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  • 26.05.2011 | Ehegattenunterhalt

    Überblick über die BGH-Rechtsprechung zur Begrenzung und Befristung

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Die Rechtsprechung des BGH zur Begrenzung und Befristung von Ehegattenunterhalt ist in ihrer Fülle erschlagend und in den Details kaum noch zu überblicken. Dazu daher die folgende umfassende Übersicht.  

     

    Übersicht: Begrenzung und Befristung des Ehegattenunterhalts

    Allgemeines: Der BGH hat viel zur Unterhaltsbegrenzung nach § 1578b BGB Stellung genommen und in zwei Richtungen seine Rechtsprechung sogar schon wieder geändert. Die Urteile finden Sie unter der Abruf-Nr. 111618 im Internet (www.iww.de. In diesen Entscheidungen hat der BGH klare Grundlagen zur Prüfung der Unterhaltsbegrenzung entwickelt, die an ehebedingten Nachteilen anknüpfen:  

     

    • Als erstes ist zu prüfen, ob der Unterhaltsberechtigte ehebedingte Nachteile erlitten hat. Diese Prüfung öffnet das Tor der Unterhaltsbegrenzung oder verschließt es. Sind die ehebedingten Nachteile höher oder genauso hoch wie der errechnete Unterhalt, kommt eine Unterhaltsbegrenzung nicht in Betracht. In diesem Fall endet die Prüfung schon hier.

     

    • Sind keine ehebedingten Nachteile gegeben oder sind sie geringer als der errechnete Unterhalt, ist sowohl eine Befristung als auch eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf mit dem Teil des Unterhalts möglich, der nach Ausgleich der ehebedingten Nachteile verbleibt.

     

    • Weiter ist zu prüfen, ob es dem Unterhaltsberechtigten zumutbar ist, sich mit dem Unterhaltsniveau zufrieden zu geben, das er mit seinen eigenen Einkünften sicherstellen kann, bzw. das ihm nach Ausgleich der ehebedingten Nachteile verbleibt. Daran orientiert sich das Ergebnis der Prüfung der Unterhaltsbegrenzung.

     

    • Im letzten Schritt ist sodann eine Übergangszeit zu bemessen, die der Unterhaltsberechtigte benötigt, um sich auf sie Kürzung des Unterhalts einzustellen.

     

    Anwendungsbereich: § 1578b BGB ermöglicht bei allen Anspruchsgrundlagen eine Herabsetzung des Unterhalts auf Null, wenn dies der Billigkeit entspricht. Das Gesetz regelt die Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf und die weitergehende Begrenzung in zwei Absätzen.  

     

    • Vorliegen ehebedingter Nachteile: Eine Befristung scheidet aus, wenn ehebedingte Nachteile auszugleichen sind. In diesem Fall kommt nur eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf in Betracht. Dieser bestimmt sich nach den Einkünften, die der Berechtigte ohne die Ehe erzielen könnte. Diese setzen sich aus dem tatsächlichen und den wegen der ehebedingten Nachteile nicht erzielten, aber durch den Unterhalt auszugleichenden Einkünften zusammen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass bei Vorliegen ehebedingter Nachteile immer nur eine Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1 BGB möglich ist, weil der Unterhalt zum Ausgleich ehebedingter Nachteile eingesetzt werden muss. Bei Vorliegen ehebedingter Nachteile kommt eine Befristung des Unterhalts nach § 1578b Abs. 2 BGB nicht in Betracht.

     

    • Kein Vorliegen ehebedingter Nachteile: Sind demgegenüber keine ehebedingten Nachteile gegeben, kommt nur eine Unterhaltsbefristung in Betracht, da der angemessene Lebensbedarf durch die eigenen Einkünfte schon sichergestellt ist und deswegen eine Herabsetzung des Unterhalts auf diesen angemessenen Lebensbedarf nicht möglich ist.

