspruch von 960, EUR.

Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie verweist darauf, dass beide Parteien übereinstimmend erklärt hätten, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr fortsetzen zu wollen und darauf hingewiesen hätten, dass die Ehe gescheitert sei. Der Antragsgegner habe dem Scheidungsantrag zwar nicht ausdrücklich zugestimmt. Darauf komme es jedoch nicht an, weil die Parteien zum Zeitpunkt der Scheidung mehr als 3 Jahre voneinander getrennt gelebt hätten. Die Antragstellerin sei prozessfähig und bei ihr sei im übrigen der natürliche Wille vorhanden, ihre Ehe zu beenden.

Das Amtsgericht habe auch mit zutreffenden Erwägungen den Unterhaltsantrag des Antragsgegners zurückgewiesen. Es habe lediglich zu Unrecht auf Seiten des Antragsgegners eine Steuernachzahlung für 2003 in Höhe von monatlich 203,53 EUR in Abzug gebracht.

Wofür der Antragsgegner die verschiedenen Kredite aufgenommen habe, könne die Antragstellerin nicht sagen, da der Antragsgegner seine jeweiligen Entscheidungen immer ohne die Antragstellerin getroffen habe.

II.

Die zulässige, insbesondere form und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Antragsgegners rechtfertigt keine Änderung der angefochtenen Entscheidung. Das Amtsgericht hat sowohl zu Recht die Scheidung der Parteien ausgesprochen als auch den Unterhaltsantrag des Antragsgegners zurückgewiesen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

1.

Der Ehemann macht hinsichtlich des angefochtenen Ausspruchs der Ehescheidung der Parteien lediglich einen angeblichen Verfahrensfehler des Amtsgerichts geltend (fehlende Prozessfähigkeit der Ehefrau mit der Folge, dass ihr ein Prozesspfleger hätte bestellt werden müssen), ohne aber darzutun, inwieweit das angefochtene Urteil darauf beruhen soll. Die Feststellung, dass beide Parteien nicht bereit sind, die eheliche Lebensgemeinschaft fortzusetzen und die Ehe damit gescheitert ist, wird nicht in Zweifel gezogen. Im Übrigen kann auch eine prozessunfähige Person den natürlichen Willen haben, ihre Ehe zu beenden. Das Amtsgericht hat sich durch Anhörung der Ehefrau davon überzeugt, dass diese Voraussetzung bei der Ehefrau vorliegt. Diese Einschätzung teilt der Senat auch nach eigener Anhörung der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2006.

2.

Auch die Entscheidung des Amtsgerichts, dem Ehemann nachehelichen Unterhalt zu versagen, ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Ehemann - ehemaliger Direktor der Kreissparkasse H., in Pension seit 2002 - war in der Ehe der Parteien der eindeutig wirtschaftlich stärkere Partner. Die von ihm mit seiner Berufung angestellte Berechnung, wonach er nach der Scheidung über geringere Einkünfte verfüge als die Ehefrau, beruht ausschließlich auf zwei Umständen: Zum einen auf der Durchführung des Versorgungsausgleichs in Form der Übertragung und Begründung von Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich insgesamt 1.151,96 EUR (dieser Betrag ist auch jetzt noch unverändert, weil der aktuelle Rentenwert seit Juli 2003 nicht mehr erhöht worden ist); zum anderen auf vom Amtsgericht nicht berücksichtigten Kreditzinsen bei der SK H. von monatlich rund 2.190 EUR.

