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  • · Fachbeitrag · Vorweggenommene Erbfolge

    BFH schafft Klarheit bei teilentgeltlichen Grundstücksübertragungen

    von Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

    | Grundstücksübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf potenzielle Erben sind ein beliebtes Mittel, um Abkömmlinge, die zu den potenziellen Erben gehören, bereits zu Lebzeiten vermögensmäßig zu bedenken. Hierbei kommt es häufig zu Gleichstellungszahlungen und damit zu teilentgeltlichen Übertragungen. Einkommensteuerlich ist in derartigen Fällen jedoch Vorsicht geboten, denn nicht nur entgeltliche, sondern auch teilentgeltliche Übertragungen können die Rechtsfolgen der Veräußerungsgewinnbesteuerung des § 23 EStG auslösen. |

    1. Anwendung von § 23 EStG bei teilentgeltlichen Übertragungen

    Wird ein Grundstück teilentgeltlich übertragen, war in der Finanzgerichtsrechtsprechung eine Zeit lang umstritten, ob § 23 EStG bei derartigen Übertragungen überhaupt greift. Denn das niedersächsische FG (29.5.24, 3 K 36/24) hatte entschieden, dass § 23 EStG bei einer teilentgeltlichen Übertragung keine Anwendung finden dürfe (siehe hierzu EE 24, 196).

     

    Dem ist der BFH jedoch jüngst entgegengetreten (BFH 11.3.25, IX R 17/24, Abruf-Nr. 248391) und hat damit die bislang von der Finanzverwaltung praktizierte Besteuerung teilentgeltlicher Übertragungen eindeutig bestätigt. Erfolgt eine Grundstücksübertragung unentgeltlich oder teilentgeltlich, ist daher bei Prüfung der Besteuerung nach § 23 EStG wie folgt vorzugehen:

     

    • Bei voll unentgeltlicher Übertragung ergibt sich beim Übertragenden schon mangels Gegenleistung keine steuerpflichtige Veräußerung nach § 23 EStG. Der Grundstücksübernehmer muss jedoch beachten, dass ihm die Anschaffung oder Überführung ins Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen ist (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG).

     

    • Bei teilentgeltlicher Übertragung kann sich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft hinsichtlich des entgeltlich erworbenen Teils ergeben. Hier gilt die sog. Trennungstheorie (BFH 29.6. 2011, X R 28/12).

     

    Bei Grundstücksübertragungen im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge sollte die Veräußerungsgewinnbesteuerung des § 23 EStG daher in jedem Fall bereits im Vorfeld geprüft werden, um im Nachhinein unliebsame Überraschungen durch nicht vorhergesehene und nicht eingeplante steuerliche Belastungen zu vermeiden. Welche steuerlichen Rechtsfolgen im Sinne von § 23 EStG sich nun konkret ergeben, wenn ein Grundstück im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge teilentgeltlich übertragen wird, soll an den nachfolgenden Beispielen erläutert werden.

     

    • Beispiel 1

    Vater V ist Eigentümer eines zum 1.1.15 für 600.000 EUR erworbenen, vermieteten Zweifamilienhauses. Er überträgt das Grundstück zum 1.1.23 auf seinen Sohn S, der das Objekt weiterhin durch Vermietung nutzt. Das Grundstück hat zum Übertragungszeitpunkt einen Verkehrswert in Höhe von 700.000 EUR (darin enthaltener Anteil an Grund und Boden: 140.000 EUR). Der Sohn leistet entsprechend der vertraglichen Regelung ein Gleichstellungsgeld in Höhe von 350.000 EUR an seine Schwester T. V hat das Zweifamilienhaus im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG von einer AfA ‒ Bemessungsgrundlage in Höhe von 480.000 EUR mit jährlich 2 % = 9.600 EUR abgeschrieben.

     

    Lösung: Hier löst die Grundstücksübertragung bei V eine Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 23 Abs. 1 S. 3 EStG aus, denn die Übertragung auf S erfolgt innerhalb des zehnjährigen Veräußerungszeitraums des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, und sie erfolgt teilentgeltlich zu 50 %, da S bezogen auf den Verkehrswert von 700.000 EUR zum Zeitpunkt der Übertragung 350.000 EUR an seine Schwester leisten muss und ihm insoweit Anschaffungskosten entstehen.

     

    Der bei V entstehende Veräußerungsgewinn berechnet sich wie folgt:

    Veräußerungserlös

    350.000 EUR

    Abzüglich Anschaffungskosten 600.000 EUR × 50 %

    300.000 EUR

    Abzüglich bisher in Anspruch genommene AfA (§ 23 Abs. 3 S. 4 EStG) 4.800 EUR × 8 Jahre

     

    −38.400 EUR

    −261.600 EUR

    Veräußerungsgewinn

    88.400 EUR

     
    • Fortführung von Beispiel 1

    S wandert in 2025 nach Kanada aus und will das bislang vermietete Zweifamilienhaus für 750.000 EUR zum 1.1.26 veräußern. S hat das Objekt (bezogen auf den entgeltlich erworbenen Teil) in 2023 ‒ 2025 nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG mit jährlich 2 % von 280.000 EUR = 5.600 EUR abgeschrieben.