     

    Normzweck: Die Begrenzungsnorm bezweckt, die dauerhafte Aufrechterhaltung des ehelichen Lebensstandards aufzuweichen und den sich aufgrund der ehelichen Lebensverhältnisse ergebenden Unterhalt zeitlich zu begrenzen oder herabzusetzen. Es handelt sich um eine Einwendung, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGH FamRZ 90, 858). Ein Begrenzungsantrag muss deshalb vom Verpflichteten nicht gestellt werden. Der Klageabweisungsantrag umfasst vielmehr auch die zeitliche Begrenzung oder Herabsetzung des Unterhalts (OLG München FamRZ 97, 295).  

     

    Ehebedingte Nachteile: Diese sind gegeben, wenn der Berechtigte geringere Einkünfte erzielt, als er ohne die Ehe erzielen würde. Dabei ist wie folgt zu differenzieren:  

     

    • Ist der Unterhaltsberechtigte erwerbstätig, ist maßgeblich, ob er ohne die Einschränkung oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit während der Ehe nach der Scheidung ein höheres Einkommen erzielen würde. Dabei sind auch hypothetische berufliche Entwicklungen des Unterhaltsberechtigten, die mit Wahrscheinlichkeit eingetreten wären, zu berücksichtigen.

     

    Erwerbsbeeinträchtigungen aufgrund familiärer Bindungen, wie z.B. die Pflege von eigenen Verwandten, sind nicht auf die Ehe zurückzuführen und begründen keinen ehebedingten Nachteil (BGH FamRZ 07, 2049). Unmaßgeblich ist auch,
    • ob der pflichtige Ehegatte den anderen während der Ehe regelmäßig aufgefordert hat, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder
    • ob der bedürftige Ehegatte die Arbeitsstelle im Einverständnis des anderen Ehegatten aufgegeben hat (FK 11, 19);
    • dass der jetzige Arbeitsplatz nicht so sicher ist wie der wegen der Ehe aufgegebene. Ausnahme: Dies wirkt sich in bestimmter Weise aus, z.B. aufgrund Kündigung bei nicht ausreichendem Sozialschutz (BGH, a.a.O.).

     

    Es reicht, dass die Arbeitsstelle wegen der ehelichen Lebensgestaltung aufgegeben wurde.

     

    Die Höhe der ohne die Ehe erzielbaren Einkünfte kann geschätzt werden. Dabei sollten Tarifverträge ausgewertet werden (BGH, a.a.O.).

     

    Gibt es den bis zur Eheschließung ausgeübten Beruf des Berechtigten nicht mehr, ist hypothetisch zu prüfen, welchen Beruf er stattdessen ausüben würde. Dabei ist seine gesamte Arbeitsbiographie nebst Neigungen, Talenten und Leistungswillen zu beleuchten.

     

    • Ist der Unterhaltsberechtigte erwerbsunfähig, ist zu unterscheiden:

     

    • War er schon bei Eingehung der Ehe erwerbsunfähig, dürften ehebedingte Nachteile auszuschließen sein.

     

    • Wird er während der Ehe erwerbsunfähig, sind ehebedingte Nachteile gegeben, wenn es sich um eine Erwerbsbeeinträchtigung handelt, die mit der Ehe zusammenhängt. Diese muss auf der Rollenverteilung der Ehe oder sonstigen mit der Ehe zusammenhängenden Tatsachen beruhen (BGH FamRZ 10, 1057; 11, 713; BGH 30.3.11, n.v., Abruf-Nr. 111515). Dies ist der Fall z.B. bei Erkrankungen durch die Geburt eines Kindes, nicht aber bei einer trennungsbedingten Depression oder einem schlechten Verlauf der Ehe.

     

    Sonst ist zu unterscheiden:

     

    • Keine Erwerbsunfähigkeitsrente: Möglich sind auch ehebedingte Nachteile, wenn die Versorgungslage ohne die Ehe besser wäre als mit, etwa wenn die Mindestvoraussetzungen für eine Erwerbsunfähigkeitsrente durch die Ehe nicht erfüllt sind (BGH FK 09, 93; 150; 11, 713; BGH 30.3.11, n.v., Abruf-Nr. 111515). Voraussetzung ist nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, dass der Unterhaltsberechtigte in den letzten fünf Jahren vor der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre lang Pflichtbeiträge eingezahlt hat. War ihm dies wegen der Rollenverteilung in der Ehe nicht möglich, liegt im Verlust der Erwerbsunfähigkeitsrente ein ehebedingter Nachteil.

