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  • · Fachbeitrag · Testament

    Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung gegenüber einem testierunfähigen Ehegatten

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderbon

    Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament kann auch gegenüber einem testierunfähigen Ehegatten erklärt werden. Es genügt der Zugang der notariell beurkundeten Widerrufserklärung an einen für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellten Ersatzbetreuer, auch wenn dieser ein Abkömmling des Erblassers ist (OLG Nürnberg 6.6.13, 15 W 764/13, Abruf-Nr. 132717).

     

    Sachverhalt

    Mit gemeinschaftlichem handschriftlichem Testament aus 1999 setzten sich der Erblasser und seine Ehefrau gegenseitig zu Erben ein und bestimmten ihre Kinder zu Schlusserben, wobei sie weitere Bestimmungen für die Teilung des Nachlasses trafen.

     

    Mit Beschluss vom 27.6.12 ordnete das AG die vorläufige, auf ein halbes Jahr befristete, Betreuung für den Erblasser an. Die Betreuung umfasste unter anderem den Aufgabenkreis der Vermögenssorge. Zur Betreuerin wurde die Ehefrau des Erblassers und zur Ersatzbetreuerin deren gemeinsame Tochter bestellt.

     

    Mit notarieller Urkunde vom 2.8.12 widerrief die Ehefrau gegenüber dem Erblasser, vertreten durch dessen Ersatzbetreuerin, die von ihr im gemeinschaftlichen Testament von 1999 „getroffenen Verfügungen in vollem Umfang“. Die Tochter nahm als Ersatzbetreuerin diesen Widerruf in genannter notarieller Urkunde als Ersatzbetreuerin für den Erblasser an.

     

    Nach dem Tod des Erblassers beantragen die Ehefrau und die gemeinsamen Kinder die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Erben gemäß der gesetzlichen Erbfolge ausweist. Zur Begründung führen sie aus, dass das gemeinschaftliche Testament von 1999 wirksam widerrufen worden und eine weitere Verfügung von Todes wegen nicht vorhanden sei.

     

    Entscheidungsgründe

    Enthält ein gemeinschaftliches Testament - wie hier - keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss diese nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede einzelne Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments gesondert geprüft werden. Das in § 2270 Abs. 1 BGB beschriebene Verhältnis bezieht sich nämlich nicht auf das Testament als solches, sondern immer nur auf darin enthaltene einzelne Verfügungen. Hier war Wechselbezüglichkeit gegeben.

     

    Die Ehefrau hat ihre im gemeinschaftlichen Testament von 1999 getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen wirksam widerrufen. Gemäß § 2271 Abs. 1 BGB hat der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament zu Lebzeiten der Ehegatten nach der für den Rücktritt vom Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296 BGB zu erfolgen. Dies setzt eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten, die der notariellen Beurkundung bedarf und dem anderen Ehegatten zugehen muss (§ 2296 Abs. 2 BGB, § 2271 Abs. 1 BGB), voraus. Der Widerruf gegenüber einem testierunfähigen Ehegatten erfordert den Zugang der Erklärung beim Betreuer als dessen gesetzlichen Vertreter (§ 131 BGB). Dieser muss für den erforderlichen Aufgabenkreis bestellt sein, wobei eine Bestellung wenigstens für die Vermögenssorge genügt.

     

    Die Tochter konnte aufgrund ihrer Bestellung zur Ersatzbetreuerin als gesetzliche Vertreterin des Erblassers (§ 1902 BGB) die Widerrufserklärung der Ehefrau entgegennehmen. Gemäß § 1899 Abs. 4 BGB kann das Gericht mehrere Betreuer auch in der Weise bestellen, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, wenn der andere verhindert ist. Dieser Fall liegt vor, da die den Widerruf erklärende Hauptbetreuerin gemäß § 1908i Abs. 1 BGB, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 181 BGB an der Vertretung ihres Ehemanns zum Empfang der Widerrufserklärung gehindert war. Das Tatbestandsmerkmal der Verhinderung i.S. des § 1899 Abs. 4 BGB umfasst nicht nur die tatsächliche, sondern auch die rechtliche Verhinderung. Die Erklärung des Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments konnte grundsätzlich rechtswirksam gegenüber der Tochter des Erblassers als dessen Ersatzbetreuerin erklärt werden, weil die Entgegennahme einer Widerrufserklärung - ebenso wie eine Rücktrittserklärung - keine rechtsgeschäftliche Handlung ist. Denn nach § 130 Abs. 1 BGB, § 131 Abs. 2 BGB ist nur der Zugang der Willenserklärung maßgebend.

     

    Der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung eines Ehegatten bewirkt nach § 2270 Abs. 1 BGB, dass auch die entsprechenden Verfügungen des anderen Ehegatten unwirksam werden. Mangels Vorhandenseins einer wirksamen letztwilligen Verfügung ist damit gesetzliche Erbfolge eingetreten.

     

    Praxishinweis

    Grundsätzlich kann ein gemeinschaftliches Testament auch gegenüber einer geschäfts- bzw. testierunfähigen Person widerrufen werden (Palandt/Weidlich, BGB, § 2271 Rn. 6). Der Zulassung des Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments gegenüber einem testierunfähigen Ehepartner steht nicht entgegen, dass dieser hierauf nicht mit einer neuen letztwilligen Verfügung reagieren kann. Der Widerruf muss jedoch dem Betreuer bzw. Vermögenssorgeberechtigten zugehen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Slabon, Notarielles Testament: Eheleute bestimmen Nacherben, aber keine Schlusserben, ErbBstg 12, 154 f.
    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 218 | ID 42261855

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