     

    Lösung: S hat das Zweifamilienhaus zum 1.1.23 teilentgeltlich erworben und will das Objekt innerhalb des zehnjährigen Veräußerungszeitraums des § 23 EStG zum 1.1.26 veräußern. Dies löst eine Gewinnbesteuerung aus, die sich aber nur auf den entgeltlich erworbenen Teil (Gleichstellungsbetrag an T) bezieht. Hinsichtlich des unentgeltlich übertragenen Teils bestimmt § 23 Abs. 1 S. 3 EStG, dass dem Einzelrechtsnachfolger (S) die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger (V) zuzurechnen ist. Da diese bereits zum 1.1.15 erfolgt ist, liegt die Veräußerung insoweit außerhalb des Zehnjahreszeitraums.

     

    Berechnung des Veräußerungsgewinns:

    Veräußerungserlös

    375.000 EUR

    Abzüglich Anschaffungskosten

    350.000 EUR

    Abzüglich bisher in Anspruch genommene AfA 5.600 EUR x 3 Jahre = 16.800 EUR

     

    −16.800 EUR

    −333.200 EUR

    Steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn

    41.800 EUR

     
    • Beispiel 2

    Vater A gibt in 2018 seinen in Köln belegenen Betrieb auf. Zum Betriebsvermögen gehörte ein 1970 angeschafftes unbebautes Grundstück (Bauland), das im Rahmen der Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) mit einem gemeinen Wert von 100.000 EUR angesetzt wurde. A überträgt das Grundstück in 2022 auf seinen Sohn B, der, orientiert am Verkehrswert zum Zeitpunkt der Übertragung (140.000 EUR), seinen Bruder C mit 70.000 EUR auszahlen muss.

     

    B hatte ursprünglich vor, das Grundstück mit einem Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke zu bebauen. Da er jedoch aus beruflichen Gründen seinen Wohnsitz nach München verlegen muss, veräußert er das Grundstück in 2025 für 160.000 EUR.

     

    Lösung: Auch hier ergibt sich sowohl für A als auch für B jeweils ein nach § 23 EStG steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn.

     

    • Veräußerungsgewinn A
    • A hat bei der teilentgeltlichen Übertragung des Grundstücks in 2022 nicht bedacht, dass seine Betriebsaufgabe in 2018 zu einem fiktiven Anschaffungsvorgang im Sinne des § 23 EStG geführt hat. Denn nach § 23 Abs. 1 S. 2 EStG gilt als Anschaffung im Sinne des § 23 EStG auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe. Entsprechend hat die in 2022 und damit innerhalb des zehnjährigen Veräußerungszeitraums des § 23 EStG erfolgte teilentgeltliche Grundstücksübertragung eine Veräußerungsgewinnbesteuerung in folgender Höhe ausgelöst.

    Teilentgelt (Auszahlungsbetrag)

    70.000 EUR

    Abzüglich Entnahmewert 100.000 EUR, davon 50 %

    −50.000 EUR

    Steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG

    20.000 EUR

     

    • Veräußerungsgewinn B
    • Bei B löst die Veräußerung in 2025 eine Veräußerungsgewinnbesteuerung in zweierlei Hinsicht aus:

     

      • Bezüglich des zur Hälfte entgeltlich erworbenen Teils sind dem anteiligen Veräußerungsentgelt von 80.000 EUR die Anschaffungskosten in Höhe von 70.000 EUR gegenüberzustellen, sodass sich ein Gewinn von 10.000 EUR ergibt.
    •  
      • Bezüglich des unentgeltlich erworbenen hälftigen Teils sind dem anteiligen Veräußerungserlös in Höhe von 80.000 EUR die anteiligen (fiktiven) Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers A in Höhe des anteiligen Entnahmewerts von 50.000 EUR gegenüber zu stellen, so dass sich ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 30.000 EUR ergibt. Denn bei einem unentgeltlichen Erwerb ist dem Einzelrechtsnachfolger (B) die Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger (A) zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG). Da die Entnahme durch A in 2018 erfolgte, findet die Veräußerung in 2025 innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist statt.
     

    2. Kein Gestaltungsmissbrauch

    Bei einer unentgeltlichen und damit auch teilentgeltlichen Übertragung ist die Annahme von Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) ausgeschlossen (BFH 23.4.21, IX R 8/20). Denn die unentgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung des Grundstücks an einen Dritten, der das Grundstück sodann innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG veräußert (Beispiel 2), unterfällt dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG und stellt daher ungeachtet der zeitlichen Nähe zwischen Übertragung und Weiterveräußerung grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO dar.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2025 | Seite 214 | ID 50634303