     

    • Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente: Soweit der Versorgungsausgleich (VA) stattgefunden hat, sind die ehebedingten Nachteile dadurch ausgeglichen (BGH FK 10, 186). Es besteht kein Raum mehr für einen unterhaltsrechtlichen Ausgleich, selbst wenn der Berechtigte bei vollschichtiger Tätigkeit ohne die Ehe höhere Anwartschaften erwirtschaftet hätte. Durch den VA sind beide Ehegatten in gleicher Weise betroffen, sodass ein Unterhaltsausgleich ehebedingter Nachteile unangemessen wäre (BGH FamRZ 11, 713; BGH 30.3.11, n.v., Abruf-Nr. 111515). Etwas anderes gilt nur, wenn der VA nicht zum angemessenen Ausgleich führt. Das ist z.B. der Fall, wenn ein Ehegatte schon bei Eingehung der Ehe Rentner war (BGH FK 10, 186).

     

    • Teilerwerbsunfähigkeit: Ist der Unterhaltsberechtigte teilweise erwerbsunfähig und geht er nur einer Teilzeittätigkeit nach, bemisst sich der ehebedingte Nachteil danach, welches Einkommen er ohne die Ehe durch die Teilzeittätigkeit erzielen würde. Keinesfalls darf das Einkommen aus der Teilzeittätigkeit mit einem ohne die Ehe erzielbaren Vollzeiteinkommen bei der Beurteilung der ehebedingten Nachteile verglichen werden. Grund: Der Berechtigte wäre auch ohne die Ehe nur zur Teilzeittätigkeit infolge der Erkrankung in der Lage.

     

    • Ist der berechtigte Ehegatte Rentenbezieher, ist zu unterscheiden:

     

    • VA wurde durchgeführt: Ist das der Fall, ist von der tatsächlichen Rente mit VA auszugehen. Ehebedingte Nachteile i.S. von § 1578b BGB können nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Anwartschaften begründet werden. Nachteile in der Versorgungsbilanz sind in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und damit vollständig ausgeglichen (BGH FamRZ 11, 713; BGH 30.3.11, n.v., Abruf-Nr. 111515). Etwas anderes gilt nur, wenn der VA nicht zum angemessenen Ausgleich führt, z.B. wenn ein Ehegatte schon bei Eingehung der Ehe Rentner war (BGH FK 10, 186).

     

    • Ausschluss des VA: Hat kein VA stattgefunden oder führt dieser nicht zum angemessenen Ergebnis (s.o.) liegt der ehebedingte Nachteil in der Differenz des tatsächlichen Renteneinkommens zu dem Renteneinkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe beziehen würde.

     

    • Ehebedingte Vorteile gleichen ehebedingte Nachteile aus: Dies ist z.B gegeben, wenn der Unterhaltsberechtigte aus einem in der Ehe erworbenen Vermögen Zinserträge erzielt und er ohne die Ehe ein solches Vermögen niemals hätte ansparen können.

     

    Billigkeit: Sind keine ehebedingten Nachteile gegeben oder durch einen Teil des geforderten Unterhalts ausgeglichen, ist zu prüfen, ob und welche Unterhaltsbegrenzung der Billigkeit entspricht. Die einzigen Billigkeitskriterien, die der BGH zunächst berücksichtigt hat, sind Dauer der Ehe und Alter des Unterhaltsberechtigten. Dabei stand weder eine 22-jährige Ehe noch ein Alter der Ehefrau von 42 oder 60 Jahren einer Unterhaltsbegrenzung entgegen. Letztlich kam dieser Billigkeitsabwägung nur eine ganz untergeordnete Bedeutung zu, sodass bei Nichtbestehen ehebedingter Nachteile im Regelfall eine Befristung des Unterhalts vorzunehmen war. Seit der Entscheidung vom 30.6.10 betont der BGH das Regel-Ausnahme-Verhältnis und verlangt eine umfassende Billigkeitsabwägung, bei der insbesondere die nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen ist (BGH FamRZ 10, 1414). Kriterien für die Billigkeitsprüfung sind:  

