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  • · Fachbeitrag · Pflichtteilsstrafklausel

    Keine Einsetzung von Schlusserben

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    Enthält eine gemeinschaftliche letztwillige Verfügung zwar eine Pflichtteilsstrafklausel, aber keine Einsetzung von Schlusserben und ergibt sich aus der Auslegung der Klausel und aller anderen maßgeblichen Umstände der Errichtung nicht, ob die Eheleute über den im Erbvertrag verbalisierten Regelungsgehalt hinaus den Willen zu einer Schlusserbeneinsetzung gehabt haben, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Erblasser lediglich den Strafcharakter der Pflichtteilsstrafklausel als Inhalt ihrer letztwilligen Verfügung wollten, nicht jedoch eine Schlusserbeneinsetzung ihrer Kinder (OLG Düsseldorf 14.1.14, I-3 Wx 64/13, Abruf-Nr. 140444).

     

    Sachverhalt

    Die Erblasserin schloss gemeinsam mit ihrem Ehemann einen notariellen Erbvertrag. Darin setzten sie sich gegenseitig zu uneingeschränkten Alleinerben ein, „ohne Rücksicht darauf, dass pflichtteilsberechtigte Erben vorhanden sind oder in Zukunft noch sein werden“. Der Erbvertrag enthielt aber dennoch eine Pflichtteilsstrafklausel. Danach sollen für den Fall, dass einer der Abkömmlinge aus dem Nachlass des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, nach dem Tode des Überlebenden ebenfalls nur den Pflichtteil erhalten.

     

    Nach dem Tod ihres Ehemanns testierte die Erblasserin neu und setzte mit handschriftlichem Testament ihren Sohn S zum Alleinerben ein. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte Sohn S einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein. Dem traten die beiden Geschwister des S entgegen. Sie machen geltend, in der Pflichtteilsstrafklausel liege zugleich eine Schlusserbeneinsetzung der drei Abkömmlinge. Aufgrund der Bindungswirkung sei die Erblasserin gehindert gewesen, abweichend hiervon zu testieren.

     

    Entscheidungsgründe

    Bei nicht eindeutigem und daher auslegungsbedürftigem Wortlaut der letztwilligen Verfügung ist nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist der Wortsinn der vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten sagen wollte und ob er mit ihnen genau das unmissverständlich wiedergegeben hat, was er ausdrücken wollte. Diese eigentliche, erläuternde Auslegung hat festzustellen, welchen Inhalt die Erklärung hat, während die ergänzende Auslegung den Zweck verfolgt, Lücken der rechtsgeschäftlichen Erklärung zu schließen.

     

    Auslegungsprobleme ergeben sich, wenn ein gemeinschaftliches Testament - wie hier - zwar eine Pflichtteilsstrafklausel, aber keine Einsetzung von Schlusserben enthält. Einigkeit besteht darin, dass eine Sanktionsklausel gegen die pflichtteilsberechtigten gemeinschaftlichen Kinder der Ehegatten unter Umständen als bindende Schlusserbeneinsetzung für den Fall, dass sie nicht den Pflichtteil verlangen, auszulegen sein kann (OLG München 16.7.12, 31 Wx 290/11, FGPrax 12, 205 f.). Andererseits ist der Pflichtteilsstrafklausel allein nicht zwingend eine stillschweigende Schlusserbeneinsetzung zu entnehmen (OLG Hamm 26.2.04, 15 W 486/03, NJW-RR 04, 1520; OLG Karlsruhe 19.1.06, 14 Wx 28/05, ErbBstg 06, 245). Die Pflichtteilsstrafklausel genügt aber als Anhaltspunkt für eine solche Auslegung, wenn der Gesamtzusammenhang des Erbvertrags oder weitere Umstände (auch außerhalb der letztwilligen Verfügung) dafür sprechen (OLG München 29.3.06, 31 Wx 7/06, 31 Wx 8/06, ZEV 06, 411; OLG Frankfurt 2.8.10, 20 W 49/09, DNotZ 11, 552, 553).

     

    Andererseits wird dann, wenn sich aus der Auslegung nicht ergibt, ob eine stillschweigende Schlusserbeneinsetzung oder nur eine „reine“ Pflichtteilsstrafklausel gewollt war, im Zweifel davon auszugehen sein, dass die Erblasser lediglich den Strafcharakter der Pflichtteilsstrafklausel als Inhalt ihrer letztwilligen Verfügung wollten, nicht jedoch eine Schlusserbeneinsetzung ihrer Kinder.

     

    Hier gibt der weitere Wortlaut des Erbvertrags keinen Hinweis auf einen den unmittelbaren Regelungsgehalt einer gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute in Verbindung mit der Sanktion einer Geltendmachung des Pflichtteils beim ersten Erbfall überschreitenden, auf eine Schlusserbeneinsetzung der Kinder gerichteten Willen. Folglich war die Erblasserin nach dem Tode ihres Ehemanns nicht daran gehindert, den Sohn S zum Alleinerben einzusetzen.

     

    Praxishinweis

    Insbesondere für den Fall der notariellen letztwilligen Verfügung darf angenommen werden, dass eine Pflichtteilsstrafklausel nicht gleichzeitig und für sich genommen - quasi konkludent - als Schlusserbeneinsetzung der Abkömmlinge auszulegen ist. Beide Regelungen haben einen anderen Gehalt.

     

    Die Pflichtteilsstrafklausel schützt in erster Linie den überlebenden Ehegatten und nicht denjenigen der Abkömmlinge, der den Pflichtteil beim Tod des Erstverstorbenen nicht geltend gemacht hat. Auch spricht eine Vermutung dafür, dass rechtlich beratene Parteien bei der Testamentserrichtung über die Frage der Schlusserbeneinsetzung gesprochen haben werden. Unterbleibt dann eine Regelung, wird die „Nichtregelung“ auch so gewollt gewesen sein und darf nicht mittels Auslegung durch eine Regelung ersetzt werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 97 | ID 42585778

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