Allein der Versorgungsausgleich führt nach der Berechnung des Ehemannes zur Entstehung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs. Rechnet man den Versorgungsausgleichs-Betrag heraus, verbleiben dem Ehemann monatlich 1.345, EUR (193 + 1152 EUR) und der Ehefrau monatlich 961, EUR (2.113 - 1.152 EUR). Unter diesen Umständen hätte der Versorgungsausgleich vom Standpunkt des Ehemannes aus jedenfalls nicht ungekürzt durchgeführt werden dürfen. Denn der Versorgungsausgleich darf nicht dazu führen, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte unterhaltsbedürftig wird (BGH FamRZ 1981, 756; 1987, 255; 2005, 696; OLG Celle FamRZ 1989, 1098, 1100; Wick, Der Versorgungsaugleich, Rn. 241). Der Ehemann hätte daher - die Richtigkeit seiner Argumentation unterstellt - die Entscheidung über den Versorgungsausgleich angreifen müssen. Er kann jedoch nicht daraus, dass er den Versorgungsausgleich akzeptiert hat, also nicht mit einem Rechtsmittel dessen grobe Unbilligkeit geltend gemacht hat, nunmehr einen nachehelichen Unterhaltsanspruch herleiten. Der Ehemann kann sich auch nicht darauf berufen, dass durch den späteren Wegfall seiner Kreditverbindlichkeiten ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht in Betracht komme. Denn einerseits ist der Wegfall der Kreditverbindlichkeiten nicht in absehbarer Zeit zu erwarten. Andererseits hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass auch eine zeitweise Kürzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c BGB in Betracht kommt (BGH FamRZ 2005, 696).

Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, ob die vom Amtsgericht nicht berücksichtigten Kreditzinsen geeignet sind, einen Unterhaltsanspruch des Antragsgegners zu begründen (insoweit wird auf die im Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2005 geäußerten Bedenken verwiesen).

3.

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist die Revision nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch der Senat von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht. Dem Antragsgegner ist zwar zuzugeben, dass zur streitgegenständlichen Rechtsfrage bislang ersichtlich keine obergerichtliche Entscheidung veröffentlicht ist. Das deutet jedoch darauf hin, dass es sich vorliegend um einen Einzelfall handelt und nicht von einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle auszugehen ist. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof nicht nur in der Entscheidung zum Versorgungsausgleich vom 23. Februar 2005 (FamRZ 2005, 696) klargestellt, dass der Versorgungsausgleich nicht dazu führen darf, dass der Ausgleichspflichtige gegenüber dem Ausgleichsberechtigten unterhaltsberechtigt wird, sondern auch bereits in einer Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt klargestellt, dass dem Ausgleichsberechtigten des Versorgungsausgleichs über das Unterhaltsrecht nicht (teilweise) wieder genommen werden soll, was ihm über den Versorgungsausgleich gewährt worden war (FamRZ 2003, 848ff.). Der Bundesgerichtshof hat zwar im Hinblick auf seine Rechtsprechung zur Abkehr von der Anrechnungsmethode (FamRZ 2001, 986) in einer Entscheidung vom 31. Oktober 2001 (FamRZ 2002, 88ff.) Abstand von seiner früheren Rechtsprechung genommen, wonach eine Altersversorgung, soweit sie auf der Durchführung des Versorgungsausgleichs beruht, die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt habe (FamRZ 1987, 459ff.), und klargestellt, dass die aus im Versorgungsausgleich erworbenen Rentenanwartschaften bezogene Rente bei der Bedarfsbemessung nach dem Maßstab des § 1578 BGB mit zu berücksichtigen ist (FamRZ 2002, 88ff.). In seiner Entscheidung vom 5. Februar 2003 (FamRZ 2003, 848ff.) hat der BGH jedoch klargestellt, dass der in der zuvor zitierten Entscheidung festgestellten Äquivalenz der beiderseitigen Renten ("Die über den Versorgungsausgleich bewirkte Kürzung der Versorgungsbezüge des Ehemannes wurde durch die von der Ehefrau erlangten Rentenanrechte ausgeglichen") bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen Rechnung getragen werden musste, sollte der Ehefrau über das Unterhaltsrecht nicht teilweise wieder genommen werden, was ihr über den Versorgungsausgleich zuvor gewährt worden war.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 (hinsichtlich der Kosten, die durch die zurückgenommen Beschwerde der ZVK entstanden sind) ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 1587 BGB § 1571

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