     

    • das Alter des Unterhaltsberechtigten,
    • die Ehedauer, wobei dieser besonderes Gewicht für die Prüfung der nachehelichen Solidarität zukommt (BGH FamRZ 11, 713),
    • die finanziellen Verhältnisse, wobei auch die Chance für einen Neuanfang berücksichtigt werden muss (BGH 30.3.11, Abruf-Nr. 111515). Dies bedeutet , dass allein die Berufung auf einen Neuanfang ausreicht. Konkrete Lebensplanungen müssen nicht einmal vorgetragen werden (!),
    • die Lebensleistung, die der bedürftige Ehegatte für die Ehe erbracht hat,
    • Erwerbsunfähigkeit,
    • Dauer des bisherigen Unterhaltsbezugs unabhängig davon, ob auch solche Zeiträume einbezogen werden, in denen eine Unterhaltsbegrenzung nicht in Betracht kommt, z.B. Trennungsunterhalt (BGH 30.3.11, a.a.O.),
    • Gestaltung von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit während der Ehe,
    • der Umstand, ob der Unterhalt vereinbart oder gerichtlich geregelt ist. Letzteres soll höheres Vertrauen auf den Fortbestand des Unterhalts begründen (BGH FamRZ 10, 1414) und
    • Betreuung gemeinsamer Kinder nach Trennung oder Scheidung durch einen der Ehegatten, auch wenn kein Anspruch auf Betreuungsunterhalt mehr besteht (BGH FamRZ 11, 713).

     

    Unerheblich ist dagegen,  

    • ob der Unterhaltsberechtigte durch die Begrenzung des Unterhalts sozialhilfebedürftig wird (BGH FamRZ 10, 1057),
    • dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch ohne Begrenzung des Unterhalts Sozialleistungen bezieht, sodass ihn die Begrenzung nicht trifft (BGH ) und
    • dass mit Begrenzung des Unterhalts auf Null spätere Anschlussunterhaltstatbestände entfallen, weil entsprechende Einsatzzeitpunkte nicht mehr gegeben sind. Auch dies spielt bei der Unterhaltsbegrenzung keine Rolle (BGH FK 09, 1).

     

    Übergangszeit: Das ist die Zeit von der Ehescheidung bis zur Unterhaltsbegrenzung. Sie findet ihren Grund darin, dass der Unterhaltsberechtigte nach der Ehescheidung Zeit benötigt, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen (BGH FamRZ 86, 886) und seine Lebensbedürfnisse auf das spätere - niedrigere - Unterhaltsniveau einzurichten. Keinesfalls soll er an den höheren Unterhalt gewöhnt werden. Zu veranschlagen ist also die Zeit, die dazu erforderlich ist. Auch hier ist eine Einzelabwägung vorzunehmen, und zwar  

    • Höhe der Unterhaltskürzung,
    • Höhe des eigenen verbleibenden Einkommens,
    • Ehedauer, da damit eine stärkere Verfestigung einhergeht, sodass dem Berechtigten mehr Zeit bleiben muss, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Einkünfte einzurichten, die er ohne die Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehegatten zur Verfügung hat;
    • Vertrauen auf den Fortbestand des ungekürzten Unterhalts. Von Bedeutung ist, mit welcher Gewissheit der Unterhaltsberechtigte mit einer Herabsetzung rechnen muss.

     

    Im Regelfall dürfte ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren ab Rechtskraft der Scheidung ausreichen. Fraglich ist, ob bei der Bemessung der Übergangszeit auch vorangegangene Zeiten des Unterhaltsbezugs berücksichtigt werden dürfen, wenn davon Zeiträume erfasst werden, in denen eine Unterhaltsbegrenzung nicht möglich war, z.B. die Zeit des Trennungsunterhalts oder der Unterhaltsbezug bis zum 31.12.07 beim Unterhalt wegen Krankheit (dagegen BGH FK 10, 93). Eine Begrenzung ohne Übergangszeit dürfte regelmäßig nicht in Betracht kommen. Dies dürfte dem Regel-Ausnahme-Verhältnis widersprechen (BGH FK 10, 186). Ausnahme: Der Berechtigte erzielt ein durch die Ehe bedingtes höheres Einkommen, als er ohne Ehe erzielen könnte. Bei derartigen ehebedingten Vorteilen kann eine Übergangszeit mangels Vertrauensschutzes entbehrlich sein.  

     

    Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf: Eine solche Herabsetzung des Unterhalts kommt in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtigte ehebedingte Nachteile erlitten hat. Diese sind mit dem Unterhalt auszugleichen. Daher kann der Unterhalt bis zur Höhe der ehebedingten Nachteile abgeschmolzen werden. Dies kann schrittweise oder nach einer angemessenen Übergangszeit durch eine einzige Kürzung geschehen. Anknüpfungspunkt für die Herabsetzung ist die Lebensstellung des Berechtigten, die er vor der Ehe hatte oder die er ohne die Ehe gehabt hätte. Der Begriff angemessen bringt zum Ausdruck, dass der Bedarf oberhalb des Existenzminimums und des notwendigen Unterhalts liegen soll (BGH FK 10, 19 und FK 10, 93).  

     

    Befristung des Unterhalts: Eine solche, die bis auf Null gehen kann, kommt nur in Betracht, wenn keine ehebedingten Nachteile gegeben sind. Grund: Der Unterhalt kann in Höhe der ehebedingten Nachteile nicht begrenzt werden (BGH FK 11, 22 und FK 11, 19). Das bedeutet, dass bis zur Höhe der ehebedingten Nachteile eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf vorzunehmen ist. Mit dieser Begrenzung hat der Berechtigte seinen angemessenen Lebensbedarf, den er ohne die Ehe erlangt hätte. Eine Befristung scheidet aus, weil durch eine weitere Reduzierung des Unterhalts die ehebedingten Nachteile wieder entstehen würden. Daher kommt eine Befristung nur in Betracht, wenn keine ehebedingten Nachteile gegeben sind. In diesem Fall scheidet eine Herabsetzung aus, weil der Berechtigte schon seinen angemessenen Lebensbedarf selbst sicherstellt und eine Herabsetzung des Unterhalts dazu nicht erforderlich ist. Ob die Befristung nach einer angemessenen Übergangszeit durch eine einzige Kürzung oder schrittweise erfolgt, ändert an dem Charakter als Befristung nichts. Letztlich ist aufgrund einer Billigkeitsabwägung unter nochmaliger Abwägung der Kriterien der Billigkeit zu entscheiden, in welcher Höhe der Unterhalt zu kürzen ist.  

     

    Darlegungs- und Beweislast: Da die Begrenzungsvorschrift eine Einwendung ist, hat der Verpflichtete die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Billigkeitsgründe, die eine zeitliche Begrenzung rechtfertigen (BGH FamRZ 90, 857; FK 10, 165). Er muss also grundsätzlich beweisen, dass der Berechtigte keine ehebedingten Nachteile erlitten hat. Hat er solche Tatsachen vorgetragen, hat es nach früherer Ansicht des BGH dem Berechtigten oblegen, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere Schonfrist sprechen (BGH FamRZ 08, 1325). Diese Ansicht hat der BGH inzwischen aufgegeben. Nun verbleibt es dabei, dass der Unterhaltspflichtige das Nichtvorliegen ehebedingter Nachteile beweisen muss. Allerdings obliegt es dem Berechtigten, die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substanziiert zu bestreiten und seinerseits darzulegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen diesen Anforderungen genügt, muss der Schuldner die ehebedingten Nachteile widerlegen. Dazu ist ein plausibler Vortrag erforderlich, in dem zur Befähigung, den Neigungen, den Talenten und dem Leistungswillen Stellung zu nehmen ist (BGH FK 10, 165; 11, 37). Daher muss die Arbeitsbiografie des Berechtigten genau beurteilt werden. Darauf muss die Plausibilität des Vorbringens des Berechtigten überprüft werden. Das Vorbringen üblicher Einkommenssteigerungen durch Betriebszugehörigkeit oder Berufserfahrung dürfte hinreichend substanziiert sein. Das Einkommen aufgrund hypothetischer Karriereverläufe darf vom Gericht geschätzt werden, wenn ausreichend Grundlagen vorgetragen sind (BGH FK 11, 19).  

     

    Kombination: Die zeitliche Begrenzung und die zeitliche Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1 und 2 BGB können miteinander kombiniert werden. Der Unterhalt kann also für eine Übergangszeit auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt und nach einer weiteren Übergangszeit völlig versagt werden. Dazu dürfte es aber in der Praxis kaum kommen. Sind ehebedingte Nachteile vorhanden, die mit einem Teil des Unterhalts ausgeglichen werden müssen, kommt nur eine Herabsetzung nach Abs. 1 in Betracht. Dabei darf das Existenzminimum nicht unterschritten werden. Erzielt der Berechtigte Einkünfte, die nicht von ehebedingten Nachteilen betroffen sind, kommt nur eine Befristung in Betracht, da der angemessene Lebensbedarf schon durch eigene Einkünfte sichergestellt wird. Stufenweise Herabsetzungen oder Befristungen bewegen sich im Rahmen der jeweiligen Begrenzungsalternative nach Abs.1 oder 2, haben aber nichts mit einer Kombination zu tun. Liegen die vom Berechtigten erzielten Einkünfte unter dem Existenzminimum, bestehen aber keine ehebedingten Nachteile, kommt nur eine Befristung nach Abs. 2 in Betracht. Hier dürfte aber die Sicherstellung des Existenzminimums nicht erforderlich sein. Andernfalls ließe sich eine Kombination beider Begrenzungsmöglichkeiten nicht vorstellen.  

     

    Beispiel: Ehefrau F hat vor der Ehe Einkünfte von nicht mehr als 700 EUR erzielt. Ihr jetziges Einkommen beträgt 600 EUR. Sie hat einen Unterhaltsanspruch von 400 EUR. Ehebedingte Nachteile sind in Höhe von 100 EUR gegeben. Ein Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf würde jedoch zum Unterhalt von 170 EUR führen, da der angemessene Lebensbedarf bei 770 EUR (Existenzminimum) liegt und dies durch die Herabsetzung nicht unterschritten werden darf. Da ehebedingte Nachteile i.H. von 100 EUR gegeben sind, stellt sich jedoch die Frage, ob nicht nach § 1578b Abs. 2 BGB auf 100 EUR befristet werden darf. Dies wäre nur möglich, wenn bei der Befristung das Existenzminimum unterschritten werden darf. Dies müsste zulässig sein, da sonst eine Kombination aus Abs. 1 und 2 nicht denkbar ist (s. oben Punkt Kombination).  

     

    Abänderungsverfahren: Im Regelfall sind die für die Unterhaltsbegrenzung erforderlichen Umstände bereits im Erstverfahren bekannt, sodass über die Unterhaltsbegrenzung auch in diesem Verfahren zu entscheiden ist (BGH FamRZ 00, 1499). Im späteren Abänderungsverfahren kann daher die erstmalige Geltendmachung der Unterhaltsbegrenzung nur Erfolg haben, wenn die Präklusionswirkung des § 323 Abs. 2 ZPO bzw. § 238 Abs. 2 FamFG nicht eingreift. Dies ist wegen mangelnder Überschaubarkeit der Billigkeitskriterien der Fall, wenn im Erstverfahren keine sichere Prognose bezüglich der ehebedingten Nachteile möglich war (BGH, a.a.O.) oder nachträglich neue Umstände für eine entsprechende Billigkeitsentscheidung eingetreten sind, wie z.B. der Wegfall ehebedingter Nachteile (BGH FamRZ 01, 905). Eine Befristung im Erstverfahren war insbesondere auch nicht möglich, wenn dort noch die Anrechnungsmethode angewendet wurde. Dieser Berechnungsmethode standen die ehebedingten Nachteile auf die Stirn geschrieben. Denn das Einkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, der bis zur Trennung den Haushalt geführt hat, wurde nicht beim Bedarf berücksichtigt. Es wurde vielmehr auf den Bedarf angerechnet. Folge war, dass eine Unterhaltsbegrenzung nicht in Betracht kommen konnte.  

     

    Die Präklusion ist auch für künftige Abänderungsmöglichkeiten aufgrund § 1578b BGB n.F. bedeutsam. In der Übergangsvorschrift nach § 36 Nr. 1 EGZPO ist hervorgehoben, dass nur solche Umstände eine Abänderung rechtfertigen, die erstmals durch die Unterhaltsreform erheblich geworden sind. Dies bedeutet, dass alle bereits nach altem Recht erheblichen Umstände keine Abänderung rechtfertigen können. Diese sind präkludiert. Daher wird in allen Abänderungsverfahren zu prüfen sein, ob der Unterhalt nicht schon nach altem Recht zu begrenzen gewesen wäre. Auch für diese Beurteilung sind die oben (bei Allgemeines) erwähnten BGH-Entscheidungen maßgebend.  

     

    Der BGH hat mit der ersten Entscheidung zur Unterhaltsbegrenzung vom April 06 seine Rechtsprechung geändert (BGH FK 06, 166). Da die Änderung der BGH-Rechtsprechung ein Abänderungsgrund ist, dürfte i.d.R. die Abänderbarkeit von Titeln, die vor April 06 errichtet worden sind, keine Probleme bereiten. Ist in Entscheidungen nach April 06 eine Unterhaltsbegrenzung versäumt worden, obwohl die Voraussetzungen dafür vorlagen, soll eine spätere Unterhaltsbegrenzung präkludiert sein. Anmerkung: Obwohl der BGH mit der Entscheidung vom 30.6.10 (FamRZ 10, 1414) im Unterschied zu früheren Entscheidungen eine umfassende Billigkeitsprüfung verlangt, hält er an der Präklusionswirkung der Entscheidung von April 06 fest. Die ist bedenklich.  

     

    Was die Beweislast für ehebedingte Nachteile insbesondere bei hypothetischen Karriereverläufen anbelangt, hat der BGH mit der Entscheidung vom 24.3.10 seine Rechtsprechung geändert (FK 10, 165). Dies stellt seinerseits einen Abänderungsgrund dar.  

     

    Wird allerdings der nacheheliche Unterhalt erstmals durch Vergleich geregelt, ist eine spätere Begrenzung ohne Präklusionsbedenken oder Veränderung der Verhältnisse möglich. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass bei der erstmaligen Regelung des nachehelichen Unterhalts die Unterhaltsbegrenzung keine Rolle gespielt hat (BGH FamRZ 10, 1238).  

     

    Betreuungsunterhalt: Dieser ist nicht zu begrenzen. Davon ist jedoch der Aufstockungsteil eines einheitlichen Unterhalts zu unterscheiden. Ist der Unterhalt höher als das vom Berechtigten durch eine vollschichtige Tätigkeit erzielbare Einkommen, beruht der über das aus einer Vollzeittätigkeit erzielbare Einkommen hinausgehende Teil des Unterhalts nicht auf der Kinderbetreuung. Vielmehr beruht er darauf, das dieser Ehegatte nicht in der Lage ist, den eheangemessenen Bedarf selbst sicherzustellen. Durch den Betreuungsunterhalt sollen nur die Erwerbseinbußen ausgeglichen werden, die bei dem Betreuenden durch die Kinderbetreuung eingetreten sind. Solche Erwerbseinbußen sind nicht mehr gegeben, wenn der Unterhalt das erzielbare Einkommen des bedürftigen Ehegatten abdeckt. Ist er höher als das erzielbare Einkommen, beruht dieser weitergehende Unterhalt auf § 1573 Abs. 2 BGB. Dieser Aufstockungsteil ist zu begrenzen, wenn die Voraussetzungen des § 1578b BGB vorliegen, also insbesondere etwaige ehebedingte Nachteile durch den unangetastet gebliebenen Unterhalt ausgeglichen sind, wenn das Kindeswohl dem nicht entgegensteht und die Erziehung und Betreuung des Kindes sichergestellt ist (BGH FamRZ 09, 1391; 1124).  

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2011 | Seite 91 | ID 145410